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18.09.2017 - 11:45Am Comeback der FDP zweifelt niemand mehr
Klein aber fein: Der kurze FDP-Bundesparteitag am Sonntag in Berlin mit der Verabschiedung des Wahlaufrufs traf auf großes mediales Interesse. Und kein Wunder: Wenige Tage vor der Bundestagswahl ist das Rennen um den ersten und den zweiten Platz eigentlich vorbei, jetzt dreht sich alles um die Frage, wer drittstärkste Kraft im Parlament wird. An dieser Stelle eine Übersicht der Berichterstattung und Kommentare.
Wer den Sonderparteitag der Freien Demokraten richtig einordnen wolle, der müsse zurückblicken in den Dezember 2013, schreibt Thorsten Jungholt in der Welt. Damals hatte die FDP Christian Lindner zu ihrem neuen Chef gemacht. Sein Ziel: Die Partei 2017 wieder in den Bundestag zu führen. "An diesem Sonntag im September 2017 wurde deutlich: Er steht kurz davor, sein Ziel zu erreichen", so Jungholt. "Nicht nur, dass sämtliche Demoskopen sich einig sind, dass die FDP das Bundestagscomeback schaffen wird." Die Partei selbst habe wieder so viel Selbstbewusstsein, mit ihren "Trendwenden" Prüfsteine für eine Regierungsbeteiligung zu formulieren. "Manche dieser Prüfsteine formulierte Lindner härter, quasi als Bedingung, dazu zählen ein Einwanderungsgesetz und die Ablehnung einer europäischen Transferunion. Bei anderen blieb er zurückhaltender."
Focus-Redakteur Joseph Hausner findet , die FDP könne sich ihr Selbstbewusstsein leisten. Denn sie habe eine ganz besondere Rolle inne: "Sie könnte es am Ende sein, die bestimmt, ob es eine Alternative zur Großen Koalition gibt. Lässt sich die FDP, wenn es nicht zu Schwarz-Gelb reicht, auf eine Jamaika-Koalition mit Union und Grünen ein? Oder tankt sie lieber Kraft in der Opposition? Die Liberalen scheinen es in der Hand zu haben."
Spiegel-Autor Severin Weiland schreibt über die ausgelassene Stimmung beim Parteitag, aber auch über den Auftrag, mit der zurückgewonnen Glaubwürdigkeit achtsam umzugehen. "Sieben Tage noch, in denen es aus Sicht der kleinen Parteien ausschließlich um die Frage geht, wer am 24. September drittstärkste Kraft hinter Union und SPD wird." Am Schluss seiner Rede habe Lindner die Koalitionsfrage mit einem Schuss Pathos aufgegriffen: "Wir schließen nichts aus, nur eines: Unsere Grundsätze zu verraten, das schließen wir aus." Weiland verdeutlicht: "Daran dürfte Lindner erinnert werden – sollte es mit den Koalitionsverhandlungen tatsächlich ernst werden."
An dem Comeback der Freien Demokraten im Bund zweife mittlerweile niemand mehr, konstatiert Angelika Finkenwirth in der Zeit . Die Partei gebe ein geeintes Bild ab, die Diskussion beim Parteitag werde schnell abgehakt. "Nach zweieinhalb Stunden ist alles vorbei, die Wahlkämpfer können in den Endspurt starten. Koalitionsabsichten äußert sich Lindner auch heute nicht. Im Wahlaufruf formuliert er den Gestaltungsanspruch der FDP. Opposition kann er sich ebenso vorstellen wie eine Regierungsbeteiligung. 'Wir schließen nichts aus. Nur eins: unsere Grundsätze zu verraten.'"
Im Tagesspiegel setzt sich Antje Sirleschtov mit der Vorstellung einer Jamaika-Koalition auseinander. "Alle drei Parteien regieren – in unterschiedlichen Konstellationen – schon jetzt in den Bundesländern und beweisen dort, dass sie sehr wohl in der Lage sind, Bewahrendes mit Veränderung zu verbinden", hebt sie hervor. "Warum sollte das im Bund nicht gelingen?" Eine mögliche Jamaika-Koalition werde sich nicht auf faulen Kompromissen ausruhen können, so Sirleschtov weiter. "Vielleicht gelingt es Liberalen und Grünen sogar, Merkel aus dem Reich des Ungefähren zu treiben, sie zur Positionierung zu zwingen. Dem Ansehen von Politik kann das nur förderlich sein."
Für die Deutsche Welle seziert Marcel Fürstenau Lindners knapp einstündige Rede auf dem Parteitag. Als Hürde für eine mögliche Regierungsbeteiligung habe Lindner eine absolute Bedingung aufgestellt: Eine neue Einwanderungspolitik. Dazu gehörten etwa ein individuelles Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte, vorübergehender humanitärer Schutz für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten und qualifizierte Zuwanderung, erläutert Fürstenau. "Mit diesem Konzept fischt die FDP entgegen manch polemischer Kritik keinesfalls am rechten Rand. Es wäre mit gutem Willen auch für CDU/CSU und Grüne akzeptabel."
In der FAZ nimmt Eckart Lohse den "Retter mit Kuhfleckenkrawatte" unter die Lupe. Lindners Warnungen vor einem Schreckensszenario, in dem die AfD dritte Kraft wäre, wirkten für ihn plausibel. "Wenn es wieder zu einer großen Koalition kommen sollte, könnte auf deren Eröffnungsreden im Bundestag künftig ein AfD-Politiker als erstes antworten, weil nach parlamentarischer Gepflogenheit die größte Oppositionsfraktion dieses Recht der ersten Antwort hat. Wer dies verhindern wolle, müsse also FDP wählen, so Lindners Logik", erklärt Lohse. In der Flüchtlingspolitik habe Lindner die Bundeskanzlerin zwar scharf kritisiert, "der Versuchung, eine Grenze zum Populismus zu überschreiten, ist er jedoch nie erlegen".
Ebenfalls in der FAZ schreibt Nikolas Busse über die große parteipolitische Vielfalt, die den nächsten Bundestag voraussichtlich prägen wird. "Sieben Parteien in sechs Fraktionen könnten es werden. So etwas gab es nur ganz zu Beginn der Bundesrepublik." Außer der AfD, die nationalkonservative und rechtsradikale Töne in den Bundestag bringen dürfte, könnte vor allem die FDP Akzente setzen, prognostiziert er. "Es hat der deutschen Politik nicht gutgetan, dass es in den vergangenen vier Jahren keine liberale Stimme im Bundestag gab." Die Große Koalition habe viel öffentliches Geld ausgegeben, ohne sich allzu große Gedanken über die wirtschaftliche Zukunft des Landes zu machen. Die FDP habe diese Lücke erkannt und wolle sie schließen.
Am Comeback der FDP zweifelt niemand mehr
Klein aber fein: Der kurze FDP-Bundesparteitag am Sonntag in Berlin mit der Verabschiedung des Wahlaufrufs [1]traf auf großes mediales Interesse. Und kein Wunder: Wenige Tage vor der Bundestagswahl ist das Rennen um den ersten und den zweiten Platz eigentlich vorbei, jetzt dreht sich alles um die Frage, wer drittstärkste Kraft im Parlament wird. An dieser Stelle eine Übersicht der Berichterstattung und Kommentare.
Wer den Sonderparteitag der Freien Demokraten richtig einordnen wolle, der müsse zurückblicken in den Dezember 2013, schreibt Thorsten Jungholt [2] in der Welt. Damals hatte die FDP Christian Lindner zu ihrem neuen Chef gemacht. Sein Ziel: Die Partei 2017 wieder in den Bundestag zu führen. "An diesem Sonntag im September 2017 wurde deutlich: Er steht kurz davor, sein Ziel zu erreichen", so Jungholt. "Nicht nur, dass sämtliche Demoskopen sich einig sind, dass die FDP das Bundestagscomeback schaffen wird." Die Partei selbst habe wieder so viel Selbstbewusstsein, mit ihren "Trendwenden" Prüfsteine für eine Regierungsbeteiligung zu formulieren. "Manche dieser Prüfsteine formulierte Lindner härter, quasi als Bedingung, dazu zählen ein Einwanderungsgesetz und die Ablehnung einer europäischen Transferunion. Bei anderen blieb er zurückhaltender."
Focus-Redakteur Joseph Hausner findet [3], die FDP könne sich ihr Selbstbewusstsein leisten. Denn sie habe eine ganz besondere Rolle inne: "Sie könnte es am Ende sein, die bestimmt, ob es eine Alternative zur Großen Koalition gibt. Lässt sich die FDP, wenn es nicht zu Schwarz-Gelb reicht, auf eine Jamaika-Koalition mit Union und Grünen ein? Oder tankt sie lieber Kraft in der Opposition? Die Liberalen scheinen es in der Hand zu haben."
Spiegel-Autor Severin Weiland schreibt [4]über die ausgelassene Stimmung beim Parteitag, aber auch über den Auftrag, mit der zurückgewonnen Glaubwürdigkeit achtsam umzugehen. "Sieben Tage noch, in denen es aus Sicht der kleinen Parteien ausschließlich um die Frage geht, wer am 24. September drittstärkste Kraft hinter Union und SPD wird." Am Schluss seiner Rede habe Lindner die Koalitionsfrage mit einem Schuss Pathos aufgegriffen: "Wir schließen nichts aus, nur eines: Unsere Grundsätze zu verraten, das schließen wir aus." Weiland verdeutlicht: "Daran dürfte Lindner erinnert werden – sollte es mit den Koalitionsverhandlungen tatsächlich ernst werden."
An dem Comeback der Freien Demokraten im Bund zweife mittlerweile niemand mehr, konstatiert Angelika Finkenwirth in der Zeit [5]. Die Partei gebe ein geeintes Bild ab, die Diskussion beim Parteitag werde schnell abgehakt. "Nach zweieinhalb Stunden ist alles vorbei, die Wahlkämpfer können in den Endspurt starten. Koalitionsabsichten äußert sich Lindner auch heute nicht. Im Wahlaufruf formuliert er den Gestaltungsanspruch der FDP. Opposition kann er sich ebenso vorstellen wie eine Regierungsbeteiligung. 'Wir schließen nichts aus. Nur eins: unsere Grundsätze zu verraten.'"
Im Tagesspiegel setzt sich Antje Sirleschtov [6]mit der Vorstellung einer Jamaika-Koalition auseinander. "Alle drei Parteien regieren – in unterschiedlichen Konstellationen – schon jetzt in den Bundesländern und beweisen dort, dass sie sehr wohl in der Lage sind, Bewahrendes mit Veränderung zu verbinden", hebt sie hervor. "Warum sollte das im Bund nicht gelingen?" Eine mögliche Jamaika-Koalition werde sich nicht auf faulen Kompromissen ausruhen können, so Sirleschtov weiter. "Vielleicht gelingt es Liberalen und Grünen sogar, Merkel aus dem Reich des Ungefähren zu treiben, sie zur Positionierung zu zwingen. Dem Ansehen von Politik kann das nur förderlich sein."
Für die Deutsche Welle seziert Marcel Fürstenau [7]Lindners knapp einstündige Rede auf dem Parteitag. Als Hürde für eine mögliche Regierungsbeteiligung habe Lindner eine absolute Bedingung aufgestellt: Eine neue Einwanderungspolitik. Dazu gehörten etwa ein individuelles Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte, vorübergehender humanitärer Schutz für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten und qualifizierte Zuwanderung, erläutert Fürstenau. "Mit diesem Konzept fischt die FDP entgegen manch polemischer Kritik keinesfalls am rechten Rand. Es wäre mit gutem Willen auch für CDU/CSU und Grüne akzeptabel."
In der FAZ nimmt Eckart Lohse [8] den "Retter mit Kuhfleckenkrawatte" unter die Lupe. Lindners Warnungen vor einem Schreckensszenario, in dem die AfD dritte Kraft wäre, wirkten für ihn plausibel. "Wenn es wieder zu einer großen Koalition kommen sollte, könnte auf deren Eröffnungsreden im Bundestag künftig ein AfD-Politiker als erstes antworten, weil nach parlamentarischer Gepflogenheit die größte Oppositionsfraktion dieses Recht der ersten Antwort hat. Wer dies verhindern wolle, müsse also FDP wählen, so Lindners Logik", erklärt Lohse. In der Flüchtlingspolitik habe Lindner die Bundeskanzlerin zwar scharf kritisiert, "der Versuchung, eine Grenze zum Populismus zu überschreiten, ist er jedoch nie erlegen".
Ebenfalls in der FAZ schreibt Nikolas Busse über die große parteipolitische Vielfalt, die den nächsten Bundestag voraussichtlich prägen wird. "Sieben Parteien in sechs Fraktionen könnten es werden. So etwas gab es nur ganz zu Beginn der Bundesrepublik." Außer der AfD, die nationalkonservative und rechtsradikale Töne in den Bundestag bringen dürfte, könnte vor allem die FDP Akzente setzen, prognostiziert er. "Es hat der deutschen Politik nicht gutgetan, dass es in den vergangenen vier Jahren keine liberale Stimme im Bundestag gab." Die Große Koalition habe viel öffentliches Geld ausgegeben, ohne sich allzu große Gedanken über die wirtschaftliche Zukunft des Landes zu machen. Die FDP habe diese Lücke erkannt und wolle sie schließen.