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11.08.2017 - 08:00LAMBSDORFF-Interview: Wir blasen jetzt nicht die Backen auf
Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments Alexander Graf Lambsdorff gab der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Thomas Ludwig:
Frage: Welche Bedingungen stellt die FDP für Koalitionsverhandlungen nach dem 24. September?
Lambsdorff: Wir kommen aus der außerparlamentarischen Opposition. Da blasen wir nicht die Backen auf und stellen Bedingungen. Unser Ziel ist es, in den Bundestag einzuziehen und den historischen Ausnahmezustand zu beenden, dass in einem deutschen Parlament keine Liberalen sitzen. Schließlich gibt es dort derzeit niemanden, der mit Entschiedenheit für Marktwirtschaft streitet und sich konsequent dafür einsetzt, die Macht an das Recht zu binden.
Frage: Ist das nicht falsche Bescheidenheit? Die FDP liegt in Umfragen konstant bei rund acht Prozent...
Lambsdorff: Vielleicht ist es eine neue Bescheidenheit. Sie ist das Ergebnis eines langen Denkprozesses und interner Selbstvergewisserung.
Frage: Wie kommt es zur Wiederauferstehung der Liberalen?
Lambsdorff: Erstens haben wir den vergifteten Ratschlag von 2013, nach rechts zu gehen, nationalistisch und europafeindlich zu werden, zurückgewiesen. Zweitens gibt es echten Teamgeist. Der alte Ruf der FDP als Intrigantenstadel ist weg. Drittens: thematische Balance. Die Verengung auf Steuern war falsch. Nun ist unser historisch viel wichtigeres Thema Bildungspolitik wieder im Zentrum, mit der Digitalisierung als zweitem großem Modernisierungsprojekt. Natürlich bleiben auch Finanzen ein Thema, eine faire Balance zwischen Staat und Bürger steht für Liberale immer auf der Tagesordnung.
Frage: Die neue FDP ist mehr als ihr rhetorisch starker Chef?
Lambsdorff: Ja klar. Aber mit Christian Lindner haben wir nun mal einen dynamischen Mann an der Spitze, der bei jungen Leuten sehr beliebt ist. Er hat selbst Erfahrungen als Startup-Unternehmer gemacht, ist auch mal gescheitert und aufgestanden. Das bringt ihm Respekt ein, weil es für die unternehmerische Kultur steht, die unser Land braucht.
Frage: Ist die FDP das Label Klientelpartei endgültig los?
Lambsdorff: Im Ernst: Was heißt Klientel? Die SPD hat die Gewerkschaften, die Grünen ihre Umweltverbände, bei beiden ist die Verquickung bis ins Parlament hinein viel stärker als bei uns. Uns wählen eben eher Mittelständler, Handwerker, Freiberufler, Selbstständige, neuerdings auch Start-up-Unternehmer. Wenn das unsere Klientel ist – in Ordnung.
Frage: Stand heute, reicht es bei der Bundestagswahl nicht für Schwarz-Gelb. Könnte die AfD Mehrheitsbeschaffer werden?
Lambsdorff: Das ist ausgeschlossen. Die Partei ist europafeindlich, homophob, weinerlich, in Teilen rechtsradikal – sie steht so ziemlich für alles, was wir Liberale gerade nicht sind.
Frage: Ist der Aufstieg der Populisten auch das Resultat einer zu lange währenden Zeit der Großen Koalition?
Lambsdorff: Eine Große Koalition ist immer eine Notlösung. Sie kann nützlich sein, wenn man für außerordentliche Projekte eine Zweidrittel-Mehrheit benötigt. Solche Entscheidungen sind in den letzten Jahren aber nicht getroffen worden. Außerdem ist eine Große Koalition demokratisch unerfreulich, weil dann die Opposition stark an die Ränder gedrängt wird. Die AfD hat vor allem deshalb Erfolg, weil die konservative Wurzel der CDU verdorrt ist. Die CDU versagt dabei, die konservative und national orientierte Wählerschaft im demokratischen Spektrum zu halten. Das ist aber die staatspolitische Aufgabe der Union seit Beginn der Bundesrepublik.
Frage: Können europa- und außenpolitische Themen in diesem Herbst wahlentscheidend sein?
Lambsdorff: Das Interesse an diesen Fragen ist jedenfalls deutlich größer als noch vor Jahren. Russland und die Sanktionen, Erdogan und seine autoritäre Politik – all das bewegt die Menschen. Sie haben riesige Fragen zur Flüchtlingspolitik. Und viel dreht sich um die zentrale Frage: Wie wird Donald Trump das internationale System verändern? All das beschäftigt die Menschen sehr, sie wollen kompetente Antworten.
Frage: Was muss sich in der deutschen Europapolitik ändern?
Lambsdorff: Als größtes Land in der EU haben wir die Verantwortung, andere in Entscheidungsprozesse einzubinden. Da haben die Alleingänge dieser Bundesregierung bei der plötzlichen Energiewende und der Flüchtlingspolitik europapolitisch geschadet. Ich möchte zu dem zurück, was Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher praktiziert haben, nämlich den Umgang mit anderen Staaten auf Augenhöhe. Deutschland muss führen, ja, aber nicht im Alleingang.
Frage: Mehr Europa mit der FDP?
Lambsdorff: Wir wollen nicht um jeden Preis mehr Europa auf jedem Politikfeld. Da, wo die Zusammenarbeit aber zu einer Verbesserung führt, da sind wir dafür. Bei der Sicherheit ist das eindeutig so. Und es gilt auch für die Verteidigung. Wir brauchen koordiniertes Handeln, bis hin zu einer gemeinsamen Armee. Und aus Europol, das als Datensammelstelle ein zahnloser Tiger ist, sollten wir eine echte europäische Ermittlungsbehörde machen. Denn Terroristen und Kriminelle sind längst grenzüberschreitend unterwegs.
LAMBSDORFF-Interview: Wir blasen jetzt nicht die Backen auf
Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments Alexander Graf Lambsdorff gab der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Thomas Ludwig:
Frage: Welche Bedingungen stellt die FDP für Koalitionsverhandlungen nach dem 24. September?
Lambsdorff: Wir kommen aus der außerparlamentarischen Opposition. Da blasen wir nicht die Backen auf und stellen Bedingungen. Unser Ziel ist es, in den Bundestag einzuziehen und den historischen Ausnahmezustand zu beenden, dass in einem deutschen Parlament keine Liberalen sitzen. Schließlich gibt es dort derzeit niemanden, der mit Entschiedenheit für Marktwirtschaft streitet und sich konsequent dafür einsetzt, die Macht an das Recht zu binden.
Frage: Ist das nicht falsche Bescheidenheit? Die FDP liegt in Umfragen konstant bei rund acht Prozent...
Lambsdorff: Vielleicht ist es eine neue Bescheidenheit. Sie ist das Ergebnis eines langen Denkprozesses und interner Selbstvergewisserung.
Frage: Wie kommt es zur Wiederauferstehung der Liberalen?
Lambsdorff: Erstens haben wir den vergifteten Ratschlag von 2013, nach rechts zu gehen, nationalistisch und europafeindlich zu werden, zurückgewiesen. Zweitens gibt es echten Teamgeist. Der alte Ruf der FDP als Intrigantenstadel ist weg. Drittens: thematische Balance. Die Verengung auf Steuern war falsch. Nun ist unser historisch viel wichtigeres Thema Bildungspolitik wieder im Zentrum, mit der Digitalisierung als zweitem großem Modernisierungsprojekt. Natürlich bleiben auch Finanzen ein Thema, eine faire Balance zwischen Staat und Bürger steht für Liberale immer auf der Tagesordnung.
Frage: Die neue FDP ist mehr als ihr rhetorisch starker Chef?
Lambsdorff: Ja klar. Aber mit Christian Lindner haben wir nun mal einen dynamischen Mann an der Spitze, der bei jungen Leuten sehr beliebt ist. Er hat selbst Erfahrungen als Startup-Unternehmer gemacht, ist auch mal gescheitert und aufgestanden. Das bringt ihm Respekt ein, weil es für die unternehmerische Kultur steht, die unser Land braucht.
Frage: Ist die FDP das Label Klientelpartei endgültig los?
Lambsdorff: Im Ernst: Was heißt Klientel? Die SPD hat die Gewerkschaften, die Grünen ihre Umweltverbände, bei beiden ist die Verquickung bis ins Parlament hinein viel stärker als bei uns. Uns wählen eben eher Mittelständler, Handwerker, Freiberufler, Selbstständige, neuerdings auch Start-up-Unternehmer. Wenn das unsere Klientel ist – in Ordnung.
Frage: Stand heute, reicht es bei der Bundestagswahl nicht für Schwarz-Gelb. Könnte die AfD Mehrheitsbeschaffer werden?
Lambsdorff: Das ist ausgeschlossen. Die Partei ist europafeindlich, homophob, weinerlich, in Teilen rechtsradikal – sie steht so ziemlich für alles, was wir Liberale gerade nicht sind.
Frage: Ist der Aufstieg der Populisten auch das Resultat einer zu lange währenden Zeit der Großen Koalition?
Lambsdorff: Eine Große Koalition ist immer eine Notlösung. Sie kann nützlich sein, wenn man für außerordentliche Projekte eine Zweidrittel-Mehrheit benötigt. Solche Entscheidungen sind in den letzten Jahren aber nicht getroffen worden. Außerdem ist eine Große Koalition demokratisch unerfreulich, weil dann die Opposition stark an die Ränder gedrängt wird. Die AfD hat vor allem deshalb Erfolg, weil die konservative Wurzel der CDU verdorrt ist. Die CDU versagt dabei, die konservative und national orientierte Wählerschaft im demokratischen Spektrum zu halten. Das ist aber die staatspolitische Aufgabe der Union seit Beginn der Bundesrepublik.
Frage: Können europa- und außenpolitische Themen in diesem Herbst wahlentscheidend sein?
Lambsdorff: Das Interesse an diesen Fragen ist jedenfalls deutlich größer als noch vor Jahren. Russland und die Sanktionen, Erdogan und seine autoritäre Politik – all das bewegt die Menschen. Sie haben riesige Fragen zur Flüchtlingspolitik. Und viel dreht sich um die zentrale Frage: Wie wird Donald Trump das internationale System verändern? All das beschäftigt die Menschen sehr, sie wollen kompetente Antworten.
Frage: Was muss sich in der deutschen Europapolitik ändern?
Lambsdorff: Als größtes Land in der EU haben wir die Verantwortung, andere in Entscheidungsprozesse einzubinden. Da haben die Alleingänge dieser Bundesregierung bei der plötzlichen Energiewende und der Flüchtlingspolitik europapolitisch geschadet. Ich möchte zu dem zurück, was Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher praktiziert haben, nämlich den Umgang mit anderen Staaten auf Augenhöhe. Deutschland muss führen, ja, aber nicht im Alleingang.
Frage: Mehr Europa mit der FDP?
Lambsdorff: Wir wollen nicht um jeden Preis mehr Europa auf jedem Politikfeld. Da, wo die Zusammenarbeit aber zu einer Verbesserung führt, da sind wir dafür. Bei der Sicherheit ist das eindeutig so. Und es gilt auch für die Verteidigung. Wir brauchen koordiniertes Handeln, bis hin zu einer gemeinsamen Armee. Und aus Europol, das als Datensammelstelle ein zahnloser Tiger ist, sollten wir eine echte europäische Ermittlungsbehörde machen. Denn Terroristen und Kriminelle sind längst grenzüberschreitend unterwegs.