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21.01.2017 - 14:30LINDNER-Interview: Fossilien im Programm der Grünen
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner gab dem „Wiesbadener Kurier“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Laura Jung und Christian Stang:
Frage: Herr Lindner, nach dem Desaster 2013 fragten viele: Wer, außer einer Handvoll Apotheker und Hoteliers, braucht eigentlich die FDP? Liegt diese Phase hinter Ihnen?
Lindner: Viele wünschen sich doch wieder eine Kraft, die den Rechtsstaat stärkt, aber aufsteht gegen Intoleranz und Bürokratismus. Für uns hat soziale Verantwortung mit Bildung und Arbeit zu tun, statt mit der Vergrößerung des Staats. Wir stellen die Frage, wovon Deutschland eigentlich morgen leben will. Die gegenwärtige Situation ist ja eine Wohlstandshalluzination, weil die Digitalisierung eine zweite industrielle Revolution ist. In dieser Zeit darf der Wohlstand nicht nur verwaltet werden. Wir müssen flexibler werden, offener für Technologien und mehr investieren. Wo andere Angst haben, sehen wir uns als Fortschrittsbeschleuniger der deutschen Politik.
Frage: Steuersenkungen sind kein gutes Stichwort für die Freidemokraten. Was sollte der Finanzminister mit dem aktuell riesigen Haushaltsüberschuss anfangen?
Lindner: Wieso ist das kein gutes Thema für die Liberalen...
Frage: ...weil sie 2009 Steuersenkungen versprochen, aber nicht umgesetzt haben.
Lindner: Ein populärer Irrtum. Damals wurden die Bürger um 35 Milliarden Euro bei Steuern und Abgaben entlastet. Ohne uns spricht in Berlin aber niemand mehr über Entlastung. Wir haben in der Wahlperiode 2009 bis 2013 gelernt, dass wir in dieser Frage keinen natürlichen Verbündeten haben. Dennoch bleibt das Ziel umso notwendiger. Die Balance zwischen Staat und Privat ist völlig aus dem Lot geraten. Die Inflation kehrt zurück, die Zinsen sind niedrig, die Steuerquote hat einen Höchststand, die Krankenkassenbeiträge steigen. Ich habe einen konkreten Vorschlag: Die sieben Milliarden Haushaltsüberschuss sollte die Bundesregierung nutzen, um den Solidaritätszuschlag für alle Menschen abzuschaffen, die weniger als 50 000 Euro im Jahr zu versteuern haben. Das wäre ein echter Beitrag zur Entlastung der Mitte der Gesellschaft, für Facharbeiter oder Ingenieure.
Frage: Und wo sehen Sie einen Partner für diese Idee? Die Union hat Sie schon einmal ins Messer laufen lassen.
Lindner: Immerhin hat die CDU wieder eine Steuerreform im Programm. Das hatte sie vor den letzten drei Bundestagswahlen allerdings auch, ohne dass was kam. Im Gegenteil, die Union hat uns am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Und wir haben das kleinlaut mit uns machen lassen. Das passiert uns kein zweites Mal in diesem politischen Leben. Wir haben gelernt, dass wir keinen natürlichen Verbündeten haben. Darüber wird man also verhandeln müssen.
Frage: Rechts der CDU ist ein Vakuum entstanden. Wie wollen Sie das füllen, ohne in die geistige Nähe der AfD zu geraten?
Lindner: Das wollen wir überhaupt nicht füllen. Wir sind eine liberale Partei, die sich der vernünftigen Mitte verbunden fühlt. Und aus dieser Mitte heraus kritisieren wir beispielsweise die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Es ist nicht vernünftig und nicht verantwortlich, einfach ohne Regeln die Grenzen zu öffnen und die Kontrolle aufzugeben. Vernünftig ist es, unsere Außengrenzen zu schützen, ein Einwanderungsgesetz zu schaffen und robuste Rückführungsabkommen mit den nordafrikanischen Ländern zu schließen. Und: Die Maghreb-Staaten müssen zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Es ist für mich völlig unverständlich, dass die Grünen sich, auch in Hessen, dem verweigern. Viele buchen für den nächsten Urlaub gerade ihr Hotel in Tunesien. Und das soll dann kein sicheres Herkunftsland sein? Das kann man keinem Menschen erklären.
Frage: Ihnen wird ein entspanntes Verhältnis zu Cem Özdemir nachgesagt. Wäre Jamaika, also ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP, eine Option für den Bund?
Lindner: Ich schätze Cem Özdemir. Er ist ein guter Grüner, aber kein repräsentativer. Im Programm der Grünen finden sich noch immer Fossilien wie die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Damit macht man unsere Familienbetriebe schwach, wie selbst Herr Kretschmann gewarnt hat.
Frage: Das heißt, bei den Grünen gibt es immer noch zuviel Jürgen Trittin und Claudia Roth?
Lindner: So kann man das sagen. Das Spitzenteam verkörpert jedenfalls nicht, was bei denen wirklich Programm ist.
Frage: Und wie wäre es mit der rot-grün-gelben Ampel?
Lindner: Die SPD ist zu schwach, und die Grünen verlieren gerade massiv in den Umfragen. Die Frage stellt sich somit gar nicht. Auch Schwarz-Gelb wäre kein Selbstläufer. Wir wollen regieren, um liberale Projekte umzusetzen. Andernfalls machen wir liberale Oppositionspolitik. Mir hat neulich ein Freund ein afrikanisches Sprichwort erzählt: Wenn Du an eine vergiftete Wasserquelle kommst, bleib durstig.
LINDNER-Interview: Fossilien im Programm der Grünen
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner gab dem „Wiesbadener Kurier“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Laura Jung und Christian Stang:
Frage: Herr Lindner, nach dem Desaster 2013 fragten viele: Wer, außer einer Handvoll Apotheker und Hoteliers, braucht eigentlich die FDP? Liegt diese Phase hinter Ihnen?
Lindner: Viele wünschen sich doch wieder eine Kraft, die den Rechtsstaat stärkt, aber aufsteht gegen Intoleranz und Bürokratismus. Für uns hat soziale Verantwortung mit Bildung und Arbeit zu tun, statt mit der Vergrößerung des Staats. Wir stellen die Frage, wovon Deutschland eigentlich morgen leben will. Die gegenwärtige Situation ist ja eine Wohlstandshalluzination, weil die Digitalisierung eine zweite industrielle Revolution ist. In dieser Zeit darf der Wohlstand nicht nur verwaltet werden. Wir müssen flexibler werden, offener für Technologien und mehr investieren. Wo andere Angst haben, sehen wir uns als Fortschrittsbeschleuniger der deutschen Politik.
Frage: Steuersenkungen sind kein gutes Stichwort für die Freidemokraten. Was sollte der Finanzminister mit dem aktuell riesigen Haushaltsüberschuss anfangen?
Lindner: Wieso ist das kein gutes Thema für die Liberalen...
Frage: ...weil sie 2009 Steuersenkungen versprochen, aber nicht umgesetzt haben.
Lindner: Ein populärer Irrtum. Damals wurden die Bürger um 35 Milliarden Euro bei Steuern und Abgaben entlastet. Ohne uns spricht in Berlin aber niemand mehr über Entlastung. Wir haben in der Wahlperiode 2009 bis 2013 gelernt, dass wir in dieser Frage keinen natürlichen Verbündeten haben. Dennoch bleibt das Ziel umso notwendiger. Die Balance zwischen Staat und Privat ist völlig aus dem Lot geraten. Die Inflation kehrt zurück, die Zinsen sind niedrig, die Steuerquote hat einen Höchststand, die Krankenkassenbeiträge steigen. Ich habe einen konkreten Vorschlag: Die sieben Milliarden Haushaltsüberschuss sollte die Bundesregierung nutzen, um den Solidaritätszuschlag für alle Menschen abzuschaffen, die weniger als 50 000 Euro im Jahr zu versteuern haben. Das wäre ein echter Beitrag zur Entlastung der Mitte der Gesellschaft, für Facharbeiter oder Ingenieure.
Frage: Und wo sehen Sie einen Partner für diese Idee? Die Union hat Sie schon einmal ins Messer laufen lassen.
Lindner: Immerhin hat die CDU wieder eine Steuerreform im Programm. Das hatte sie vor den letzten drei Bundestagswahlen allerdings auch, ohne dass was kam. Im Gegenteil, die Union hat uns am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Und wir haben das kleinlaut mit uns machen lassen. Das passiert uns kein zweites Mal in diesem politischen Leben. Wir haben gelernt, dass wir keinen natürlichen Verbündeten haben. Darüber wird man also verhandeln müssen.
Frage: Rechts der CDU ist ein Vakuum entstanden. Wie wollen Sie das füllen, ohne in die geistige Nähe der AfD zu geraten?
Lindner: Das wollen wir überhaupt nicht füllen. Wir sind eine liberale Partei, die sich der vernünftigen Mitte verbunden fühlt. Und aus dieser Mitte heraus kritisieren wir beispielsweise die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Es ist nicht vernünftig und nicht verantwortlich, einfach ohne Regeln die Grenzen zu öffnen und die Kontrolle aufzugeben. Vernünftig ist es, unsere Außengrenzen zu schützen, ein Einwanderungsgesetz zu schaffen und robuste Rückführungsabkommen mit den nordafrikanischen Ländern zu schließen. Und: Die Maghreb-Staaten müssen zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Es ist für mich völlig unverständlich, dass die Grünen sich, auch in Hessen, dem verweigern. Viele buchen für den nächsten Urlaub gerade ihr Hotel in Tunesien. Und das soll dann kein sicheres Herkunftsland sein? Das kann man keinem Menschen erklären.
Frage: Ihnen wird ein entspanntes Verhältnis zu Cem Özdemir nachgesagt. Wäre Jamaika, also ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP, eine Option für den Bund?
Lindner: Ich schätze Cem Özdemir. Er ist ein guter Grüner, aber kein repräsentativer. Im Programm der Grünen finden sich noch immer Fossilien wie die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Damit macht man unsere Familienbetriebe schwach, wie selbst Herr Kretschmann gewarnt hat.
Frage: Das heißt, bei den Grünen gibt es immer noch zuviel Jürgen Trittin und Claudia Roth?
Lindner: So kann man das sagen. Das Spitzenteam verkörpert jedenfalls nicht, was bei denen wirklich Programm ist.
Frage: Und wie wäre es mit der rot-grün-gelben Ampel?
Lindner: Die SPD ist zu schwach, und die Grünen verlieren gerade massiv in den Umfragen. Die Frage stellt sich somit gar nicht. Auch Schwarz-Gelb wäre kein Selbstläufer. Wir wollen regieren, um liberale Projekte umzusetzen. Andernfalls machen wir liberale Oppositionspolitik. Mir hat neulich ein Freund ein afrikanisches Sprichwort erzählt: Wenn Du an eine vergiftete Wasserquelle kommst, bleib durstig.