FDP|
16.01.2016 - 00:45LINDNER-Interview: Schnell wieder Ordnung schaffen
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab dem „Mannheimer Morgen“ (Samstagausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte STEFFEN MACK.
Frage: Herr Lindner, Sie haben nach der Kölner Silvesternacht von einer „Kapitulation des Rechtsstaates“ gesprochen. Ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen?
LINDNER: Fragen Sie das die Frauen, die der Rechtsstaat am Kölner Hauptbahnhof nicht vor sexueller Belästigung geschützt hat.
Frage: Hat da nicht die Ordnungsmacht versagt, die für die Einhaltung für Recht und Gesetz zuständig ist?
LINDNER: Ich mache bei der Relativierung von Köln nicht mit. Die FDP will nicht, dass jeder Zipfel des Lebens bürokratisiert wird. Aber jeder muss sich darauf verlassen können, dass der Rechtsstaat die bestehenden Gesetze durchsetzt.
Frage: Ausgerechnet die FDP ruft nach einem stärkeren Staat?
LINDNER: Auch die Anti-Terror-Einheit GSG9 wurde von einem FDP-Innenminister gegründet. Wir wollen einen Staat, der in seinen Kernaufgaben stark ist. Polizei, Justiz, auch Bildung und Infrastruktur werden vernachlässigt. Stattdessen fließt das Geld in Bürokratie und Subventionen. Das muss sich ändern.
Frage: Sie kritisieren auch die Kanzlerin, die es in der Flüchtlingspolitik versäumt habe, auf europäischer Ebene Lösungen zu finden …
LINDNER: Die Alleingänge von Frau Merkel haben europäische Lösungen sogar erschwert.
Frage: Lehnen Sie auch Angela Merkels Willkommenskultur ab?
LINDNER: Ich lehne grenzenlose Aufnahmebereitschaft genauso ab wie reaktionäre Abschottungsversuche. Deutschland ist ein offenes und solidarisches Land. Aber wenn selbst das sozialdemokratische Schweden signalisiert, dass es an die Grenzen seiner Möglichkeiten gekommen ist, muss uns das zu denken geben.
Frage: Was heißt das?
LINDNER: Zur Souveränität des Rechtsstaates gehört die Kontrolle, wer auf seinem Gebiet lebt. Die brauchen wir zurück.
Frage: Mit Grenzkontrollen?
LINDNER: Die EU muss ihre Außengrenzen kontrollieren, damit wir entscheiden können, wen wir als qualifizierte Zuwanderer und wen wir aus humanitären Gründen aufnehmen wollen.
Frage: Aber was ist mit den EU-Binnengrenzen, wie sie Schweden und Dänemark wieder überwachen?
LINDNER: Das zeigt die Dringlichkeit. Ich will kein Europa der Schlagbäume. Aber die Debatte wird kommen, wenn nicht schnell wieder Ordnung geschaffen wird. Wichtig wäre ein abgestimmter Schutz unserer Außengrenzen. Man kann sich nicht auf Griechenland oder den türkischen Präsidenten Erdogan verlassen. Europa benötigt eine eigene, gemeinsame Grenzpolizei.
Frage: Massiv kritisiert wird die Flüchtlingspolitik auch von der AfD …
LINDNER: Das ist eine völkische Partei, die diese Krise sogar als Geschenk gefeiert hat. Das halte ich für Zynismus. Deshalb sagt sie ja auch nie konkret, was sie will – außer den Schießbefehl an der deutschen Grenze. Wir wollen die Krisen lösen. Deshalb sagen wir konkret, dass wir ein Einwanderungsgesetz und die Rückkehr zum von Frau Merkel außer Kraft gesetzten europäischen Recht fordern.
Frage: Anders als die AfD hat die FDP immerhin eine Regierungsperspektive: In Baden-Württemberg wird über eine Ampel spekuliert. Klar, dass Sie Ihren Landesverbänden nicht reinreden. Aber wäre es nicht verlockend, sich aus der Abhängigkeit von der Union zu lösen?
LINDNER: Wir haben uns bei der letzten schwarz-gelben Koalition in Angela Merkels CDU getäuscht. Das passiert uns kein zweites Mal. Wir sind eigenständig.
Frage: Also auch bereit für eine Ampel?
LINDNER: Wir wollen eine Bildungspolitik, die die berufliche Bildung und das Gymnasium stark macht. Wir bekämpfen nicht Autos als Teil der Mobilität, sondern wollen einen Schwerpunkt bei Infrastruktur. Und wir lehnen die neue Erbschaftsteuer als Arbeitsplatzgefährdung ab. Es ist unwahrscheinlich, dass Grüne und SPD sich um 180 Grad drehen.
Frage: Ihr natürlicher Koalitionspartner bleibt dann doch die Union?
LINDNER: Von den sozialdemokratischen Parteien im Bundestag ist uns die Union am nächsten. Die Abkehr der CDU von der Marktwirtschaft eines Ludwig Erhard ist aber ein Grund, warum scharenweise Enttäuschte in die FDP eintreten.
Frage: Darunter ist BASF-Aufsichtsratschef Jürgen Hambrecht, oder?
LINDNER: Ja, Jürgen Hambrecht wurde gerade unser Mitglied, weil er als überzeugter Markwirtschaftler die FDP stärken will. So wie auch viele andere Mittelständler, die sich uns jetzt anschließen. Mich freut, dass auch Bürgerrechtler wie die ehemaligen Bundesvorsitzenden der Piraten-Partei, Bernd Schlömer und Sebastian Nerz, zu uns kommen. Das bestätigt unsere klassische Mission, Marktwirtschaft plus Bürgerrechte.
Frage: Würden Sie auch Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel nehmen, deren AfD-Abspaltung Alfa nur unter „ferner liefen“ rangiert?
LINDNER: Nein, die passen nicht zu Liberalen. Wir wissen, was wir an Europa haben. Wir wollen es besser machen, aber niemals aufgeben.
Frage: Würden Sie auch allen anderen die Aufnahme verweigern, die mal bei der AfD waren?
LINDNER: Wir sind der schärfste Kontrast zur AfD. Mir will nicht einleuchten, wie jemand, der diese völkische Partei gut fand, jetzt plötzlich uns gut finden soll.
LINDNER-Interview: Schnell wieder Ordnung schaffen
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab dem „Mannheimer Morgen“ (Samstagausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte STEFFEN MACK.
Frage: Herr Lindner, Sie haben nach der Kölner Silvesternacht von einer „Kapitulation des Rechtsstaates“ gesprochen. Ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen?
LINDNER: Fragen Sie das die Frauen, die der Rechtsstaat am Kölner Hauptbahnhof nicht vor sexueller Belästigung geschützt hat.
Frage: Hat da nicht die Ordnungsmacht versagt, die für die Einhaltung für Recht und Gesetz zuständig ist?
LINDNER: Ich mache bei der Relativierung von Köln nicht mit. Die FDP will nicht, dass jeder Zipfel des Lebens bürokratisiert wird. Aber jeder muss sich darauf verlassen können, dass der Rechtsstaat die bestehenden Gesetze durchsetzt.
Frage: Ausgerechnet die FDP ruft nach einem stärkeren Staat?
LINDNER: Auch die Anti-Terror-Einheit GSG9 wurde von einem FDP-Innenminister gegründet. Wir wollen einen Staat, der in seinen Kernaufgaben stark ist. Polizei, Justiz, auch Bildung und Infrastruktur werden vernachlässigt. Stattdessen fließt das Geld in Bürokratie und Subventionen. Das muss sich ändern.
Frage: Sie kritisieren auch die Kanzlerin, die es in der Flüchtlingspolitik versäumt habe, auf europäischer Ebene Lösungen zu finden …
LINDNER: Die Alleingänge von Frau Merkel haben europäische Lösungen sogar erschwert.
Frage: Lehnen Sie auch Angela Merkels Willkommenskultur ab?
LINDNER: Ich lehne grenzenlose Aufnahmebereitschaft genauso ab wie reaktionäre Abschottungsversuche. Deutschland ist ein offenes und solidarisches Land. Aber wenn selbst das sozialdemokratische Schweden signalisiert, dass es an die Grenzen seiner Möglichkeiten gekommen ist, muss uns das zu denken geben.
Frage: Was heißt das?
LINDNER: Zur Souveränität des Rechtsstaates gehört die Kontrolle, wer auf seinem Gebiet lebt. Die brauchen wir zurück.
Frage: Mit Grenzkontrollen?
LINDNER: Die EU muss ihre Außengrenzen kontrollieren, damit wir entscheiden können, wen wir als qualifizierte Zuwanderer und wen wir aus humanitären Gründen aufnehmen wollen.
Frage: Aber was ist mit den EU-Binnengrenzen, wie sie Schweden und Dänemark wieder überwachen?
LINDNER: Das zeigt die Dringlichkeit. Ich will kein Europa der Schlagbäume. Aber die Debatte wird kommen, wenn nicht schnell wieder Ordnung geschaffen wird. Wichtig wäre ein abgestimmter Schutz unserer Außengrenzen. Man kann sich nicht auf Griechenland oder den türkischen Präsidenten Erdogan verlassen. Europa benötigt eine eigene, gemeinsame Grenzpolizei.
Frage: Massiv kritisiert wird die Flüchtlingspolitik auch von der AfD …
LINDNER: Das ist eine völkische Partei, die diese Krise sogar als Geschenk gefeiert hat. Das halte ich für Zynismus. Deshalb sagt sie ja auch nie konkret, was sie will – außer den Schießbefehl an der deutschen Grenze. Wir wollen die Krisen lösen. Deshalb sagen wir konkret, dass wir ein Einwanderungsgesetz und die Rückkehr zum von Frau Merkel außer Kraft gesetzten europäischen Recht fordern.
Frage: Anders als die AfD hat die FDP immerhin eine Regierungsperspektive: In Baden-Württemberg wird über eine Ampel spekuliert. Klar, dass Sie Ihren Landesverbänden nicht reinreden. Aber wäre es nicht verlockend, sich aus der Abhängigkeit von der Union zu lösen?
LINDNER: Wir haben uns bei der letzten schwarz-gelben Koalition in Angela Merkels CDU getäuscht. Das passiert uns kein zweites Mal. Wir sind eigenständig.
Frage: Also auch bereit für eine Ampel?
LINDNER: Wir wollen eine Bildungspolitik, die die berufliche Bildung und das Gymnasium stark macht. Wir bekämpfen nicht Autos als Teil der Mobilität, sondern wollen einen Schwerpunkt bei Infrastruktur. Und wir lehnen die neue Erbschaftsteuer als Arbeitsplatzgefährdung ab. Es ist unwahrscheinlich, dass Grüne und SPD sich um 180 Grad drehen.
Frage: Ihr natürlicher Koalitionspartner bleibt dann doch die Union?
LINDNER: Von den sozialdemokratischen Parteien im Bundestag ist uns die Union am nächsten. Die Abkehr der CDU von der Marktwirtschaft eines Ludwig Erhard ist aber ein Grund, warum scharenweise Enttäuschte in die FDP eintreten.
Frage: Darunter ist BASF-Aufsichtsratschef Jürgen Hambrecht, oder?
LINDNER: Ja, Jürgen Hambrecht wurde gerade unser Mitglied, weil er als überzeugter Markwirtschaftler die FDP stärken will. So wie auch viele andere Mittelständler, die sich uns jetzt anschließen. Mich freut, dass auch Bürgerrechtler wie die ehemaligen Bundesvorsitzenden der Piraten-Partei, Bernd Schlömer und Sebastian Nerz, zu uns kommen. Das bestätigt unsere klassische Mission, Marktwirtschaft plus Bürgerrechte.
Frage: Würden Sie auch Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel nehmen, deren AfD-Abspaltung Alfa nur unter „ferner liefen“ rangiert?
LINDNER: Nein, die passen nicht zu Liberalen. Wir wissen, was wir an Europa haben. Wir wollen es besser machen, aber niemals aufgeben.
Frage: Würden Sie auch allen anderen die Aufnahme verweigern, die mal bei der AfD waren?
LINDNER: Wir sind der schärfste Kontrast zur AfD. Mir will nicht einleuchten, wie jemand, der diese völkische Partei gut fand, jetzt plötzlich uns gut finden soll.