FDP|
27.06.2016 - 10:15Europa besser machen
Die Entscheidung für den Brexit ist gefallen – und muss ein Weckruf sein, meint Alexander Graf Lambsdorff. Im Gastbeitrag für den Bonner "General-Anzeiger" fordert er einen Reformkongress für Europa. "Die Bundesregierung darf sich dem nicht verschließen", mahnt der Vizepräsident des EU-Parlaments. Es brauche einen offenen Dialog mit den Bürgern darüber, "warum wir Europa wollen, wofür wir Europa brauchen und was sich an Europa konkret zum Besseren verändern soll", betont er.
Die großen gemeinsamen Aufgaben für die EU seien diejenigen, bei denen die Mitgliedstaaten alleine zu wenig Gewicht hätten, um erfolgreich zu sein, erläutert Lambsdorff. Dazu gehörten: "Sicherheit an unseren Außengrenzen, Schutz vor Terrorismus, Wachstum und sozialer Zusammenhalt in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung, neue Arbeitsplätze vor allem in Südeuropa, Erschließung neuer Märkte durch Freihandelsabkommen, gerechte Verteilung der Flüchtlinge, globale Klimapolitik und Vereinfachung der komplizierten EU-Strukturen."
Über all diese Fragen brauche es eine ehrliche und ernsthafte Debatte, um sie mit demokratischer Unterstützung erfolgreich bewältigen zu können, unterstreicht der Freidemokrat. Er gibt zu bedenken: "Europa ist kein Selbstzweck, aber auch kein reines Zweckbündnis. Die EU ist eine Wertegemeinschaft, die Frieden, Recht und Freiheit verpflichtet ist." Diese Überzeugung hätten viele britische Regierungen bestritten, zuletzt die von David Cameron – der nun vor einem Trümmerhaufen stehe. Lambsdorff macht klar: "Es ist unsere Aufgabe und die der anderen Mitgliedstaaten, darauf zu achten, dass aus dem britischen Trümmerhaufen kein europäischer wird – denn in Trümmern lag unser Kontinent oft genug."
Lesen Sie hier den gesamten Gastbeitrag.
Bleiben oder nicht bleiben – diese Frage ist nun endgültig beantwortet. Mit einer Theatralik, an der Shakespeare seine Freude gehabt hätte, verabschieden sich die Briten aus der Union. Für die EU ist dieser Verlust schmerzhaft, aber nicht existenzbedrohend. Schließlich bestand sie als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft bereits 16 Jahre lang ohne die Briten. Für das Vereinigte Königreich, falls es bald überhaupt noch so heißt, ist die Situation viel dramatischer. Der Absturz des Pfundes, die Abwertung der Staatsanleihen, der Neustart der Schotten in Richtung Unabhängigkeit (und EU-Mitgliedschaft!) und die Bestrebungen, Nordirland mit der Republik Irland zu vereinen, sind dunkle Wolken am politischen Horizont.
Das ist aber kein Grund zur Schadenfreude. Die Entscheidung muss auch für uns ein Weckruf sein. Wer den Erfolg der EU will, muss sich jetzt den Sorgen und Ängsten stellen, die viele Bürger haben. Deshalb braucht Europa einen Reformkongress. Die Bundesregierung darf sich dem nicht verschließen. Deutschland, die weiteren Gründungsmitglieder und alle anderen, die mitmachen wollen, sind jetzt gefordert, einen offenen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber zu organisieren, warum wir Europa wollen, wofür wir Europa brauchen und was sich an Europa konkret zum Besseren verändern soll.
Der Brexit zeigt: Die Einbettung in die Gemeinschaft der europäischen Staaten und Völker wird nicht nur von Populisten offen infrage gestellt. Europaskepsis à la Cameron ist zuletzt in viel weiteren Kreisen salonfähig geworden - auch in Deutschland. In Berlin gehört die Verächtlichmachung der EU geradezu zum guten Ton, sie hat in den letzten Jahren die berechtigte Kritik an unbestrittenen Fehlentwicklungen immer mehr überlagert. Deutschland aber ist keine Insel wie Großbritannien, ein Ausscheiden Deutschlands aus der EU keine Option. Glücklicherweise steht bei uns eine klare Mehrheit der Bürger nach wie vor zur europäischen Idee. Damit das so bleibt, darf diese Idee nicht ständig von den Mitgliedstaaten durch nationale Egoismen zerrieben werden.
Die großen gemeinsamen Aufgaben für die EU sind diejenigen, bei denen die Mitgliedstaaten alleine zu wenig Gewicht haben, um erfolgreich zu sein: Sicherheit an unseren Außengrenzen, Schutz vor Terrorismus, Wachstum und sozialer Zusammenhalt in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung, neue Arbeitsplätze vor allem in Südeuropa, Erschließung neuer Märkte durch Freihandelsabkommen, gerechte Verteilung der Flüchtlinge, globale Klimapolitik und Vereinfachung der komplizierten EU-Strukturen.
Über all diese Fragen braucht es eine ehrliche und ernsthafte Debatte, damit wir sie mit demokratischer Unterstützung erfolgreich bewältigen können. Europa ist kein Selbstzweck, aber auch kein reines Zweckbündnis. Die EU ist eine Wertegemeinschaft, die Frieden, Recht und Freiheit verpflichtet ist. Diese Überzeugung haben viele britische Regierungen bestritten, zuletzt David Cameron. Jetzt steht er vor einem Trümmerhaufen. Es ist unsere Aufgabe und die der anderen Mitgliedstaaten, darauf zu achten, dass aus dem britischen Trümmerhaufen kein europäischer wird – denn in Trümmern lag unser Kontinent oft genug.
Europa besser machen
Die Entscheidung für den Brexit ist gefallen – und muss ein Weckruf sein, meint Alexander Graf Lambsdorff. Im Gastbeitrag für den Bonner "General-Anzeiger" [1]fordert er einen Reformkongress für Europa. "Die Bundesregierung darf sich dem nicht verschließen", mahnt der Vizepräsident des EU-Parlaments. Es brauche einen offenen Dialog mit den Bürgern darüber, "warum wir Europa wollen, wofür wir Europa brauchen und was sich an Europa konkret zum Besseren verändern soll", betont er.
Die großen gemeinsamen Aufgaben für die EU seien diejenigen, bei denen die Mitgliedstaaten alleine zu wenig Gewicht hätten, um erfolgreich zu sein, erläutert Lambsdorff. Dazu gehörten: "Sicherheit an unseren Außengrenzen, Schutz vor Terrorismus, Wachstum und sozialer Zusammenhalt in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung, neue Arbeitsplätze vor allem in Südeuropa, Erschließung neuer Märkte durch Freihandelsabkommen, gerechte Verteilung der Flüchtlinge, globale Klimapolitik und Vereinfachung der komplizierten EU-Strukturen."
Über all diese Fragen brauche es eine ehrliche und ernsthafte Debatte, um sie mit demokratischer Unterstützung erfolgreich bewältigen zu können, unterstreicht der Freidemokrat. Er gibt zu bedenken: "Europa ist kein Selbstzweck, aber auch kein reines Zweckbündnis. Die EU ist eine Wertegemeinschaft, die Frieden, Recht und Freiheit verpflichtet ist." Diese Überzeugung hätten viele britische Regierungen bestritten, zuletzt die von David Cameron – der nun vor einem Trümmerhaufen stehe. Lambsdorff macht klar: "Es ist unsere Aufgabe und die der anderen Mitgliedstaaten, darauf zu achten, dass aus dem britischen Trümmerhaufen kein europäischer wird – denn in Trümmern lag unser Kontinent oft genug."
Lesen Sie hier den gesamten Gastbeitrag.
Bleiben oder nicht bleiben – diese Frage ist nun endgültig beantwortet. Mit einer Theatralik, an der Shakespeare seine Freude gehabt hätte, verabschieden sich die Briten aus der Union. Für die EU ist dieser Verlust schmerzhaft, aber nicht existenzbedrohend. Schließlich bestand sie als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft bereits 16 Jahre lang ohne die Briten. Für das Vereinigte Königreich, falls es bald überhaupt noch so heißt, ist die Situation viel dramatischer. Der Absturz des Pfundes, die Abwertung der Staatsanleihen, der Neustart der Schotten in Richtung Unabhängigkeit (und EU-Mitgliedschaft!) und die Bestrebungen, Nordirland mit der Republik Irland zu vereinen, sind dunkle Wolken am politischen Horizont.
Das ist aber kein Grund zur Schadenfreude. Die Entscheidung muss auch für uns ein Weckruf sein. Wer den Erfolg der EU will, muss sich jetzt den Sorgen und Ängsten stellen, die viele Bürger haben. Deshalb braucht Europa einen Reformkongress. Die Bundesregierung darf sich dem nicht verschließen. Deutschland, die weiteren Gründungsmitglieder und alle anderen, die mitmachen wollen, sind jetzt gefordert, einen offenen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber zu organisieren, warum wir Europa wollen, wofür wir Europa brauchen und was sich an Europa konkret zum Besseren verändern soll.
Der Brexit zeigt: Die Einbettung in die Gemeinschaft der europäischen Staaten und Völker wird nicht nur von Populisten offen infrage gestellt. Europaskepsis à la Cameron ist zuletzt in viel weiteren Kreisen salonfähig geworden - auch in Deutschland. In Berlin gehört die Verächtlichmachung der EU geradezu zum guten Ton, sie hat in den letzten Jahren die berechtigte Kritik an unbestrittenen Fehlentwicklungen immer mehr überlagert. Deutschland aber ist keine Insel wie Großbritannien, ein Ausscheiden Deutschlands aus der EU keine Option. Glücklicherweise steht bei uns eine klare Mehrheit der Bürger nach wie vor zur europäischen Idee. Damit das so bleibt, darf diese Idee nicht ständig von den Mitgliedstaaten durch nationale Egoismen zerrieben werden.
Die großen gemeinsamen Aufgaben für die EU sind diejenigen, bei denen die Mitgliedstaaten alleine zu wenig Gewicht haben, um erfolgreich zu sein: Sicherheit an unseren Außengrenzen, Schutz vor Terrorismus, Wachstum und sozialer Zusammenhalt in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung, neue Arbeitsplätze vor allem in Südeuropa, Erschließung neuer Märkte durch Freihandelsabkommen, gerechte Verteilung der Flüchtlinge, globale Klimapolitik und Vereinfachung der komplizierten EU-Strukturen.
Über all diese Fragen braucht es eine ehrliche und ernsthafte Debatte, damit wir sie mit demokratischer Unterstützung erfolgreich bewältigen können. Europa ist kein Selbstzweck, aber auch kein reines Zweckbündnis. Die EU ist eine Wertegemeinschaft, die Frieden, Recht und Freiheit verpflichtet ist. Diese Überzeugung haben viele britische Regierungen bestritten, zuletzt David Cameron. Jetzt steht er vor einem Trümmerhaufen. Es ist unsere Aufgabe und die der anderen Mitgliedstaaten, darauf zu achten, dass aus dem britischen Trümmerhaufen kein europäischer wird – denn in Trümmern lag unser Kontinent oft genug.