FDP|
21.12.2015 - 11:45Gemeinsame Terrorabwehr erfordert bessere Kommunikation
Im "Welt"-Gastbeitrag fordert Alexander Graf Lambsdorff eine verbesserte Zusammenarbeit in Europa bei der Terrorabwehr. Die EU müsse die richtigen Konsequenzen aus der Tragödie von Paris ziehen, betont der Vizepräsident des EU-Parlaments. "Blanker Aktionismus, wie die von CDU und SPD propagierte Fluggastdatenspeicherung oder die von der EU-Kommission geplante Verschärfung des Waffenrechts, hilft da nicht weiter", macht er deutlich. Vielmehr brauche es eine Strukturreform des europäischen Sicherheitsnetzwerks.
Auch das Instrument der Vorratsdatenspeicherung sei ein Placebo, stellt Lambsdorff klar: "In Frankreich gibt es sie seit Jahren, die Anschläge konnten trotzdem nicht verhindert werden." Der Schutz der Bevölkerung vor erkannten Gefährdern müsse Hand in Hand gehen mit der Verteidigung der Privatsphäre unbescholtener Bürger, unterstreicht er. "Als Richtschnur gilt: so viele Maßnahmen zur Sicherheit wie nötig, so wenige Beschränkungen bürgerlicher Freiheiten wie möglich."
Grenzüberschreitende Kooperation verbessern
In Europa gebe es letztendlich nicht zu wenig Überwachung, das Problem liege vielmehr in einer mangelnden Zusammenarbeit bei der Terrorabwehr. "Die Verbrecher machen sich Lücken in der grenzüberschreitenden Kommunikation und Kooperation der Sicherheitsbehörden zunutze", erläutert Lambsdorff. Bei den Attentaten von Paris versäumten es belgische Behörden, die Bewegungen der Brüder Abdeslam an die französischen Kollegen zu übermitteln, und ließen die mutmaßlichen Attentäter unbehelligt weiterfahren. "Selbst wenn eine Unterrichtung erfolgt, bleibt sie viel zu oft im Gestrüpp unterschiedlicher Zuständigkeiten hängen", kritisiert der Freidemokrat.
Als Reaktion auf Paris sei deshalb eine Strukturreform des europäischen Sicherheitsnetzwerks notwendiger denn je. "INTCEN, die nachrichtendienstliche Zelle der EU, ist bislang ein zahnloser Tiger", so der FDP-Politiker. Eine gemeinsame Auswertung nachrichtendienstlicher Rohdaten würde es erlauben, Verbindungen zu sehen, die bei rein nationaler Auswertung nicht zu erkennen seien. "Dafür müssten noch nicht einmal die europäischen Verträge angetastet werden. Eine allgemeine Verpflichtung zum Austausch sensibler Daten würde genügen", führt Lambsdorff aus.
Lesen Sie hier den gesamten Gastbeitrag.
Die Anschläge von Paris machten uns zu Zeugen der ersten islamistisch motivierten, großangelegten Attentate in Europa seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien. Im Fadenkreuz standen nicht nur wehrlose junge Menschen, sondern unsere europäischen Werte, unsere offene Gesellschaft und unsere Art zu leben. Es wird nicht der letzte Versuch gewesen sein, unsere Freiheits- und Werteordnung zu attackieren. Deshalb sind europäische Antworten gefordert.
Dass der Terror eine europäische Dimension hat, wird dabei von niemandem bestritten: Waffen und Autos für die Pariser Anschläge wurden in Brüssel beschafft, eine Spur führte nach Stuttgart. Islamistische Hassprediger unterhalten Kontakte von Deutschland, Frankreich und Belgien nach Spanien und Großbritannien. Die Verbrecher machen sich dabei Lücken in der grenzüberschreitenden Kommunikation und Kooperation der Sicherheitsbehörden zunutze. Bei den Attentaten von Paris versäumten es belgische Behörden, die Bewegungen der Brüder Abdeslam an die französischen Kollegen zu übermitteln. Statt sie an der Grenze festzusetzen, konnten die mutmaßlichen Attentäter unbehelligt weiterfahren. Auch an der bayerischen Grenze wurde ein Waffentransport mit Ziel Paris gestoppt – und Frankreich nicht unterrichtet. Und selbst wenn eine Unterrichtung erfolgt, bleibt sie viel zu oft im Gestrüpp unterschiedlicher Zuständigkeiten hängen.
Welche Konsequenzen müssen wir aus der Tragödie von Paris ziehen? Blanker Aktionismus, wie die von CDU und SPD propagierte Fluggastdatenspeicherung oder die von der EU-Kommission geplante Verschärfung des Waffenrechts, hilft da nicht weiter. Auch die Vorratsdatenspeicherung ist ein Placebo: In Frankreich gibt es sie seit Jahren, die Anschläge konnten trotzdem nicht verhindert werden. Das Problem in Europa sind nicht zu wenige Sicherheitsdienste, es liegt vielmehr in einer mangelnden Zusammenarbeit bei der Terrorabwehr. So vehement die Innenminister nach neuen Instrumenten, schärferen Gesetzen und mehr Personal rufen, so leise sind sie, wenn sie konkrete Maßnahmen bei der praktischen Zusammenarbeit vorschlagen sollen.
Während auf der einen Seite immer mehr Informationen auch über unbescholtene Bürger gesammelt werden sollen, versäumen es die Staaten auf der anderen Seite, sachdienliche Ermittlungsergebnisse zu teilen. Als Reaktion auf Paris ist deshalb eine Strukturreform des europäischen Sicherheitsnetzwerks notwendiger denn je. INTCEN, die nachrichtendienstliche Zelle der EU, ist bislang ein zahnloser Tiger. Die Informationsbeschaffung beschränkt sich auf öffentlich zugängliche Quellen, diplomatische Berichte und Satellitendaten. Eine gemeinsame Auswertung nachrichtendienstlicher Rohdaten würde es hingegen erlauben, Verbindungen zu sehen, die bei rein nationaler Auswertung eben nicht zu erkennen sind. Dafür müssten noch nicht einmal die europäischen Verträge angetastet werden. Eine allgemeine Verpflichtung zum Austausch sensibler Daten würde genügen.
Enger verzahnte Maßnahmen sind im Kampf gegen den internationalen Terrorismus unerlässlich. Der Schutz der Bevölkerung vor erkannten Gefährdern muss Hand in Hand gehen mit der Verteidigung der Privatsphäre unbescholtener Bürgerinnen und Bürger. Als Richtschnur gilt: so viele Maßnahmen zur Sicherheit wie nötig, so wenige Beschränkungen bürgerlicher Freiheiten wie möglich.
Gemeinsame Terrorabwehr erfordert bessere Kommunikation
Im "Welt"-Gastbeitrag fordert Alexander Graf Lambsdorff [1] eine verbesserte Zusammenarbeit in Europa bei der Terrorabwehr. Die EU müsse die richtigen Konsequenzen aus der Tragödie von Paris ziehen, betont der Vizepräsident des EU-Parlaments. "Blanker Aktionismus, wie die von CDU und SPD propagierte Fluggastdatenspeicherung oder die von der EU-Kommission geplante Verschärfung des Waffenrechts, hilft da nicht weiter", macht er deutlich. Vielmehr brauche es eine Strukturreform des europäischen Sicherheitsnetzwerks.
Auch das Instrument der Vorratsdatenspeicherung sei ein Placebo, stellt Lambsdorff klar: "In Frankreich gibt es sie seit Jahren, die Anschläge konnten trotzdem nicht verhindert werden." Der Schutz der Bevölkerung vor erkannten Gefährdern müsse Hand in Hand gehen mit der Verteidigung der Privatsphäre unbescholtener Bürger, unterstreicht er. "Als Richtschnur gilt: so viele Maßnahmen zur Sicherheit wie nötig, so wenige Beschränkungen bürgerlicher Freiheiten wie möglich."
Grenzüberschreitende Kooperation verbessern
In Europa gebe es letztendlich nicht zu wenig Überwachung, das Problem liege vielmehr in einer mangelnden Zusammenarbeit bei der Terrorabwehr. "Die Verbrecher machen sich Lücken in der grenzüberschreitenden Kommunikation und Kooperation der Sicherheitsbehörden zunutze", erläutert Lambsdorff. Bei den Attentaten von Paris versäumten es belgische Behörden, die Bewegungen der Brüder Abdeslam an die französischen Kollegen zu übermitteln, und ließen die mutmaßlichen Attentäter unbehelligt weiterfahren. "Selbst wenn eine Unterrichtung erfolgt, bleibt sie viel zu oft im Gestrüpp unterschiedlicher Zuständigkeiten hängen", kritisiert der Freidemokrat.
Als Reaktion auf Paris sei deshalb eine Strukturreform des europäischen Sicherheitsnetzwerks notwendiger denn je. "INTCEN, die nachrichtendienstliche Zelle der EU, ist bislang ein zahnloser Tiger", so der FDP-Politiker. Eine gemeinsame Auswertung nachrichtendienstlicher Rohdaten würde es erlauben, Verbindungen zu sehen, die bei rein nationaler Auswertung nicht zu erkennen seien. "Dafür müssten noch nicht einmal die europäischen Verträge angetastet werden. Eine allgemeine Verpflichtung zum Austausch sensibler Daten würde genügen", führt Lambsdorff aus.
Lesen Sie hier den gesamten Gastbeitrag.
Die Anschläge von Paris machten uns zu Zeugen der ersten islamistisch motivierten, großangelegten Attentate in Europa seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien. Im Fadenkreuz standen nicht nur wehrlose junge Menschen, sondern unsere europäischen Werte, unsere offene Gesellschaft und unsere Art zu leben. Es wird nicht der letzte Versuch gewesen sein, unsere Freiheits- und Werteordnung zu attackieren. Deshalb sind europäische Antworten gefordert.
Dass der Terror eine europäische Dimension hat, wird dabei von niemandem bestritten: Waffen und Autos für die Pariser Anschläge wurden in Brüssel beschafft, eine Spur führte nach Stuttgart. Islamistische Hassprediger unterhalten Kontakte von Deutschland, Frankreich und Belgien nach Spanien und Großbritannien. Die Verbrecher machen sich dabei Lücken in der grenzüberschreitenden Kommunikation und Kooperation der Sicherheitsbehörden zunutze. Bei den Attentaten von Paris versäumten es belgische Behörden, die Bewegungen der Brüder Abdeslam an die französischen Kollegen zu übermitteln. Statt sie an der Grenze festzusetzen, konnten die mutmaßlichen Attentäter unbehelligt weiterfahren. Auch an der bayerischen Grenze wurde ein Waffentransport mit Ziel Paris gestoppt – und Frankreich nicht unterrichtet. Und selbst wenn eine Unterrichtung erfolgt, bleibt sie viel zu oft im Gestrüpp unterschiedlicher Zuständigkeiten hängen.
Welche Konsequenzen müssen wir aus der Tragödie von Paris ziehen? Blanker Aktionismus, wie die von CDU und SPD propagierte Fluggastdatenspeicherung oder die von der EU-Kommission geplante Verschärfung des Waffenrechts, hilft da nicht weiter. Auch die Vorratsdatenspeicherung ist ein Placebo: In Frankreich gibt es sie seit Jahren, die Anschläge konnten trotzdem nicht verhindert werden. Das Problem in Europa sind nicht zu wenige Sicherheitsdienste, es liegt vielmehr in einer mangelnden Zusammenarbeit bei der Terrorabwehr. So vehement die Innenminister nach neuen Instrumenten, schärferen Gesetzen und mehr Personal rufen, so leise sind sie, wenn sie konkrete Maßnahmen bei der praktischen Zusammenarbeit vorschlagen sollen.
Während auf der einen Seite immer mehr Informationen auch über unbescholtene Bürger gesammelt werden sollen, versäumen es die Staaten auf der anderen Seite, sachdienliche Ermittlungsergebnisse zu teilen. Als Reaktion auf Paris ist deshalb eine Strukturreform des europäischen Sicherheitsnetzwerks notwendiger denn je. INTCEN, die nachrichtendienstliche Zelle der EU, ist bislang ein zahnloser Tiger. Die Informationsbeschaffung beschränkt sich auf öffentlich zugängliche Quellen, diplomatische Berichte und Satellitendaten. Eine gemeinsame Auswertung nachrichtendienstlicher Rohdaten würde es hingegen erlauben, Verbindungen zu sehen, die bei rein nationaler Auswertung eben nicht zu erkennen sind. Dafür müssten noch nicht einmal die europäischen Verträge angetastet werden. Eine allgemeine Verpflichtung zum Austausch sensibler Daten würde genügen.
Enger verzahnte Maßnahmen sind im Kampf gegen den internationalen Terrorismus unerlässlich. Der Schutz der Bevölkerung vor erkannten Gefährdern muss Hand in Hand gehen mit der Verteidigung der Privatsphäre unbescholtener Bürgerinnen und Bürger. Als Richtschnur gilt: so viele Maßnahmen zur Sicherheit wie nötig, so wenige Beschränkungen bürgerlicher Freiheiten wie möglich.