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15.07.2015 - 11:00Nein zu unrealistischem Griechenland-Paket
Die Freien Demokraten stehen dem dritten Rettungspaket für Griechenland kritisch gegenüber. FDP-Chef Christian Lindner befürchtet, dass sich dadurch der Charakter des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) grundlegend verändere "und zwar hin zu einer Transferunion, hin zu einer dauerhaften Außerkraftsetzung der finanzpolitischen Eigenständigkeit der Länder". Im Interview mit der "Welt" mahnt er, dass die vereinbarten Maßnahmen dem Land nicht dauerhaft aus der Krise helfen.
Das dritte Hilfspaket führe zurück zu den Anfängen der Krise, erläutert Lindner. "Das war der Ausgangspunkt der Krise, und genau dort sind wir im Jahr 2015 wieder angekommen. Das verstärkt die Fliehkräfte in Europa."
Lesen Sie hier das gesamte Interview:
Frage: Herr Lindner, säßen Sie jetzt im Bundestag: Würde die FDP einem dritten Hilfspaket für Griechenland zustimmen?
LINDNER: Unsere staatspolitische Verantwortung will eigentlich Ja sagen. Unser Eintreten für ein zukunftssicheres Europa, die wirtschaftliche Vernunft und die rechtlichen Zweifel sprechen aber in dieser Frage für ein Nein, was ich ausdrücklich bedauere.
Frage: Warum? Bundeskanzlerin Merkel behauptet, sie habe das Prinzip „Keine Hilfe ohne Reformen“ verteidigt – und das hat die FDP doch immer mitgetragen.
LINDNER: Diese Krisenstrategie war ja auch erfolgreich, beispielsweise in Portugal. Auch Griechenland war vor der Regierung Tsipras auf dem richtigen Weg. Aber das griechische Volk hat sich in einem Referendum gegen Reformen entschieden. Wie will die Syriza-Regierung also nun das Gegenteil dessen, was sie bisher vertreten und zur Abstimmung gestellt hat, durchsetzen? Zumal das jetzt vorgelegte Spar- und Reformpaket in seinem Kern von unrealistischen Annahmen ausgeht und deshalb ohnehin nicht wirksam wäre.
Frage: Sie sprachen rechtliche Bedenken an. Welche sind das?
LINDNER: Die Bundesregierung hat mehrfach ausgeführt, dass die Finanzkrise in Griechenland die Euro-Zone als Ganzes nicht mehr gefährden kann. Wir haben also eine andere Lage als bei den ersten beiden Hilfspaketen 2010 und 2012 – und damit sind die rechtlichen Voraussetzungen für ein drittes Hilfspaket aus dem ESM nicht mehr gegeben. Es war eine der Brandmauern, die einst im ESM eingezogen worden sind, dass er nur im Falle akuter Gefahr eingeschaltet wird und nicht als eine Art Länderfinanzausgleich in Europa. Genau das scheint jetzt aber zu geschehen. Meine Befürchtung ist, dass sich mit den Gipfel-Entscheidungen des Wochenendes der Charakter der Währungsunion und der Charakter des ESM verändern, und zwar hin zu einer Transferunion, hin zu einer dauerhaften Außerkraftsetzung der finanzpolitischen Eigenständigkeit der Länder.
Frage: Ein drittes Hilfspaket wäre also ein Bruch der europäischen Verträge?
LINDNER: Das Recht muss dafür gebeugt werden, ja. Das alles führt uns zurück in die Zeit, als Deutschland und Frankreich, Gerhard Schröder und Jacques Chirac, erstmals den Maastricht-Vertrag gebrochen haben. Das war der Ausgangspunkt der Krise, und genau dort sind wir im Jahr 2015 wieder angekommen. Das verstärkt die Fliehkräfte in Europa.
Frage: Das heißt, neue Hilfen sind keine Kredite – sondern Transfers, also geschenktes Geld, das nicht zurückkommt?
LINDNER: Jeder Realist muss davon doch ausgehen. Auch der IWF hat bereits große Bedenken angemeldet. Hinzu kommt ja noch etwas anderes. Ich beobachte seit Längerem eine Lirafizierung des Euro. Weil nicht nur Griechenland, sondern auch andere Länder ihre Reformbemühungen eingestellt haben, ist die Europäische Zentralbank in die Bresche gesprungen, mit künstlich niedrigen Zinsen und einem künstlich niedrigen Außenwert des Euro. Das ist der Weg des Euro in Richtung Lira. Die Währung wird weich, das Recht wird weich – das alles unterspült das Vertrauen der Menschen in das Projekt Europa. Das kann nämlich nur auf klarem Recht, fairen Regeln für alle und wirtschaftlicher Vernunft gründen, wenn es die von uns allen gewünschte Zukunft haben soll. Dafür aber müssen die politischen Weichen anders gestellt werden, als es gegenwärtig geschieht.
Frage: Herr Tsipras sagt: Ein Grexit ist vom Tisch. Hat er Recht?
LINDNER: Die europäischen Regierungen haben sich offensichtlich für einen anderen Weg als den Grexit entschieden. Ob allerdings auf Dauer mit politischem Wollen ökonomische Grundlagen außer Kraft gesetzt werden können, wage ich zu bezweifeln. Es ist kein Geheimnis, dass ich die Pläne von Finanzminister Wolfgang Schäuble für besser gehalten hätte. Ein Grexit wäre ein Neustart für die Eurozone gewesen. Für die verbleibenden Partner wäre es eine Bestärkung von Solidität und Vertragsrecht gewesen. Und für Griechenland wäre es eine Chance gewesen, die notwendigen Anpassungsmaßnahmen leichter zu vollziehen als jetzt. Das aktuelle Spar- und Reformpaket ist nicht geeignet, die Lage der Menschen zu verbessern. Das ist auch für jeden einsehbar: Wenn man beispielsweise mehr Tourismus will, kann man nicht die Verbrauchsteuern erhöhen. Das macht das Reiseland Griechenland im Wettbewerb mit der Türkei unattraktiv.
Frage: Glauben Sie, Schäuble wollte wirklich einen vorübergehenden Grexit? Oder war das ein mit der Kanzlerin abgestimmtes Rollenspiel?
LINDNER: Es wirkte wie „good cop, bad cop“. Schäuble hat etwas gesagt, die Kanzlerin hat es wieder zurückgeholt. Ich bezweifele, dass dieses Muster unsere Durchsetzungskraft gestärkt hat. Politisch aufarbeiten sollte man aber insbesondere die Rolle von Vize-Kanzler Sigmar Gabriel, der den harten Mann gegenüber Griechenland markieren wollte, dessen Partei aber hinten rum den gegensätzlichen Kurs des sozialistischen französischen Präsidenten verfolgt hat.
Frage: Die Unionsfraktion im Bundestag präsentiert sich keineswegs einig in der Frage eines dritten Hilfspaketes. Sollte Merkel dem Bundestag die Vertrauensfrage stellen?
LINDNER: Das muss sie selbst entscheiden. Ich persönlich halte die Frage, ob Frau Merkel im Bundestag nun eine Kanzlermehrheit erzielt oder nicht, für eine Spielerei. Relevant ist nur, dass der Bundestag als Organ eine Entscheidung trifft. Und das wird er, und zwar mit den meisten Stimmen der Unionsfraktion. Wie im Leben gilt: Hunde, die bellen, beißen nicht. Das hat man schon bei Mindestlohn, Mietpreisbremse oder Solidaritätszuschlag gesehen.
Frage: Wie werden sich die Liberalen im Europaparlament verhalten?
LINDNER: Für die Alde-Fraktion insgesamt gilt: Dort gibt es ein breites Meinungsspektrum. Für die FDP gilt: Wir halten an unserer Linie fest. Alexander Graf Lambsdorff und ich haben innerhalb unserer Partei immer für den ESM gekämpft, wir haben das erste und zweite Rettungspaket verteidigt, aus voller Überzeugung und auch in der dunkelsten Stunde der FDP. Nach der verlorenen Bundestagswahl 2013 haben uns ja manche empfohlen, in den Wettbewerb mit der AfD einzutreten, nach einem populistischen Strohhalm zu greifen und auf Anti-Europa-Kurs zu gehen. Wir haben das genaue Gegenteil getan.
Frage: Sie sprechen die AfD an, die gerade dabei ist, sich zu spalten. Gibt es nach dem Austritt von Bernd Lucke Interesse von AfD-Anhängern, in die FDP einzutreten?
LINDNER: Es gibt vor Ort Kommunalpolitiker, die sondieren, ob sie in der FDP eine Zukunft hätten. Denen sage ich in aller Klarheit: nein, habt ihr nicht. Leute, die die AfD als Mitglieder und Mandatsträger bis zuletzt gestützt und die ganzen Ressentiments gegen Minderheiten, „Altparteien“ und „Lügenpresse“ mitgetragen haben, die können nicht am Tag darauf in einer liberalen Traditionspartei willkommen sein. Das ist doch eine Charakterfrage. Weder an der AfD noch an der Formation, die Herr Lucke nun gründen will, ist etwas Liberales dran. Herr Lucke hat ja selbst bestritten, ein Liberaler zu sein. Das Etikett „liberal-konservativ“, das ihm angeheftet wird, ist eine reine Erfindung, die den Begriff Liberalismus deformiert. Wenn jede wirtschaftspolitische Argumentation gleich als liberal gilt, dann wäre nach der Methode auch Oskar Lafontaine ein Liberaler.
Frage: Gilt die Ansage auch für Mandatsträger wie Hans-Olaf Henkel in Brüssel?
LINDNER: Ja. Herr Henkel hat immer einen Nord- und einen Süd-Euro gefordert. Das wäre eine vorsätzliche Spaltung Europas, die ich für geschichtslos halte. Ein Wechsel wäre für ihn und für uns unglaubwürdig.
Frage: Luckes bislang „Weckruf“ genannte Formation sucht derzeit einen Namen. Haben Sie einen Vorschlag?
LINDNER: Der Wachturm. Oder besser: Erwachet!
Frage: Und wie geht’s der FDP? Sind Sie nach den erfolgreichen Wahlen in Hamburg, Bremen und Dresden nun auf dem Weg zur Großstadtpartei?
LINDNER: Wir freuen uns über jeden Erfolg. Aber um auch das klar zu sagen: Wir haben noch keine Trendwende erreicht. Die Wähler haben einen Motivationsschub gegeben, aber wir werden nun noch konzentrierter arbeiten, unsere Positionen klarmachen und uns von jedem Opportunismus fernhalten. Ich bin überzeugt, dass eine liberale Stimme im Bundestag fehlt. Das wird seine Sitzung am kommenden Freitag erneut zeigen.
Nein zu unrealistischem Griechenland-Paket
Die Freien Demokraten stehen dem dritten Rettungspaket für Griechenland kritisch gegenüber. FDP-Chef Christian Lindner befürchtet, dass sich dadurch der Charakter des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) grundlegend verändere "und zwar hin zu einer Transferunion, hin zu einer dauerhaften Außerkraftsetzung der finanzpolitischen Eigenständigkeit der Länder". Im Interview mit der "Welt" [1] mahnt er, dass die vereinbarten Maßnahmen dem Land nicht dauerhaft aus der Krise helfen.
Das dritte Hilfspaket führe zurück zu den Anfängen der Krise, erläutert Lindner. "Das war der Ausgangspunkt der Krise, und genau dort sind wir im Jahr 2015 wieder angekommen. Das verstärkt die Fliehkräfte in Europa."
Lesen Sie hier das gesamte Interview:
Frage: Herr Lindner, säßen Sie jetzt im Bundestag: Würde die FDP einem dritten Hilfspaket für Griechenland zustimmen?
LINDNER: Unsere staatspolitische Verantwortung will eigentlich Ja sagen. Unser Eintreten für ein zukunftssicheres Europa, die wirtschaftliche Vernunft und die rechtlichen Zweifel sprechen aber in dieser Frage für ein Nein, was ich ausdrücklich bedauere.
Frage: Warum? Bundeskanzlerin Merkel behauptet, sie habe das Prinzip „Keine Hilfe ohne Reformen“ verteidigt – und das hat die FDP doch immer mitgetragen.
LINDNER: Diese Krisenstrategie war ja auch erfolgreich, beispielsweise in Portugal. Auch Griechenland war vor der Regierung Tsipras auf dem richtigen Weg. Aber das griechische Volk hat sich in einem Referendum gegen Reformen entschieden. Wie will die Syriza-Regierung also nun das Gegenteil dessen, was sie bisher vertreten und zur Abstimmung gestellt hat, durchsetzen? Zumal das jetzt vorgelegte Spar- und Reformpaket in seinem Kern von unrealistischen Annahmen ausgeht und deshalb ohnehin nicht wirksam wäre.
Frage: Sie sprachen rechtliche Bedenken an. Welche sind das?
LINDNER: Die Bundesregierung hat mehrfach ausgeführt, dass die Finanzkrise in Griechenland die Euro-Zone als Ganzes nicht mehr gefährden kann. Wir haben also eine andere Lage als bei den ersten beiden Hilfspaketen 2010 und 2012 – und damit sind die rechtlichen Voraussetzungen für ein drittes Hilfspaket aus dem ESM nicht mehr gegeben. Es war eine der Brandmauern, die einst im ESM eingezogen worden sind, dass er nur im Falle akuter Gefahr eingeschaltet wird und nicht als eine Art Länderfinanzausgleich in Europa. Genau das scheint jetzt aber zu geschehen. Meine Befürchtung ist, dass sich mit den Gipfel-Entscheidungen des Wochenendes der Charakter der Währungsunion und der Charakter des ESM verändern, und zwar hin zu einer Transferunion, hin zu einer dauerhaften Außerkraftsetzung der finanzpolitischen Eigenständigkeit der Länder.
Frage: Ein drittes Hilfspaket wäre also ein Bruch der europäischen Verträge?
LINDNER: Das Recht muss dafür gebeugt werden, ja. Das alles führt uns zurück in die Zeit, als Deutschland und Frankreich, Gerhard Schröder und Jacques Chirac, erstmals den Maastricht-Vertrag gebrochen haben. Das war der Ausgangspunkt der Krise, und genau dort sind wir im Jahr 2015 wieder angekommen. Das verstärkt die Fliehkräfte in Europa.
Frage: Das heißt, neue Hilfen sind keine Kredite – sondern Transfers, also geschenktes Geld, das nicht zurückkommt?
LINDNER: Jeder Realist muss davon doch ausgehen. Auch der IWF hat bereits große Bedenken angemeldet. Hinzu kommt ja noch etwas anderes. Ich beobachte seit Längerem eine Lirafizierung des Euro. Weil nicht nur Griechenland, sondern auch andere Länder ihre Reformbemühungen eingestellt haben, ist die Europäische Zentralbank in die Bresche gesprungen, mit künstlich niedrigen Zinsen und einem künstlich niedrigen Außenwert des Euro. Das ist der Weg des Euro in Richtung Lira. Die Währung wird weich, das Recht wird weich – das alles unterspült das Vertrauen der Menschen in das Projekt Europa. Das kann nämlich nur auf klarem Recht, fairen Regeln für alle und wirtschaftlicher Vernunft gründen, wenn es die von uns allen gewünschte Zukunft haben soll. Dafür aber müssen die politischen Weichen anders gestellt werden, als es gegenwärtig geschieht.
Frage: Herr Tsipras sagt: Ein Grexit ist vom Tisch. Hat er Recht?
LINDNER: Die europäischen Regierungen haben sich offensichtlich für einen anderen Weg als den Grexit entschieden. Ob allerdings auf Dauer mit politischem Wollen ökonomische Grundlagen außer Kraft gesetzt werden können, wage ich zu bezweifeln. Es ist kein Geheimnis, dass ich die Pläne von Finanzminister Wolfgang Schäuble für besser gehalten hätte. Ein Grexit wäre ein Neustart für die Eurozone gewesen. Für die verbleibenden Partner wäre es eine Bestärkung von Solidität und Vertragsrecht gewesen. Und für Griechenland wäre es eine Chance gewesen, die notwendigen Anpassungsmaßnahmen leichter zu vollziehen als jetzt. Das aktuelle Spar- und Reformpaket ist nicht geeignet, die Lage der Menschen zu verbessern. Das ist auch für jeden einsehbar: Wenn man beispielsweise mehr Tourismus will, kann man nicht die Verbrauchsteuern erhöhen. Das macht das Reiseland Griechenland im Wettbewerb mit der Türkei unattraktiv.
Frage: Glauben Sie, Schäuble wollte wirklich einen vorübergehenden Grexit? Oder war das ein mit der Kanzlerin abgestimmtes Rollenspiel?
LINDNER: Es wirkte wie „good cop, bad cop“. Schäuble hat etwas gesagt, die Kanzlerin hat es wieder zurückgeholt. Ich bezweifele, dass dieses Muster unsere Durchsetzungskraft gestärkt hat. Politisch aufarbeiten sollte man aber insbesondere die Rolle von Vize-Kanzler Sigmar Gabriel, der den harten Mann gegenüber Griechenland markieren wollte, dessen Partei aber hinten rum den gegensätzlichen Kurs des sozialistischen französischen Präsidenten verfolgt hat.
Frage: Die Unionsfraktion im Bundestag präsentiert sich keineswegs einig in der Frage eines dritten Hilfspaketes. Sollte Merkel dem Bundestag die Vertrauensfrage stellen?
LINDNER: Das muss sie selbst entscheiden. Ich persönlich halte die Frage, ob Frau Merkel im Bundestag nun eine Kanzlermehrheit erzielt oder nicht, für eine Spielerei. Relevant ist nur, dass der Bundestag als Organ eine Entscheidung trifft. Und das wird er, und zwar mit den meisten Stimmen der Unionsfraktion. Wie im Leben gilt: Hunde, die bellen, beißen nicht. Das hat man schon bei Mindestlohn, Mietpreisbremse oder Solidaritätszuschlag gesehen.
Frage: Wie werden sich die Liberalen im Europaparlament verhalten?
LINDNER: Für die Alde-Fraktion insgesamt gilt: Dort gibt es ein breites Meinungsspektrum. Für die FDP gilt: Wir halten an unserer Linie fest. Alexander Graf Lambsdorff und ich haben innerhalb unserer Partei immer für den ESM gekämpft, wir haben das erste und zweite Rettungspaket verteidigt, aus voller Überzeugung und auch in der dunkelsten Stunde der FDP. Nach der verlorenen Bundestagswahl 2013 haben uns ja manche empfohlen, in den Wettbewerb mit der AfD einzutreten, nach einem populistischen Strohhalm zu greifen und auf Anti-Europa-Kurs zu gehen. Wir haben das genaue Gegenteil getan.
Frage: Sie sprechen die AfD an, die gerade dabei ist, sich zu spalten. Gibt es nach dem Austritt von Bernd Lucke Interesse von AfD-Anhängern, in die FDP einzutreten?
LINDNER: Es gibt vor Ort Kommunalpolitiker, die sondieren, ob sie in der FDP eine Zukunft hätten. Denen sage ich in aller Klarheit: nein, habt ihr nicht. Leute, die die AfD als Mitglieder und Mandatsträger bis zuletzt gestützt und die ganzen Ressentiments gegen Minderheiten, „Altparteien“ und „Lügenpresse“ mitgetragen haben, die können nicht am Tag darauf in einer liberalen Traditionspartei willkommen sein. Das ist doch eine Charakterfrage. Weder an der AfD noch an der Formation, die Herr Lucke nun gründen will, ist etwas Liberales dran. Herr Lucke hat ja selbst bestritten, ein Liberaler zu sein. Das Etikett „liberal-konservativ“, das ihm angeheftet wird, ist eine reine Erfindung, die den Begriff Liberalismus deformiert. Wenn jede wirtschaftspolitische Argumentation gleich als liberal gilt, dann wäre nach der Methode auch Oskar Lafontaine ein Liberaler.
Frage: Gilt die Ansage auch für Mandatsträger wie Hans-Olaf Henkel in Brüssel?
LINDNER: Ja. Herr Henkel hat immer einen Nord- und einen Süd-Euro gefordert. Das wäre eine vorsätzliche Spaltung Europas, die ich für geschichtslos halte. Ein Wechsel wäre für ihn und für uns unglaubwürdig.
Frage: Luckes bislang „Weckruf“ genannte Formation sucht derzeit einen Namen. Haben Sie einen Vorschlag?
LINDNER: Der Wachturm. Oder besser: Erwachet!
Frage: Und wie geht’s der FDP? Sind Sie nach den erfolgreichen Wahlen in Hamburg, Bremen und Dresden nun auf dem Weg zur Großstadtpartei?
LINDNER: Wir freuen uns über jeden Erfolg. Aber um auch das klar zu sagen: Wir haben noch keine Trendwende erreicht. Die Wähler haben einen Motivationsschub gegeben, aber wir werden nun noch konzentrierter arbeiten, unsere Positionen klarmachen und uns von jedem Opportunismus fernhalten. Ich bin überzeugt, dass eine liberale Stimme im Bundestag fehlt. Das wird seine Sitzung am kommenden Freitag erneut zeigen.