FDP|
21.11.2017 - 20:30Beer-Interview: Es gab nicht genug Vertrauen
Die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer gab "Cicero Online" heute das folgende Interview. Die Fragen stellte Constantin Wißmann.
Frage: Was haben Sie gedacht, als Christian Lindner vor die Mikrofone trat und das Ende der Jamaika-Sondierungen verkündete?
Beer: Das war nach vier Wochen harter, anstrengender Sondierungsgespräche unfassbar ernüchternd und enttäuschend, aber unumgänglich. Es ging nicht mehr. Es ging nach diesem Sonntagabend, als alles erneut in Frage gestellt wurde, nicht mehr weiter.
Frage: Am Freitag hat Ihr Vorsitzender Christian Lindner ein mögliches Jamaika-Bündnis als „historisches Projekt“ bezeichnet, nun hat die FDP die Sondierungen platzen lassen. Können Sie nicht verstehen, dass sich ihre möglichen Partner wie Jürgen Trittin nun „ein bisschen veräppelt“ fühlen?
Beer: Ein historisches Projekt wäre eine solche Koalition gewesen - weil es eine solche Konstellation noch nie gegeben hatte. Aber es hat sich gezeigt: die Widersprüche waren zu groß. Trittin fühlt sich nach seinen Äußerungen vielleicht „ein wenig veräppelt". Nach seinem Verhalten während der ganzen Zeit ist auch klammheimliche Freude nicht auszuschließen.
Frage: Eine weiter Äußerung Ihres Parteichefs war während der Sondierungsgespräche sei zwischen seiner Partei und der CDU/CSU „eine neue politische Nähe, auch menschliche Nähe, gewachsen“. Volker Wissing hat hingegen gesagt „die Verhandlungen liefen von Anfang an chaotisch. Sie waren nicht strukturiert, sie waren nicht organisiert“- Wie liefen die Sondierungen denn nun wirklich ab?
Beer: Die Sondierungen waren vier Wochen ein ständiges Auf und Ab, mal Pseudokompromiss, dann Nachforderungen, Aufkündigung des Erreichten, wieder von vorne. Mal schien es als würde Vertrauen wachsen- dann kippte die Stimmung wieder. Ständige Interventionen vor allem von den Grünen. Zum Schluss war klar: Es gab nicht genug Vertrauen zwischen allen Beteiligten. Und es gab nicht genug inhaltliche Übereinstimmung.
Frage: Wie haben Sie Bundeskanzlerin Angela Merkel während den Sondierungen erlebt?
Beer: Die CDU-Vorsitzende hat als Vertreterin der stärksten Partei mit gut einem Viertel der Wählerstimmen moderiert.
Frage: Als die SPD ankündigte, sie werde in die Opposition gehen, wurde ihr auch aus der FDP vorgeworfen, sie entziehe sich der politischen Verantwortung. Macht die FDP jetzt nicht genau das gleiche?
Beer: Warum ? Die SPD hat doch rigoros auch nur jedes Sondierungsgespräch verweigert. Wir haben vier Wochen lang verhandelt, um Lösungen gerungen. Am Schluss war uns aber klar: es geht nicht. Auch das ist staatspolitische Verantwortung. Das einzugestehen. Eine Regierung, die nur von Formelkompromissen zusammen gehalten wird, die kein gemeinsames Bild von der Zukunft unseres Landes hat, ist schlecht für Deutschland.
Frage: Ist die FDP nicht regierungsfähig?
Beer: Also bitte. Siehe Mainz. Kiel. Düsseldorf. In Mainz sogar aus der außerparlamentarischen Opposition heraus. Regierungsfähig ist aber nur, wer sich von seinen Überzeugungen leiten lässt. Das ist ja keine bloße Verwaltung wie im Einwohnermeldeamt.
Frage: Die FDP hatte sich vor der Wahl vor allem für die Digitalisierung eingesetzt und ein modernes Einwanderungsgesetz. Hätten Sie in eine Jamaika-Koalition diese Punkte nicht entscheidend voranbringen können und haben Sie diese Chance jetzt nicht vertan?
Beer: Digitalisierung und ein modernes Einwanderungsgesetz waren zwei unserer Trendwenden für ein modernes Deutschland. Im Einwanderungsrecht waren wir meilenweit von einer Einigung entfernt. Nach vier Wochen! Bei der Digitalisierung fehlte am Ende die vollständige Finanzierung. Egal was jetzt danach erzählt wird: Die Papiere mit dem Dissens in meisten Hauptthemen und mehr als 125 Einzelfragen am Sonntag Abend sind inzwischen ja öffentlich. Also hätten wir unsere Wählerinnen und Wähler enttäuscht, wenn wir dort weitergemacht und faule Kompromisse geschlossen hätten.
Frage: Der Groll in der Union gegen Ihre Partei wird nun groß sein. Inwiefern hat die FDP sich nun eine „bürgerliche Koalition“ im Bund verbaut?
Beer: Nur weil Sondierungsgespräche scheitern? Laut Jens Spahn hätten sich Union und Freie Demokraten in 14 Tagen auf eine Koalition geeignet. Das mag übertrieben sein. Die Papiere vom Sonntag Abend sprechen eine deutliche Sprache: In vielen Punkten "Konsens CDU/CSU und FDP, andere Meinung Grüne". Inhaltlich wäre eine „bürgerliche" Koalition ohne weiteres möglich gewesen. Und bleibt es.
Frage: Im politischen Spektrum wird die FDP nun von politischen Beobachtern rechts von der Union und links von der AfD verortet. Wie wohl fühlen Sie sich dort?
Beer: Wir stehen für eine Politik der Vernunft, eine Politik, die sich rechtlichen Regeln und nicht an dumpfen Emotionen orientiert. Wir suchen überzeugende Antworten für die Mitte der Gesellschaft. Beim Klimaschutz. Bei den drängenden europäischen Fragen. Bei der Digitalisierung. Bei der Bildung. Bei der Einwanderung. Beim EEG. Beim Verhältnis Bürger und Staat. Bei den Bürgerrechten. Bei der inneren Sicherheit. Wir sind unideologisch. Und lassen uns nicht irgendwohin verorten.
Frage: Wie soll es nun weitergehen, mit einer Minderheitenregierung oder Neuwahlen? Was würde der FDP besser passen und warum?
Beer: Jetzt lassen Sie doch alle mal ein paar Tage in Ruhe nachdenken. Der Bundespräsident hat die Parteien zu Recht ermahnt, das Gespräch nicht zu verweigern. Das gilt für alle. Namentlich die SPD.
Frage: Angenommen, es gibt Neuwahlen und die AfD erzielt ein noch besseres Ergebnis als im September. Wäre dann nicht die FDP dafür verantwortlich?
Beer: Das sind mir zu viele hypothetische Unterstellungen. Gegenfrage: Warum? Und zweite Gegenfrage: Warum war die AFD am 24. September eigentlich erfolgreich? Doch wohl, weil auf die drängenden Fragen unserer Gesellschaft, gerade in der Flüchtlingspolitik, keine überzeugenden Lösungen gefunden wurden. Das hat den Erfolg der Populisten ermöglicht. Wir hatten jedenfalls zu diesem Zeitpunkt keine Regierungsverantwortung, saßen noch nicht einmal im Bundestag.
Beer-Interview: Es gab nicht genug Vertrauen
Die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer gab "Cicero Online" heute das folgende Interview. Die Fragen stellte Constantin Wißmann.
Frage: Was haben Sie gedacht, als Christian Lindner vor die Mikrofone trat und das Ende der Jamaika-Sondierungen verkündete?
Beer: Das war nach vier Wochen harter, anstrengender Sondierungsgespräche unfassbar ernüchternd und enttäuschend, aber unumgänglich. Es ging nicht mehr. Es ging nach diesem Sonntagabend, als alles erneut in Frage gestellt wurde, nicht mehr weiter.
Frage: Am Freitag hat Ihr Vorsitzender Christian Lindner ein mögliches Jamaika-Bündnis als „historisches Projekt“ bezeichnet, nun hat die FDP die Sondierungen platzen lassen. Können Sie nicht verstehen, dass sich ihre möglichen Partner wie Jürgen Trittin nun „ein bisschen veräppelt“ fühlen?
Beer: Ein historisches Projekt wäre eine solche Koalition gewesen - weil es eine solche Konstellation noch nie gegeben hatte. Aber es hat sich gezeigt: die Widersprüche waren zu groß. Trittin fühlt sich nach seinen Äußerungen vielleicht „ein wenig veräppelt". Nach seinem Verhalten während der ganzen Zeit ist auch klammheimliche Freude nicht auszuschließen.
Frage: Eine weiter Äußerung Ihres Parteichefs war während der Sondierungsgespräche sei zwischen seiner Partei und der CDU/CSU „eine neue politische Nähe, auch menschliche Nähe, gewachsen“. Volker Wissing hat hingegen gesagt „die Verhandlungen liefen von Anfang an chaotisch. Sie waren nicht strukturiert, sie waren nicht organisiert“- Wie liefen die Sondierungen denn nun wirklich ab?
Beer: Die Sondierungen waren vier Wochen ein ständiges Auf und Ab, mal Pseudokompromiss, dann Nachforderungen, Aufkündigung des Erreichten, wieder von vorne. Mal schien es als würde Vertrauen wachsen- dann kippte die Stimmung wieder. Ständige Interventionen vor allem von den Grünen. Zum Schluss war klar: Es gab nicht genug Vertrauen zwischen allen Beteiligten. Und es gab nicht genug inhaltliche Übereinstimmung.
Frage: Wie haben Sie Bundeskanzlerin Angela Merkel während den Sondierungen erlebt?
Beer: Die CDU-Vorsitzende hat als Vertreterin der stärksten Partei mit gut einem Viertel der Wählerstimmen moderiert.
Frage: Als die SPD ankündigte, sie werde in die Opposition gehen, wurde ihr auch aus der FDP vorgeworfen, sie entziehe sich der politischen Verantwortung. Macht die FDP jetzt nicht genau das gleiche?
Beer: Warum ? Die SPD hat doch rigoros auch nur jedes Sondierungsgespräch verweigert. Wir haben vier Wochen lang verhandelt, um Lösungen gerungen. Am Schluss war uns aber klar: es geht nicht. Auch das ist staatspolitische Verantwortung. Das einzugestehen. Eine Regierung, die nur von Formelkompromissen zusammen gehalten wird, die kein gemeinsames Bild von der Zukunft unseres Landes hat, ist schlecht für Deutschland.
Frage: Ist die FDP nicht regierungsfähig?
Beer: Also bitte. Siehe Mainz. Kiel. Düsseldorf. In Mainz sogar aus der außerparlamentarischen Opposition heraus. Regierungsfähig ist aber nur, wer sich von seinen Überzeugungen leiten lässt. Das ist ja keine bloße Verwaltung wie im Einwohnermeldeamt.
Frage: Die FDP hatte sich vor der Wahl vor allem für die Digitalisierung eingesetzt und ein modernes Einwanderungsgesetz. Hätten Sie in eine Jamaika-Koalition diese Punkte nicht entscheidend voranbringen können und haben Sie diese Chance jetzt nicht vertan?
Beer: Digitalisierung und ein modernes Einwanderungsgesetz waren zwei unserer Trendwenden für ein modernes Deutschland. Im Einwanderungsrecht waren wir meilenweit von einer Einigung entfernt. Nach vier Wochen! Bei der Digitalisierung fehlte am Ende die vollständige Finanzierung. Egal was jetzt danach erzählt wird: Die Papiere mit dem Dissens in meisten Hauptthemen und mehr als 125 Einzelfragen am Sonntag Abend sind inzwischen ja öffentlich. Also hätten wir unsere Wählerinnen und Wähler enttäuscht, wenn wir dort weitergemacht und faule Kompromisse geschlossen hätten.
Frage: Der Groll in der Union gegen Ihre Partei wird nun groß sein. Inwiefern hat die FDP sich nun eine „bürgerliche Koalition“ im Bund verbaut?
Beer: Nur weil Sondierungsgespräche scheitern? Laut Jens Spahn hätten sich Union und Freie Demokraten in 14 Tagen auf eine Koalition geeignet. Das mag übertrieben sein. Die Papiere vom Sonntag Abend sprechen eine deutliche Sprache: In vielen Punkten "Konsens CDU/CSU und FDP, andere Meinung Grüne". Inhaltlich wäre eine „bürgerliche" Koalition ohne weiteres möglich gewesen. Und bleibt es.
Frage: Im politischen Spektrum wird die FDP nun von politischen Beobachtern rechts von der Union und links von der AfD verortet. Wie wohl fühlen Sie sich dort?
Beer: Wir stehen für eine Politik der Vernunft, eine Politik, die sich rechtlichen Regeln und nicht an dumpfen Emotionen orientiert. Wir suchen überzeugende Antworten für die Mitte der Gesellschaft. Beim Klimaschutz. Bei den drängenden europäischen Fragen. Bei der Digitalisierung. Bei der Bildung. Bei der Einwanderung. Beim EEG. Beim Verhältnis Bürger und Staat. Bei den Bürgerrechten. Bei der inneren Sicherheit. Wir sind unideologisch. Und lassen uns nicht irgendwohin verorten.
Frage: Wie soll es nun weitergehen, mit einer Minderheitenregierung oder Neuwahlen? Was würde der FDP besser passen und warum?
Beer: Jetzt lassen Sie doch alle mal ein paar Tage in Ruhe nachdenken. Der Bundespräsident hat die Parteien zu Recht ermahnt, das Gespräch nicht zu verweigern. Das gilt für alle. Namentlich die SPD.
Frage: Angenommen, es gibt Neuwahlen und die AfD erzielt ein noch besseres Ergebnis als im September. Wäre dann nicht die FDP dafür verantwortlich?
Beer: Das sind mir zu viele hypothetische Unterstellungen. Gegenfrage: Warum? Und zweite Gegenfrage: Warum war die AFD am 24. September eigentlich erfolgreich? Doch wohl, weil auf die drängenden Fragen unserer Gesellschaft, gerade in der Flüchtlingspolitik, keine überzeugenden Lösungen gefunden wurden. Das hat den Erfolg der Populisten ermöglicht. Wir hatten jedenfalls zu diesem Zeitpunkt keine Regierungsverantwortung, saßen noch nicht einmal im Bundestag.