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20.04.2017 - 16:00THEURER-Interview: Die Freien Demokraten wollen den Politikwechsel
Das FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer gab der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Daniel Bräuer:
Frage: Herr Theurer, nach acht Jahren verlassen Sie das Europaparlament und wollen in den Bundestag. Ihr ganz persönlicher Rückzug ins Nationale?
Theurer: Im Gegenteil! Ich bin glühender Europäer. Wenn es die EU nicht gäbe, müssten wir sie jetzt erfinden. Die Krise Europas ist allerdings das Versagen der Nationalstaaten. Im Thema Asyl- und Migrationspolitik hat die EU keine Kompetenz. Im Thema Schutz der Außengrenzen sind es die Nationalstaaten. In der Frage der grenzüberschreitenden Terrorbekämpfung. Gerade deshalb ist es eine bewusste Entscheidung, mit der europapolitischen Erfahrung für den Bundestag zu kandidieren. Der Schlüssel für die zukünftige Integration Europas liegt in den nationalen Hauptstädten.
Frage: Die Briten verlassen die EU. Polen und Ungarn driften ins Autoritäre, Frankreich droht eine Polarisierung zwischen ganz Rechts und ganz Links. Schlechte Zeiten für liberale Positionen in Europa?
Theurer: Weltweit erleben wir, dass es eine Tendenz der Renationalisierung gibt, Neonationalisten, die in der Tat den Liberalismus als ihren Hauptfeind sehen. Die große Herausforderung ist also die Bewahrung der Errungenschaften der liberalen Demokratie westlicher Prägung.
Frage: Und da können Sie im Bundestag mehr erreichen als in Straßburg?
Theurer: Viele Menschen signalisieren uns, dass die FDP als Stimme der sozialen Marktwirtschaft und als Anwalt des Rechtsstaats im Bundestag fehlt. Das ist aber eine Entscheidung für den Bundestag und nicht gegen das Europaparlament.
Frage: Bei der Bundestagswahl 2013 ist die FDP in Baden-Württemberg von 18 auf 6 Prozent abgestürzt. Wie viel müssen Sie hier zurückerobern, damit es bundesweit für die 5-Prozent-Hürde reicht?
Theurer: Unser Ziel ist 8 Prozent plus. Nur wenn wir in Baden-Württemberg, dem Stammland der Liberalen, ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielen, gelingt der Wiedereinzug der FDP.
Frage: Das wäre im Bereich der Landtagswahl 2016. Und dann geht es direkt in eine Regierung, mit CDU oder SPD?
Theurer: Die Freien Demokraten wollen den Politikwechsel. Wir stellen die Inhalte in den Vordergrund. Das heißt, wir werden in keine Regierung eintreten, wenn wir nicht wesentliche Inhalte unseres Programms umsetzen können. Meine Position ist: Die Freien Demokraten dürfen keine Option von vornherein ausschließen.
Frage: Was wäre das zentrale Thema, das eine Ampel zum „Projekt“ macht?
Theurer: Unser zentrales Projekt ist „German Mut“. Wir wollen mit Zukunftszuversicht an die Reformnotwendigkeiten herangehen. Das bedeutet Modernisierung der Infrastruktur, vor allem Digitalisierung, Glasfaser für alle. Das heißt für uns ein wirtschaftsfreundliches Klima, einen neuen Gründergeist, der es Existenzgründern, Start-ups leichter macht als bisher. Und wir wollen die öffentliche Verwaltung modernisieren. Wenn Sie sich angucken, was man heute in Estland schon alles elektronisch machen kann, dann hinken wir noch weit zurück.
Frage: Die Frage war: Was verbindet die Ampel außer dem Ziel, Merkel abzulösen?
Theurer: Ich sehe ein Narrativ für eine mögliche Ampelkoalition in der Revitalisierung des europäischen Projekts.
Frage: Aber was könnten Sie dabei mit der SPD eher erreichen als mit der Union?
Theurer: Wir wollen vor allem, dass die Bundesrepublik eine Politik betreibt, die weltoffen, pro-europäisch, marktwirtschaftlich und rechtsstaatlich ist. Mit der SPD verbindet uns die Überzeugung, dass nur ein einiges, starkes Europa, eine EU, die mit der Gemeinschaftsmethode regiert wird, zukunftsfähig ist.
Frage: Ich habe noch nicht gehört, was mit der Union nicht möglich wäre. Wir sind in vielen Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik näher bei der CDU.
Theurer: Allerdings ist es so: Die CDU Ludwig Erhards ist uns näher als die CDU Angela Merkels, die in den vergangenen Jahren die Agenda 2010 selber rückgängig gemacht hat, die zugelassen hat, dass es massive Eingriffe in die soziale Marktwirtschaft gegeben hat wie den gesetzlichen Einheitsmindestlohn. Da erlauben wir uns auch die Kritikpunkte an Angela Merkel deutlich zu formulieren.
Frage: Der Mindestlohn war ein SPD-Projekt. Und die SPD setzt auf weitere Änderungen an der Agenda-Politik. Sie entfernt sich also eher von Ihnen…
Theurer: Das ist richtig. Die sozial- und arbeitsmarktspolitischen Vorstellungen von Martin Schulz trennen uns eher. Schulz spielt die linke Klaviatur. Damit wird eine Zusammenarbeit schwieriger.
Frage: Also bleibt Schwarz-Gelb oder Jamaika die erste Option.
Theurer: Die erste Option für uns ist, gestärkt in den Bundestag zurückzukehren. Und dann sind wir bereit, in Gespräche einzutreten und Verantwortung zu übernehmen. Aber nur, wenn wir wesentliche Inhalte umsetzen können.
Frage: Spielt der Wechsel von Gabriel zu Schulz dabei für Sie eine Rolle?
Theurer: Martin Schulz hat eine Diskursfähigkeit, die Angela Merkel über lange Zeit hat vermissen lassen. Das ist seine große Stärke. Er erinnert mich teilweise an Helmut Schmidt. Das ist für den politischen Diskurs in diesem Land positiv. Er bezieht Position, dadurch gibt es eine Diskussion, und in dieser Diskussion besteht die Möglichkeit für uns zu zeigen, wo die Unterschiede liegen und wo wir der festen Überzeugung sind, dass wir bessere Argumente haben – etwa bei der Stärkung der Eigenverantwortung.
Frage: Sie kennen Schulz aus langen Jahren in Straßburg. Kann er Kanzler?
Theurer: Martin Schulz hat als Parlamentspräsident bewiesen, dass er ein gewiefter Politiker ist, der mit allen Wassern gewaschen ist. Uns hat beeindruckt, wie er den Staats- und Regierungschefs gegenüber die Position des Parlaments vertreten hat.
Frage: Nicht nur Moderator, sondern Machtpolitiker aus eigenem Antrieb?
Theurer: Das ist er in jedem Fall. Schulz traue ich hier auch höchste Regierungsämter zu.
THEURER-Interview: Die Freien Demokraten wollen den Politikwechsel
Das FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer gab der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Daniel Bräuer:
Frage: Herr Theurer, nach acht Jahren verlassen Sie das Europaparlament und wollen in den Bundestag. Ihr ganz persönlicher Rückzug ins Nationale?
Theurer: Im Gegenteil! Ich bin glühender Europäer. Wenn es die EU nicht gäbe, müssten wir sie jetzt erfinden. Die Krise Europas ist allerdings das Versagen der Nationalstaaten. Im Thema Asyl- und Migrationspolitik hat die EU keine Kompetenz. Im Thema Schutz der Außengrenzen sind es die Nationalstaaten. In der Frage der grenzüberschreitenden Terrorbekämpfung. Gerade deshalb ist es eine bewusste Entscheidung, mit der europapolitischen Erfahrung für den Bundestag zu kandidieren. Der Schlüssel für die zukünftige Integration Europas liegt in den nationalen Hauptstädten.
Frage: Die Briten verlassen die EU. Polen und Ungarn driften ins Autoritäre, Frankreich droht eine Polarisierung zwischen ganz Rechts und ganz Links. Schlechte Zeiten für liberale Positionen in Europa?
Theurer: Weltweit erleben wir, dass es eine Tendenz der Renationalisierung gibt, Neonationalisten, die in der Tat den Liberalismus als ihren Hauptfeind sehen. Die große Herausforderung ist also die Bewahrung der Errungenschaften der liberalen Demokratie westlicher Prägung.
Frage: Und da können Sie im Bundestag mehr erreichen als in Straßburg?
Theurer: Viele Menschen signalisieren uns, dass die FDP als Stimme der sozialen Marktwirtschaft und als Anwalt des Rechtsstaats im Bundestag fehlt. Das ist aber eine Entscheidung für den Bundestag und nicht gegen das Europaparlament.
Frage: Bei der Bundestagswahl 2013 ist die FDP in Baden-Württemberg von 18 auf 6 Prozent abgestürzt. Wie viel müssen Sie hier zurückerobern, damit es bundesweit für die 5-Prozent-Hürde reicht?
Theurer: Unser Ziel ist 8 Prozent plus. Nur wenn wir in Baden-Württemberg, dem Stammland der Liberalen, ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielen, gelingt der Wiedereinzug der FDP.
Frage: Das wäre im Bereich der Landtagswahl 2016. Und dann geht es direkt in eine Regierung, mit CDU oder SPD?
Theurer: Die Freien Demokraten wollen den Politikwechsel. Wir stellen die Inhalte in den Vordergrund. Das heißt, wir werden in keine Regierung eintreten, wenn wir nicht wesentliche Inhalte unseres Programms umsetzen können. Meine Position ist: Die Freien Demokraten dürfen keine Option von vornherein ausschließen.
Frage: Was wäre das zentrale Thema, das eine Ampel zum „Projekt“ macht?
Theurer: Unser zentrales Projekt ist „German Mut“. Wir wollen mit Zukunftszuversicht an die Reformnotwendigkeiten herangehen. Das bedeutet Modernisierung der Infrastruktur, vor allem Digitalisierung, Glasfaser für alle. Das heißt für uns ein wirtschaftsfreundliches Klima, einen neuen Gründergeist, der es Existenzgründern, Start-ups leichter macht als bisher. Und wir wollen die öffentliche Verwaltung modernisieren. Wenn Sie sich angucken, was man heute in Estland schon alles elektronisch machen kann, dann hinken wir noch weit zurück.
Frage: Die Frage war: Was verbindet die Ampel außer dem Ziel, Merkel abzulösen?
Theurer: Ich sehe ein Narrativ für eine mögliche Ampelkoalition in der Revitalisierung des europäischen Projekts.
Frage: Aber was könnten Sie dabei mit der SPD eher erreichen als mit der Union?
Theurer: Wir wollen vor allem, dass die Bundesrepublik eine Politik betreibt, die weltoffen, pro-europäisch, marktwirtschaftlich und rechtsstaatlich ist. Mit der SPD verbindet uns die Überzeugung, dass nur ein einiges, starkes Europa, eine EU, die mit der Gemeinschaftsmethode regiert wird, zukunftsfähig ist.
Frage: Ich habe noch nicht gehört, was mit der Union nicht möglich wäre. Wir sind in vielen Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik näher bei der CDU.
Theurer: Allerdings ist es so: Die CDU Ludwig Erhards ist uns näher als die CDU Angela Merkels, die in den vergangenen Jahren die Agenda 2010 selber rückgängig gemacht hat, die zugelassen hat, dass es massive Eingriffe in die soziale Marktwirtschaft gegeben hat wie den gesetzlichen Einheitsmindestlohn. Da erlauben wir uns auch die Kritikpunkte an Angela Merkel deutlich zu formulieren.
Frage: Der Mindestlohn war ein SPD-Projekt. Und die SPD setzt auf weitere Änderungen an der Agenda-Politik. Sie entfernt sich also eher von Ihnen…
Theurer: Das ist richtig. Die sozial- und arbeitsmarktspolitischen Vorstellungen von Martin Schulz trennen uns eher. Schulz spielt die linke Klaviatur. Damit wird eine Zusammenarbeit schwieriger.
Frage: Also bleibt Schwarz-Gelb oder Jamaika die erste Option.
Theurer: Die erste Option für uns ist, gestärkt in den Bundestag zurückzukehren. Und dann sind wir bereit, in Gespräche einzutreten und Verantwortung zu übernehmen. Aber nur, wenn wir wesentliche Inhalte umsetzen können.
Frage: Spielt der Wechsel von Gabriel zu Schulz dabei für Sie eine Rolle?
Theurer: Martin Schulz hat eine Diskursfähigkeit, die Angela Merkel über lange Zeit hat vermissen lassen. Das ist seine große Stärke. Er erinnert mich teilweise an Helmut Schmidt. Das ist für den politischen Diskurs in diesem Land positiv. Er bezieht Position, dadurch gibt es eine Diskussion, und in dieser Diskussion besteht die Möglichkeit für uns zu zeigen, wo die Unterschiede liegen und wo wir der festen Überzeugung sind, dass wir bessere Argumente haben – etwa bei der Stärkung der Eigenverantwortung.
Frage: Sie kennen Schulz aus langen Jahren in Straßburg. Kann er Kanzler?
Theurer: Martin Schulz hat als Parlamentspräsident bewiesen, dass er ein gewiefter Politiker ist, der mit allen Wassern gewaschen ist. Uns hat beeindruckt, wie er den Staats- und Regierungschefs gegenüber die Position des Parlaments vertreten hat.
Frage: Nicht nur Moderator, sondern Machtpolitiker aus eigenem Antrieb?
Theurer: Das ist er in jedem Fall. Schulz traue ich hier auch höchste Regierungsämter zu.