FDP|
03.03.2016 - 08:45Für humanitäre Verantwortung und rationales Handeln in Europa
In der Flüchtlingspolitik kriselt es weiter und die Bundeskanzlerin regiert lediglich ihrem Satz "Wir schaffen das" hinterher. FDP-Chef Christian Lindner rügte, dass sie keinen nachvollziehbaren Plan vorlege. Merkels Politik der grenzenlosen Aufnahmebereitschaft habe falsche Erwartungen geweckt und die Bundesrepublik in Europa isoliert, kritisierte er im Interview mit den "Stuttgarter Nachrichten." Lindner forderte das Ende des deutschen Sonderweges und die Schaffung eines Einwanderungsgesetzes mit klaren Regelungen sowie der Voraussetzungen für eine gemeinsame europäische Asylpolitik mit kontrollierten Außengrenzen.
So lange die Bundesregierung einer europäischen Lösung im Weg stehe, müsse Deutschland Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten an den Grenzen zurückweisen. "Wir wollen auf Schlagbäume in Europa verzichten, aber wir müssen wieder zu einem geordneten Verfahren kommen", stellte Lindner klar. Es brauche einen dritten Weg zwischen grenzenloser Aufnahmebereitschaft und reaktionärer Abschottung, ist der Freidemokrat überzeugt. "Wir wollen die europäische Einbindung, die humanitäre Verantwortung und rationales Handeln."
Angesichts der aktuellen Überforderung der Behörden wäre es aus Sicht des FDP-Chefs "eine verantwortliche Politik, den Menschen auf der Flucht zu signalisieren, dass die Hoffnungen auf einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz oder eine Wohnung bei uns so schnell nicht erfüllt werden können und dass Enttäuschungen drohen". Die Erwartungen müssten auch deswegen reduziert werden, damit die Schlepper nicht mehr so ein leichtes Spiel hätten. Vor allem müsse sich die Politik auf die Hilfe vor Ort und die Fluchtursachenbekämpfung konzentrieren. "Es geht darum, ein menschenwürdiges Leben für Flüchtlinge zu erreichen – und zwar dort, wo sie sind", führte Lindner aus.
Lesen Sie hier das gesamte Interview.
Herr Lindner, wie beurteilen Sie die Kurs der Bundeskanzlerin in der Flüchtlingskrise?
Beim Auftritt in der Talkshow bei Anne Will wirkte Frau Merkel sehr überzeugt, war aber nicht überzeugend. Sie hat keinen nachvollziehbaren Plan vorgelegt, sie regiert nach dem Prinzip Hoffnung und dem Satz „Wir schaffen das“ hinterher. Wie das funktioniert, habe ich nicht gehört.
Ist Merkel dafür verantwortlich, dass so viele Flüchtlinge gekommen sind?
Frau Merkel hat mit ihrer Politik der grenzenlosen Aufnahmebereitschaft falsche Erwartungen geweckt. Es wäre eine verantwortliche Politik, den Menschen auf der Flucht zu signalisieren, dass die Hoffnungen auf einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz oder eine Wohnung bei uns so schnell nicht erfüllt werden können und dass Enttäuschungen drohen. Zum anderen hat die Politik von Frau Merkel Deutschland in Europa isoliert. Der deutsche Sonderweg muss beendet werden, und zwar dadurch, dass wir ein Einwanderungsgesetz mit klaren Regelungen bekommen, und es müssen die Voraussetzungen für eine gemeinsame europäische Asylpolitik mit kontrollierten Außengrenzen geschaffen werden.
Die FDP ist weder im Bund noch im Land an der Regierung – eine bequeme Position in der Flüchtlingskrise?
Wir sorgen uns um unser Land, deshalb sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen. Wir wollen Deutschland nicht abschotten, sondern brauchen eine europäische Lösung. Aber so lange Frau Merkel selbst dem im Weg steht, muss Deutschland Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten an den Grenzen zurückweisen. Wir wollen auf Schlagbäume in Europa verzichten, aber wir müssen wieder zu einem geordneten Verfahren kommen. Wir brauchen auch Zuwanderung in den Arbeitsmarkt anhand klarer Kriterien und Regeln. Wir wollen einen dritten Weg zwischen der grenzenlosen Aufnahmebereitschaft und dumpfer reaktionärer Abschottung – wir wollen die europäische Einbindung, die humanitäre Verantwortung und rationales Handeln.
Mit oder ohne Obergrenzen?
Es gibt keine Obergrenzen, die rechtlich möglich oder organisatorisch durchsetzbar wären. Die Österreicher habe ja auch keine – entgegen anderslautender Gerüchte gibt es nur eine unverbindliche Absichtserklärung des österreichischen Staates. Es geht darum, alles zu unternehmen, um ein menschenwürdiges Leben für Flüchtlinge zu erreichen – und zwar dort, wo sie sind. Und die Erwartungen müsse so reduziert werden, dass die Schlepper nicht mehr ein so leichtes Spiel haben.
Festzustellen ist, dass der Protest gegen die Flüchtlingspolitik immer heftiger geworden ist. Macht Ihnen das Sorgen?
Ich nehme natürlich auch eine gewisse Verrohung und Enthemmung wahr, aber im Kern bin ich davon überzeugt, dass die schweigende Mehrheit der Bevölkerung hinter der liberalen Verfassungskultur Deutschlands und dem Grundgesetz steht. Die schweigende Mehrheit will nichts anderes als ein kluges Management der Flüchtlingskrise.
Wird die Politik dieser Verantwortung gerecht?
Nein, Sigmar Gabriel, der SPD-Chef, schürt gerade eine Neiddebatte. Das zeigt, dass es kein Unfall war, dass er mal in Lederjacke bei der Pegida war. Er spielt mit den Abstiegs- und Verlustängsten der Menschen. Die Aufgabe politischer Führung aber muss es sein, die Menschen aus ihren Angstgefühlen zu befreien, indem sie Perspektiven aufzeigt. Die Lage unserer Wirtschaft ist fragil. Statt weiterer neuer Konsumausgaben wäre das Gegenteil richtig: Finanzielle Solidität und Investitionen in Zukunftsaufgaben, wie Bildung und Digitales, um unseren Wohlstand zu sichern.
Den Einzelnen stark machen
Die Südwest-FDP hat zwischen Grün und Schwarz einen schweren Stand im Land. Fällt sie da in der öffentlichen Wahrnehmung überhaupt auf?
Ich finde die Situation der FDP in Baden-Württemberg ausgesprochen chancenreich. Auf der einen Seite haben wir eine grün-rote Regierung, die dieses starke Land schwach regiert hat. Es sind die Bremsen für die Wirtschaft angezogen worden, es findet eine Politik gegen das Gymnasium und berufliche Bildung statt. Auf der anderen Seite ist die CDU mit einem Spitzenkandidaten, der nicht weiß, ob er für oder gegen Merkel ist und der sich in taktischen Winkelzügen verfangen hat. Die FDP als eine klassisch liberale Partei ist da mit ihrem Profil in einer guten Position: Uns geht es darum, den einzelnen stark zu machen durch beste Bildung, ihn zu schützen vor übermäßiger Bürokratie und vor finanzieller Überforderung. Und es geht auch um die Förderung Infrastruktur – sei es das Straßen- oder das Digitalnetz. Dieses Profil fehlt hier im Land.
Wie viel Prozent gibt sich die FDP?
Wir machen unsere Ziele nicht an Ziffern fest. Aber natürlich wollen wir gestärkt in den Landtag von Baden-Württemberg einziehen. Wichtig ist, dass wir eine gestaltende Rolle spielen können – oder aber wir werden die einzige Oppositionskraft sein, die die Eigenverantwortung der Bürger im Auge hat. Ich bin überzeugt, dass in unserer parlamentarischen Demokratie die Opposition eine außerordentlich wichtige Rolle hat, weil sie Alternativen aufzeigt und die Meinungspluralität sicherstellt. Im Bundestag ist die Meinungspluralität nicht gesichert, weil er den Charakter einer Versammlung der Sozialdemokratie angenommen hat.
Wofür steht die FDP?
Wir sind eine Partei der Freiheit, nicht der Wirtschaft. Es gibt zum Beispiel Unternehmen, die Dauersubventionen für Ökostrom haben wollen – das gäbe es mit uns nicht. Ich würde eher die Abschreibungsmöglichkeiten für den kleinen Handwerkbetrieb verbessern wollen, damit der vielleicht einen Arbeitsplatz für einen jungen Flüchtling einrichten kann.
Für humanitäre Verantwortung und rationales Handeln in Europa
In der Flüchtlingspolitik kriselt es weiter und die Bundeskanzlerin regiert lediglich ihrem Satz "Wir schaffen das" hinterher. FDP-Chef Christian Lindner rügte, dass sie keinen nachvollziehbaren Plan vorlege. Merkels Politik der grenzenlosen Aufnahmebereitschaft habe falsche Erwartungen geweckt und die Bundesrepublik in Europa isoliert, kritisierte er im Interview mit den "Stuttgarter Nachrichten." Lindner forderte das Ende des deutschen Sonderweges und die Schaffung eines Einwanderungsgesetzes mit klaren Regelungen sowie der Voraussetzungen für eine gemeinsame europäische Asylpolitik mit kontrollierten Außengrenzen.
So lange die Bundesregierung einer europäischen Lösung im Weg stehe, müsse Deutschland Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten an den Grenzen zurückweisen. "Wir wollen auf Schlagbäume in Europa verzichten, aber wir müssen wieder zu einem geordneten Verfahren kommen", stellte Lindner klar. Es brauche einen dritten Weg zwischen grenzenloser Aufnahmebereitschaft und reaktionärer Abschottung, ist der Freidemokrat überzeugt. "Wir wollen die europäische Einbindung, die humanitäre Verantwortung und rationales Handeln."
Angesichts der aktuellen Überforderung der Behörden wäre es aus Sicht des FDP-Chefs "eine verantwortliche Politik, den Menschen auf der Flucht zu signalisieren, dass die Hoffnungen auf einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz oder eine Wohnung bei uns so schnell nicht erfüllt werden können und dass Enttäuschungen drohen". Die Erwartungen müssten auch deswegen reduziert werden, damit die Schlepper nicht mehr so ein leichtes Spiel hätten. Vor allem müsse sich die Politik auf die Hilfe vor Ort und die Fluchtursachenbekämpfung konzentrieren. "Es geht darum, ein menschenwürdiges Leben für Flüchtlinge zu erreichen – und zwar dort, wo sie sind", führte Lindner aus.
Lesen Sie hier das gesamte Interview.
Herr Lindner, wie beurteilen Sie die Kurs der Bundeskanzlerin in der Flüchtlingskrise?
Beim Auftritt in der Talkshow bei Anne Will wirkte Frau Merkel sehr überzeugt, war aber nicht überzeugend. Sie hat keinen nachvollziehbaren Plan vorgelegt, sie regiert nach dem Prinzip Hoffnung und dem Satz „Wir schaffen das“ hinterher. Wie das funktioniert, habe ich nicht gehört.
Ist Merkel dafür verantwortlich, dass so viele Flüchtlinge gekommen sind?
Frau Merkel hat mit ihrer Politik der grenzenlosen Aufnahmebereitschaft falsche Erwartungen geweckt. Es wäre eine verantwortliche Politik, den Menschen auf der Flucht zu signalisieren, dass die Hoffnungen auf einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz oder eine Wohnung bei uns so schnell nicht erfüllt werden können und dass Enttäuschungen drohen. Zum anderen hat die Politik von Frau Merkel Deutschland in Europa isoliert. Der deutsche Sonderweg muss beendet werden, und zwar dadurch, dass wir ein Einwanderungsgesetz mit klaren Regelungen bekommen, und es müssen die Voraussetzungen für eine gemeinsame europäische Asylpolitik mit kontrollierten Außengrenzen geschaffen werden.
Die FDP ist weder im Bund noch im Land an der Regierung – eine bequeme Position in der Flüchtlingskrise?
Wir sorgen uns um unser Land, deshalb sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen. Wir wollen Deutschland nicht abschotten, sondern brauchen eine europäische Lösung. Aber so lange Frau Merkel selbst dem im Weg steht, muss Deutschland Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten an den Grenzen zurückweisen. Wir wollen auf Schlagbäume in Europa verzichten, aber wir müssen wieder zu einem geordneten Verfahren kommen. Wir brauchen auch Zuwanderung in den Arbeitsmarkt anhand klarer Kriterien und Regeln. Wir wollen einen dritten Weg zwischen der grenzenlosen Aufnahmebereitschaft und dumpfer reaktionärer Abschottung – wir wollen die europäische Einbindung, die humanitäre Verantwortung und rationales Handeln.
Mit oder ohne Obergrenzen?
Es gibt keine Obergrenzen, die rechtlich möglich oder organisatorisch durchsetzbar wären. Die Österreicher habe ja auch keine – entgegen anderslautender Gerüchte gibt es nur eine unverbindliche Absichtserklärung des österreichischen Staates. Es geht darum, alles zu unternehmen, um ein menschenwürdiges Leben für Flüchtlinge zu erreichen – und zwar dort, wo sie sind. Und die Erwartungen müsse so reduziert werden, dass die Schlepper nicht mehr ein so leichtes Spiel haben.
Festzustellen ist, dass der Protest gegen die Flüchtlingspolitik immer heftiger geworden ist. Macht Ihnen das Sorgen?
Ich nehme natürlich auch eine gewisse Verrohung und Enthemmung wahr, aber im Kern bin ich davon überzeugt, dass die schweigende Mehrheit der Bevölkerung hinter der liberalen Verfassungskultur Deutschlands und dem Grundgesetz steht. Die schweigende Mehrheit will nichts anderes als ein kluges Management der Flüchtlingskrise.
Wird die Politik dieser Verantwortung gerecht?
Nein, Sigmar Gabriel, der SPD-Chef, schürt gerade eine Neiddebatte. Das zeigt, dass es kein Unfall war, dass er mal in Lederjacke bei der Pegida war. Er spielt mit den Abstiegs- und Verlustängsten der Menschen. Die Aufgabe politischer Führung aber muss es sein, die Menschen aus ihren Angstgefühlen zu befreien, indem sie Perspektiven aufzeigt. Die Lage unserer Wirtschaft ist fragil. Statt weiterer neuer Konsumausgaben wäre das Gegenteil richtig: Finanzielle Solidität und Investitionen in Zukunftsaufgaben, wie Bildung und Digitales, um unseren Wohlstand zu sichern.
Den Einzelnen stark machen
Die Südwest-FDP hat zwischen Grün und Schwarz einen schweren Stand im Land. Fällt sie da in der öffentlichen Wahrnehmung überhaupt auf?
Ich finde die Situation der FDP in Baden-Württemberg ausgesprochen chancenreich. Auf der einen Seite haben wir eine grün-rote Regierung, die dieses starke Land schwach regiert hat. Es sind die Bremsen für die Wirtschaft angezogen worden, es findet eine Politik gegen das Gymnasium und berufliche Bildung statt. Auf der anderen Seite ist die CDU mit einem Spitzenkandidaten, der nicht weiß, ob er für oder gegen Merkel ist und der sich in taktischen Winkelzügen verfangen hat. Die FDP als eine klassisch liberale Partei ist da mit ihrem Profil in einer guten Position: Uns geht es darum, den einzelnen stark zu machen durch beste Bildung, ihn zu schützen vor übermäßiger Bürokratie und vor finanzieller Überforderung. Und es geht auch um die Förderung Infrastruktur – sei es das Straßen- oder das Digitalnetz. Dieses Profil fehlt hier im Land.
Wie viel Prozent gibt sich die FDP?
Wir machen unsere Ziele nicht an Ziffern fest. Aber natürlich wollen wir gestärkt in den Landtag von Baden-Württemberg einziehen. Wichtig ist, dass wir eine gestaltende Rolle spielen können – oder aber wir werden die einzige Oppositionskraft sein, die die Eigenverantwortung der Bürger im Auge hat. Ich bin überzeugt, dass in unserer parlamentarischen Demokratie die Opposition eine außerordentlich wichtige Rolle hat, weil sie Alternativen aufzeigt und die Meinungspluralität sicherstellt. Im Bundestag ist die Meinungspluralität nicht gesichert, weil er den Charakter einer Versammlung der Sozialdemokratie angenommen hat.
Wofür steht die FDP?
Wir sind eine Partei der Freiheit, nicht der Wirtschaft. Es gibt zum Beispiel Unternehmen, die Dauersubventionen für Ökostrom haben wollen – das gäbe es mit uns nicht. Ich würde eher die Abschreibungsmöglichkeiten für den kleinen Handwerkbetrieb verbessern wollen, damit der vielleicht einen Arbeitsplatz für einen jungen Flüchtling einrichten kann.