FDP|
20.06.2016 - 17:30Die EU braucht tiefgreifende Reformen
Im Vorfeld der Brexit-Abstimmung schwanke die Stimmung in der EU zwischen Hoffen und Bangen, konstatiert FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer im Gastbeitrag für die "Huffington Post" . Das Gebot der Stunde sei jedoch "ein souveräner und ruhiger Umgang mit dem Referendum und seinen Folgen". Theurer gibt zu bedenken: "Jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union ist freiwillig beigetreten. Genauso ist auch der Verbleib freiwillig." Er plädiert dafür, den Blick der Zukunft zuzuwenden. Denn egal, wie das Votum ausgeht, ist für den Freidemokraten klar: Die EU braucht tiefgreifende Reformen.
Theurer verweist auf diverse Schwachstellen wie die Funktionsfähigkeit der Währungsunion, die grenzüberschreitende Bekämpfung des Terrorismus oder den Schutz der Außengrenzen. "Sie müssen beherzt angepackt und behoben werden", fordert er. "Stillstand ist Rückschritt, Fortschritt hingegen Gebot der Stunde. Insofern ist dem Referendum in jedem Fall etwas Gutes abzugewinnen: Es schafft das nötige Momentum, um echten Wandel herbeizuführen."
Dazu gehörten im Bereich innere und äußere Sicherheit eine gemeinsame Armee, Grenzschutzpolizei, Staatsanwaltschaft und ein gemeinsames Kriminalamt, erläutert Theurer. "Im Bereich der Sozialpolitik gehört dazu die Schaffung einer europäischen Arbeitslosenversicherung und einer integrierten und integrierenden Flüchtlings- und Migrationspolitik. Und abschließend brauchen wir auch endlich einen verbindlichen gemeinsamen Rechtsrahmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Geldwäsche und aggressiver Steuervermeidung", führt der Freidemokrat aus.
Lesen Sie hier den gesamten Gastbeitrag.
In wenigen Tagen steht das Brexit-Referendum an und das gesamte politische Europa stellt sich die eine Frage: Remain or leave? Bleiben die Briten in der EU, oder gehen sie? Für mich stellt sich eine weit drängendere Frage: Wie sieht das Zukunftsmodell der Europäischen Union aus? Darauf müssen wir Antworten finden, gleich, wie die Volksbefragung ausgeht.
Wer die Argumentation der Befürworter und Gegner eines Verbleibs Großbritanniens in der EU verfolgt, stellt eines fest: Beide Seiten nutzen für ihre Kampagne Argumente der Angst. Die EU-Gegner schüren Überfremdungsängste und beschwören einen angeblichen Kontrollverlust. Die EU-Befürworter malen den Teufel der wirtschaftlichen Nachteile an die Wand und warnen vor Turbulenzen an Börsen und Märkten.
Die Spannung in den Institutionen ist derzeit förmlich greifbar, die Stimmung schwankt zwischen Hoffen und Bangen. Doch das Gebot der Stunde ist ein souveräner und ruhiger Umgang mit dem Referendum und seinen Folgen. Denn egal wie sich am Donnerstag die Mehrheit der Wähler entscheidet: Die Briten bleiben unsere Nachbarn und Freunde!
Jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union ist freiwillig beigetreten. Genauso ist auch der Verbleib freiwillig – niemand zwingt Europas Völker zur Zusammenarbeit. Daher sollten sich auch die Entscheidungsträger möglichst frei vom Ausgang der Abstimmung machen. Dies gelingt, indem man den Blick der Zukunft zuwendet. Was braucht Europa? Klare Antwort: Reform und Reformation.
Die Selbstvergewisserung steht am Anfang: in der EU wurden die Schlachtfelder der Vergangenheit durch Verhandlungstische ersetzt. Es geht selbstverständlich um handfeste Interessen, die dort knallhart verhandelt werden. Es liegt im nationalen Interesse aller Mitgliedstaaten, einen solchen institutionalisierten Mechanismus der Problemlösung und Kompromissfindung zu haben – dies stellt die Konfliktvermeidung sicher und diese wiederum den Frieden.
Die Gründungsidee der EU hat nichts an ihrer Aktualität verloren. In einem vereinten Europa verlieren Grenzverläufe und die Zugehörigkeit von Landstrichen zu Staaten ihre Bedeutung, weil die Grenzen offen sind, weil die EU überall Grund-, Menschen- und Minderheitenrechte garantiert. Der Rückfall in ethnische oder nationale Kategorien in der Politik mündet zwangsläufig in Probleme, wie wir sie aus der Geschichte von vor dem Ersten Weltkrieg kennen. Der Rückfall in nationale Egoismen mündet in Krieg und Krise – wir haben es auf dem Balkan gesehen.
Man muss es klar sagen: Die Idee des vereinten Europas ist und bleibt faszinierend! Ihre Anhänger sollten sie leidenschaftlich vertreten, laut und stolz aus dem Schatten treten und sagen: Wenn es die Europäische Union nicht gäbe, müsste man sie erfinden!
Das bedeutet jedoch nicht, dass sie so bleiben kann oder sollte, wie sie ist.
Die EU braucht tiefgreifende Reformen. Diverse Mängel und Unzulänglichkeiten sind augenfällig. Dies betrifft beispielsweise die Funktionsfähigkeit der Währungsunion, die grenzüberschreitende Bekämpfung des Terrorismus oder den Schutz der Außengrenzen. Sie müssen beherzt angepackt und behoben werden.
Vorhandene Institutionen müssen funktionsfähig gemacht, fehlende Institutionen geschaffen werden. Stillstand ist Rückschritt, Fortschritt hingegen Gebot der Stunde. Insofern ist dem Referendum in jedem Fall etwas Gutes abzugewinnen: Es schafft das nötige Momentum, um echten Wandel herbeizuführen. Dieser Schwung sollte genutzt werden!
Reform und Reformation können jedoch nur mit den Bürgern gelingen, nicht gegen sie. Dies ist ein typisches Merkmal einer westlichen Demokratie. Daher braucht es eine Hinwendung zum Bürger – jedoch auch Orientierung. Denn wenn man nicht weiß, welchen Hafen man ansteuert, ist kein Wind günstig.
Es ist an der Zeit, die EU als dezentralen, föderalen Bundesstaat auszurufen und eine passende Zukunftsvision zu zeichnen:
Ein Raum der Rechtsstaatlichkeit. Der Marktwirtschaft. Der sozialen Stabilität. Ein Raum des technologischen und gesellschaftlichen Fortschritts.
Die Umsetzung einer solchen Vision können wir jedoch nur erreichen, wenn endlich Denkverbote aufgegeben und mutig die nächsten Integrationsschritte gegangen werden.
Dazu gehört im Bereich innere und äußere Sicherheit eine gemeinsame Armee, Grenzschutzpolizei, Staatsanwaltschaft und ein gemeinsames Kriminalamt.
Im Bereich der Sozialpolitik gehört dazu die Schaffung einer europäischen Arbeitslosenversicherung und einer integrierten und integrierenden Flüchtlings- und Migrationspolitik.
Und abschließend brauchen wir auch endlich einen verbindlichen gemeinsamen Rechtsrahmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Geldwäsche und aggressiver Steuervermeidung.
Die EU braucht tiefgreifende Reformen
Im Vorfeld der Brexit-Abstimmung schwanke die Stimmung in der EU zwischen Hoffen und Bangen, konstatiert FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer im Gastbeitrag für die "Huffington Post" [1]. Das Gebot der Stunde sei jedoch "ein souveräner und ruhiger Umgang mit dem Referendum und seinen Folgen". Theurer gibt zu bedenken: "Jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union ist freiwillig beigetreten. Genauso ist auch der Verbleib freiwillig." Er plädiert dafür, den Blick der Zukunft zuzuwenden. Denn egal, wie das Votum ausgeht, ist für den Freidemokraten klar: Die EU braucht tiefgreifende Reformen.
Theurer verweist auf diverse Schwachstellen wie die Funktionsfähigkeit der Währungsunion, die grenzüberschreitende Bekämpfung des Terrorismus oder den Schutz der Außengrenzen. "Sie müssen beherzt angepackt und behoben werden", fordert er. "Stillstand ist Rückschritt, Fortschritt hingegen Gebot der Stunde. Insofern ist dem Referendum in jedem Fall etwas Gutes abzugewinnen: Es schafft das nötige Momentum, um echten Wandel herbeizuführen."
Dazu gehörten im Bereich innere und äußere Sicherheit eine gemeinsame Armee, Grenzschutzpolizei, Staatsanwaltschaft und ein gemeinsames Kriminalamt, erläutert Theurer. "Im Bereich der Sozialpolitik gehört dazu die Schaffung einer europäischen Arbeitslosenversicherung und einer integrierten und integrierenden Flüchtlings- und Migrationspolitik. Und abschließend brauchen wir auch endlich einen verbindlichen gemeinsamen Rechtsrahmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Geldwäsche und aggressiver Steuervermeidung", führt der Freidemokrat aus.
Lesen Sie hier den gesamten Gastbeitrag.
In wenigen Tagen steht das Brexit-Referendum an und das gesamte politische Europa stellt sich die eine Frage: Remain or leave? Bleiben die Briten in der EU, oder gehen sie? Für mich stellt sich eine weit drängendere Frage: Wie sieht das Zukunftsmodell der Europäischen Union aus? Darauf müssen wir Antworten finden, gleich, wie die Volksbefragung ausgeht.
Wer die Argumentation der Befürworter und Gegner eines Verbleibs Großbritanniens in der EU verfolgt, stellt eines fest: Beide Seiten nutzen für ihre Kampagne Argumente der Angst. Die EU-Gegner schüren Überfremdungsängste und beschwören einen angeblichen Kontrollverlust. Die EU-Befürworter malen den Teufel der wirtschaftlichen Nachteile an die Wand und warnen vor Turbulenzen an Börsen und Märkten.
Die Spannung in den Institutionen ist derzeit förmlich greifbar, die Stimmung schwankt zwischen Hoffen und Bangen. Doch das Gebot der Stunde ist ein souveräner und ruhiger Umgang mit dem Referendum und seinen Folgen. Denn egal wie sich am Donnerstag die Mehrheit der Wähler entscheidet: Die Briten bleiben unsere Nachbarn und Freunde!
Jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union ist freiwillig beigetreten. Genauso ist auch der Verbleib freiwillig – niemand zwingt Europas Völker zur Zusammenarbeit. Daher sollten sich auch die Entscheidungsträger möglichst frei vom Ausgang der Abstimmung machen. Dies gelingt, indem man den Blick der Zukunft zuwendet. Was braucht Europa? Klare Antwort: Reform und Reformation.
Die Selbstvergewisserung steht am Anfang: in der EU wurden die Schlachtfelder der Vergangenheit durch Verhandlungstische ersetzt. Es geht selbstverständlich um handfeste Interessen, die dort knallhart verhandelt werden. Es liegt im nationalen Interesse aller Mitgliedstaaten, einen solchen institutionalisierten Mechanismus der Problemlösung und Kompromissfindung zu haben – dies stellt die Konfliktvermeidung sicher und diese wiederum den Frieden.
Die Gründungsidee der EU hat nichts an ihrer Aktualität verloren. In einem vereinten Europa verlieren Grenzverläufe und die Zugehörigkeit von Landstrichen zu Staaten ihre Bedeutung, weil die Grenzen offen sind, weil die EU überall Grund-, Menschen- und Minderheitenrechte garantiert. Der Rückfall in ethnische oder nationale Kategorien in der Politik mündet zwangsläufig in Probleme, wie wir sie aus der Geschichte von vor dem Ersten Weltkrieg kennen. Der Rückfall in nationale Egoismen mündet in Krieg und Krise – wir haben es auf dem Balkan gesehen.
Man muss es klar sagen: Die Idee des vereinten Europas ist und bleibt faszinierend! Ihre Anhänger sollten sie leidenschaftlich vertreten, laut und stolz aus dem Schatten treten und sagen: Wenn es die Europäische Union nicht gäbe, müsste man sie erfinden!
Das bedeutet jedoch nicht, dass sie so bleiben kann oder sollte, wie sie ist.
Die EU braucht tiefgreifende Reformen. Diverse Mängel und Unzulänglichkeiten sind augenfällig. Dies betrifft beispielsweise die Funktionsfähigkeit der Währungsunion, die grenzüberschreitende Bekämpfung des Terrorismus oder den Schutz der Außengrenzen. Sie müssen beherzt angepackt und behoben werden.
Vorhandene Institutionen müssen funktionsfähig gemacht, fehlende Institutionen geschaffen werden. Stillstand ist Rückschritt, Fortschritt hingegen Gebot der Stunde. Insofern ist dem Referendum in jedem Fall etwas Gutes abzugewinnen: Es schafft das nötige Momentum, um echten Wandel herbeizuführen. Dieser Schwung sollte genutzt werden!
Reform und Reformation können jedoch nur mit den Bürgern gelingen, nicht gegen sie. Dies ist ein typisches Merkmal einer westlichen Demokratie. Daher braucht es eine Hinwendung zum Bürger – jedoch auch Orientierung. Denn wenn man nicht weiß, welchen Hafen man ansteuert, ist kein Wind günstig.
Es ist an der Zeit, die EU als dezentralen, föderalen Bundesstaat auszurufen und eine passende Zukunftsvision zu zeichnen:
Ein Raum der Rechtsstaatlichkeit. Der Marktwirtschaft. Der sozialen Stabilität. Ein Raum des technologischen und gesellschaftlichen Fortschritts.
Die Umsetzung einer solchen Vision können wir jedoch nur erreichen, wenn endlich Denkverbote aufgegeben und mutig die nächsten Integrationsschritte gegangen werden.
Dazu gehört im Bereich innere und äußere Sicherheit eine gemeinsame Armee, Grenzschutzpolizei, Staatsanwaltschaft und ein gemeinsames Kriminalamt.
Im Bereich der Sozialpolitik gehört dazu die Schaffung einer europäischen Arbeitslosenversicherung und einer integrierten und integrierenden Flüchtlings- und Migrationspolitik.
Und abschließend brauchen wir auch endlich einen verbindlichen gemeinsamen Rechtsrahmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Geldwäsche und aggressiver Steuervermeidung.