FDP|
21.07.2015 - 12:30KUHLE-Gastbeitrag: Kinder kann man nicht kaufen
Berlin. FDP-Bundesvorstandsmitglied KONSTANTIN KUHLE, Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, schrieb für die Online-Ausgabe des „Tagesspiegel“ den folgenden Gastbeitrag:
Anfang Juni berichteten verschiedene Medien über neue statistische Erhebungen, nach denen die Geburtenrate in Deutschland die niedrigste der Welt sein soll. Danach ist nicht nur die Anzahl der Geburten pro Frau hierzulande besonders gering, sondern auch die Zahl der Geburten pro 1.000 Einwohner. Nach Auffassung der Statistiker ist dies darauf zurück zu führen, dass durch den demografischen Wandel altersbedingt immer weniger Frauen Kinder bekommen können. Die Alterung unserer Gesellschaft beschleunigt sich also inzwischen von ganz alleine.
Dabei führt die anhaltend niedrige Geburtenrate in der Politik seit Jahrzehnten zu panischen Reaktionen und Handlungsvorschlägen. Erst kürzlich trug der Bundesvorsitzende der Jungen Union die Idee vor, dass Kinderlose ab 25 mit einer Sonderabgabe einen Elternbonus von 1.000 Euro pro Kind finanzieren sollen.
Nach Kindergeld, Elterngeld und Betreuungsgeld wurde so der nächste Vorschlag für eine familienpolitische Leistung durchs Dorf getrieben. Dabei könnte man mittlerweile auf die Idee gekommen sein, dass allein mehr Geld für Familien nicht automatisch zu mehr Geburten führt. Schließlich stagniert die Geburtenrate auch nach zahlreichen Kindergelderhöhungen, der Einführung des Elterngeldes und der Erfindung des Betreuungsgeldes seit Jahren.
Je mehr Nachwuchs es in Deutschland gibt, umso eher lassen sich die sozialen Sicherungssysteme – insbesondere die Renten- und Pflegeversicherung – finanzieren. Schließlich funktionieren beide nur, wenn die arbeitende Generation einen Teil ihres Einkommens für die Älteren abgibt. Das politische Ziel, diesen Generationenvertrag durch staatliche Maßnahmen zu beleben, ist aller Ehren wert.
Wohlmeinende Politiker stoßen hier jedoch an die Grenzen des Machbaren. Denn werdende Eltern machen sich in der Regel keine Gedanken über die Einzahlerquote in der Rentenversicherung. Es ist eine absurde Vorstellung, dass das Überleben der Solidargemeinschaft bei der Entscheidung für ein Kind irgendeine Rolle spielt. Kinder zu bekommen ist eine individuelle Entscheidung für die Familie – kein Dienst am Volk aus Dankbarkeit für staatliche Leistungen.
Diese Einstellung hat nichts mit Resignation vor der Alterung der Gesellschaft zu tun. Erst eine realistische Haltung gegenüber politischen Möglichkeiten und Grenzen macht eine passgenaue Familienpolitik möglich. Die Vielzahl familienpolitischer Leistungen verschleiert heute, dass es für Familien in erster Linie auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ankommt. Setzen sich jene, die über Kinderarmut klagen, im Betrieb und im öffentlichen Raum für mehr Akzeptanz von Familien ein? Rollt man beim kleinsten Kindergeschrei in der Bahn mit den Augen oder hilft man beim Aussteigen mit dem Kinderwagen? Wird Frauen und Männern nach einer angemessenen Betreuungszeit eine flexible Rückkehr in den Beruf ermöglicht? Diese Fragen sind für junge Familien wichtiger als die nächste Subvention.
Wer Geldzahlungen für Familien kritisiert, sieht sich unweigerlich dem Vorwurf ausgesetzt, er wolle Familien etwas wegnehmen. Schließlich sei es ja wohl das Mindeste, den Eltern eine Anerkennung zu Teil werden zu lassen. Das mag sein. Eine Anerkennung ist jedoch immer eine Belohnung für etwas, das man schon geleistet hat. Wenn familienpolitische Leistungen Anerkennungen sein sollen, haben sie keinen Einfluss auf die Geburtenrate. Die Politik täte gut daran, dies gegenüber den Wählern auszusprechen statt an der Wahlurne einen Wettlauf um nutzlose Wahlgeschenke zu veranstalten.
Vielen Menschen stellt sich schließlich schon heute die Frage, wozu Gutverdiener, welche die finanzielle Belastung eines Kindes viel besser tragen können als Familien mit wenig Verdienst, ein monatliches Kindergeld ausbezahlt bekommen. Diese Anerkennung mit der Gießkanne kann man sich sparen. Sie führt weder zu mehr Kindern noch zur Stabilisierung des Generationenvertrages.
Statt vorschnell neue Wohltaten einzuführen, gehört das gesamte Inventar der Familienpolitik auf den Prüfstand. Pauschale Geldzahlungen sollten weitgehend abgeschafft und durch Unterstützung nach Bedürftigkeit und über das Steuersystem ersetzt werden. Die freiwerdenden Mittel müssen für einen weiteren Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten eingesetzt werden. Dabei darf es nicht nur um mehr Plätze für mehr Kinder gehen. Auch eine Verbesserung der Qualität ist nötig. Durch die Ausgabe von Betreuungsgutscheinen kann man sicherstellen, dass immer nur solche Betreuungseinrichtungen wachsen, die von den Eltern auch nachgefragt werden. Gleichzeitig verhindert man, dass das für Familien gedachte Geld in anderen Bereichen versickert.
Ein vernünftiges Miteinander der Generationen muss nicht heißen, dass die eine Generation von der anderen mehr Geld fordert. Mehr gesellschaftliche Sensibilität für den Kinderwunsch Einzelner wäre ein wichtiger Schritt – ebenso wie die Erkenntnis, dass man Kinder nicht kaufen kann.
KUHLE-Gastbeitrag: Kinder kann man nicht kaufen
Berlin. FDP-Bundesvorstandsmitglied KONSTANTIN KUHLE, Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, schrieb für die Online-Ausgabe des „Tagesspiegel“ den folgenden Gastbeitrag:
Anfang Juni berichteten verschiedene Medien über neue statistische Erhebungen, nach denen die Geburtenrate in Deutschland die niedrigste der Welt sein soll. Danach ist nicht nur die Anzahl der Geburten pro Frau hierzulande besonders gering, sondern auch die Zahl der Geburten pro 1.000 Einwohner. Nach Auffassung der Statistiker ist dies darauf zurück zu führen, dass durch den demografischen Wandel altersbedingt immer weniger Frauen Kinder bekommen können. Die Alterung unserer Gesellschaft beschleunigt sich also inzwischen von ganz alleine.
Dabei führt die anhaltend niedrige Geburtenrate in der Politik seit Jahrzehnten zu panischen Reaktionen und Handlungsvorschlägen. Erst kürzlich trug der Bundesvorsitzende der Jungen Union die Idee vor, dass Kinderlose ab 25 mit einer Sonderabgabe einen Elternbonus von 1.000 Euro pro Kind finanzieren sollen.
Nach Kindergeld, Elterngeld und Betreuungsgeld wurde so der nächste Vorschlag für eine familienpolitische Leistung durchs Dorf getrieben. Dabei könnte man mittlerweile auf die Idee gekommen sein, dass allein mehr Geld für Familien nicht automatisch zu mehr Geburten führt. Schließlich stagniert die Geburtenrate auch nach zahlreichen Kindergelderhöhungen, der Einführung des Elterngeldes und der Erfindung des Betreuungsgeldes seit Jahren.
Je mehr Nachwuchs es in Deutschland gibt, umso eher lassen sich die sozialen Sicherungssysteme – insbesondere die Renten- und Pflegeversicherung – finanzieren. Schließlich funktionieren beide nur, wenn die arbeitende Generation einen Teil ihres Einkommens für die Älteren abgibt. Das politische Ziel, diesen Generationenvertrag durch staatliche Maßnahmen zu beleben, ist aller Ehren wert.
Wohlmeinende Politiker stoßen hier jedoch an die Grenzen des Machbaren. Denn werdende Eltern machen sich in der Regel keine Gedanken über die Einzahlerquote in der Rentenversicherung. Es ist eine absurde Vorstellung, dass das Überleben der Solidargemeinschaft bei der Entscheidung für ein Kind irgendeine Rolle spielt. Kinder zu bekommen ist eine individuelle Entscheidung für die Familie – kein Dienst am Volk aus Dankbarkeit für staatliche Leistungen.
Diese Einstellung hat nichts mit Resignation vor der Alterung der Gesellschaft zu tun. Erst eine realistische Haltung gegenüber politischen Möglichkeiten und Grenzen macht eine passgenaue Familienpolitik möglich. Die Vielzahl familienpolitischer Leistungen verschleiert heute, dass es für Familien in erster Linie auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ankommt. Setzen sich jene, die über Kinderarmut klagen, im Betrieb und im öffentlichen Raum für mehr Akzeptanz von Familien ein? Rollt man beim kleinsten Kindergeschrei in der Bahn mit den Augen oder hilft man beim Aussteigen mit dem Kinderwagen? Wird Frauen und Männern nach einer angemessenen Betreuungszeit eine flexible Rückkehr in den Beruf ermöglicht? Diese Fragen sind für junge Familien wichtiger als die nächste Subvention.
Wer Geldzahlungen für Familien kritisiert, sieht sich unweigerlich dem Vorwurf ausgesetzt, er wolle Familien etwas wegnehmen. Schließlich sei es ja wohl das Mindeste, den Eltern eine Anerkennung zu Teil werden zu lassen. Das mag sein. Eine Anerkennung ist jedoch immer eine Belohnung für etwas, das man schon geleistet hat. Wenn familienpolitische Leistungen Anerkennungen sein sollen, haben sie keinen Einfluss auf die Geburtenrate. Die Politik täte gut daran, dies gegenüber den Wählern auszusprechen statt an der Wahlurne einen Wettlauf um nutzlose Wahlgeschenke zu veranstalten.
Vielen Menschen stellt sich schließlich schon heute die Frage, wozu Gutverdiener, welche die finanzielle Belastung eines Kindes viel besser tragen können als Familien mit wenig Verdienst, ein monatliches Kindergeld ausbezahlt bekommen. Diese Anerkennung mit der Gießkanne kann man sich sparen. Sie führt weder zu mehr Kindern noch zur Stabilisierung des Generationenvertrages.
Statt vorschnell neue Wohltaten einzuführen, gehört das gesamte Inventar der Familienpolitik auf den Prüfstand. Pauschale Geldzahlungen sollten weitgehend abgeschafft und durch Unterstützung nach Bedürftigkeit und über das Steuersystem ersetzt werden. Die freiwerdenden Mittel müssen für einen weiteren Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten eingesetzt werden. Dabei darf es nicht nur um mehr Plätze für mehr Kinder gehen. Auch eine Verbesserung der Qualität ist nötig. Durch die Ausgabe von Betreuungsgutscheinen kann man sicherstellen, dass immer nur solche Betreuungseinrichtungen wachsen, die von den Eltern auch nachgefragt werden. Gleichzeitig verhindert man, dass das für Familien gedachte Geld in anderen Bereichen versickert.
Ein vernünftiges Miteinander der Generationen muss nicht heißen, dass die eine Generation von der anderen mehr Geld fordert. Mehr gesellschaftliche Sensibilität für den Kinderwunsch Einzelner wäre ein wichtiger Schritt – ebenso wie die Erkenntnis, dass man Kinder nicht kaufen kann.