FDP|
04.04.2015 - 11:30LINDNER-Interview: Wir sind ein liberaler Vollsortimenter
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Nordsee-Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten CHRISTIAN KLOSE, TIM ALBERT und ULRICH KROEGER:
Frage: Hat die Hamburger Wahl Ihnen Rückenwind verliehen, Herr Lindner?
LINDNER: Ja. Die Hamburger haben gezeigt, dass es eine Partei geben muss, die auf Freiheit und Eigenverantwortung setzt, bevor nach dem Staat gerufen wird.
Frage: Sind Sie auch im Bund schon übern Berg mit den Umfragewerten oder dauert das noch?
LINDNER: Nein, das dauert noch. Diese Parlamentspause in Berlin nutzen wir zur Erneuerung. Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und uns von Opportunismus und Ängstlichkeit befreit. Deutschland hat sich in den Status quo verliebt. Es ist aber unvernünftig, nur an die Verteilung des Wohlstands und nicht an seine Erwirtschaftung zu denken. Wir brauchen Reformen. Das ist ein Angebot, hinter dem man Menschen versammeln kann.
Frage: Sie sind kürzlich als Ein-Mann-Kapelle der FDP bezeichnet worden. Fühlen Sie sich in der Rolle wohl?
LINDNER: Ich weiß nicht, was Wolfgang Kubicki gedacht hat, als er das gelesen hat. Und wir haben auf Bundesebene ja nicht nur ein Duo, wenn ich an Katja Suding denke oder Alexander Graf Lambsdorff im Europäischen Parlament. In Bremen haben wir die Quereinsteigerin Lencke Steiner, die als Familienunternehmerin wirtschaftliche Praxis mitbringt. Wir haben also gute Leute und müssen uns nicht verstecken.
Frage: Aber wird es bei der Bundestagswahl 2017 nicht um Lindners Sieg oder Lindners Niederlage gehen?
LINDNER: Ich will Ihnen Ihre Wahrnehmung nicht ausreden, aber wir haben einen anderen Ansatz. Wir machen Teamwork. Vielleicht hing in der Vergangenheit manches Problem auch damit zusammen, dass die FDP zu wenig Mannschaftsgeist hatte. Aber den haben wir zurückgewonnen. Dass der Bundesvorsitzende eine besondere Rolle und Verantwortung hat, ist klar. Ich scheue diese Verantwortung nicht, ich habe sie ja gesucht.
Frage: Wie wichtig ist für Sie auf dem Weg zurück in den Bundestag die Wahl im Bundesland Bremen?
LINDNER: Für uns ist das eine Riesenchance. Wir treten personell und inhaltlich erneuert an. Wenn uns der Einzug gelingt, macht das nicht nur die Bürgerschaft spannender. Das wäre auch ein Signal ins Bundeskanzleramt, es mit der Sozialdemokratisierung der CDU nicht zu übertreiben.
Frage: Ein ständiges Thema an der Weser sind die Finanzen des Landes. Wie ist Ihre Position im Konflikt um den Länderfinanzausgleich?
LINDNER: Die Eigenanstrengungen der Länder müssen stärker berücksichtigt werden. Wenn Bremen durch kluge Wirtschaftspolitik mehr Steuereinnahmen erzielen würde, dürfen die nicht nahezu komplett im Topf des Finanzausgleichs verschwinden.
Frage: Es wird immer wieder über die föderale Struktur diskutiert. Stichwort Nordstaat, wie ist Ihre Position dazu?
LINDNER: Mit einer Länderneugliederung verschwinden Strukturprobleme nicht. Ich war jetzt das zweite Mal Gast der Eiswette. Mich haben Bürgersinn und der Stolz auf die ehrliche Kaufmannschaft beeindruckt. Besser wäre nur, wenn sich der Stolz der Bremer nicht vor allem auf die Vergangenheit beziehen müsste, sondern auch auf die Gegenwart.
Frage: Mit welchem zentralen Thema will die FDP in den nächsten Bundestag kommen?
LINDNER: Erstens Bildung, weil sie die beste Form sozialer Gerechtigkeit schafft. Wir haben einen enormen Modernisierungsbedarf. Im angelsächsischen Raum sind Tablets an der Schule Praxis, bei uns hört sich das nach Science-Fiction an. Zudem steht Bremen nicht im Wettbewerb mit Bayern, sondern Deutschland steht im Wettbewerb mit China. Also muss Bildung ein gesamtstaatliches Projekt werden. Zweitens besorgen mich die Finanzen. Aufgrund der niedrigen Zinsen profitiert der Staat, während die Altersversorgung verdunstet. Es wäre gegenüber den Bürgern nur fair, wenn wenigstens der Soli auslaufen würde. Da muss die Politik Wort halten.
Frage: Grüne, Piraten, AfD: Schadet die Fragmentierung der Parteienlandschaft nicht der FDP?
LINDNER: Es gibt höchstens liberale Spartenprogramme bei anderen, aber wir sind ein liberaler Vollsortimenter – von Marktwirtschaft bis zu starken Bürgerrechten, in die jetzt durch die Vorratsdatenspeicherung wieder eingegriffen werden soll. Ich sehe keine andere Kraft in Deutschland, die sich auf allen Gebieten so der Idee des Freisinns verschreibt wie wir.
Frage: Das Image der Klientelpartei hat die FDP aber noch nicht abgelegt. Wie wollen Sie das ändern?
LINDNER: Was ist schlecht daran, für den Mittelstand einzutreten? Da sind die Arbeits- und Ausbildungsplätze. Wenn ich die Gesamtbilanz der FDP seit 1949 sehe – Westintegration, Marktwirtschaft, neue Ostpolitik, emanzipatorische Bildungspolitik, europäischer Binnenmarkt, deutsche Einheit – bin ich stolz darauf, Vorsitzender dieser Partei zu sein. In diese große Tradition haben wir zeitgemäß zurückgefunden.
Frage: Herr Lindner, wenn ich heute Abend nach Hause komme und unser Gespräch mit einem Satz zusammenfassen will, sage ich: Die FDP hat…
LINDNER: …das Ziel, den Einzelnen groß zu machen und nicht den Staat.
LINDNER-Interview: Wir sind ein liberaler Vollsortimenter
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Nordsee-Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten CHRISTIAN KLOSE, TIM ALBERT und ULRICH KROEGER:
Frage: Hat die Hamburger Wahl Ihnen Rückenwind verliehen, Herr Lindner?
LINDNER: Ja. Die Hamburger haben gezeigt, dass es eine Partei geben muss, die auf Freiheit und Eigenverantwortung setzt, bevor nach dem Staat gerufen wird.
Frage: Sind Sie auch im Bund schon übern Berg mit den Umfragewerten oder dauert das noch?
LINDNER: Nein, das dauert noch. Diese Parlamentspause in Berlin nutzen wir zur Erneuerung. Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und uns von Opportunismus und Ängstlichkeit befreit. Deutschland hat sich in den Status quo verliebt. Es ist aber unvernünftig, nur an die Verteilung des Wohlstands und nicht an seine Erwirtschaftung zu denken. Wir brauchen Reformen. Das ist ein Angebot, hinter dem man Menschen versammeln kann.
Frage: Sie sind kürzlich als Ein-Mann-Kapelle der FDP bezeichnet worden. Fühlen Sie sich in der Rolle wohl?
LINDNER: Ich weiß nicht, was Wolfgang Kubicki gedacht hat, als er das gelesen hat. Und wir haben auf Bundesebene ja nicht nur ein Duo, wenn ich an Katja Suding denke oder Alexander Graf Lambsdorff im Europäischen Parlament. In Bremen haben wir die Quereinsteigerin Lencke Steiner, die als Familienunternehmerin wirtschaftliche Praxis mitbringt. Wir haben also gute Leute und müssen uns nicht verstecken.
Frage: Aber wird es bei der Bundestagswahl 2017 nicht um Lindners Sieg oder Lindners Niederlage gehen?
LINDNER: Ich will Ihnen Ihre Wahrnehmung nicht ausreden, aber wir haben einen anderen Ansatz. Wir machen Teamwork. Vielleicht hing in der Vergangenheit manches Problem auch damit zusammen, dass die FDP zu wenig Mannschaftsgeist hatte. Aber den haben wir zurückgewonnen. Dass der Bundesvorsitzende eine besondere Rolle und Verantwortung hat, ist klar. Ich scheue diese Verantwortung nicht, ich habe sie ja gesucht.
Frage: Wie wichtig ist für Sie auf dem Weg zurück in den Bundestag die Wahl im Bundesland Bremen?
LINDNER: Für uns ist das eine Riesenchance. Wir treten personell und inhaltlich erneuert an. Wenn uns der Einzug gelingt, macht das nicht nur die Bürgerschaft spannender. Das wäre auch ein Signal ins Bundeskanzleramt, es mit der Sozialdemokratisierung der CDU nicht zu übertreiben.
Frage: Ein ständiges Thema an der Weser sind die Finanzen des Landes. Wie ist Ihre Position im Konflikt um den Länderfinanzausgleich?
LINDNER: Die Eigenanstrengungen der Länder müssen stärker berücksichtigt werden. Wenn Bremen durch kluge Wirtschaftspolitik mehr Steuereinnahmen erzielen würde, dürfen die nicht nahezu komplett im Topf des Finanzausgleichs verschwinden.
Frage: Es wird immer wieder über die föderale Struktur diskutiert. Stichwort Nordstaat, wie ist Ihre Position dazu?
LINDNER: Mit einer Länderneugliederung verschwinden Strukturprobleme nicht. Ich war jetzt das zweite Mal Gast der Eiswette. Mich haben Bürgersinn und der Stolz auf die ehrliche Kaufmannschaft beeindruckt. Besser wäre nur, wenn sich der Stolz der Bremer nicht vor allem auf die Vergangenheit beziehen müsste, sondern auch auf die Gegenwart.
Frage: Mit welchem zentralen Thema will die FDP in den nächsten Bundestag kommen?
LINDNER: Erstens Bildung, weil sie die beste Form sozialer Gerechtigkeit schafft. Wir haben einen enormen Modernisierungsbedarf. Im angelsächsischen Raum sind Tablets an der Schule Praxis, bei uns hört sich das nach Science-Fiction an. Zudem steht Bremen nicht im Wettbewerb mit Bayern, sondern Deutschland steht im Wettbewerb mit China. Also muss Bildung ein gesamtstaatliches Projekt werden. Zweitens besorgen mich die Finanzen. Aufgrund der niedrigen Zinsen profitiert der Staat, während die Altersversorgung verdunstet. Es wäre gegenüber den Bürgern nur fair, wenn wenigstens der Soli auslaufen würde. Da muss die Politik Wort halten.
Frage: Grüne, Piraten, AfD: Schadet die Fragmentierung der Parteienlandschaft nicht der FDP?
LINDNER: Es gibt höchstens liberale Spartenprogramme bei anderen, aber wir sind ein liberaler Vollsortimenter – von Marktwirtschaft bis zu starken Bürgerrechten, in die jetzt durch die Vorratsdatenspeicherung wieder eingegriffen werden soll. Ich sehe keine andere Kraft in Deutschland, die sich auf allen Gebieten so der Idee des Freisinns verschreibt wie wir.
Frage: Das Image der Klientelpartei hat die FDP aber noch nicht abgelegt. Wie wollen Sie das ändern?
LINDNER: Was ist schlecht daran, für den Mittelstand einzutreten? Da sind die Arbeits- und Ausbildungsplätze. Wenn ich die Gesamtbilanz der FDP seit 1949 sehe – Westintegration, Marktwirtschaft, neue Ostpolitik, emanzipatorische Bildungspolitik, europäischer Binnenmarkt, deutsche Einheit – bin ich stolz darauf, Vorsitzender dieser Partei zu sein. In diese große Tradition haben wir zeitgemäß zurückgefunden.
Frage: Herr Lindner, wenn ich heute Abend nach Hause komme und unser Gespräch mit einem Satz zusammenfassen will, sage ich: Die FDP hat…
LINDNER: …das Ziel, den Einzelnen groß zu machen und nicht den Staat.