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19.11.2016 - 09:30LAMBSDORFF-Interview: Unser Ziel ist ein europäisches FBI
Berlin. ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF, FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments, gab der „Neuen Westfälischen“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview:
Frage: Herr Lambsdorff, wo hat die EU besonders viel zu tun?
LAMBSDORFF: In der Sicherheitspolitik. Da ist Europa bisher ein zahnloser Tiger, auch weil England immer alles blockiert hat. Unser Ziel ist, aus Europol eine Art europäisches FBI zu machen, das mit den nationalen Polizeibehörden zusammen gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität kämpft.
Frage: Trifft das auch den Schutz der EU-Außengrenzen?
LAMBSDORFF: Ja, auch wenn Innenminister de Maizière etwas anderes behauptet, ist die Grenzpolizei Frontex noch immer kein echter EU-Grenzschutz, sondern die Mitgliedstaaten schicken da Polizisten hin - oder auch nicht. Außerdem darf Frontex nichts aus eigener Lagebeurteilung tun, sondern muss vorher immer erst nachfragen. So können wir unsere Grenzen nicht wirksam sichern.
Frage: Wie beurteilen Sie die Sicherheitslage in Europa?
LAMBSDORFF: Viele Menschen haben das Gefühl, dass wir in unsicheren Zeiten leben. Deshalb muss die Politik handeln. Teilweise passiert das auch, teilweise aber gerade nicht. Verteidigungsministerin von der Leyen tut viel, damit es in Europa weiter geht, aber Innenminister de Maizière tut nur so, als ob.
Frage: Was wäre, wenn Marine le Pen im kommenden Mai zur Präsidentin Frankreichs gewählt würde?
LAMBSDORFF: Wenn Le Pen gewählt würde, wäre das ein schwerer Schock für die EU. Sie steht für Nationalismus, autoritäre Führung und sozialistische Wirtschaftspolitik, die schon so oft krachend gescheitert ist.
Frage: Wie erreicht man die Köpfe und Herzen der Menschen in Europa?
LAMBSDORFF: Europa ist ein riesiger Raum der Freiheit, nicht nur für den Warenverkehr, sondern für uns alle. Das muss mehr ins Bewusstsein kommen. Aber zugleich haben wir Parteien eine andere, riesige Baustelle: Globalisierung, Digitalisierung und gefühlte Entgrenzung erzeugen Ängste. Viele Menschen sind offen für Wandel, aber nicht zu schnell und nicht unkontrolliert. Der Kontrollverlust des Staates durch den Alleingang von Bundeskanzlerin Merkel in der Flüchtlingspolitik hat viele Menschen tief verunsichert. Viele fragen sich, ob ihr Dorf oder ihr Stadtviertel morgen noch so aussieht, wie es sich die Bürger heute idealerweise vorstellen. Darauf haben wir noch keine fertigen Antworten. Gleichzeitig werden große Fragen zu oft durch Unwichtiges überlagert.
Frage: Zum Beispiel?
LAMBSDORFF: Eine große Frage ist doch, ob unser Bildungssystem schon darauf ausgerichtet ist, junge Menschen auf Jobs vorzubereiten, die es heute noch gar nicht gibt. Da geht es um Deutschlands Zukunft. Stattdessen sehen viele in Politik und Medien aber beispielsweise eine abgehobene Genderdebatte, in der der Blick für das Wesentliche verloren gegangen ist. Rot-Grün gibt Millionen dafür aus zu erforschen, ob es Bürgermeister_in, BürgermeisterIn oder Bürgermeister*in heißen soll. Dieses Geld kann man sinnvoller verwenden.
Frage: Wie beurteilen Sie die Wahl von Donald Trump in den USA?
LAMBSDORFF: Diese Wahl ist historisch, aber die Reaktionen sollten nicht hysterisch sein. Wir müssen den Dialog suchen und erstmal souverän mit dieser Entscheidung der US-Wähler umgehen. Ich werde nächsten Monat in die USA reisen und schauen, welche Vorschläge wirklich ernst gemeint, und welche dem Wahlkampf geschuldet waren.
Frage: Es werden immer noch Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei geführt. Sollte das so bleiben?
LAMBSDORFF: Die FDP spricht sich dafür aus, die Beitrittsverhandlungen zu beenden. Wir sind an einem Punkt, wo der Prozess von beiden Seiten als zutiefst unehrlich angesehen wird. Nach über 11 Jahren Verhandlungen ist erst eines von 34 abzuarbeitenden Kapiteln abgeschlossen. Wir wollen stattdessen eine neue, auf gegenseitigen Respekt und gemeinsamen Interessen gründende Agenda, also einen Grundlagenvertrag für eine pragmatische Zusammenarbeit. Das ist der bessere Weg.
LAMBSDORFF-Interview: Unser Ziel ist ein europäisches FBI
Berlin. ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF, FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments, gab der „Neuen Westfälischen“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview:
Frage: Herr Lambsdorff, wo hat die EU besonders viel zu tun?
LAMBSDORFF: In der Sicherheitspolitik. Da ist Europa bisher ein zahnloser Tiger, auch weil England immer alles blockiert hat. Unser Ziel ist, aus Europol eine Art europäisches FBI zu machen, das mit den nationalen Polizeibehörden zusammen gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität kämpft.
Frage: Trifft das auch den Schutz der EU-Außengrenzen?
LAMBSDORFF: Ja, auch wenn Innenminister de Maizière etwas anderes behauptet, ist die Grenzpolizei Frontex noch immer kein echter EU-Grenzschutz, sondern die Mitgliedstaaten schicken da Polizisten hin - oder auch nicht. Außerdem darf Frontex nichts aus eigener Lagebeurteilung tun, sondern muss vorher immer erst nachfragen. So können wir unsere Grenzen nicht wirksam sichern.
Frage: Wie beurteilen Sie die Sicherheitslage in Europa?
LAMBSDORFF: Viele Menschen haben das Gefühl, dass wir in unsicheren Zeiten leben. Deshalb muss die Politik handeln. Teilweise passiert das auch, teilweise aber gerade nicht. Verteidigungsministerin von der Leyen tut viel, damit es in Europa weiter geht, aber Innenminister de Maizière tut nur so, als ob.
Frage: Was wäre, wenn Marine le Pen im kommenden Mai zur Präsidentin Frankreichs gewählt würde?
LAMBSDORFF: Wenn Le Pen gewählt würde, wäre das ein schwerer Schock für die EU. Sie steht für Nationalismus, autoritäre Führung und sozialistische Wirtschaftspolitik, die schon so oft krachend gescheitert ist.
Frage: Wie erreicht man die Köpfe und Herzen der Menschen in Europa?
LAMBSDORFF: Europa ist ein riesiger Raum der Freiheit, nicht nur für den Warenverkehr, sondern für uns alle. Das muss mehr ins Bewusstsein kommen. Aber zugleich haben wir Parteien eine andere, riesige Baustelle: Globalisierung, Digitalisierung und gefühlte Entgrenzung erzeugen Ängste. Viele Menschen sind offen für Wandel, aber nicht zu schnell und nicht unkontrolliert. Der Kontrollverlust des Staates durch den Alleingang von Bundeskanzlerin Merkel in der Flüchtlingspolitik hat viele Menschen tief verunsichert. Viele fragen sich, ob ihr Dorf oder ihr Stadtviertel morgen noch so aussieht, wie es sich die Bürger heute idealerweise vorstellen. Darauf haben wir noch keine fertigen Antworten. Gleichzeitig werden große Fragen zu oft durch Unwichtiges überlagert.
Frage: Zum Beispiel?
LAMBSDORFF: Eine große Frage ist doch, ob unser Bildungssystem schon darauf ausgerichtet ist, junge Menschen auf Jobs vorzubereiten, die es heute noch gar nicht gibt. Da geht es um Deutschlands Zukunft. Stattdessen sehen viele in Politik und Medien aber beispielsweise eine abgehobene Genderdebatte, in der der Blick für das Wesentliche verloren gegangen ist. Rot-Grün gibt Millionen dafür aus zu erforschen, ob es Bürgermeister_in, BürgermeisterIn oder Bürgermeister*in heißen soll. Dieses Geld kann man sinnvoller verwenden.
Frage: Wie beurteilen Sie die Wahl von Donald Trump in den USA?
LAMBSDORFF: Diese Wahl ist historisch, aber die Reaktionen sollten nicht hysterisch sein. Wir müssen den Dialog suchen und erstmal souverän mit dieser Entscheidung der US-Wähler umgehen. Ich werde nächsten Monat in die USA reisen und schauen, welche Vorschläge wirklich ernst gemeint, und welche dem Wahlkampf geschuldet waren.
Frage: Es werden immer noch Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei geführt. Sollte das so bleiben?
LAMBSDORFF: Die FDP spricht sich dafür aus, die Beitrittsverhandlungen zu beenden. Wir sind an einem Punkt, wo der Prozess von beiden Seiten als zutiefst unehrlich angesehen wird. Nach über 11 Jahren Verhandlungen ist erst eines von 34 abzuarbeitenden Kapiteln abgeschlossen. Wir wollen stattdessen eine neue, auf gegenseitigen Respekt und gemeinsamen Interessen gründende Agenda, also einen Grundlagenvertrag für eine pragmatische Zusammenarbeit. Das ist der bessere Weg.