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18.06.2017 - 13:00THEURER-Gastbeitrag: Keine Staatshilfen für Air Berlin
Das FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer (MdEP) schrieb den folgenden Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Samstag-Ausgabe):
Die Insolvenz gehört zur marktwirtschaftlichen Ordnung. Deshalb muss man die Frage stellen, immer wieder, mit aller Hartnäckigkeit: Wenn der große, finanzstarke Anteilseigener das Risiko nicht tragen will, warum sollte es die Allgemeinheit, also der deutsche Steuerzahler, tun?
Der Fall Air Berlin erinnert diesbezüglich an Opel: Kurz vor der Bundestagswahl 2009 entschieden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr damaliger Vize Frank-Walter Steinmeier (SPD), Staatshilfen für den angeschlagenen Autobauer zu gewähren. Öffentliche Inszenierung inklusive. Der erhebliche Widerstand des damaligen Bundeswirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg blieb zunächst folgenlos. Erst als die Liberalen den Bundeswirtschaftsminister stellten, wurden die Staatshilfen für GM und Opel gestoppt. Weil die Freien Demokraten mit Nachdruck auf Wettbewerb und Marktwirtschaft setzten – und setzen.
Werden einzelne Unternehmen staatlich geschützt, bilden sie Muskeln an der falschen Stelle. Nur Wettbewerb und das freie Spiel der Marktkräfte macht sie stark und widerstandsfähig. Ein abschreckendes Beispiel ist hierfür Alitalia, das weder zu seinen Zeiten als Staatskonzern durch wiederholte Finanzspritzen Italiens wettbewerbsfähig wurde noch im Privatbesitz durch die Unterstützung des staatlichen Postunternehmens Poste Italiane.
Übrigens bluffte GM damals: Nach der politischen Entscheidung gegen Staatshilfen zog die finanzstarke amerikanische Mutter alle Anträge zurück und sanierte den Rüsselsheimer Autobauer auf eigene Faust. So wird Opel demnächst französisch, und die vielen tausend Opelaner haben eine realistische Zukunftsperspektive.
Der Fall Air Berlin ist ähnlich gelagert. Die Fluglinie hat Bürgschaften beantragt, keine Kredite wie damals Opel. Der finanzstarke Anteilseigner ist Ankeraktionär, nicht jedoch alleiniger Eigentümer. Aber, kann es Zufall sein? Wieder steht eine Bundestagswahl vor der Haustür. Wieder wird mit dem Wegfall tausender Arbeitsplätze gedroht. Doch darf die Bundesregierung auch hier keinen ordnungspolitischen Sündenfall begehen und einem Einzelunternehmen unter die Arme greifen. Staatshilfen für Air Berlin darf es nicht geben. In der Sozialen Marktwirtschaft gibt es die Chance auf Gewinn und das Risiko auf Verlust, auch auf Totalverlust.
Es ist verständlich, dass die Mitarbeiter von Air Berlin und deren Familien in Sorge sind, und man wird nicht jedem sofort eine neue Anstellung garantieren können. Aber ein nicht marktfähiges Unternehmen über die Bundestagswahl retten zu wollen ist politisch und ökonomisch unverantwortlich. Den Air-Berlinern ist überhaupt nicht geholfen. Im Gegenteil: Es wird mit ihrem Schicksal gespielt.
Es gibt Interessenten für große Teile des Unternehmens. Im deutschen Kartellrecht ist zwar das allgemeine Instrument der Sanierungsfusion nicht explizit vorgesehen. Aber das Kartellamt hat in der Vergangenheit Fingerspitzengefühl gezeigt. Auch europäische Regeln müssen beachtet werden. Aber wenn einer oder mehrere Wettbewerber von Air Berlin das unternehmerische Risiko unter Beachtung der Wettbewerbsregeln eingehen, ist das für unser Wirtschaftsmodell und für die Mitarbeiter der beste Weg. Der Staat als Mitspieler hat jedenfalls darin nichts zu suchen.
In der Sozialen Marktwirtschaft soll der Staat ordnen und nicht lenken. Damit hätte er eigentlich genug zu tun. Zwei Beispiele aus dem Luftfahrt. Erstens die unselige Ticketsteuer: Sie wurde erfunden, um Haushaltslöcher zu stopfen. Angepriesen wurde sie als angeblich ökologisch. Doch die einzige Lenkungswirkung, die sie entfaltet: Aus privaten Kassen von Fluggesellschaften und Passagieren wurde Geld in die Staatskasse gelenkt. Die Haushaltslöcher sind weg, die Steuer ist noch da. Und belastet alle Fluggesellschaften mit zig Millionen Euro jährlich.
Zweitens die Infrastruktur: Die Länder Berlin und Brandenburg haben zusammen mit dem Bund die größten Investitionsflops der deutschen Flughafengeschichte zu verantworten. Der Flughafen in Berlin-Schönefeld wird wohl frühestens am Sankt Nimmerleinstag eröffnet. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass der Staat als Unternehmer nicht taugt, hier wurde er erbracht. Darunter leidet Air Berlin unmittelbar. Es wurden nicht nur lange Rechtsstreitigkeiten ausgefochten, die Ressourcen banden. Es wurde auch bis heute nichts mit dem Drehkreuz für die Airline, die den Stadtnamen im Titel hat. Zu allem Überfluss soll der attraktive Innenstadtflughafen Tegel dichtgemacht werden, auch wenn alle Berechnungen zeigen, dass der Flugverkehr eher zu- als abnimmt.
Politik und Verwaltung hätten also genug zu tun, wenn sie sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren würden. Infrastruktur verbessern, Entlastungen schaffen, private Investitionen ermöglichen: Das sind die Aufgaben einer verantwortlichen Wirtschaftspolitik. Spektakuläre, aber wenig nachhaltige Rettungsaktionen für einzelne Konzerne in Wahlkampfzeiten gehören nicht dazu.
THEURER-Gastbeitrag: Keine Staatshilfen für Air Berlin
Das FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer (MdEP) schrieb den folgenden Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Samstag-Ausgabe):
Die Insolvenz gehört zur marktwirtschaftlichen Ordnung. Deshalb muss man die Frage stellen, immer wieder, mit aller Hartnäckigkeit: Wenn der große, finanzstarke Anteilseigener das Risiko nicht tragen will, warum sollte es die Allgemeinheit, also der deutsche Steuerzahler, tun?
Der Fall Air Berlin erinnert diesbezüglich an Opel: Kurz vor der Bundestagswahl 2009 entschieden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr damaliger Vize Frank-Walter Steinmeier (SPD), Staatshilfen für den angeschlagenen Autobauer zu gewähren. Öffentliche Inszenierung inklusive. Der erhebliche Widerstand des damaligen Bundeswirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg blieb zunächst folgenlos. Erst als die Liberalen den Bundeswirtschaftsminister stellten, wurden die Staatshilfen für GM und Opel gestoppt. Weil die Freien Demokraten mit Nachdruck auf Wettbewerb und Marktwirtschaft setzten – und setzen.
Werden einzelne Unternehmen staatlich geschützt, bilden sie Muskeln an der falschen Stelle. Nur Wettbewerb und das freie Spiel der Marktkräfte macht sie stark und widerstandsfähig. Ein abschreckendes Beispiel ist hierfür Alitalia, das weder zu seinen Zeiten als Staatskonzern durch wiederholte Finanzspritzen Italiens wettbewerbsfähig wurde noch im Privatbesitz durch die Unterstützung des staatlichen Postunternehmens Poste Italiane.
Übrigens bluffte GM damals: Nach der politischen Entscheidung gegen Staatshilfen zog die finanzstarke amerikanische Mutter alle Anträge zurück und sanierte den Rüsselsheimer Autobauer auf eigene Faust. So wird Opel demnächst französisch, und die vielen tausend Opelaner haben eine realistische Zukunftsperspektive.
Der Fall Air Berlin ist ähnlich gelagert. Die Fluglinie hat Bürgschaften beantragt, keine Kredite wie damals Opel. Der finanzstarke Anteilseigner ist Ankeraktionär, nicht jedoch alleiniger Eigentümer. Aber, kann es Zufall sein? Wieder steht eine Bundestagswahl vor der Haustür. Wieder wird mit dem Wegfall tausender Arbeitsplätze gedroht. Doch darf die Bundesregierung auch hier keinen ordnungspolitischen Sündenfall begehen und einem Einzelunternehmen unter die Arme greifen. Staatshilfen für Air Berlin darf es nicht geben. In der Sozialen Marktwirtschaft gibt es die Chance auf Gewinn und das Risiko auf Verlust, auch auf Totalverlust.
Es ist verständlich, dass die Mitarbeiter von Air Berlin und deren Familien in Sorge sind, und man wird nicht jedem sofort eine neue Anstellung garantieren können. Aber ein nicht marktfähiges Unternehmen über die Bundestagswahl retten zu wollen ist politisch und ökonomisch unverantwortlich. Den Air-Berlinern ist überhaupt nicht geholfen. Im Gegenteil: Es wird mit ihrem Schicksal gespielt.
Es gibt Interessenten für große Teile des Unternehmens. Im deutschen Kartellrecht ist zwar das allgemeine Instrument der Sanierungsfusion nicht explizit vorgesehen. Aber das Kartellamt hat in der Vergangenheit Fingerspitzengefühl gezeigt. Auch europäische Regeln müssen beachtet werden. Aber wenn einer oder mehrere Wettbewerber von Air Berlin das unternehmerische Risiko unter Beachtung der Wettbewerbsregeln eingehen, ist das für unser Wirtschaftsmodell und für die Mitarbeiter der beste Weg. Der Staat als Mitspieler hat jedenfalls darin nichts zu suchen.
In der Sozialen Marktwirtschaft soll der Staat ordnen und nicht lenken. Damit hätte er eigentlich genug zu tun. Zwei Beispiele aus dem Luftfahrt. Erstens die unselige Ticketsteuer: Sie wurde erfunden, um Haushaltslöcher zu stopfen. Angepriesen wurde sie als angeblich ökologisch. Doch die einzige Lenkungswirkung, die sie entfaltet: Aus privaten Kassen von Fluggesellschaften und Passagieren wurde Geld in die Staatskasse gelenkt. Die Haushaltslöcher sind weg, die Steuer ist noch da. Und belastet alle Fluggesellschaften mit zig Millionen Euro jährlich.
Zweitens die Infrastruktur: Die Länder Berlin und Brandenburg haben zusammen mit dem Bund die größten Investitionsflops der deutschen Flughafengeschichte zu verantworten. Der Flughafen in Berlin-Schönefeld wird wohl frühestens am Sankt Nimmerleinstag eröffnet. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass der Staat als Unternehmer nicht taugt, hier wurde er erbracht. Darunter leidet Air Berlin unmittelbar. Es wurden nicht nur lange Rechtsstreitigkeiten ausgefochten, die Ressourcen banden. Es wurde auch bis heute nichts mit dem Drehkreuz für die Airline, die den Stadtnamen im Titel hat. Zu allem Überfluss soll der attraktive Innenstadtflughafen Tegel dichtgemacht werden, auch wenn alle Berechnungen zeigen, dass der Flugverkehr eher zu- als abnimmt.
Politik und Verwaltung hätten also genug zu tun, wenn sie sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren würden. Infrastruktur verbessern, Entlastungen schaffen, private Investitionen ermöglichen: Das sind die Aufgaben einer verantwortlichen Wirtschaftspolitik. Spektakuläre, aber wenig nachhaltige Rettungsaktionen für einzelne Konzerne in Wahlkampfzeiten gehören nicht dazu.