FDP|
09.02.2017 - 15:45BEER-Gastbeitrag: Europe first
Die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer schrieb für „Focus Online“ den folgenden Gastbeitrag:
America first – das ist Donald Trumps Credo. Ganz überraschend sollte das nicht sein. Derzeit tut die politische und Medien-Öffentlichkeit in Deutschland und halb Europa so, als sei das etwas ganz und gar Abwegiges und ließe sich mit Bannsprüchen zurückdrängen.
Dabei war das immer Ziel von Außenpolitik, freilich selten so provinziell und überzogen wie jetzt unter Trump. Wie aber kann die Antwort aussehen? Sicher nicht nur in Ermahnungen und Empörtsein in Richtung Washington.
Notwendig ist umgehend eine Gesamtstrategie der Europäischen Union gegenüber der neuen Marschrichtung von Trump-USA. Statt Tag für Tag über jedes Stöckchen zu springen, das Präsident Trump uns grinsend hinhält, braucht es einen – auch mit der Wirtschaft – abgestimmten Plan, wie wir unsere europäischen Interessen verteidigen.
Dazu gehört eine deutliche gemeinsame Stimme bei unseren westlichen Werten: Die Wiedereinführung von Folter, das Aussortieren von Menschen nach Abstammung oder Religion, die Respektlosigkeit gegenüber Rechtsstaat und demokratischen Institutionen sind keine Petitessen. Dies deutlich zu machen, würde die Wiederherstellung der Sprechfähigkeit der 28 EU-Länder untereinander voraussetzen, nicht nur zwischen Ost- und Westeuropa, sondern auch zwischen kleinen und größeren Mitgliedstaaten.
Allerdings wäre die Glaubwürdigkeit der Europäer hier größer, wenn sie diese nicht selbst durch den Deal mit dem Despoten Erdogan fortlaufend diskreditieren würden. Doch auch auf wirtschaftlicher Ebene braucht es neue gemeinsame Ansätze: Wenn Trump sich bei Wirtschaftsführern durch Drohungen mit Strafzöllen und sonstigen Einschränkungen Zugeständnisse wie Produktionsverlagerungen erpresst, müssen europäische Politik und Unternehmen Hand in Hand standhalten.
Die eilfertigen Unterwürfigkeitsgesten amerikanischer Konzerne mögen gegebenenfalls ein kurzes Strohfeuer mit Jobs in unrentablen Branchen des Rust Belts bringen, nachhaltigen Aufschwung erreicht man so nicht, und wir sollten die Entzauberung des vermeintlichen Wirtschaftslenkers Trump nicht noch durch eigene Zugeständnisse hinauszögern.
Doch Europa wird im falschen Augenblick erwischt, es lässt eine zügige Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der 28 EU-Staaten vermissen. Viel zu lange wurden insbesondere in den Südländern inklusive Frankreich nötige Reformen aufgeschoben, mit Hilfe auch der EZB Schulden angehäuft und phrasengesättigte Trägheit zur politischen Gangart.
Das schadet nicht nur Wirtschaft und Bevölkerung massiv, sondern wird auch zum Geburtshelfer neuer, radikaler Parteien. Die von der Bundesregierung forcierte unkontrollierte Massenzuwanderung trägt große Unruhe nicht nur in die deutsche Gesellschaft, während die EU unfähig ist, ihre Grenzen zu schützen. Auch unter dem Eindruck dieser Politik verlässt ein Kernland – Großbritannien – die EU.
Umso dringender müssen wir selber stärker werden, wenn die USA sich aus der Führung der Welt zurückziehen und protektionistischer werden. Das wird man freilich mit Gerechtigkeitsrhetorik, einer Vergemeinschaftung der Sozialpolitik und Schuldenmacherei kaum bewerkstelligen, sondern nur mit mehr echtem Zusammenhalt und gemeinsamen Initiativen, mit mehr Freiraum für die Tatkraft der Bürger, mit besserer Bildung, mit einer Digitaloffensive, mit disziplinierter Ordnungspolitik und nicht zuletzt mit einer EZB, die sich wieder an ihre Regeln hält, statt den Schlendrian vieler EU-Staaten zu unterstützen – sprich mit einer substantiellen Erneuerung der EU, aber auf keinen Fall mit einem Mehr an Europa, was nur ein Mehr desgleichen wäre.
Deutschland müsste diesen Prozess vorantreiben. Doch spätestens seit der Nominierung von Martin Schulz als Kanzlerkandidaten der SPD stellt sich die Frage der Regierungsfähigkeit in Berlin: ein vielstimmiger Chor gegenseitiger Vorwürfe und Beleidigungen statt abgestimmtes Vorgehen, Wahlkampfgetöse statt Handlungsfähigkeit, ein Außenministerium als Trostpflaster und ein Wirtschaftsministerium auf der Resterampe.
Es ist vor allem aber dringend geboten, mit Trump schneller und gründlicher ins Gespräch zu kommen als bisher geplant, da die Dinge schon jetzt beginnen aus dem Ruder zu laufen. Warum bis zum G20-Gipfel im Juli in Hamburg warten? Hier sollte die Kanzlerin initiativ werden. Besonders Deutschland, das mehr als alle anderen in Europa vom Export abhängt, muss daran ein vitales Interesse haben.
BEER-Gastbeitrag: Europe first
Die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer schrieb für „Focus Online“ den folgenden Gastbeitrag:
America first – das ist Donald Trumps Credo. Ganz überraschend sollte das nicht sein. Derzeit tut die politische und Medien-Öffentlichkeit in Deutschland und halb Europa so, als sei das etwas ganz und gar Abwegiges und ließe sich mit Bannsprüchen zurückdrängen.
Dabei war das immer Ziel von Außenpolitik, freilich selten so provinziell und überzogen wie jetzt unter Trump. Wie aber kann die Antwort aussehen? Sicher nicht nur in Ermahnungen und Empörtsein in Richtung Washington.
Notwendig ist umgehend eine Gesamtstrategie der Europäischen Union gegenüber der neuen Marschrichtung von Trump-USA. Statt Tag für Tag über jedes Stöckchen zu springen, das Präsident Trump uns grinsend hinhält, braucht es einen – auch mit der Wirtschaft – abgestimmten Plan, wie wir unsere europäischen Interessen verteidigen.
Dazu gehört eine deutliche gemeinsame Stimme bei unseren westlichen Werten: Die Wiedereinführung von Folter, das Aussortieren von Menschen nach Abstammung oder Religion, die Respektlosigkeit gegenüber Rechtsstaat und demokratischen Institutionen sind keine Petitessen. Dies deutlich zu machen, würde die Wiederherstellung der Sprechfähigkeit der 28 EU-Länder untereinander voraussetzen, nicht nur zwischen Ost- und Westeuropa, sondern auch zwischen kleinen und größeren Mitgliedstaaten.
Allerdings wäre die Glaubwürdigkeit der Europäer hier größer, wenn sie diese nicht selbst durch den Deal mit dem Despoten Erdogan fortlaufend diskreditieren würden. Doch auch auf wirtschaftlicher Ebene braucht es neue gemeinsame Ansätze: Wenn Trump sich bei Wirtschaftsführern durch Drohungen mit Strafzöllen und sonstigen Einschränkungen Zugeständnisse wie Produktionsverlagerungen erpresst, müssen europäische Politik und Unternehmen Hand in Hand standhalten.
Die eilfertigen Unterwürfigkeitsgesten amerikanischer Konzerne mögen gegebenenfalls ein kurzes Strohfeuer mit Jobs in unrentablen Branchen des Rust Belts bringen, nachhaltigen Aufschwung erreicht man so nicht, und wir sollten die Entzauberung des vermeintlichen Wirtschaftslenkers Trump nicht noch durch eigene Zugeständnisse hinauszögern.
Doch Europa wird im falschen Augenblick erwischt, es lässt eine zügige Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der 28 EU-Staaten vermissen. Viel zu lange wurden insbesondere in den Südländern inklusive Frankreich nötige Reformen aufgeschoben, mit Hilfe auch der EZB Schulden angehäuft und phrasengesättigte Trägheit zur politischen Gangart.
Das schadet nicht nur Wirtschaft und Bevölkerung massiv, sondern wird auch zum Geburtshelfer neuer, radikaler Parteien. Die von der Bundesregierung forcierte unkontrollierte Massenzuwanderung trägt große Unruhe nicht nur in die deutsche Gesellschaft, während die EU unfähig ist, ihre Grenzen zu schützen. Auch unter dem Eindruck dieser Politik verlässt ein Kernland – Großbritannien – die EU.
Umso dringender müssen wir selber stärker werden, wenn die USA sich aus der Führung der Welt zurückziehen und protektionistischer werden. Das wird man freilich mit Gerechtigkeitsrhetorik, einer Vergemeinschaftung der Sozialpolitik und Schuldenmacherei kaum bewerkstelligen, sondern nur mit mehr echtem Zusammenhalt und gemeinsamen Initiativen, mit mehr Freiraum für die Tatkraft der Bürger, mit besserer Bildung, mit einer Digitaloffensive, mit disziplinierter Ordnungspolitik und nicht zuletzt mit einer EZB, die sich wieder an ihre Regeln hält, statt den Schlendrian vieler EU-Staaten zu unterstützen – sprich mit einer substantiellen Erneuerung der EU, aber auf keinen Fall mit einem Mehr an Europa, was nur ein Mehr desgleichen wäre.
Deutschland müsste diesen Prozess vorantreiben. Doch spätestens seit der Nominierung von Martin Schulz als Kanzlerkandidaten der SPD stellt sich die Frage der Regierungsfähigkeit in Berlin: ein vielstimmiger Chor gegenseitiger Vorwürfe und Beleidigungen statt abgestimmtes Vorgehen, Wahlkampfgetöse statt Handlungsfähigkeit, ein Außenministerium als Trostpflaster und ein Wirtschaftsministerium auf der Resterampe.
Es ist vor allem aber dringend geboten, mit Trump schneller und gründlicher ins Gespräch zu kommen als bisher geplant, da die Dinge schon jetzt beginnen aus dem Ruder zu laufen. Warum bis zum G20-Gipfel im Juli in Hamburg warten? Hier sollte die Kanzlerin initiativ werden. Besonders Deutschland, das mehr als alle anderen in Europa vom Export abhängt, muss daran ein vitales Interesse haben.