FDP|
15.08.2016 - 14:30Deutschland braucht mehr Elan für Digitales und Freihandel
Im "SWR 2"-Interview hat FDP-Generalsekretärin Nicola Beer angeprangert, dass die technische Umsetzung der Digitalisierung im Bereich Infrastruktur nicht vorankommt, und eine ambitioniertere Herangehensweise von der Bundesregierung gefordert. "Wir haben fünf Bundesministerien, die zuständig sind, damit ist klar: keiner ist zuständig", kritisierte sie. Nicht einmal beim Glasfaserausbau sei ein Konzept in Sicht. "Wir haben ein Monopol der Telekom mit Kupferleitung auf dem letzten Kilometer, und keiner in der Bundesregierung scheint auch nur ansatzweise eine Idee zu haben, wo das mal hinführen kann", rügte die Freidemokratin.
Die Freien Demokraten hingegen seien in stetigem Kontakt mit all den Unternehmen, die auf Grund von Digitalisierung neue Produkte und Dienstleistungen anbieten könnten, "wenn in diesem Land die Digitalisierung von Anfang an mitgedacht würde", betonte sie. "Also von daher sind wir da einfach quasi an der Spitze der Bewegung und glauben, dass wir über alle Bereiche von Bildung über Verwaltung bis hin zum Gesundheitsbereich mit Digitalisierung den Menschen mehr Vorteile für ihr Leben und ihr Fortkommen organisieren können."
Gabriel muss Vorteile von TTIP deutlich machen
Mit Blick auf die Freihandelsdebatte in Deutschland unterstrich Beer: Ein erfolgreiches Ende der TTIP-Verhandlungen sei nach wie vor möglich. Die FDP-Generalsekretärin bemängelte allerdings, "wie hysterisch in diesem Land manchmal diskutiert wird, weil mit sehr viel Fehlinformationen und Halbwahrheiten agiert wird". Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht Beer in der Pflicht, deutlich zu machen, "dass die Vorteile dieses Abkommens die Nachteile bei weitem überwiegen". Sie erwarte, dass Gabriel sich mit mehr Elan "einfach dafür einsetzt, dass eben die kritischen Punkte so verhandelt werden, dass sie zu unserem Vorteil ausgehen".
Lesen Sie hier das gesamte Interview.
Frau Beer, in der jüngsten Umfrage für den ARD Deutschlandtrend liegt die FDP im Bund nur noch bei fünf Prozent – das waren schon mal mehr. Warum kommt die FDP nicht aus dem Keller?
Also wir sind als außerparlamentarische Opposition schon froh, dass es – fünf, sechs, sieben haben wir ja auch schon gesehen – deutlich über der Fünf-Prozent-Hürde ist. Klar, da ist noch Luft nach oben. Wir arbeiten auch dran. Es ist immer schwieriger, wenn man außerparlamentarisch ist, überhaupt Sichtbarkeit zu bekommen, zumal wenn eine Große Koalition sich immer weiter auseinander lebt. Und es ausreicht darüber und über diesen Streit, sei es zwischen SPD und CDU, sei es zwischen CDU/CSU zu berichten. Wir versuchen unsere Themen zu platzieren, auch jenseits der momentanen aktuellen Diskussion um Sicherheitsfragen eben auch zu sagen, wir brauchen auch Grundlagen in diesem Land, um uns nach vorne zu entwickeln.
Schauen wir mal konkret auf die anstehenden Landtagswahlen im September in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin. In Mecklenburg-Vorpommern liegt die FDP in Umfragen bei etwa drei Prozent, hinter der NPD, hinter der AfD sowieso. Das muss Sie doch umtreiben …
Ja. Wir werden da auch weiter sehr aktiv unterwegs sein. Mit Cécile Bonnet-Weidhofer, der Spitzenkandidatin, haben wir eine junge Mutter, Französin, die sich ganz bewusst für Mecklenburg-Vorpommern als Heimat entschieden hat. Die sehr viel Optimismus, sehr viel Zukunftsorientierung versprüht. Und wir wollen das ganz bewusst entgegensetzen, denn Mecklenburg-Vorpommern prägt momentan der Wahlkampf sich darin, dass eigentlich alle anderen Parteien völlig nervös auf die AfD schauen.
Sie nicht?
Nein, wir setzen uns dagegen ab. Und ich habe das Gefühl, alle anderen sind wie schockerstarrt vor der Angst, dass die AfD dort stärkste Partei werden könnte. Wir versuchen klar zu machen, dass wir das genaue Gegenteil sind.
Aber ohne Erfolg, Frau Beer. Wenn Sie bei drei Prozent liegen und die AfD weit im zweistelligen Bereich ist, sogar an die zwanzig Prozent gehandelt wird, die NPD vermutlich wieder in den Landtag kommt, dann sind drei Prozent dürftig.
Das ist momentan noch zu wenig. Auch dort wollen wir in das Landesparlament einziehen, das ist völlig richtig. Aber wir werden eben nicht der Gefahr erliegen, jetzt genauso populistisch unterwegs zu sein, wie das die Rechts- oder Linkspopulisten machen, sondern wir wollen mit Inhalten für mehr Marktwirtschaft, für eine bessere Bildungslandschaft, für Infrastrukturausbau, für die Zukunft von Mecklenburg-Vorpommern werben. Und hoffen sehr, dass es ausreichend Bürgerinnen und Bürger gibt, die sich eben nicht nur von ihren Ängsten steuern lassen, sondern die dieses Land nach vorne entwickeln wollen.
Zu den Themen, für die die FDP stehen will, zählen Digitalisierung und Bildung. Das nehmen nun aber fast alle anderen Parteien für sich auch in Anspruch. Wo ist denn ihr Alleinstellungsmerkmal?
Also gerade bei dem Thema Digitalisierung merken wir ja, dass das zwar in den Mund genommen wird, aber nichts in der Umsetzung ist. Wir haben fünf Bundesministerien, die zuständig sind, damit klar: keiner ist zuständig. Wir kommen nicht voran. Nicht einmal beim Glasfaserausbau. Wir haben ein Monopol der Telekom mit Kupferleitung auf dem letzten Kilometer, und keiner in der Bundesregierung scheint auch nur ansatzweise eine Idee zu haben, wo das mal hinführen kann. Wir sind in stetigem Kontakt mit all den Unternehmen, die auf Grund von Digitalisierung neue Geschäftsmodelle, neue Produkte, neue Dienstleistungen anbieten und anbieten könnten, wenn in diesem Land die Digitalisierung von Anfang an mitgedacht würde. Also von daher sind wir da einfach quasi an der Spitze der Bewegung und glauben, dass wir über alle Bereiche von Bildung über Verwaltung bis hin zum Gesundheitsbereich mit Digitalisierung den Menschen mehr Vorteile für ihr Leben und ihr Fortkommen organisieren können.
Frau Beer, die innere Sicherheit ist in der Diskussion. Innenminister de Maizière will einen neuen Haftgrund schaffen: „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ – mit dem Ziel, Straftäter oder abgelehnte Asylbewerber, die gefährlich werden könnten, in Abschiebehaft zu nehmen und dann schneller abzuschieben. Ist das der richtige Weg?
Sicherlich ist es so, dass wir Gefährder, dass wir Straffällige schnell abschieben sollten. Das Problem ist nicht, dass wir das nicht wollten und nach den Gesetzen den Menschen da nicht habhaft werden können. Das Problem ist, dass wir sie nicht abgenommen bekommen von den Ländern, in die wir abschieben wollen. Also, von daher wird hier dem Bürger auch wieder was vorgemacht, dass wir hier einen Lösungsansatz hätten. Der einzige Lösungsansatz wäre, ausreichend quasi Abkommen zu haben mit den Herkunftsländern, dass diejenigen, die wir ausweisen, auch dort wieder einreisen dürfen. Das ist leider in der Regel nicht der Fall.
Nach Innenminister de Maizère stellen kommende Woche die CDU-Landesinnenminister ihre Pläne zur Inneren Sicherheit vor. Da ist einiges schon durchgesickert. Zum Beispiel will man straffällige Flüchtlinge schneller ausweisen, das will auch der Bundesinnenminister. Doppelte Staatsangehörigkeit wollen die CDU-Landesinnenminister abschaffen, ein Burka-Verbot soll her, also, ein Verbot der Vollverschleierung. Wie steht die FDP dazu?
Also vorneweg ist es ja erst einmal bemerkenswert, dass es auf der einen Seite den Bundesinnenminister CDU gibt, der Vorschläge macht. Und auf der anderen Seite, als hätten sie damit nichts zu tun, die Landesinnenminister von CDU/CSU. Wir haben auch zur Kenntnis nehmen können, dass Herr Strobl, das auch der bayerische Kollege sich schon absetzen von den Vorschlägen des Bundesinnenministers. Ich glaube, dass das an Hilflosigkeit ein nicht mehr zu überbietender Vorgang ist, den wir hier gerade wahrnehmen, denn all diese Vorschläge kommen nicht an den Kern dessen, was wir jetzt leisten müssen. Das ist nämlich bei der Polizei aufzustocken, auszubilden und sie auszurüsten.
Das wollen ja auch alle.
Ja, aber warum dann Scheindebatten führen, von Vorratsdatenspeicherung bis hin zur doppelter Staatsbürgerschaft? Das sind nicht die Fragen, die mehr Sicherheit bringen, sondern mehr Sicherheit bringt nur, wenn wir schnell und zwar sowohl auf der Straße, als auch im Netz, Kriminelle jagen, aufspüren und dann entsprechend auch einer Aburteilung zuführen. Wir brauchen nicht neue, wir brauchen nicht Sicherheit vorgaukelnde Gesetze, sondern wir brauchen eine konsequente Anwendung.
Die EU und die USA verhandeln – noch – über das Freihandelsabkommen TTIP. Bundeswirtschaftsminister Gabriel scheint seinen ursprünglichen Elan in Sachen TTIP verloren zu haben. Die FDP kritisiert das. Haben Sie denn andersherum kein Verständnis für die Bedenken vieler Menschen im Land?
Doch, aber ich glaube, dass gerade TTIP zeigt, wie hysterisch in diesem Land manchmal diskutiert wird, weil mit sehr viel Fehlinformationen und Halbwahrheiten agiert wird. Und ich vom Bundeswirtschaftsminister erwarten würde, dass er mit Elan die Vor- und Nachteile deutlich macht. Aber vor allem eben auch deutlich macht, dass die Vorteile dieses Abkommens die Nachteile bei weitem überwiegen und sich mit genauso viel Elan einfach dafür einsetzt, dass eben die kritischen Punkte so verhandelt werden, dass sie zu unserem Vorteil ausgehen. Und das ist nach wie vor möglich. Nur er fährt einen Slalom, irgendwo zwischen SPD Unterbezirksverband und den Wirtschaftsunternehmen, denen er verspricht, TTIP voranzutreiben. Und man sieht, dass dieser Slalom eben nicht zum Erfolg führt.
In den USA wählen die Menschen Ende Jahres einen neuen Präsidenten. Wenn es der Republikaner Trump wird, wird wahrscheinlich ohnehin nichts aus TTIP, schon von Seiten der USA dann. Bundesaußenminister Steinmeier hat vor der Wahl Trumps gewarnt. Ist das angemessen, oder hätte er sich da zurückhalten müssen, als oberster Diplomat Deutschlands?
Ich glaube, dass das eine Warnung ist, die zumindest in der Anhängerschaft von Herrn Trump eher nach hinten losgehen kann und dort zur Solidarisierung, in den momentanen, ja quasi, Verschwörungstheorien, die Herrn Trump beflügeln, führen können. Ich hätte mir gewünscht, dass unser Bundesaußenminister ähnlich deutlich ist gegenüber der Türkei, gegenüber Russland, auch gegenüber Fragen der Terrorismusbekämpfung, wo man seltsamerweise von ihm nichts hört.
Anfang der Woche hat die Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU Vorschläge für eine Steuerreform vorgelegt. Danach soll unter anderem die Werbekostenpauschale verdoppelt werden. Freibeträge für Kinder sollen auf die Höhe von Erwachsenen steigen. Der Spitzensteuersatz soll später greifen. Da haben Sie sich als FDP doch bestimmt gefreut – oder?
Ja, aber ich habe mich insbesondere amüsiert, wie schön hier gebellt wird von einem Schoßhündchen, von dem man die gesamte Legislaturperiode hier im Bund so gut wie nichts gehört und gesehen hat.
Damit meinen Sie die Mittelstandsvereinigung?
Die Mittelstandsvereinigung, aber vor allem die Umsetzung innerhalb der CDU/CSU-Fraktion. Es wäre ja schon drei Jahre lang die Möglichkeit gewesen, derartige Vorschläge einzubringen. Und man muss diese Vorschläge auch nicht erst für 2018, 2020 einbringen – also in der nächsten Legislaturperiode. Warum denn nicht jetzt sofort den Soli abschaffen? Warum nicht jetzt sofort den Mittelstandsbauch beseitigen, die kalte Progression, die kleinere und mittlere Einkommen belastet, beenden? Also von daher kann ich nur Mut zusprechen: Macht es doch gleich und versprecht es nicht für den Sankt-Nimmerleinstag. Das ist ein Muster, das wir kennen aus der Vergangenheit. Nur ist da nie was draus geworden.
Deutschland braucht mehr Elan für Digitales und Freihandel
Im "SWR 2"-Interview [1] hat FDP-Generalsekretärin Nicola Beer angeprangert, dass die technische Umsetzung der Digitalisierung im Bereich Infrastruktur nicht vorankommt, und eine ambitioniertere Herangehensweise von der Bundesregierung gefordert. "Wir haben fünf Bundesministerien, die zuständig sind, damit ist klar: keiner ist zuständig", kritisierte sie. Nicht einmal beim Glasfaserausbau sei ein Konzept in Sicht. "Wir haben ein Monopol der Telekom mit Kupferleitung auf dem letzten Kilometer, und keiner in der Bundesregierung scheint auch nur ansatzweise eine Idee zu haben, wo das mal hinführen kann", rügte die Freidemokratin.
Die Freien Demokraten hingegen seien in stetigem Kontakt mit all den Unternehmen, die auf Grund von Digitalisierung neue Produkte und Dienstleistungen anbieten könnten, "wenn in diesem Land die Digitalisierung von Anfang an mitgedacht würde", betonte sie. "Also von daher sind wir da einfach quasi an der Spitze der Bewegung und glauben, dass wir über alle Bereiche von Bildung über Verwaltung bis hin zum Gesundheitsbereich mit Digitalisierung den Menschen mehr Vorteile für ihr Leben und ihr Fortkommen organisieren können."
Gabriel muss Vorteile von TTIP deutlich machen
Mit Blick auf die Freihandelsdebatte in Deutschland unterstrich Beer: Ein erfolgreiches Ende der TTIP-Verhandlungen sei nach wie vor möglich. Die FDP-Generalsekretärin bemängelte allerdings, "wie hysterisch in diesem Land manchmal diskutiert wird, weil mit sehr viel Fehlinformationen und Halbwahrheiten agiert wird". Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht Beer in der Pflicht, deutlich zu machen, "dass die Vorteile dieses Abkommens die Nachteile bei weitem überwiegen". Sie erwarte, dass Gabriel sich mit mehr Elan "einfach dafür einsetzt, dass eben die kritischen Punkte so verhandelt werden, dass sie zu unserem Vorteil ausgehen".
Lesen Sie hier das gesamte Interview.
Frau Beer, in der jüngsten Umfrage für den ARD Deutschlandtrend liegt die FDP im Bund nur noch bei fünf Prozent – das waren schon mal mehr. Warum kommt die FDP nicht aus dem Keller?
Also wir sind als außerparlamentarische Opposition schon froh, dass es – fünf, sechs, sieben haben wir ja auch schon gesehen – deutlich über der Fünf-Prozent-Hürde ist. Klar, da ist noch Luft nach oben. Wir arbeiten auch dran. Es ist immer schwieriger, wenn man außerparlamentarisch ist, überhaupt Sichtbarkeit zu bekommen, zumal wenn eine Große Koalition sich immer weiter auseinander lebt. Und es ausreicht darüber und über diesen Streit, sei es zwischen SPD und CDU, sei es zwischen CDU/CSU zu berichten. Wir versuchen unsere Themen zu platzieren, auch jenseits der momentanen aktuellen Diskussion um Sicherheitsfragen eben auch zu sagen, wir brauchen auch Grundlagen in diesem Land, um uns nach vorne zu entwickeln.
Schauen wir mal konkret auf die anstehenden Landtagswahlen im September in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin. In Mecklenburg-Vorpommern liegt die FDP in Umfragen bei etwa drei Prozent, hinter der NPD, hinter der AfD sowieso. Das muss Sie doch umtreiben …
Ja. Wir werden da auch weiter sehr aktiv unterwegs sein. Mit Cécile Bonnet-Weidhofer, der Spitzenkandidatin, haben wir eine junge Mutter, Französin, die sich ganz bewusst für Mecklenburg-Vorpommern als Heimat entschieden hat. Die sehr viel Optimismus, sehr viel Zukunftsorientierung versprüht. Und wir wollen das ganz bewusst entgegensetzen, denn Mecklenburg-Vorpommern prägt momentan der Wahlkampf sich darin, dass eigentlich alle anderen Parteien völlig nervös auf die AfD schauen.
Sie nicht?
Nein, wir setzen uns dagegen ab. Und ich habe das Gefühl, alle anderen sind wie schockerstarrt vor der Angst, dass die AfD dort stärkste Partei werden könnte. Wir versuchen klar zu machen, dass wir das genaue Gegenteil sind.
Aber ohne Erfolg, Frau Beer. Wenn Sie bei drei Prozent liegen und die AfD weit im zweistelligen Bereich ist, sogar an die zwanzig Prozent gehandelt wird, die NPD vermutlich wieder in den Landtag kommt, dann sind drei Prozent dürftig.
Das ist momentan noch zu wenig. Auch dort wollen wir in das Landesparlament einziehen, das ist völlig richtig. Aber wir werden eben nicht der Gefahr erliegen, jetzt genauso populistisch unterwegs zu sein, wie das die Rechts- oder Linkspopulisten machen, sondern wir wollen mit Inhalten für mehr Marktwirtschaft, für eine bessere Bildungslandschaft, für Infrastrukturausbau, für die Zukunft von Mecklenburg-Vorpommern werben. Und hoffen sehr, dass es ausreichend Bürgerinnen und Bürger gibt, die sich eben nicht nur von ihren Ängsten steuern lassen, sondern die dieses Land nach vorne entwickeln wollen.
Zu den Themen, für die die FDP stehen will, zählen Digitalisierung und Bildung. Das nehmen nun aber fast alle anderen Parteien für sich auch in Anspruch. Wo ist denn ihr Alleinstellungsmerkmal?
Also gerade bei dem Thema Digitalisierung merken wir ja, dass das zwar in den Mund genommen wird, aber nichts in der Umsetzung ist. Wir haben fünf Bundesministerien, die zuständig sind, damit klar: keiner ist zuständig. Wir kommen nicht voran. Nicht einmal beim Glasfaserausbau. Wir haben ein Monopol der Telekom mit Kupferleitung auf dem letzten Kilometer, und keiner in der Bundesregierung scheint auch nur ansatzweise eine Idee zu haben, wo das mal hinführen kann. Wir sind in stetigem Kontakt mit all den Unternehmen, die auf Grund von Digitalisierung neue Geschäftsmodelle, neue Produkte, neue Dienstleistungen anbieten und anbieten könnten, wenn in diesem Land die Digitalisierung von Anfang an mitgedacht würde. Also von daher sind wir da einfach quasi an der Spitze der Bewegung und glauben, dass wir über alle Bereiche von Bildung über Verwaltung bis hin zum Gesundheitsbereich mit Digitalisierung den Menschen mehr Vorteile für ihr Leben und ihr Fortkommen organisieren können.
Frau Beer, die innere Sicherheit ist in der Diskussion. Innenminister de Maizière will einen neuen Haftgrund schaffen: „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ – mit dem Ziel, Straftäter oder abgelehnte Asylbewerber, die gefährlich werden könnten, in Abschiebehaft zu nehmen und dann schneller abzuschieben. Ist das der richtige Weg?
Sicherlich ist es so, dass wir Gefährder, dass wir Straffällige schnell abschieben sollten. Das Problem ist nicht, dass wir das nicht wollten und nach den Gesetzen den Menschen da nicht habhaft werden können. Das Problem ist, dass wir sie nicht abgenommen bekommen von den Ländern, in die wir abschieben wollen. Also, von daher wird hier dem Bürger auch wieder was vorgemacht, dass wir hier einen Lösungsansatz hätten. Der einzige Lösungsansatz wäre, ausreichend quasi Abkommen zu haben mit den Herkunftsländern, dass diejenigen, die wir ausweisen, auch dort wieder einreisen dürfen. Das ist leider in der Regel nicht der Fall.
Nach Innenminister de Maizère stellen kommende Woche die CDU-Landesinnenminister ihre Pläne zur Inneren Sicherheit vor. Da ist einiges schon durchgesickert. Zum Beispiel will man straffällige Flüchtlinge schneller ausweisen, das will auch der Bundesinnenminister. Doppelte Staatsangehörigkeit wollen die CDU-Landesinnenminister abschaffen, ein Burka-Verbot soll her, also, ein Verbot der Vollverschleierung. Wie steht die FDP dazu?
Also vorneweg ist es ja erst einmal bemerkenswert, dass es auf der einen Seite den Bundesinnenminister CDU gibt, der Vorschläge macht. Und auf der anderen Seite, als hätten sie damit nichts zu tun, die Landesinnenminister von CDU/CSU. Wir haben auch zur Kenntnis nehmen können, dass Herr Strobl, das auch der bayerische Kollege sich schon absetzen von den Vorschlägen des Bundesinnenministers. Ich glaube, dass das an Hilflosigkeit ein nicht mehr zu überbietender Vorgang ist, den wir hier gerade wahrnehmen, denn all diese Vorschläge kommen nicht an den Kern dessen, was wir jetzt leisten müssen. Das ist nämlich bei der Polizei aufzustocken, auszubilden und sie auszurüsten.
Das wollen ja auch alle.
Ja, aber warum dann Scheindebatten führen, von Vorratsdatenspeicherung bis hin zur doppelter Staatsbürgerschaft? Das sind nicht die Fragen, die mehr Sicherheit bringen, sondern mehr Sicherheit bringt nur, wenn wir schnell und zwar sowohl auf der Straße, als auch im Netz, Kriminelle jagen, aufspüren und dann entsprechend auch einer Aburteilung zuführen. Wir brauchen nicht neue, wir brauchen nicht Sicherheit vorgaukelnde Gesetze, sondern wir brauchen eine konsequente Anwendung.
Die EU und die USA verhandeln – noch – über das Freihandelsabkommen TTIP. Bundeswirtschaftsminister Gabriel scheint seinen ursprünglichen Elan in Sachen TTIP verloren zu haben. Die FDP kritisiert das. Haben Sie denn andersherum kein Verständnis für die Bedenken vieler Menschen im Land?
Doch, aber ich glaube, dass gerade TTIP zeigt, wie hysterisch in diesem Land manchmal diskutiert wird, weil mit sehr viel Fehlinformationen und Halbwahrheiten agiert wird. Und ich vom Bundeswirtschaftsminister erwarten würde, dass er mit Elan die Vor- und Nachteile deutlich macht. Aber vor allem eben auch deutlich macht, dass die Vorteile dieses Abkommens die Nachteile bei weitem überwiegen und sich mit genauso viel Elan einfach dafür einsetzt, dass eben die kritischen Punkte so verhandelt werden, dass sie zu unserem Vorteil ausgehen. Und das ist nach wie vor möglich. Nur er fährt einen Slalom, irgendwo zwischen SPD Unterbezirksverband und den Wirtschaftsunternehmen, denen er verspricht, TTIP voranzutreiben. Und man sieht, dass dieser Slalom eben nicht zum Erfolg führt.
In den USA wählen die Menschen Ende Jahres einen neuen Präsidenten. Wenn es der Republikaner Trump wird, wird wahrscheinlich ohnehin nichts aus TTIP, schon von Seiten der USA dann. Bundesaußenminister Steinmeier hat vor der Wahl Trumps gewarnt. Ist das angemessen, oder hätte er sich da zurückhalten müssen, als oberster Diplomat Deutschlands?
Ich glaube, dass das eine Warnung ist, die zumindest in der Anhängerschaft von Herrn Trump eher nach hinten losgehen kann und dort zur Solidarisierung, in den momentanen, ja quasi, Verschwörungstheorien, die Herrn Trump beflügeln, führen können. Ich hätte mir gewünscht, dass unser Bundesaußenminister ähnlich deutlich ist gegenüber der Türkei, gegenüber Russland, auch gegenüber Fragen der Terrorismusbekämpfung, wo man seltsamerweise von ihm nichts hört.
Anfang der Woche hat die Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU Vorschläge für eine Steuerreform vorgelegt. Danach soll unter anderem die Werbekostenpauschale verdoppelt werden. Freibeträge für Kinder sollen auf die Höhe von Erwachsenen steigen. Der Spitzensteuersatz soll später greifen. Da haben Sie sich als FDP doch bestimmt gefreut – oder?
Ja, aber ich habe mich insbesondere amüsiert, wie schön hier gebellt wird von einem Schoßhündchen, von dem man die gesamte Legislaturperiode hier im Bund so gut wie nichts gehört und gesehen hat.
Damit meinen Sie die Mittelstandsvereinigung?
Die Mittelstandsvereinigung, aber vor allem die Umsetzung innerhalb der CDU/CSU-Fraktion. Es wäre ja schon drei Jahre lang die Möglichkeit gewesen, derartige Vorschläge einzubringen. Und man muss diese Vorschläge auch nicht erst für 2018, 2020 einbringen – also in der nächsten Legislaturperiode. Warum denn nicht jetzt sofort den Soli abschaffen? Warum nicht jetzt sofort den Mittelstandsbauch beseitigen, die kalte Progression, die kleinere und mittlere Einkommen belastet, beenden? Also von daher kann ich nur Mut zusprechen: Macht es doch gleich und versprecht es nicht für den Sankt-Nimmerleinstag. Das ist ein Muster, das wir kennen aus der Vergangenheit. Nur ist da nie was draus geworden.