FDP|
30.07.2016 - 12:15BEER-Gastbeitrag: Die Schere im Kopf
Berlin. Die FDP-Generalsekretärin NICOLA BEER schrieb für den „Focus“ (aktuelle Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
CRISPR/Cas9 ist ein neues Verfahren, das alte Reflexe hervorruft: Das muss verboten werden. Biotechnologien seien ein widernatürlicher Eingriff, der Mensch überschreite eine Grenze. Ängste, einseitige Risikobewertungen stemmen sich gegen eine neue Technologie. „Schere im Kopf“ statt „Gen-Schere“. Von Chancen spricht kaum jemand.
Die Stammzellforschung ist in Deutschland bereits sehr streng reguliert. Embryonale Stammzellen dürfen nur importiert werden, therapeutisches Klonen ist durch das allgemeine Klonverbot ausgeschlossen, Keimbahntherapien sind ebenfalls untersagt. Selbst die Erforschung und Anwendung von Gentherapien direkt am Patienten finden kaum statt.
Von jeher versucht der Mensch, durch Prothesen, Operationen und Transplantationen Krankheiten zu heilen und zu lindern. CRISPR/Cas9 ist, wenn es so eingesetzt wird, dass die Gene nachkommender Generationen nicht beeinflusst werden, nichts anderes.
Trotz hiesiger Verteufelung: CRISPR/Cas9 wird kommen. In einer globalisierten Welt wird sich Deutschland dem nicht entziehen können. Wer wollte Krebspatienten auf eine belastende Chemotherapie ohne Erfolgsgarantie verweisen, wenn sein „Krebsgen“ vor Ausbruch der Krankheit entfernt werden könnte?
Auch können Risiken nur durch intensive Forschung minimiert werden. Wer den Missbrauch von Biotechnologien verhindern will, sollte sich gerade für deren kontrollierten Einsatz stark machen und so die Diskussion um deren Grenzen mitgestalten. Dazu gehört, offen zu diskutieren, ob nicht auch Keimbahntherapien, also Verfahren, die das Erbgut der Nachkommen verändern, eingesetzt werden sollten.
Dass in Großbritannien viele Biotechnologien erfunden oder weiterentwickelt wurden, ist kein Zufall. Die dortige Gesetzgebung liefert angemessene Bedingungen. Die befürchtete grenzenlose Forschung blieb aus. Analog zur britischen Behörde zur Überwachung der Stammzellforschung, der HFEA, sollten wir eine aus Wissenschaftlern bestehende ständige Ethikkommission zur Stammzellforschung einrichten. Gentechniken sind dann nicht grundsätzlich verboten, sondern werden bei Relevanz und ethischer Verantwortbarkeit genehmigt und fortlaufend kontrolliert. Auswüchse wie Designerbabys blieben ausgeschlossen. Doch zur Bekämpfung schwerster Krankheiten könnten dann auch deutsche Forscher wieder einen wichtigen Beitrag leisten.
BEER-Gastbeitrag: Die Schere im Kopf
Berlin. Die FDP-Generalsekretärin NICOLA BEER schrieb für den „Focus“ (aktuelle Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
CRISPR/Cas9 ist ein neues Verfahren, das alte Reflexe hervorruft: Das muss verboten werden. Biotechnologien seien ein widernatürlicher Eingriff, der Mensch überschreite eine Grenze. Ängste, einseitige Risikobewertungen stemmen sich gegen eine neue Technologie. „Schere im Kopf“ statt „Gen-Schere“. Von Chancen spricht kaum jemand.
Die Stammzellforschung ist in Deutschland bereits sehr streng reguliert. Embryonale Stammzellen dürfen nur importiert werden, therapeutisches Klonen ist durch das allgemeine Klonverbot ausgeschlossen, Keimbahntherapien sind ebenfalls untersagt. Selbst die Erforschung und Anwendung von Gentherapien direkt am Patienten finden kaum statt.
Von jeher versucht der Mensch, durch Prothesen, Operationen und Transplantationen Krankheiten zu heilen und zu lindern. CRISPR/Cas9 ist, wenn es so eingesetzt wird, dass die Gene nachkommender Generationen nicht beeinflusst werden, nichts anderes.
Trotz hiesiger Verteufelung: CRISPR/Cas9 wird kommen. In einer globalisierten Welt wird sich Deutschland dem nicht entziehen können. Wer wollte Krebspatienten auf eine belastende Chemotherapie ohne Erfolgsgarantie verweisen, wenn sein „Krebsgen“ vor Ausbruch der Krankheit entfernt werden könnte?
Auch können Risiken nur durch intensive Forschung minimiert werden. Wer den Missbrauch von Biotechnologien verhindern will, sollte sich gerade für deren kontrollierten Einsatz stark machen und so die Diskussion um deren Grenzen mitgestalten. Dazu gehört, offen zu diskutieren, ob nicht auch Keimbahntherapien, also Verfahren, die das Erbgut der Nachkommen verändern, eingesetzt werden sollten.
Dass in Großbritannien viele Biotechnologien erfunden oder weiterentwickelt wurden, ist kein Zufall. Die dortige Gesetzgebung liefert angemessene Bedingungen. Die befürchtete grenzenlose Forschung blieb aus. Analog zur britischen Behörde zur Überwachung der Stammzellforschung, der HFEA, sollten wir eine aus Wissenschaftlern bestehende ständige Ethikkommission zur Stammzellforschung einrichten. Gentechniken sind dann nicht grundsätzlich verboten, sondern werden bei Relevanz und ethischer Verantwortbarkeit genehmigt und fortlaufend kontrolliert. Auswüchse wie Designerbabys blieben ausgeschlossen. Doch zur Bekämpfung schwerster Krankheiten könnten dann auch deutsche Forscher wieder einen wichtigen Beitrag leisten.