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18.02.2016 - 11:00LAMBSDORFF-Interview: Angela Merkel läuft die Zeit davon
Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF gab dem „Mannheimer Morgen“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte WALTER SERIF:
Frage: Wie soll ich Sie denn ansprechen?
LAMBSDORFF: (lacht) Sie sind ja richtig protokollbewusst.
Frage: Wir haben viele Leser, die auf die Etikette achten.
LAMBSDORFF: Nun, wenn Sie ganz korrekt sein wollen, können Sie „Herr“ durch „Graf“ ersetzen. Das muss aber nicht sein, es ändert ja nichts an dem, was wir miteinander besprechen.
Frage: Also, Herr Lambsdorff, lassen Sie uns gleich über die Bundeskanzlerin reden. Läuft die politische Uhr von Angela Merkel langsam ab?
LAMBSDORFF: Sie steht gegenwärtig jedenfalls allein auf weiter Flur. Die CSU übt sich in offener Rebellion, und die SPD geht ihr langsam von der Stange. Auch in Europa hat sich die Kanzlerin weitgehend isoliert. Frankreich will keine Kontingentlösung und die Ost-Staaten schließen ihre Grenzen.
Frage: Wie übel sieht es für Merkel aus?
LAMBSDORFF: Ich glaube, dass ihr die Zeit davonläuft.
Frage: Rechnen Sie damit, dass sie stürzt?
LAMBSDORFF: Wenn Sie nach dem Gipfel mit leeren Händen dastehen sollte, ist es gut möglich, dass sich die Regierungskrise verschärft. Aber solche Spekulationen bringen uns jetzt in der Sache nicht weiter.
Frage: Nun ja, die FDP hat ja selbst mit den Spekulationen angefangen. Ihre Partei fordert doch, Merkel möge im Parlament die Vertrauensfrage stellen. Was soll das?
LAMBSDORFF: Es steht im Grundgesetz, dass die Kanzlerin überprüfen lassen kann, ob sie im Parlament noch eine Mehrheit hinter sich hat. Die Frage ist nicht spekulativ. Immerhin glauben 81 Prozent der Bevölkerung, dass sie in der wichtigsten politischen Frage die Lage nicht im Griff hat. Und die CSU glaubt das eh.
Frage: Was soll eine Vertrauensfrage, die würde sie doch bestimmt gewinnen, oder?
LAMBSDORFF: Mag sein. Aber es gäbe Klarheit. Immerhin müssten dann auch ihre Gegner endlich Farbe bekennen. Genau deswegen gibt es den Artikel 68 des Grundgesetzes ja.
Frage: Mit der Vertrauensfrage lösen Sie das Flüchtlingsproblem nicht.
LAMBSDORFF: Das stimmt, und deshalb hat die FDP konkrete Vorschläge gemacht: Auf die griechischen Inseln sollte eine Soforteinsatz-Truppe mit 2000 Mann entsandt werden, die dort helfen kann, die Hotspots zur Registrierung der Flüchtlinge aufzubauen. Wir brauchen einen europäischen Grenzschutz und eine europäische Küstenwache. Außerdem benötigen wir den Einstieg in ein europäisches Asyl- und Zuwanderungsrecht mit einem Verteilungsschlüssel. Und wir wollen das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen so finanzieren, dass die Flüchtlinge in den Lagern menschenwürdig leben können.
Frage: Sieht Ihre große Lösung also so aus, dass die Flüchtlinge erst gar nicht nach Europa kommen, sondern von der Türkei aufgenommen werden?
LAMBSDORFF: Menschen, die vor Krieg fliehen, werden am besten in der Nähe ihres Herkunftslandes untergebracht.
Frage: Das ist doch zynisch. Nur, weil die Türkei zufällig an Syrien grenzt, soll sie die Flüchtlinge aufnehmen, und die Europäer wären fein raus.
LAMBSDORFF: Napoleon hat schon gewusst: „Geografie ist Schicksal“. Die Türkei leistet viel, hat mehr Flüchtlinge aufgenommen als wir und sogar den Arbeitsmarkt für sie geöffnet – übrigens auf Verlangen der Europäer. Deshalb ist es ein Treppenwitz, dass die große Koalition das bei uns blockiert.
Frage: Sie wollen also aus Europa eine Festung machen, die sich vor den Flüchtlingen abschottet?
LAMBSDORFF: Es ist nicht so, dass Deutschland überhaupt keine Flüchtlinge mehr aufnehmen soll. Wir müssen aber dafür sorgen, dass es wieder ausreichende Kontrollen an den Außengrenzen gibt. Sonst schließen noch mehr Länder ihre nationalen Grenzen. Das wäre der Tod von Schengen und auch für unsere Wirtschaft ein schwerer Schlag. Denken Sie nur mal daran, was es für die Kunden der BASF bedeuten würde, wenn die alle wieder eine große Lagerhaltung bräuchten.
Frage: Wenn Sie die Außengrenzen dicht machen, wird es auch zu unschönen Szenen und Zwischenfällen mit Flüchtlingen kommen.
LAMBSDORFF: Das stimmt. Aber nur, damit wir uns richtig verstehen: Mit Grenzkontrollen meine ich nicht einen Schießbefehl, wie ihn die AfD einführen will. Wir wollen keinen Rechtsruck in der Flüchtlingspolitik, sondern die Rückkehr zum Rechtsstaat.
LAMBSDORFF-Interview: Angela Merkel läuft die Zeit davon
Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF gab dem „Mannheimer Morgen“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte WALTER SERIF:
Frage: Wie soll ich Sie denn ansprechen?
LAMBSDORFF: (lacht) Sie sind ja richtig protokollbewusst.
Frage: Wir haben viele Leser, die auf die Etikette achten.
LAMBSDORFF: Nun, wenn Sie ganz korrekt sein wollen, können Sie „Herr“ durch „Graf“ ersetzen. Das muss aber nicht sein, es ändert ja nichts an dem, was wir miteinander besprechen.
Frage: Also, Herr Lambsdorff, lassen Sie uns gleich über die Bundeskanzlerin reden. Läuft die politische Uhr von Angela Merkel langsam ab?
LAMBSDORFF: Sie steht gegenwärtig jedenfalls allein auf weiter Flur. Die CSU übt sich in offener Rebellion, und die SPD geht ihr langsam von der Stange. Auch in Europa hat sich die Kanzlerin weitgehend isoliert. Frankreich will keine Kontingentlösung und die Ost-Staaten schließen ihre Grenzen.
Frage: Wie übel sieht es für Merkel aus?
LAMBSDORFF: Ich glaube, dass ihr die Zeit davonläuft.
Frage: Rechnen Sie damit, dass sie stürzt?
LAMBSDORFF: Wenn Sie nach dem Gipfel mit leeren Händen dastehen sollte, ist es gut möglich, dass sich die Regierungskrise verschärft. Aber solche Spekulationen bringen uns jetzt in der Sache nicht weiter.
Frage: Nun ja, die FDP hat ja selbst mit den Spekulationen angefangen. Ihre Partei fordert doch, Merkel möge im Parlament die Vertrauensfrage stellen. Was soll das?
LAMBSDORFF: Es steht im Grundgesetz, dass die Kanzlerin überprüfen lassen kann, ob sie im Parlament noch eine Mehrheit hinter sich hat. Die Frage ist nicht spekulativ. Immerhin glauben 81 Prozent der Bevölkerung, dass sie in der wichtigsten politischen Frage die Lage nicht im Griff hat. Und die CSU glaubt das eh.
Frage: Was soll eine Vertrauensfrage, die würde sie doch bestimmt gewinnen, oder?
LAMBSDORFF: Mag sein. Aber es gäbe Klarheit. Immerhin müssten dann auch ihre Gegner endlich Farbe bekennen. Genau deswegen gibt es den Artikel 68 des Grundgesetzes ja.
Frage: Mit der Vertrauensfrage lösen Sie das Flüchtlingsproblem nicht.
LAMBSDORFF: Das stimmt, und deshalb hat die FDP konkrete Vorschläge gemacht: Auf die griechischen Inseln sollte eine Soforteinsatz-Truppe mit 2000 Mann entsandt werden, die dort helfen kann, die Hotspots zur Registrierung der Flüchtlinge aufzubauen. Wir brauchen einen europäischen Grenzschutz und eine europäische Küstenwache. Außerdem benötigen wir den Einstieg in ein europäisches Asyl- und Zuwanderungsrecht mit einem Verteilungsschlüssel. Und wir wollen das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen so finanzieren, dass die Flüchtlinge in den Lagern menschenwürdig leben können.
Frage: Sieht Ihre große Lösung also so aus, dass die Flüchtlinge erst gar nicht nach Europa kommen, sondern von der Türkei aufgenommen werden?
LAMBSDORFF: Menschen, die vor Krieg fliehen, werden am besten in der Nähe ihres Herkunftslandes untergebracht.
Frage: Das ist doch zynisch. Nur, weil die Türkei zufällig an Syrien grenzt, soll sie die Flüchtlinge aufnehmen, und die Europäer wären fein raus.
LAMBSDORFF: Napoleon hat schon gewusst: „Geografie ist Schicksal“. Die Türkei leistet viel, hat mehr Flüchtlinge aufgenommen als wir und sogar den Arbeitsmarkt für sie geöffnet – übrigens auf Verlangen der Europäer. Deshalb ist es ein Treppenwitz, dass die große Koalition das bei uns blockiert.
Frage: Sie wollen also aus Europa eine Festung machen, die sich vor den Flüchtlingen abschottet?
LAMBSDORFF: Es ist nicht so, dass Deutschland überhaupt keine Flüchtlinge mehr aufnehmen soll. Wir müssen aber dafür sorgen, dass es wieder ausreichende Kontrollen an den Außengrenzen gibt. Sonst schließen noch mehr Länder ihre nationalen Grenzen. Das wäre der Tod von Schengen und auch für unsere Wirtschaft ein schwerer Schlag. Denken Sie nur mal daran, was es für die Kunden der BASF bedeuten würde, wenn die alle wieder eine große Lagerhaltung bräuchten.
Frage: Wenn Sie die Außengrenzen dicht machen, wird es auch zu unschönen Szenen und Zwischenfällen mit Flüchtlingen kommen.
LAMBSDORFF: Das stimmt. Aber nur, damit wir uns richtig verstehen: Mit Grenzkontrollen meine ich nicht einen Schießbefehl, wie ihn die AfD einführen will. Wir wollen keinen Rechtsruck in der Flüchtlingspolitik, sondern die Rückkehr zum Rechtsstaat.