FDP|
17.08.2017 - 08:00BEER-Gastbeitrag: Die EU muss in großen Fragen Lösungen anzubieten
Die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer schrieb für die „Huffington Post“ den folgenden Gastbeitrag:
Egal ob Brexit, Trump, Erdogan – die Welt um uns herum ist unübersichtlicher geworden. Partner, die bislang verlässlich an unserer Seite standen, haben ihre Partnerschaft mit Fragezeichen versehen. Und sie werfen die drängende Frage auf uns zurück: Wie halten wir es eigentlich mit der Zukunft der Europäischen Union?
Trotz aller „Baustellen“: Die Europäische Union ist eine Erfolgsgeschichte. Was mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft begann, hat sich über verschiedene Zwischenetappen in den vergangenen 60 Jahren hin zu einer Gemeinschaft entwickelt, die von Frieden und Freiheit geprägt ist.
Doch ist die EU noch eine Herzensangelegenheit ihrer Bürger? Viele Menschen denken heute eher an Krise, an Bürokratie und Fremdbestimmung, wenn von Brüsseler Politik die Rede ist, auch wenn im letzten Euro-Barometer die Zustimmung angestiegen ist.
Populistische Parteien, egal ob linke oder rechte, versuchen diese Stimmung immer wieder aufzunehmen und so an der Wahlurne zu punkten.
Die Bürger bleiben weiter skeptisch, da den aktuell Verantwortlichen in Brüssel und in den Mitgliedsstaaten allzu oft der Wille für dauerhafte und vor allem gemeinsame europäische Lösungen fehlt.
Dem kann man engagiertes Handel entgegensetzen: Die Bewegung „Pulse of Europe“, die in Frankfurt entstanden ist und mittlerweile in vielen europäischen Städten Nachahmer gefunden hat, zeigt, dass mutig anpackende Europäer etwas verändern wollen – und auf die Straße gehen.
Sie sind keine naiven Europaschwärmer, aber sie glauben an die Reformierbarkeit der Europäischen Union. Es liegt also etwas in der Luft. Und auch erfreulich: Bei den letzten Nationalwahlen in Großbritannien und Frankreich sowie der Kommunalwahl in Italien waren die Populisten die großen Verlierer.
Umso dringlicher ist aber eine Neujustierung der europäischen Politik: Die EU muss ihren Bürgern wieder beweisen, dass sie in der Lage ist, in großen Fragen Lösungen anzubieten, gemeinsam vereinbarte Regeln einzuhalten und diese auch durchzusetzen. Und sich gleichzeitig aus allem herauszuhalten, was vor Ort besser geregelt werden kann. „Einhalt in Vielfalt“ darf keine hohle Parole sein. Sie muss täglich gelebte Realität werden.
Bereiche, in denen wir nur gemeinsam sinnvolle Lösungen anwenden können, sind z.B. eine solide gemeinsame Währung, die Sicherung unserer Außengrenzen, der europäische Binnenmarkt – aktuell zu ergänzen um Energie und Digitalisierung –, die Handelspolitik, eine gemeinsame Außen-, Entwicklungshilfe- und Sicherheitspolitik sowie eine europäische Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik.
Letztere ist ein Paradebeispiel dafür, wie Verschleppung von sich klar abzeichnendem Handlungsbedarf erst zur Krise führt. Es ist beschämend, wenn von den (gemeinsam) vereinbarten 160.000 Menschen bis Ende Mai erst ca. 18.000 aus Griechenland und Italien umgesiedelt werden konnten.
Es beschädigt unsere gemeinsamen Grundwerte, wenn wir die Beitrittsverhandlungen mit einer immer autokratischer regierten Türkei nicht beenden, weil wir mangels eigener Handlungsfähigkeit durch den Flüchtlingsdeal mit Erdogan erpressbar geworden sind.
Statt sich aber auf diese Herausforderung zu konzentrieren, legt die Europäische Kommission einen Vorschlag für die Schaffung einer „europäischen Säule sozialer Rechte“ vor.
Während Linke und Sozialdemokraten dies nicht nur begrüßen, sondern weitergehende Forderungen erheben, glaube ich, dass die Vergemeinschaftung der Sozialpolitik nicht der richtige Weg ist. Weder um die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Mitgliedstaaten zu steigern, noch um die Skepsis der Menschen gegenüber Europa zu senken.
Nicht von Ungefähr war die „europäische“ Sozialpolitik auch beim Brexit-Referendum ein bestimmendes Thema. Das darf nicht dazu führen, dass nun die Briten „abgestraft“ werden. Für uns Freie Demokraten ist klar, dass es eine gute und solide Grundlage für die weitere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und der EU geben muss.
Britische Firmen sollen weiterhin die Möglichkeit haben, in die EU zu exportieren und mit den hiesigen Unternehmen zusammenzuarbeiten. Genauso, wie es im Interesse gerade Deutschlands sein muss, dass unsere einheimischen Unternehmen auch zukünftig möglichst intensive Geschäftsbeziehungen zu Großbritannien unterhalten können.
Kurz gesagt: Wir brauchen ein Freihandelsabkommen EU-Großbritannien und aus meiner Sicht wäre CETA hervorragend als Blaupause geeignet.
Zudem sollten wir eine offene Diskussion über die zukünftige institutionelle Aufstellung der EU führen. Brauchen wir so viele Kommissare? Brauchen wir nicht mehr Gestaltungsrechte des Parlaments? Kann das Parlament verkleinert werden? Und wie soll nach dem Ausscheiden Großbritanniens, des zweitgrößten Nettozahlers, der EU-Haushalt zukünftig ausgestaltet werden?
Die Brexit-Verhandlungen können eine Chance bieten, mit einzelnen Reformen zu beginnen und so die Europäische Union fit für die Zukunft zu machen. Dafür braucht es endlich wieder verantwortungsvolle Führung in Europa statt Funktionäre und Bürokraten.
Deutschland könnte und müsste hier eine Schlüsselrolle einnehmen. Doch die Bundesregierung präsentiert sich als vielstimmiger Chor ohne eigene Zukunftsvision. Bleibt zu hoffen, dass sich nach der Bundestagswahl neue Mehrheiten finden, um für ein besseres Europa zu arbeiten.
Ganz im Sinne von Hans Dietrich Genscher: „Europa ist unsere Zukunft, sonst haben wir keine.“
BEER-Gastbeitrag: Die EU muss in großen Fragen Lösungen anzubieten
Die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer schrieb für die „Huffington Post“ den folgenden Gastbeitrag:
Egal ob Brexit, Trump, Erdogan – die Welt um uns herum ist unübersichtlicher geworden. Partner, die bislang verlässlich an unserer Seite standen, haben ihre Partnerschaft mit Fragezeichen versehen. Und sie werfen die drängende Frage auf uns zurück: Wie halten wir es eigentlich mit der Zukunft der Europäischen Union?
Trotz aller „Baustellen“: Die Europäische Union ist eine Erfolgsgeschichte. Was mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft begann, hat sich über verschiedene Zwischenetappen in den vergangenen 60 Jahren hin zu einer Gemeinschaft entwickelt, die von Frieden und Freiheit geprägt ist.
Doch ist die EU noch eine Herzensangelegenheit ihrer Bürger? Viele Menschen denken heute eher an Krise, an Bürokratie und Fremdbestimmung, wenn von Brüsseler Politik die Rede ist, auch wenn im letzten Euro-Barometer die Zustimmung angestiegen ist.
Populistische Parteien, egal ob linke oder rechte, versuchen diese Stimmung immer wieder aufzunehmen und so an der Wahlurne zu punkten.
Die Bürger bleiben weiter skeptisch, da den aktuell Verantwortlichen in Brüssel und in den Mitgliedsstaaten allzu oft der Wille für dauerhafte und vor allem gemeinsame europäische Lösungen fehlt.
Dem kann man engagiertes Handel entgegensetzen: Die Bewegung „Pulse of Europe“, die in Frankfurt entstanden ist und mittlerweile in vielen europäischen Städten Nachahmer gefunden hat, zeigt, dass mutig anpackende Europäer etwas verändern wollen – und auf die Straße gehen.
Sie sind keine naiven Europaschwärmer, aber sie glauben an die Reformierbarkeit der Europäischen Union. Es liegt also etwas in der Luft. Und auch erfreulich: Bei den letzten Nationalwahlen in Großbritannien und Frankreich sowie der Kommunalwahl in Italien waren die Populisten die großen Verlierer.
Umso dringlicher ist aber eine Neujustierung der europäischen Politik: Die EU muss ihren Bürgern wieder beweisen, dass sie in der Lage ist, in großen Fragen Lösungen anzubieten, gemeinsam vereinbarte Regeln einzuhalten und diese auch durchzusetzen. Und sich gleichzeitig aus allem herauszuhalten, was vor Ort besser geregelt werden kann. „Einhalt in Vielfalt“ darf keine hohle Parole sein. Sie muss täglich gelebte Realität werden.
Bereiche, in denen wir nur gemeinsam sinnvolle Lösungen anwenden können, sind z.B. eine solide gemeinsame Währung, die Sicherung unserer Außengrenzen, der europäische Binnenmarkt – aktuell zu ergänzen um Energie und Digitalisierung –, die Handelspolitik, eine gemeinsame Außen-, Entwicklungshilfe- und Sicherheitspolitik sowie eine europäische Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik.
Letztere ist ein Paradebeispiel dafür, wie Verschleppung von sich klar abzeichnendem Handlungsbedarf erst zur Krise führt. Es ist beschämend, wenn von den (gemeinsam) vereinbarten 160.000 Menschen bis Ende Mai erst ca. 18.000 aus Griechenland und Italien umgesiedelt werden konnten.
Es beschädigt unsere gemeinsamen Grundwerte, wenn wir die Beitrittsverhandlungen mit einer immer autokratischer regierten Türkei nicht beenden, weil wir mangels eigener Handlungsfähigkeit durch den Flüchtlingsdeal mit Erdogan erpressbar geworden sind.
Statt sich aber auf diese Herausforderung zu konzentrieren, legt die Europäische Kommission einen Vorschlag für die Schaffung einer „europäischen Säule sozialer Rechte“ vor.
Während Linke und Sozialdemokraten dies nicht nur begrüßen, sondern weitergehende Forderungen erheben, glaube ich, dass die Vergemeinschaftung der Sozialpolitik nicht der richtige Weg ist. Weder um die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Mitgliedstaaten zu steigern, noch um die Skepsis der Menschen gegenüber Europa zu senken.
Nicht von Ungefähr war die „europäische“ Sozialpolitik auch beim Brexit-Referendum ein bestimmendes Thema. Das darf nicht dazu führen, dass nun die Briten „abgestraft“ werden. Für uns Freie Demokraten ist klar, dass es eine gute und solide Grundlage für die weitere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und der EU geben muss.
Britische Firmen sollen weiterhin die Möglichkeit haben, in die EU zu exportieren und mit den hiesigen Unternehmen zusammenzuarbeiten. Genauso, wie es im Interesse gerade Deutschlands sein muss, dass unsere einheimischen Unternehmen auch zukünftig möglichst intensive Geschäftsbeziehungen zu Großbritannien unterhalten können.
Kurz gesagt: Wir brauchen ein Freihandelsabkommen EU-Großbritannien und aus meiner Sicht wäre CETA hervorragend als Blaupause geeignet.
Zudem sollten wir eine offene Diskussion über die zukünftige institutionelle Aufstellung der EU führen. Brauchen wir so viele Kommissare? Brauchen wir nicht mehr Gestaltungsrechte des Parlaments? Kann das Parlament verkleinert werden? Und wie soll nach dem Ausscheiden Großbritanniens, des zweitgrößten Nettozahlers, der EU-Haushalt zukünftig ausgestaltet werden?
Die Brexit-Verhandlungen können eine Chance bieten, mit einzelnen Reformen zu beginnen und so die Europäische Union fit für die Zukunft zu machen. Dafür braucht es endlich wieder verantwortungsvolle Führung in Europa statt Funktionäre und Bürokraten.
Deutschland könnte und müsste hier eine Schlüsselrolle einnehmen. Doch die Bundesregierung präsentiert sich als vielstimmiger Chor ohne eigene Zukunftsvision. Bleibt zu hoffen, dass sich nach der Bundestagswahl neue Mehrheiten finden, um für ein besseres Europa zu arbeiten.
Ganz im Sinne von Hans Dietrich Genscher: „Europa ist unsere Zukunft, sonst haben wir keine.“