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02.12.2015 - 14:45IS-Todeskult mit klarem Blick entgegentreten
Im Landtag Nordrhein-Westfalen hat Christian Lindner eine leidenschaftliche Rede zur notwendigen Antwort westlicher Gesellschaften auf den islamistischen Terror gehalten. Der Fraktions-, Landes- und Bundesvorsitzende der FDP zeigte innen- und außenpolitische Strategien zur erfolgreichen und langfristigen Bekämpfung des Extremismus auf. "Ich hoffe, dass aus der Trauer dieser Tage auch der Mut und die Wehrhaftigkeit wachsen, die Werte unserer inneren Liberalität zu verteidigen", sagte Lindner.
Im Fokus der Plenarsitzung stand eine fraktionsübergreifende Resolution zu den Terroranschlägen von Paris. Lindner äußerte erneut seine Bestürzung über das Massaker. Die Frage, ob sowas auch in Deutschland passieren könnte, wies er zurück – denn in Paris seien nicht Franzosen oder Touristen insbesondere gemeint gewesen. "In Paris sind junge Männer zu Mördern geworden, weil sie unsere Freiheit hassen", unterstrich er. Es gehe um einen Anschlag auf die westliche Lebensweise insgesamt .
Der FDP-Chef verwies darauf, dass der französische Staatspräsident nach den Anschlägen von einem "Krieg" gesprochen hat. Die Wortwahl sei unter den Umständen nachvollziehbar – allerdings handele es sich bei der Bekämpfung des IS-Terrors um keinen Krieg, gab Lindner zu bedenken. "Das waren keine Soldaten, sondern kriminelle Mörder", machte er klar. "Der 'Islamische Staat' nennt sich zwar so, aber es ist kein Staat, der irgendeine völkerrechtliche Legitimation zu Angriffen hätte. Nennen wir es beim Namen. Der IS ist eine islamistische Sekte." Als solche müsse sie im In- sowie im Ausland bekämpft werden , aber mit Krieg sei dies nicht gleichzusetzen.
IS will, dass der Westen sich abschottet
Neben der Erzeugung von Angst wollten die Terroristen, dass sich die angegriffenen Gesellschaften radikalisieren, hob Lindner hervor: "Die wollen, dass wir zu einem Nationalismus zurückkehren, dass wir uns abschotten." Das Erstarken von Rechtspopulisten in Europa, "egal ob die jetzt nun Le Pen oder Pegida oder AfD oder sonst wie heißen", würden die Terroristen deshalb begrüßen.
Darüber hinaus erhofften sich die Terroristen, dass die betroffenen Länder ihre bürgerlichen Freiheiten einschränken würden. Lindner verwies auf die Exzesse und Menschenrechtsverletzungen im Verlauf des 'War on Terror' nach den Anschlägen des 11. September 2001 . Diese seien ein Sieg für die radikalen Islamisten gewesen: "Sie konnten sagen, 'Schaut her: Das ist der Westen mit seinem Rechtsstaat und seinen Menschenrechten.' Und deshalb ist die starke Aufforderung an uns, dass wir nicht so werden , wie die glauben oder wollen, dass wir sind. Die innere Liberalität unserer Gesellschaft und ihre Rechtsstaatlichkeit, die Verhältnismäßigkeit der staatlichen Maßnahmen, auf sie jetzt zu achten, ist das Gebot der Stunde."
Flächendeckende Überwachung ist nicht zielführend
In diesem Zusammenhang setzte sich Lindner mit den reflexhaften Rufen nach ausgedehnter Überwachung durch Geheimdienste und weiteren sicherheitspolitischen Maßnahmen auseinander. Der Freidemokrat erinnerte daran, dass offene Gesellschaften in ihrer Natur verwundbar seien, und dass es die absolute Sicherheit erst dann gebe , wenn jeder Bürger in einer Einzelzelle sitze. Das kann aus liberaler Sicht nicht das Ziel sein. "Wer die Freiheit der Sicherheit opfert, der wird am Ende eben beides verlieren", paraphrasierte Lindner den US-amerikanischen Gründervater Benjamin Franklin.
Beim radikalen Salafismus in Deutschland gehe die Bedrohung nicht von Millionen unbescholtener Bürger aus der Mitte der Gesellschaft aus, sondern insbesondere von bekannten Akteuren aus der radikalen Szene, die sich beispielsweise dem Konflikt im Nahen Osten angeschlossen hatten und dann nach Deutschland zurückkehrten. Statt die ganze Bevölkerung unter Generalverdacht zu stellen, sollten der Innenminister und die Sicherheitsbehörden für eine lückenlose Überwachung dieser Gefährder sorgen, verlangte Lindner. Der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung erteilte er eine klare Absage .
Langfristige Strategie schmieden statt sofort losbombardieren
Außenpolitisch gehöre auch die militärische Bekämpfung der IS-Sekte auf die Agenda. "Augenblicklich stelle ich mir aber die Frage nach der Strategie . Der reflexhafte Angriff ersetzt noch nicht eine dauerhafte Lösung, einen Friedens- und Stabilitätsprozess, in dieser Weltregion", konstatierte der FDP-Chef. Die Rolle von Saudi-Arabien sowie dem Iran müssten auch geklärt werden. Insbesondere die saudi-arabische Finanzierung von islamistischen Schulen rund um die Welt, die radikale Interpretationen des Korans verbreiten, ist Lindner ein Dorn im Auge. Diese strategischen Fragen zu künftigen Beziehungen mit den regionalen Mächten müssten noch vor einer militärischen Intervention erörtert werden, betonte er. Ansonsten laufe der Westen die Gefahr, in Treibsand zu laufen, ohne eine nachhaltige Stabilisierung der Region zu erreichen.
Präventions- und Integrationsarbeit stärken
Mit Blick auf die Ressentiments, die nach den Paris-Attacken gegen Flüchtlinge geschürt wurden, verdeutlichte Lindner, dass die Täter in westlichen Gesellschaften aufgewachsen sind – einige in zweiter oder dritter Generation. Die große Aufgabe, die mit dieser Erkenntnis verbunden sei, liegt für ihn klar im Bereich der Integrationsbemühungen. Diese müssten erneut geprüft und verstärkt werden, forderte Lindner. Die objektive Wertordnung des Grundgesetzes sei keine unverbindliche Spielanleitung , unterstrich der Liberale. "Freiheit des Einzelnen, Gleichberechtigung der Geschlechter, Religionsfreiheit – das zu vermitteln ist erforderlich, gerade auch gegenüber jenen, die aus anderen Gesellschaftsordnungen zu uns kommen."
Darüber hinaus werde es darum gehen, jungen Menschen eine Perspektive im Leben aufzuzeigen. Wer keine Lebenschance in der Gesellschaft habe, sich einen eigenverantwortlich erwirtschafteten, bescheidenen Wohlstand zu erarbeiten, werde wahrscheinlicher zum Strohhalm des religiösen Irrationalismus oder des politischen Extremismus greifen. "Also, der beste Weg zur Prävention ist, allen Menschen eine faire Lebenschance zu eröffnen", führte Lindner aus.
IS-Todeskult mit klarem Blick entgegentreten
Im Landtag Nordrhein-Westfalen hat Christian Lindner eine leidenschaftliche Rede [1] zur notwendigen Antwort westlicher Gesellschaften auf den islamistischen Terror gehalten. Der Fraktions-, Landes- und Bundesvorsitzende der FDP zeigte innen- und außenpolitische Strategien zur erfolgreichen und langfristigen Bekämpfung des Extremismus auf. "Ich hoffe, dass aus der Trauer dieser Tage auch der Mut und die Wehrhaftigkeit wachsen, die Werte unserer inneren Liberalität [2] zu verteidigen", sagte Lindner.
Im Fokus der Plenarsitzung stand eine fraktionsübergreifende Resolution zu den Terroranschlägen von Paris. Lindner äußerte erneut seine Bestürzung über das Massaker. Die Frage, ob sowas auch in Deutschland passieren könnte, wies er zurück – denn in Paris seien nicht Franzosen oder Touristen insbesondere gemeint gewesen. "In Paris sind junge Männer zu Mördern geworden, weil sie unsere Freiheit hassen", unterstrich er. Es gehe um einen Anschlag auf die westliche Lebensweise insgesamt [3].
Der FDP-Chef verwies darauf, dass der französische Staatspräsident nach den Anschlägen von einem "Krieg" gesprochen hat. Die Wortwahl sei unter den Umständen nachvollziehbar – allerdings handele es sich bei der Bekämpfung des IS-Terrors um keinen Krieg, gab Lindner zu bedenken. "Das waren keine Soldaten, sondern kriminelle Mörder", machte er klar. "Der 'Islamische Staat' nennt sich zwar so, aber es ist kein Staat, der irgendeine völkerrechtliche Legitimation zu Angriffen hätte. Nennen wir es beim Namen. Der IS ist eine islamistische Sekte." Als solche müsse sie im In- sowie im Ausland bekämpft werden [4], aber mit Krieg sei dies nicht gleichzusetzen.
IS will, dass der Westen sich abschottet
Neben der Erzeugung von Angst wollten die Terroristen, dass sich die angegriffenen Gesellschaften radikalisieren, hob Lindner hervor: "Die wollen, dass wir zu einem Nationalismus zurückkehren, dass wir uns abschotten." Das Erstarken von Rechtspopulisten in Europa, "egal ob die jetzt nun Le Pen oder Pegida oder AfD oder sonst wie heißen", würden die Terroristen deshalb begrüßen.
Darüber hinaus erhofften sich die Terroristen, dass die betroffenen Länder ihre bürgerlichen Freiheiten einschränken würden. Lindner verwies auf die Exzesse und Menschenrechtsverletzungen im Verlauf des 'War on Terror' nach den Anschlägen des 11. September 2001 [5]. Diese seien ein Sieg für die radikalen Islamisten gewesen: "Sie konnten sagen, 'Schaut her: Das ist der Westen mit seinem Rechtsstaat und seinen Menschenrechten.' Und deshalb ist die starke Aufforderung an uns, dass wir nicht so werden [6], wie die glauben oder wollen, dass wir sind. Die innere Liberalität unserer Gesellschaft und ihre Rechtsstaatlichkeit, die Verhältnismäßigkeit der staatlichen Maßnahmen, auf sie jetzt zu achten, ist das Gebot der Stunde."
Flächendeckende Überwachung ist nicht zielführend
In diesem Zusammenhang setzte sich Lindner mit den reflexhaften Rufen nach ausgedehnter Überwachung durch Geheimdienste und weiteren sicherheitspolitischen Maßnahmen auseinander. Der Freidemokrat erinnerte daran, dass offene Gesellschaften in ihrer Natur verwundbar seien, und dass es die absolute Sicherheit erst dann gebe [7], wenn jeder Bürger in einer Einzelzelle sitze. Das kann aus liberaler Sicht nicht das Ziel sein. "Wer die Freiheit der Sicherheit opfert, der wird am Ende eben beides verlieren", paraphrasierte Lindner den US-amerikanischen Gründervater Benjamin Franklin.
Beim radikalen Salafismus in Deutschland gehe die Bedrohung nicht von Millionen unbescholtener Bürger aus der Mitte der Gesellschaft aus, sondern insbesondere von bekannten Akteuren aus der radikalen Szene, die sich beispielsweise dem Konflikt im Nahen Osten angeschlossen hatten und dann nach Deutschland zurückkehrten. Statt die ganze Bevölkerung unter Generalverdacht zu stellen, sollten der Innenminister und die Sicherheitsbehörden für eine lückenlose Überwachung dieser Gefährder sorgen, verlangte Lindner. Der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung erteilte er eine klare Absage [8].
Langfristige Strategie schmieden statt sofort losbombardieren
Außenpolitisch gehöre auch die militärische Bekämpfung der IS-Sekte auf die Agenda. "Augenblicklich stelle ich mir aber die Frage nach der Strategie [9]. Der reflexhafte Angriff ersetzt noch nicht eine dauerhafte Lösung, einen Friedens- und Stabilitätsprozess, in dieser Weltregion", konstatierte der FDP-Chef. Die Rolle von Saudi-Arabien sowie dem Iran müssten auch geklärt werden. Insbesondere die saudi-arabische Finanzierung von islamistischen Schulen rund um die Welt, die radikale Interpretationen des Korans verbreiten, ist Lindner ein Dorn im Auge. Diese strategischen Fragen zu künftigen Beziehungen mit den regionalen Mächten müssten noch vor einer militärischen Intervention erörtert werden, betonte er. Ansonsten laufe der Westen die Gefahr, in Treibsand zu laufen, ohne eine nachhaltige Stabilisierung der Region zu erreichen.
Präventions- und Integrationsarbeit stärken
Mit Blick auf die Ressentiments, die nach den Paris-Attacken gegen Flüchtlinge geschürt wurden, verdeutlichte Lindner, dass die Täter in westlichen Gesellschaften aufgewachsen sind – einige in zweiter oder dritter Generation. Die große Aufgabe, die mit dieser Erkenntnis verbunden sei, liegt für ihn klar im Bereich der Integrationsbemühungen. Diese müssten erneut geprüft und verstärkt werden, forderte Lindner. Die objektive Wertordnung des Grundgesetzes [10] sei keine unverbindliche Spielanleitung [11], unterstrich der Liberale. "Freiheit des Einzelnen, Gleichberechtigung der Geschlechter, Religionsfreiheit – das zu vermitteln ist erforderlich, gerade auch gegenüber jenen, die aus anderen Gesellschaftsordnungen zu uns kommen."
Darüber hinaus werde es darum gehen, jungen Menschen eine Perspektive im Leben aufzuzeigen. Wer keine Lebenschance in der Gesellschaft habe, sich einen eigenverantwortlich erwirtschafteten, bescheidenen Wohlstand zu erarbeiten, werde wahrscheinlicher zum Strohhalm des religiösen Irrationalismus oder des politischen Extremismus greifen. "Also, der beste Weg zur Prävention ist, allen Menschen eine faire Lebenschance zu eröffnen", führte Lindner aus.