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29.06.2018 - 12:15KUBICKI-Interview: Feuerlöscher? Das ist nicht unsere Aufgabe
Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki gab „Spiegel Online“ (heute) das folgende Interview. Die Fragen stellte Christoph Schult.
Frage: Innerhalb einer Woche sagt Ihr Parteivorsitzender Christian Lindner erst, die FDP stehe in der Asylfrage „näher bei der CSU als bei Frau Merkel“, dann bittet er darum, nicht „mit der CSU in einem Atemzug genannt zu werden.“ Spielt die FDP ein doppeltes Spiel?
Kubicki: Politisch stehen wir der CSU nicht näher als der CDU, der SPD oder den Grünen. Aber in der Sachfrage, um die es derzeit geht, vertreten wir dieselbe Auffassung wie Horst Seehofer. Wir glauben, dass Deutschland für eine Übergangszeit bis zu einer europäischen Lösung Asylbewerber zurückweisen sollte, die bereits in anderen EU-Staaten registriert sind.
Frage: Damit suggerieren Sie den Wählern fälschlicherweise, Deutschland könnte seine Grenzen flächendeckend kontrollieren.
Kubicki: Es geht nicht um die Frage, wie wirksam das ist. Es geht um ein politisches Signal an die Menschen in den Herkunftsländern, dass nicht jeder, der zu uns kommen will, auch willkommen ist. Außerdem würden wir dadurch den Druck auf die europäischen Partner erhöhen, eine gemeinsame Lösung zu finden.
Frage: Frau Merkel ist der Meinung, dass man die Leute erst mal einreisen lassen müsse, um sie zu überprüfen.
Kubicki: Das ist völliger Unsinn. Wir sind bis 2015 genauso verfahren, damals wurden regelmäßig Menschen an der Grenze zurückgewiesen. Die Bundesregierung hat mehrfach auf Anfrage bestätigt, dass Zurückweisungen an der Grenze auf der Grundlage des Dublin-3-Abkommens rechtmäßig wären. Im Übrigen sind wir ja nicht die einzigen, die das überlegen: Frankreich, Ungarn und Österreich praktizieren es bereits, ohne dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hätte.
Frage: Also trägt Merkel die Schuld an der aktuellen Eskalation?
Kubicki: Ich finde es sehr merkwürdig, dass man in einer Koalition unter Schwesterparteien versucht, über die Richtlinienkompetenz eine Sachfrage zu lösen. Eine Koalition ist eigentlich tot, wenn ein Koalitionspartner etwas gegen das Interesse des anderen durchsetzt. Merkel hat damals aus nachvollziehbaren humanitären Gründen und im Einklang mit europäischem Recht die Flüchtlinge ins Land gelassen. Was vergibt sich die Kanzlerin, wenn sie jetzt sagt, für die Übergangszeit bis zu einer europäischen Lösung akzeptieren wir die gelegentliche Zurückweisung zumindest von Straftätern?
Frage: Merkel würde ihr Gesicht verlieren.
Kubicki: Eine Bundeskanzlerin, die erklärt, dass sich ihr eigener Innenminister, der Verfassungsminister Deutschlands, auf den Weg des Unrechts begibt, muss ihn schon entlassen, bevor er es umsetzt. Aber wenn sie das tut, wäre die Koalition am Ende und die Freundschaft zwischen CDU und CSU auch. Daher sollten sich beide, Merkel und Seehofer, überlegen, ob sie noch die richtigen Parteivorsitzenden sind. Sie nehmen ihre Parteien in Geiselhaft, das ist nicht gut für die Demokratie.
Frage: Es gibt eine verfassungsmäßige Lösung für solche Krisen: die Vertrauensfrage:
Kubicki: Das wäre die ehrlichste Lösung. Ich prognostiziere aber, dass Frau Merkel diese gewinnt. Schließlich hat die SPD kein Interesse, bei Neuwahlen auf fünfzehn Prozent abzurutschen.
Frage: In der SPD wird bereits nüchtern mit Neuwahlen gerechnet.
Kubicki: Unabhängig davon sieht die FDP jedenfalls Neuwahlen gelassen entgegen.
Frage: Die Grünen profitieren von enttäuschten SPD-Wählern, sollte die FDP enttäuschte Unions-Wähler ins Visier nehmen?
Kubicki: Ich sehe unsere Aufgabe als Opposition jedenfalls nicht darin, im aktuellen Konflikt zwischen CDU und CSU als Feuerlöscher zu agieren. Das ist nicht unsere Aufgabe.
Frage: Markiert der aktuelle Konflikt das Ende der deutschen Volksparteien?
Kubicki: Als ich anfing, Politik zu machen, war die SPD achtmal so stark wie die FDP, jetzt ist sie nicht einmal doppelt so stark. Bei der CDU geht der Trend in dieselbe Richtung. 26 Prozent bundesweit, wann hat es das schon einmal gegeben? Es kann am Ende eine Situation entstehen, bei der sich die Gewichte so verschieben, dass alle Parteien am Ende nur noch zwei, drei Prozentpunkte auseinanderliegen. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass sowohl die Grünen als auch wir große Chancen haben, bei der nächsten Bundestagswahl besser abzuschneiden.
Frage: Um dann mit der CDU eine Jamaika-Koalition zu bilden?
Kubicki: Jamaika wird es nur nach Neuwahlen und mit neuem Personal an der Spitze von CDU und CSU geben. Die Grünen und wir sind mittlerweile im demokratischen Spektrum der Bundesrepublik die stabilisierenden Parteien mit klaren Positionen in der Sache. Wir haben nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen gelernt, dass wir uns aufeinander zubewegen müssen, um als Anker für neue Koalitionen zu fungieren.
Frage: Wäre die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein ein Vorbild?
Kubicki: Ja, und zwar inhaltlich wie personell. Mein Freund Robert Habeck ist jetzt Bundesvorsitzender der Grünen, mit dem könnten wir uns schnell einigen. Und wir haben mit Daniel Günther jemanden als Ministerpräsidenten, der deutlich an Profil gewonnen hat und mittlerweile auch innerhalb der CDU ein gewichtiges Wort spricht.
Frage: Kann er Kanzler?
Kubicki: Auf jeden Fall, aber erst nach den nächsten Landtagswahlen. Ich gehe davon aus, dass die CDU, sollte Merkel stürzen, zunächst eine Übergangsvorsitzende oder einen -vorsitzenden wählt. Wer das wird, ist völlig offen.
KUBICKI-Interview: Feuerlöscher? Das ist nicht unsere Aufgabe
Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki gab „Spiegel Online“ (heute) das folgende Interview. Die Fragen stellte Christoph Schult.
Frage: Innerhalb einer Woche sagt Ihr Parteivorsitzender Christian Lindner erst, die FDP stehe in der Asylfrage „näher bei der CSU als bei Frau Merkel“, dann bittet er darum, nicht „mit der CSU in einem Atemzug genannt zu werden.“ Spielt die FDP ein doppeltes Spiel?
Kubicki: Politisch stehen wir der CSU nicht näher als der CDU, der SPD oder den Grünen. Aber in der Sachfrage, um die es derzeit geht, vertreten wir dieselbe Auffassung wie Horst Seehofer. Wir glauben, dass Deutschland für eine Übergangszeit bis zu einer europäischen Lösung Asylbewerber zurückweisen sollte, die bereits in anderen EU-Staaten registriert sind.
Frage: Damit suggerieren Sie den Wählern fälschlicherweise, Deutschland könnte seine Grenzen flächendeckend kontrollieren.
Kubicki: Es geht nicht um die Frage, wie wirksam das ist. Es geht um ein politisches Signal an die Menschen in den Herkunftsländern, dass nicht jeder, der zu uns kommen will, auch willkommen ist. Außerdem würden wir dadurch den Druck auf die europäischen Partner erhöhen, eine gemeinsame Lösung zu finden.
Frage: Frau Merkel ist der Meinung, dass man die Leute erst mal einreisen lassen müsse, um sie zu überprüfen.
Kubicki: Das ist völliger Unsinn. Wir sind bis 2015 genauso verfahren, damals wurden regelmäßig Menschen an der Grenze zurückgewiesen. Die Bundesregierung hat mehrfach auf Anfrage bestätigt, dass Zurückweisungen an der Grenze auf der Grundlage des Dublin-3-Abkommens rechtmäßig wären. Im Übrigen sind wir ja nicht die einzigen, die das überlegen: Frankreich, Ungarn und Österreich praktizieren es bereits, ohne dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hätte.
Frage: Also trägt Merkel die Schuld an der aktuellen Eskalation?
Kubicki: Ich finde es sehr merkwürdig, dass man in einer Koalition unter Schwesterparteien versucht, über die Richtlinienkompetenz eine Sachfrage zu lösen. Eine Koalition ist eigentlich tot, wenn ein Koalitionspartner etwas gegen das Interesse des anderen durchsetzt. Merkel hat damals aus nachvollziehbaren humanitären Gründen und im Einklang mit europäischem Recht die Flüchtlinge ins Land gelassen. Was vergibt sich die Kanzlerin, wenn sie jetzt sagt, für die Übergangszeit bis zu einer europäischen Lösung akzeptieren wir die gelegentliche Zurückweisung zumindest von Straftätern?
Frage: Merkel würde ihr Gesicht verlieren.
Kubicki: Eine Bundeskanzlerin, die erklärt, dass sich ihr eigener Innenminister, der Verfassungsminister Deutschlands, auf den Weg des Unrechts begibt, muss ihn schon entlassen, bevor er es umsetzt. Aber wenn sie das tut, wäre die Koalition am Ende und die Freundschaft zwischen CDU und CSU auch. Daher sollten sich beide, Merkel und Seehofer, überlegen, ob sie noch die richtigen Parteivorsitzenden sind. Sie nehmen ihre Parteien in Geiselhaft, das ist nicht gut für die Demokratie.
Frage: Es gibt eine verfassungsmäßige Lösung für solche Krisen: die Vertrauensfrage:
Kubicki: Das wäre die ehrlichste Lösung. Ich prognostiziere aber, dass Frau Merkel diese gewinnt. Schließlich hat die SPD kein Interesse, bei Neuwahlen auf fünfzehn Prozent abzurutschen.
Frage: In der SPD wird bereits nüchtern mit Neuwahlen gerechnet.
Kubicki: Unabhängig davon sieht die FDP jedenfalls Neuwahlen gelassen entgegen.
Frage: Die Grünen profitieren von enttäuschten SPD-Wählern, sollte die FDP enttäuschte Unions-Wähler ins Visier nehmen?
Kubicki: Ich sehe unsere Aufgabe als Opposition jedenfalls nicht darin, im aktuellen Konflikt zwischen CDU und CSU als Feuerlöscher zu agieren. Das ist nicht unsere Aufgabe.
Frage: Markiert der aktuelle Konflikt das Ende der deutschen Volksparteien?
Kubicki: Als ich anfing, Politik zu machen, war die SPD achtmal so stark wie die FDP, jetzt ist sie nicht einmal doppelt so stark. Bei der CDU geht der Trend in dieselbe Richtung. 26 Prozent bundesweit, wann hat es das schon einmal gegeben? Es kann am Ende eine Situation entstehen, bei der sich die Gewichte so verschieben, dass alle Parteien am Ende nur noch zwei, drei Prozentpunkte auseinanderliegen. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass sowohl die Grünen als auch wir große Chancen haben, bei der nächsten Bundestagswahl besser abzuschneiden.
Frage: Um dann mit der CDU eine Jamaika-Koalition zu bilden?
Kubicki: Jamaika wird es nur nach Neuwahlen und mit neuem Personal an der Spitze von CDU und CSU geben. Die Grünen und wir sind mittlerweile im demokratischen Spektrum der Bundesrepublik die stabilisierenden Parteien mit klaren Positionen in der Sache. Wir haben nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen gelernt, dass wir uns aufeinander zubewegen müssen, um als Anker für neue Koalitionen zu fungieren.
Frage: Wäre die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein ein Vorbild?
Kubicki: Ja, und zwar inhaltlich wie personell. Mein Freund Robert Habeck ist jetzt Bundesvorsitzender der Grünen, mit dem könnten wir uns schnell einigen. Und wir haben mit Daniel Günther jemanden als Ministerpräsidenten, der deutlich an Profil gewonnen hat und mittlerweile auch innerhalb der CDU ein gewichtiges Wort spricht.
Frage: Kann er Kanzler?
Kubicki: Auf jeden Fall, aber erst nach den nächsten Landtagswahlen. Ich gehe davon aus, dass die CDU, sollte Merkel stürzen, zunächst eine Übergangsvorsitzende oder einen -vorsitzenden wählt. Wer das wird, ist völlig offen.