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12.09.2018 - 13:15Historisches Urteil stärkt Rechte von Homosexuellen in Indien
Anfang September erklärte Indiens Oberster Gerichtshof einstimmig den Paragraphen 377 des Indischen Strafgesetzbuches für verfassungswidrig. Der vor fast 160 Jahren unter britischer Kolonialherrschaft eingeführte Paragraph stellte homosexuelle Handlungen unter Strafe. Frank Hoffmann, Projektmanager Südasien der Stiftung für die Freiheit, berichtet über den jahrzehntelangen Kampf , der dem Urteil vorausging, und über die Bedeutung dieser Entwicklung für LGBTI-Rechte im Land.
Nach einer ersten erfolgreichen Klage im Jahr 2001 wurde der Paragraph bereits im Jahr 2009 schon einmal für verfassungswidrig erklärt. Dieses Urteil wurde nach Klagen religiöser Gruppen im Jahr 2013 allerdings wieder aufgehoben. Seitdem habe der Oberste Gerichtshof durch ihre Entscheidungen die Bürgerrechte in Indien jedoch gestärkt, konstatiert Hoffmann. "So erkannten die Richter bereits im Jahr 2014 ein weiteres Geschlecht neben männlich und weiblich an und forderten die Regierung auf per Gesetz die Rechte von Transgender-Personen zu stärken – das Gesetz ist allerdings bis heute nicht verabschiedet", erklärt er. Im Jahr 2017 befanden die Richter des Weiteren, dass das durch die Verfassung geschützte Recht auf Leben und Recht auf Eigentum auch das Recht auf Privatsphäre einschließt. In ihrer damaligen Urteilsbegründung führten die Richter explizit aus, dass sexuelle Intimität und sexuelle Orientierung ebenso dadurch geschützt sind.
Das neue Urteil sei auch ein Zeugnis gesellschaftlichen Wandels in Indien, so Hoffmann weiter. "Die erste Gay Pride in Indien fand 2008 statt, 2009 gab es gerade mal in einer Handvoll indischer Städte ähnliche Veranstaltungen, oft mit nur ein paar dutzend Teilnehmern. Im Jahr 2018 gibt es kaum noch eine indische Großstadt, in der keine Gay Pride stattfindet", hebt er hervor. An der Mumbai Pride, der größten indischen Gay Pride, nahmen 2018 deutlich über 10.000 Menschen teil. Außerhalb der Großstädte sei es für LGBT-Menschen aber nach wie vor fast unmöglich, sich zu seiner sexuellen Orientierung oder sexuellen Identität zu bekennen. Das Gerichtsurteil habe damit für viele Menschen in Indien eine überwiegend symbolische Wirkung. Allerdings blieben das Recht auf Ehe und die Adoption von Kindern sowie das Erbschaftsrecht von dem Urteil weiterhin unberührt. Der Kampf für gesellschaftliche Akzeptanz und Gleichberechtigung werde vor diesem Hintergrund noch Jahrzehnte dauern. (ch)
Historisches Urteil stärkt Rechte von Homosexuellen in Indien
Anfang September erklärte Indiens Oberster Gerichtshof einstimmig den Paragraphen 377 des Indischen Strafgesetzbuches für verfassungswidrig. Der vor fast 160 Jahren unter britischer Kolonialherrschaft eingeführte Paragraph stellte homosexuelle Handlungen unter Strafe. Frank Hoffmann, Projektmanager Südasien der Stiftung für die Freiheit, berichtet über den jahrzehntelangen Kampf [1], der dem Urteil vorausging, und über die Bedeutung dieser Entwicklung für LGBTI-Rechte im Land.
Nach einer ersten erfolgreichen Klage im Jahr 2001 wurde der Paragraph bereits im Jahr 2009 schon einmal für verfassungswidrig erklärt. Dieses Urteil wurde nach Klagen religiöser Gruppen im Jahr 2013 allerdings wieder aufgehoben. Seitdem habe der Oberste Gerichtshof durch ihre Entscheidungen die Bürgerrechte in Indien jedoch gestärkt, konstatiert Hoffmann. "So erkannten die Richter bereits im Jahr 2014 ein weiteres Geschlecht neben männlich und weiblich an und forderten die Regierung auf per Gesetz die Rechte von Transgender-Personen zu stärken – das Gesetz ist allerdings bis heute nicht verabschiedet", erklärt er. Im Jahr 2017 befanden die Richter des Weiteren, dass das durch die Verfassung geschützte Recht auf Leben und Recht auf Eigentum auch das Recht auf Privatsphäre einschließt. In ihrer damaligen Urteilsbegründung führten die Richter explizit aus, dass sexuelle Intimität und sexuelle Orientierung ebenso dadurch geschützt sind.
Das neue Urteil sei auch ein Zeugnis gesellschaftlichen Wandels in Indien, so Hoffmann weiter. "Die erste Gay Pride in Indien fand 2008 statt, 2009 gab es gerade mal in einer Handvoll indischer Städte ähnliche Veranstaltungen, oft mit nur ein paar dutzend Teilnehmern. Im Jahr 2018 gibt es kaum noch eine indische Großstadt, in der keine Gay Pride stattfindet", hebt er hervor. An der Mumbai Pride, der größten indischen Gay Pride, nahmen 2018 deutlich über 10.000 Menschen teil. Außerhalb der Großstädte sei es für LGBT-Menschen aber nach wie vor fast unmöglich, sich zu seiner sexuellen Orientierung oder sexuellen Identität zu bekennen. Das Gerichtsurteil habe damit für viele Menschen in Indien eine überwiegend symbolische Wirkung. Allerdings blieben das Recht auf Ehe und die Adoption von Kindern sowie das Erbschaftsrecht von dem Urteil weiterhin unberührt. Der Kampf für gesellschaftliche Akzeptanz und Gleichberechtigung werde vor diesem Hintergrund noch Jahrzehnte dauern. (ch)