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08.08.2017 - 14:15BUSCHMANN-Gastbeitrag: Große Koalition im Datenrausch
Der FDP-Bundesgeschäftsführer Dr. Marco Buschmann schrieb für den „Tagesspiegel“ (Dienstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
Der „Big data“-Papst Nate Silver hat allen Menschen, die erfolgreich mit Daten arbeiten wollen, eines ins Stammbuch geschrieben: Der Erfolg liegt darin, „Signal“ und „Rauschen“ zu unterscheiden. Große Datenmengen sorgen nicht automatisch für große Erfolge. Sie können sogar schaden, wenn das Datenrauschen die wirklichen Signale überdeckt. Das gilt auch für datenbasierte Instrumente der Kriminalitätsbekämpfung.
Zieht man aus dieser Perspektive eine Bilanz der großen Koalition auf dem Gebiet der Innen- und Rechtspolitik, so fällt sie fatal aus. Union und SPD berauschen sich geradezu an der naiven Vorstellung, die Sammlung von immer mehr personenbezogenen Daten könne unsere Freiheit effektiv schützen. Tatsächlich kostet dies Privatsphäre, beeinträchtigt die Offenheit unserer Gesellschaft und – was das Schlimmste ist – es nützt nicht nur nichts, sondern schadet sogar beim Ziel, Sicherheit zu gewährleisten.
Der größte Sündenfall in dieser Hinsicht war gewiss die Wiedereinführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2015. Gewaltige Datenmengen aus der privaten Kommunikation quasi aller Bürger werden „auf Vorrat“ gespeichert. Das sorgt nicht nur für eine latente Gefährdung der Privatsphäre. Die Wissenschaft kennt auch den sogenannten „Chill“-Effekt. Wenn die Bürger befürchten müssten, dass sie anlasslos wie Kriminelle behandelt werden, nur, weil sie kommunizieren, dann schränken sie ihre private Kommunikation ein. Nicht anders sieht es beim jüngsten Beispiel aus: der Einführung des Zugriffs auf private Rechner mittels Trojaner zum Zwecke der Strafverfolgung. Die Maßnahme besitzt große Tragweite nicht nur für die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für die IT-Sicherheit. Statt zum Vorreiter für sichere IT-Systeme zu werden und Software-Schwachstellen zu schließen, nutzt der Staat hier selbst digitale Achillesversen und Hintertüren aus.
Natürlich ist klar, dass Kriminelle moderne Kommunikationsmittel benutzen. Klar ist auch, dass der Staat das Recht auch in diesen Kanälen durchsetzen muss. Dazu benötigt er Ermittlungsinstrumente, die dann greifen, wenn ausreichende Verdachtsmomente vorliegen. Diese Verdachtsmomente sind keine Verfassungsfolklore, sondern hochaktuell: Sie sind der Filter, um Signale und Rauschen voneinander zu trennen. Diesen Filter hebelt die große Koalition systematisch aus. Die Folge wird sein, dass Behörden im Rauschen ersticken. Auch die zentralen Planungsbehörden der untergegangenen sozialistischen Volkswirtschaften sind im Datenrauschen erstickt, weil sie alles selber unter ihre Kontrolle bringen wollten.
Dass kluge Kompromisse bei der grundrechtsschonenden Ausgestaltung von Freiheit und Sicherheit möglich sind, zeigt der Koalitionsvertrag von Union und FDP in Nordrhein-Westfalen. So ist es etwas anderes, ob der Staat erlaubt, dass die Polizei unbescholtene Bürger ohne Verdacht kontrollieren darf („Schleierfahndung“) oder ob sie dies nur mit guter Begründung darf, wenn die Gefahrenlage hierfür einen ausreichenden Anlass bietet (so zukünftig die „strategische Fahndung“ in NRW). Statt immer mehr Behörden immer neue Befugnisse einzuräumen, müssen die richtigen Stellen über die entscheidenden Informationen verfügen. Das hat uns auch der Fall des Attentäters Anis Amri gelehrt.
Das Ziel der Politik sollte ein Staat sein, der funktioniert und dort stark ist, wo er es sein muss. Hierzu gehört, dass er in der Lage ist, Sicherheit zu gewährleisten und das geltende Recht durchzusetzen. Das kostet Geld für Polizei und Justiz. Denn am Ende müssen gut ausgebildete Ermittler Signal und Rauschen auseinanderhalten. Wenn diese aber die Nadel im Heuhaufen suchen, ist die Lösung nicht: mehr Heu. Der Datenrausch der großen Koalition verstärkt nur das Rauschen, das die wichtigen Signale überdeckt. So wird Deutschland nicht sicherer.
BUSCHMANN-Gastbeitrag: Große Koalition im Datenrausch
Der FDP-Bundesgeschäftsführer Dr. Marco Buschmann schrieb für den „Tagesspiegel“ (Dienstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
Der „Big data“-Papst Nate Silver hat allen Menschen, die erfolgreich mit Daten arbeiten wollen, eines ins Stammbuch geschrieben: Der Erfolg liegt darin, „Signal“ und „Rauschen“ zu unterscheiden. Große Datenmengen sorgen nicht automatisch für große Erfolge. Sie können sogar schaden, wenn das Datenrauschen die wirklichen Signale überdeckt. Das gilt auch für datenbasierte Instrumente der Kriminalitätsbekämpfung.
Zieht man aus dieser Perspektive eine Bilanz der großen Koalition auf dem Gebiet der Innen- und Rechtspolitik, so fällt sie fatal aus. Union und SPD berauschen sich geradezu an der naiven Vorstellung, die Sammlung von immer mehr personenbezogenen Daten könne unsere Freiheit effektiv schützen. Tatsächlich kostet dies Privatsphäre, beeinträchtigt die Offenheit unserer Gesellschaft und – was das Schlimmste ist – es nützt nicht nur nichts, sondern schadet sogar beim Ziel, Sicherheit zu gewährleisten.
Der größte Sündenfall in dieser Hinsicht war gewiss die Wiedereinführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2015. Gewaltige Datenmengen aus der privaten Kommunikation quasi aller Bürger werden „auf Vorrat“ gespeichert. Das sorgt nicht nur für eine latente Gefährdung der Privatsphäre. Die Wissenschaft kennt auch den sogenannten „Chill“-Effekt. Wenn die Bürger befürchten müssten, dass sie anlasslos wie Kriminelle behandelt werden, nur, weil sie kommunizieren, dann schränken sie ihre private Kommunikation ein. Nicht anders sieht es beim jüngsten Beispiel aus: der Einführung des Zugriffs auf private Rechner mittels Trojaner zum Zwecke der Strafverfolgung. Die Maßnahme besitzt große Tragweite nicht nur für die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für die IT-Sicherheit. Statt zum Vorreiter für sichere IT-Systeme zu werden und Software-Schwachstellen zu schließen, nutzt der Staat hier selbst digitale Achillesversen und Hintertüren aus.
Natürlich ist klar, dass Kriminelle moderne Kommunikationsmittel benutzen. Klar ist auch, dass der Staat das Recht auch in diesen Kanälen durchsetzen muss. Dazu benötigt er Ermittlungsinstrumente, die dann greifen, wenn ausreichende Verdachtsmomente vorliegen. Diese Verdachtsmomente sind keine Verfassungsfolklore, sondern hochaktuell: Sie sind der Filter, um Signale und Rauschen voneinander zu trennen. Diesen Filter hebelt die große Koalition systematisch aus. Die Folge wird sein, dass Behörden im Rauschen ersticken. Auch die zentralen Planungsbehörden der untergegangenen sozialistischen Volkswirtschaften sind im Datenrauschen erstickt, weil sie alles selber unter ihre Kontrolle bringen wollten.
Dass kluge Kompromisse bei der grundrechtsschonenden Ausgestaltung von Freiheit und Sicherheit möglich sind, zeigt der Koalitionsvertrag von Union und FDP in Nordrhein-Westfalen. So ist es etwas anderes, ob der Staat erlaubt, dass die Polizei unbescholtene Bürger ohne Verdacht kontrollieren darf („Schleierfahndung“) oder ob sie dies nur mit guter Begründung darf, wenn die Gefahrenlage hierfür einen ausreichenden Anlass bietet (so zukünftig die „strategische Fahndung“ in NRW). Statt immer mehr Behörden immer neue Befugnisse einzuräumen, müssen die richtigen Stellen über die entscheidenden Informationen verfügen. Das hat uns auch der Fall des Attentäters Anis Amri gelehrt.
Das Ziel der Politik sollte ein Staat sein, der funktioniert und dort stark ist, wo er es sein muss. Hierzu gehört, dass er in der Lage ist, Sicherheit zu gewährleisten und das geltende Recht durchzusetzen. Das kostet Geld für Polizei und Justiz. Denn am Ende müssen gut ausgebildete Ermittler Signal und Rauschen auseinanderhalten. Wenn diese aber die Nadel im Heuhaufen suchen, ist die Lösung nicht: mehr Heu. Der Datenrausch der großen Koalition verstärkt nur das Rauschen, das die wichtigen Signale überdeckt. So wird Deutschland nicht sicherer.