FDP|
05.06.2015 - 23:15LINDNER-Gastbeitrag: Scheidet der IWF aus, gewinnen die Weichmacher
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER schrieb für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
In diesen Stunden wird über Griechenlands Zukunft im Euro verhandelt. Jenseits einzelner Reformziele und ökonomischer Kennziffern droht eine fundamentale Veränderung der seit 2010 verfolgten Krisenstrategie. Es steht die Geschäftsgrundlage der gesamten Eurostabilisierungspolitik in Frage.
Die Regierung Tsipras agitiert sein Monaten gegen die „Inkompetenz“ und „Barbarei“ der „Technokraten“ von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds. Von den drei Institutionen der Troika bestehen offensichtlich die größten Spannungen mit dem IWF. Das aktuelle Gezerre um die Rückzahlung fälliger Kredite hat gezeigt, dass der Währungsfonds sich nicht von Athen vorführen lassen kann und will – die Mitglieder des Fonds achten darauf, dass es kein ungerechtfertigtes Entgegenkommen für einzelne Volkswirtschaften gibt. Schon bei den letzten Hilfspaketen war es Washington, das konsequenter als die Europäer auf Stabilitäts- und Reformzielen bestanden und so zu rasche Festlegungen verhindert hat.
Inzwischen wird offen über das Ausscheiden des Währungsfonds aus der gemeinsamen Krisenbewältigung spekuliert. Die Bundeskanzlerin hat Befürchtungen lediglich durch den lapidaren Hinweis zu zerstreuen gesucht, sie habe „davon nichts gehört“. In Brüssel wird dagegen offen über Veränderungen der Rolle des IWF gesprochen. Anlässlich des ersten Rettungspakets für Griechenland hatte Angela Merkel am 5. Mai 2010 den Beitrag des Währungsfonds vor dem Deutschen Bundestag noch als „unverzichtbar“ bewertet. Und: „Ohne Deutschland wäre es zu einer Einbeziehung des IWF nicht gekommen.“
Tatsächlich war dies ein Kernanliegen der damaligen Bundesregierung. Dabei ging es nicht nur um einen beträchtlichen Anteil an den Kosten der Rettungsoperation, sondern auch um seine Kompetenz. Der IWF hat schließlich über Jahrzehnte Erfahrungen bei der Sanierung von Volkswirtschaften und bei Umschuldungsprogrammen gesammelt. Vor allem uns Freien Demokraten war zudem wichtig, eine internationale Institution an Bord zu wissen, die an Regeln gebunden und damit zu objektiver Lagebeurteilung verpflichtet ist.
Von der Europäischen Zentralbank war schließlich schon damals zu erwarten, dass sie ihr Mandat anders als die Deutsche Bundesbank extensiv auslegen würde. Eine Erwartung, die sich mehr als bestätigt hat. Mit der Hilfe des IWF sollten rasche Deals zu Lasten der europäischen Steuerzahler unterbunden werden. Nicht zuletzt wurde damit auch erreicht, dass innerhalb Europas die Reformbereitschaft der einen nicht unter- und die Solidarität der anderen nicht überfordert wird.
Würde zukünftig der IWF ausscheiden oder marginalisiert, so hätten sich am Ende doch die Weichmacher durchgesetzt. Dann blieben die Europäer weitgehend unter sich. Deutschland und andere stabilitätsorientierte Länder würden einen Verbündeten verlieren. Es würde die Bereitschaft wachsen, Strukturprobleme dauerhaft mit Transfers oder billigem Notenbankgeld zu überdecken. Es wäre ein unübersehbares Signal, dass die klare Bindung von finanziellen Hilfen an marktwirtschaftliche Reformen aufgegeben wird. Die Stabilitätspolitik käme an ihr Ende. Die Regierung Tsipras hätte durch ihre Strategie des Verzögerns und Täuschens ein Tor aufgestoßen, das auch andere Linkspopulisten in Europa nur zu gerne passieren werden, um sich aus der Verantwortung zu stehlen.
Deshalb erwarten wir von der Bundeskanzlerin, dass sie das Engagement des IWF in der Eurostabilisierung weiter als Geschäftsgrundlage verteidigt. Alles andere würde den Generalkonsens der staatstragenden Parteien zur Euro-Krise in Deutschland gefährden.
LINDNER-Gastbeitrag: Scheidet der IWF aus, gewinnen die Weichmacher
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER schrieb für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
In diesen Stunden wird über Griechenlands Zukunft im Euro verhandelt. Jenseits einzelner Reformziele und ökonomischer Kennziffern droht eine fundamentale Veränderung der seit 2010 verfolgten Krisenstrategie. Es steht die Geschäftsgrundlage der gesamten Eurostabilisierungspolitik in Frage.
Die Regierung Tsipras agitiert sein Monaten gegen die „Inkompetenz“ und „Barbarei“ der „Technokraten“ von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds. Von den drei Institutionen der Troika bestehen offensichtlich die größten Spannungen mit dem IWF. Das aktuelle Gezerre um die Rückzahlung fälliger Kredite hat gezeigt, dass der Währungsfonds sich nicht von Athen vorführen lassen kann und will – die Mitglieder des Fonds achten darauf, dass es kein ungerechtfertigtes Entgegenkommen für einzelne Volkswirtschaften gibt. Schon bei den letzten Hilfspaketen war es Washington, das konsequenter als die Europäer auf Stabilitäts- und Reformzielen bestanden und so zu rasche Festlegungen verhindert hat.
Inzwischen wird offen über das Ausscheiden des Währungsfonds aus der gemeinsamen Krisenbewältigung spekuliert. Die Bundeskanzlerin hat Befürchtungen lediglich durch den lapidaren Hinweis zu zerstreuen gesucht, sie habe „davon nichts gehört“. In Brüssel wird dagegen offen über Veränderungen der Rolle des IWF gesprochen. Anlässlich des ersten Rettungspakets für Griechenland hatte Angela Merkel am 5. Mai 2010 den Beitrag des Währungsfonds vor dem Deutschen Bundestag noch als „unverzichtbar“ bewertet. Und: „Ohne Deutschland wäre es zu einer Einbeziehung des IWF nicht gekommen.“
Tatsächlich war dies ein Kernanliegen der damaligen Bundesregierung. Dabei ging es nicht nur um einen beträchtlichen Anteil an den Kosten der Rettungsoperation, sondern auch um seine Kompetenz. Der IWF hat schließlich über Jahrzehnte Erfahrungen bei der Sanierung von Volkswirtschaften und bei Umschuldungsprogrammen gesammelt. Vor allem uns Freien Demokraten war zudem wichtig, eine internationale Institution an Bord zu wissen, die an Regeln gebunden und damit zu objektiver Lagebeurteilung verpflichtet ist.
Von der Europäischen Zentralbank war schließlich schon damals zu erwarten, dass sie ihr Mandat anders als die Deutsche Bundesbank extensiv auslegen würde. Eine Erwartung, die sich mehr als bestätigt hat. Mit der Hilfe des IWF sollten rasche Deals zu Lasten der europäischen Steuerzahler unterbunden werden. Nicht zuletzt wurde damit auch erreicht, dass innerhalb Europas die Reformbereitschaft der einen nicht unter- und die Solidarität der anderen nicht überfordert wird.
Würde zukünftig der IWF ausscheiden oder marginalisiert, so hätten sich am Ende doch die Weichmacher durchgesetzt. Dann blieben die Europäer weitgehend unter sich. Deutschland und andere stabilitätsorientierte Länder würden einen Verbündeten verlieren. Es würde die Bereitschaft wachsen, Strukturprobleme dauerhaft mit Transfers oder billigem Notenbankgeld zu überdecken. Es wäre ein unübersehbares Signal, dass die klare Bindung von finanziellen Hilfen an marktwirtschaftliche Reformen aufgegeben wird. Die Stabilitätspolitik käme an ihr Ende. Die Regierung Tsipras hätte durch ihre Strategie des Verzögerns und Täuschens ein Tor aufgestoßen, das auch andere Linkspopulisten in Europa nur zu gerne passieren werden, um sich aus der Verantwortung zu stehlen.
Deshalb erwarten wir von der Bundeskanzlerin, dass sie das Engagement des IWF in der Eurostabilisierung weiter als Geschäftsgrundlage verteidigt. Alles andere würde den Generalkonsens der staatstragenden Parteien zur Euro-Krise in Deutschland gefährden.