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05.09.2017 - 13:15WISSING-Interview: Wir sind nicht für eine starre Grenze
Das FDP-Präsidiumsmitglied und Landeswirtschaftsminister Dr. Volker Wissing gab dem „Deutschlandfunk“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte Jasper Barenberg:
Frage: Herr Wissing, viele Ökonomen geben heute Morgen in Zeitungen ja den dringenden Rat, ohne dass wir länger als bis 67 arbeiten, sind die Renten in Zukunft gar nicht mehr zu bezahlen. Sagen Sie das heute Morgen hier klipp und klar auch im Deutschlandfunk?
Wissing: Die FDP steht ja für einen flexiblen Renteneintritt. Wir sind nicht für eine starre Grenze. Und ein flexibler Renteneintritt wird auch der Lebenswirklichkeit der Menschen gerechter. Damit einhergehen muss natürlich auch ein Fall von Zuverdienstgrenzen.
Frage: Das heißt, nicht generell länger arbeiten?
Wissing: Wir brauchen eine gewisse Lebensarbeitszeit, um sicherstellen zu können, dass das Rentensystem funktioniert. Aber wir brauchen keine so starren Grenzen, wie wir sie bis heute haben. Deswegen ist die Diskussion, wie lange muss man nach einer starren Grenze arbeiten, für uns nicht entscheidend, sondern entscheidend ist, dass die Lebensarbeitszeit geleistet wird und der Renteneintritt dann auch flexibel gestaltet werden kann. Das wird im Übrigen auch den Anforderungen an unterschiedliche Berufe gerecht und auch an die individuellen Wünsche der Menschen, wie sie im Alter und wann sie im Alter kürzertreten müssen.
Frage: Sie sagen, starre Grenzen sind unfair. Das haben Sie im Grunde genommen gesagt. Warum ist es nicht fair und gerecht, anders gesagt, wenn es gleiche Spielregeln für alle gibt?
Wissing: Weil jeder Mensch anders ist. Es gibt Menschen, die sagen, ich möchte früher gehen, nehme einen Abschlag hin und bin dann bereit, noch mal was dazuzuverdienen. Es gibt andere, die sagen, ich möchte bis 67 arbeiten und dann nur noch meine Ruhe genießen. Es gibt Menschen, die arbeiten in Berufen, die sehr hart sind und die andere Anforderungen haben als jemand, der vielleicht im Büro arbeitet. Und diese Unterschiedlichkeit, die bedarf auch einer unterschiedlichen Lösung und nicht starrer Grenzen, die vermeintlich gerecht sind, aber doch Unterschiedliches in ein Korsett pressen.
Frage: Das heißt, Sie sagen auch, wer körperlich stark beansprucht ist, der muss dann damit leben, dass es Abschläge in der Rente geben wird bei dieser Person?
Wissing: Nicht, wenn er eine entsprechende Lebensarbeitszeit erbracht hat. Insofern rate ich da sehr, dass wir unser Rentensystem auch den individuellen Leistungen und auch den individuellen Vorstellungen der Menschen anpassen.
Frage: Was sagen Sie denn der Krankenschwester oder dem Pfleger, dem Müllwerker, dem sprichwörtlichen Dachdecker, über den wir immer reden und der auf dem Bau nicht mehr bis 65, schon gar nicht bis 67 oder gar bis 70 auf dem Gerüst stehen kann? Was ist Ihr Angebot an diese Betroffenen?
Wissing: Sie eben nicht zu zwingen, bis 70 zu arbeiten, sondern ihnen einen flexiblen Renteneintritt zu ermöglichen und bei einer entsprechend ausreichenden Lebensarbeitszeit das auch ohne Abschläge.
Frage: Aber was heißt das mit der Lebensarbeitszeit? Das führen Sie ja an, um Ungerechtigkeiten auszuschließen. Aber das heißt doch im Grunde, dass die doch am Ende länger arbeiten müssen.
Wissing: Es kommt ja darauf an, mit welchem Alter jemand anfängt einzubezahlen. Es kann ja nicht sein, dass es keinen Unterschied macht, wie lange jemand ins System einbezahlt. Und ich sage noch mal: Die Menschen sind unterschiedlich. Ihre Lebenswirklichkeit ist unterschiedlich. Ihre Träume, ihre Vorstellungen sind unterschiedlich und auch ihre Arbeitsplatzsituation ist unterschiedlich. Deswegen ist das starre Korsett, in das man mit einem starren Renteneintrittsalter den Menschen zwängt, nicht die Vorstellung der Freien Demokraten.
Frage: Was aber die Vorstellung der Freien Demokraten ist, ist, dass jeder künftig stärker noch als bisher privat vorsorgen muss. Habe ich das richtig verstanden?
Wissing: Wir können rechnen und sehen, dass wir bei unserer demographischen Entwicklung ohne eine Zusatzabsicherung nicht auskommen. Deswegen wollen wir ja beispielsweise auch die Bildung von privatem Wohnungseigentum erleichtern, indem wir Freigrenzen bei der Grunderwerbssteuer schaffen wollen.
Frage: Woher soll denn ein Durchschnittsverdiener das Geld nehmen, um jetzt auch noch eine private Rentenversicherung abzuschließen, um sozusagen an der Börse zu wetten?
Wissing: Sie führen jetzt genau ein Thema an, das wir als Begründung nehmen, um auch unsere Forderung nach einer steuerlichen Entlastung für untere und mittlere Einkommen umzusetzen. Die Steuerquote ist in den letzten Jahren massiv gestiegen und Sie sagen zu Recht, dass die Möglichkeit, eine private Altersvorsorge zu betreiben, heute für viele nicht möglich ist. Deswegen muss eine steuerliche Entlastung auch auf die politische Agenda und sie steht bei den Freien Demokraten auch wieder auf der Liste der politischen Forderungen für die Bundestagswahl.
Frage: Aber was ist dann am Ende eine Entlastung, wenn Sie dem Betroffenen dann nötigen, oder ihm jedenfalls anraten, noch private Zusatzversicherungen abzuschließen?
Wissing: Zunächst einmal ist eine private Zusatzversicherung oder generell die Vorsorge fürs Alter ein Mehrwert für die Menschen, weil es mehr soziale Sicherheit bietet, und dafür lohnt es sich schon, dass der Staat auf Zusatzeinnahmen, die er gegenwärtig nicht braucht, verzichtet.
Frage: Wir haben aber erlebt, in der Finanzkrise beispielsweise, dass man sich gerade auf die Kapitalmärkte nicht verlassen kann, sondern am Ende selber unter Umständen in die Röhre schaut. Was können Sie dagegen unternehmen?
Wissing: Worauf man sich immer verlassen konnte, war die selbstgenutzte Wohnung im Alter. Das reduziert die Kosten. Man spart die Miete. Deswegen sagen die Freien Demokraten, sollte man jetzt einen Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer schaffen und auch steuerlich entlasten, so dass die Bildung privaten Wohnungseigentums erleichtert wird. Ein Volk von Eigentümern ist die beste Voraussetzung, um stabile Situationen im Alter zu haben.
Frage: Wenn wir das noch mal insgesamt in den Blick nehmen, die Alterung der Gesellschaft, die drohende Gefahr von Altersarmut, die ja auf jeden Fall wächst – in welchem Umfang ist umstritten –, dann ist die Antwort der anderen Parteien oder vieler anderer Parteien ja darauf, dass es eine aus Steuermitteln finanzierte Grundsicherung geben muss, und dann kann der Einzelne entscheiden, was er darüber hinaus noch unternehmen will. Was spricht aus Ihrer Sicht dagegen?
Wissing: Die anderen Parteien haben immer versprochen, wenn der Staat sich um die Altersvorsorge alleine kümmert, dass es dann am sichersten sei. Und heute sind es die gleichen, die das damals versprochen haben, die die Menschen daran erinnern, dass die gesetzliche Altersvorsorge eben nicht mehr ausreichend ist. Und daraus jetzt den Schluss zu ziehen, dass wieder der Staat sich alleine kümmern soll, wird nur dazu führen, dass der Staat am Ende wieder erklärt, dass seine Bemühungen gescheitert sind. Was immer funktioniert hat, war die Eigenvorsorge der Menschen. Man muss sie nur in die Lage versetzen, auch entsprechend vorsorgen zu können.
Frage: Wir haben ja gehört, die Kanzlerin ist gegen eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Ich würde auch mal vermuten, dass sie gegen diese Flexibilisierung ist, die Sie ins Spiel bringen. Wie würden Sie die Union in möglichen Koalitionsverhandlungen denn überzeugen können?
Wissing: Für die FDP ist völlig klar, dass sie in eine Regierung nur eintritt, wenn Kernforderungen erfüllt sind. Wir sind noch nie so frei gewesen wie diesmal bei der Entscheidung, ob wir uns einer Regierung anschließen oder nicht. Das ist eine Freiheit, die man uns gegeben hat. Dafür haben wir auch einen harten Preis bezahlt in den letzten Jahren. Aber die FDP ist nicht billig zu haben und eins ist ganz klar: Wir lassen nicht durchgehen, dass der Staat so hohe Zusatzeinnahmen hat und die Union sich nicht bewegt bei dem Thema steuerliche Entlastung für die Mitte. Wir haben jetzt nach wie vor noch einen hohen Mittelstandsbauch. Wir haben die Kalte Progression. Die ist fortgeschrieben worden von der Union. Die Union ist so reformunwillig beim Steuersystem wie kaum eine andere Partei und das werden die Freien Demokraten nicht noch einmal durchgehen lassen.
Frage: Bei der Rente sagt die Union ja im Grunde genommen, bis 2030 ist eigentlich alles im Lot, da werden wir mal eine Kommission gründen, die soll sich dann darüber beugen. Werden Sie das durchgehen lassen?
Wissing: Die Union sagt bei der Rente wie in allen anderen Fragen das, was eine konservative Partei sagt: Wir ändern nichts. Die Union steht im Grunde genommen für ein weiter so. Aber das Beschreiben von Problemen reicht nicht aus, wenn man eine Gesellschaft erfolgreich in die Zukunft führen will. Die Kanzlerin bewegt sich nicht, weil sie Angst hat, einen Fehler zu machen, und hält sich alles offen und reagiert dann so, wie kurzfristige Mehrheitsverhältnisse sich nach Umfragen darstellen. Aber ein Konzept steckt dahinter nicht und das ist auch der Unterschied zwischen dem Duell, was wir zwischen Frau Merkel und Herrn Schulz gesehen haben, und der erfrischenden Diskussion gestern Abend.
WISSING-Interview: Wir sind nicht für eine starre Grenze
Das FDP-Präsidiumsmitglied und Landeswirtschaftsminister Dr. Volker Wissing gab dem „Deutschlandfunk“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte Jasper Barenberg:
Frage: Herr Wissing, viele Ökonomen geben heute Morgen in Zeitungen ja den dringenden Rat, ohne dass wir länger als bis 67 arbeiten, sind die Renten in Zukunft gar nicht mehr zu bezahlen. Sagen Sie das heute Morgen hier klipp und klar auch im Deutschlandfunk?
Wissing: Die FDP steht ja für einen flexiblen Renteneintritt. Wir sind nicht für eine starre Grenze. Und ein flexibler Renteneintritt wird auch der Lebenswirklichkeit der Menschen gerechter. Damit einhergehen muss natürlich auch ein Fall von Zuverdienstgrenzen.
Frage: Das heißt, nicht generell länger arbeiten?
Wissing: Wir brauchen eine gewisse Lebensarbeitszeit, um sicherstellen zu können, dass das Rentensystem funktioniert. Aber wir brauchen keine so starren Grenzen, wie wir sie bis heute haben. Deswegen ist die Diskussion, wie lange muss man nach einer starren Grenze arbeiten, für uns nicht entscheidend, sondern entscheidend ist, dass die Lebensarbeitszeit geleistet wird und der Renteneintritt dann auch flexibel gestaltet werden kann. Das wird im Übrigen auch den Anforderungen an unterschiedliche Berufe gerecht und auch an die individuellen Wünsche der Menschen, wie sie im Alter und wann sie im Alter kürzertreten müssen.
Frage: Sie sagen, starre Grenzen sind unfair. Das haben Sie im Grunde genommen gesagt. Warum ist es nicht fair und gerecht, anders gesagt, wenn es gleiche Spielregeln für alle gibt?
Wissing: Weil jeder Mensch anders ist. Es gibt Menschen, die sagen, ich möchte früher gehen, nehme einen Abschlag hin und bin dann bereit, noch mal was dazuzuverdienen. Es gibt andere, die sagen, ich möchte bis 67 arbeiten und dann nur noch meine Ruhe genießen. Es gibt Menschen, die arbeiten in Berufen, die sehr hart sind und die andere Anforderungen haben als jemand, der vielleicht im Büro arbeitet. Und diese Unterschiedlichkeit, die bedarf auch einer unterschiedlichen Lösung und nicht starrer Grenzen, die vermeintlich gerecht sind, aber doch Unterschiedliches in ein Korsett pressen.
Frage: Das heißt, Sie sagen auch, wer körperlich stark beansprucht ist, der muss dann damit leben, dass es Abschläge in der Rente geben wird bei dieser Person?
Wissing: Nicht, wenn er eine entsprechende Lebensarbeitszeit erbracht hat. Insofern rate ich da sehr, dass wir unser Rentensystem auch den individuellen Leistungen und auch den individuellen Vorstellungen der Menschen anpassen.
Frage: Was sagen Sie denn der Krankenschwester oder dem Pfleger, dem Müllwerker, dem sprichwörtlichen Dachdecker, über den wir immer reden und der auf dem Bau nicht mehr bis 65, schon gar nicht bis 67 oder gar bis 70 auf dem Gerüst stehen kann? Was ist Ihr Angebot an diese Betroffenen?
Wissing: Sie eben nicht zu zwingen, bis 70 zu arbeiten, sondern ihnen einen flexiblen Renteneintritt zu ermöglichen und bei einer entsprechend ausreichenden Lebensarbeitszeit das auch ohne Abschläge.
Frage: Aber was heißt das mit der Lebensarbeitszeit? Das führen Sie ja an, um Ungerechtigkeiten auszuschließen. Aber das heißt doch im Grunde, dass die doch am Ende länger arbeiten müssen.
Wissing: Es kommt ja darauf an, mit welchem Alter jemand anfängt einzubezahlen. Es kann ja nicht sein, dass es keinen Unterschied macht, wie lange jemand ins System einbezahlt. Und ich sage noch mal: Die Menschen sind unterschiedlich. Ihre Lebenswirklichkeit ist unterschiedlich. Ihre Träume, ihre Vorstellungen sind unterschiedlich und auch ihre Arbeitsplatzsituation ist unterschiedlich. Deswegen ist das starre Korsett, in das man mit einem starren Renteneintrittsalter den Menschen zwängt, nicht die Vorstellung der Freien Demokraten.
Frage: Was aber die Vorstellung der Freien Demokraten ist, ist, dass jeder künftig stärker noch als bisher privat vorsorgen muss. Habe ich das richtig verstanden?
Wissing: Wir können rechnen und sehen, dass wir bei unserer demographischen Entwicklung ohne eine Zusatzabsicherung nicht auskommen. Deswegen wollen wir ja beispielsweise auch die Bildung von privatem Wohnungseigentum erleichtern, indem wir Freigrenzen bei der Grunderwerbssteuer schaffen wollen.
Frage: Woher soll denn ein Durchschnittsverdiener das Geld nehmen, um jetzt auch noch eine private Rentenversicherung abzuschließen, um sozusagen an der Börse zu wetten?
Wissing: Sie führen jetzt genau ein Thema an, das wir als Begründung nehmen, um auch unsere Forderung nach einer steuerlichen Entlastung für untere und mittlere Einkommen umzusetzen. Die Steuerquote ist in den letzten Jahren massiv gestiegen und Sie sagen zu Recht, dass die Möglichkeit, eine private Altersvorsorge zu betreiben, heute für viele nicht möglich ist. Deswegen muss eine steuerliche Entlastung auch auf die politische Agenda und sie steht bei den Freien Demokraten auch wieder auf der Liste der politischen Forderungen für die Bundestagswahl.
Frage: Aber was ist dann am Ende eine Entlastung, wenn Sie dem Betroffenen dann nötigen, oder ihm jedenfalls anraten, noch private Zusatzversicherungen abzuschließen?
Wissing: Zunächst einmal ist eine private Zusatzversicherung oder generell die Vorsorge fürs Alter ein Mehrwert für die Menschen, weil es mehr soziale Sicherheit bietet, und dafür lohnt es sich schon, dass der Staat auf Zusatzeinnahmen, die er gegenwärtig nicht braucht, verzichtet.
Frage: Wir haben aber erlebt, in der Finanzkrise beispielsweise, dass man sich gerade auf die Kapitalmärkte nicht verlassen kann, sondern am Ende selber unter Umständen in die Röhre schaut. Was können Sie dagegen unternehmen?
Wissing: Worauf man sich immer verlassen konnte, war die selbstgenutzte Wohnung im Alter. Das reduziert die Kosten. Man spart die Miete. Deswegen sagen die Freien Demokraten, sollte man jetzt einen Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer schaffen und auch steuerlich entlasten, so dass die Bildung privaten Wohnungseigentums erleichtert wird. Ein Volk von Eigentümern ist die beste Voraussetzung, um stabile Situationen im Alter zu haben.
Frage: Wenn wir das noch mal insgesamt in den Blick nehmen, die Alterung der Gesellschaft, die drohende Gefahr von Altersarmut, die ja auf jeden Fall wächst – in welchem Umfang ist umstritten –, dann ist die Antwort der anderen Parteien oder vieler anderer Parteien ja darauf, dass es eine aus Steuermitteln finanzierte Grundsicherung geben muss, und dann kann der Einzelne entscheiden, was er darüber hinaus noch unternehmen will. Was spricht aus Ihrer Sicht dagegen?
Wissing: Die anderen Parteien haben immer versprochen, wenn der Staat sich um die Altersvorsorge alleine kümmert, dass es dann am sichersten sei. Und heute sind es die gleichen, die das damals versprochen haben, die die Menschen daran erinnern, dass die gesetzliche Altersvorsorge eben nicht mehr ausreichend ist. Und daraus jetzt den Schluss zu ziehen, dass wieder der Staat sich alleine kümmern soll, wird nur dazu führen, dass der Staat am Ende wieder erklärt, dass seine Bemühungen gescheitert sind. Was immer funktioniert hat, war die Eigenvorsorge der Menschen. Man muss sie nur in die Lage versetzen, auch entsprechend vorsorgen zu können.
Frage: Wir haben ja gehört, die Kanzlerin ist gegen eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Ich würde auch mal vermuten, dass sie gegen diese Flexibilisierung ist, die Sie ins Spiel bringen. Wie würden Sie die Union in möglichen Koalitionsverhandlungen denn überzeugen können?
Wissing: Für die FDP ist völlig klar, dass sie in eine Regierung nur eintritt, wenn Kernforderungen erfüllt sind. Wir sind noch nie so frei gewesen wie diesmal bei der Entscheidung, ob wir uns einer Regierung anschließen oder nicht. Das ist eine Freiheit, die man uns gegeben hat. Dafür haben wir auch einen harten Preis bezahlt in den letzten Jahren. Aber die FDP ist nicht billig zu haben und eins ist ganz klar: Wir lassen nicht durchgehen, dass der Staat so hohe Zusatzeinnahmen hat und die Union sich nicht bewegt bei dem Thema steuerliche Entlastung für die Mitte. Wir haben jetzt nach wie vor noch einen hohen Mittelstandsbauch. Wir haben die Kalte Progression. Die ist fortgeschrieben worden von der Union. Die Union ist so reformunwillig beim Steuersystem wie kaum eine andere Partei und das werden die Freien Demokraten nicht noch einmal durchgehen lassen.
Frage: Bei der Rente sagt die Union ja im Grunde genommen, bis 2030 ist eigentlich alles im Lot, da werden wir mal eine Kommission gründen, die soll sich dann darüber beugen. Werden Sie das durchgehen lassen?
Wissing: Die Union sagt bei der Rente wie in allen anderen Fragen das, was eine konservative Partei sagt: Wir ändern nichts. Die Union steht im Grunde genommen für ein weiter so. Aber das Beschreiben von Problemen reicht nicht aus, wenn man eine Gesellschaft erfolgreich in die Zukunft führen will. Die Kanzlerin bewegt sich nicht, weil sie Angst hat, einen Fehler zu machen, und hält sich alles offen und reagiert dann so, wie kurzfristige Mehrheitsverhältnisse sich nach Umfragen darstellen. Aber ein Konzept steckt dahinter nicht und das ist auch der Unterschied zwischen dem Duell, was wir zwischen Frau Merkel und Herrn Schulz gesehen haben, und der erfrischenden Diskussion gestern Abend.