FDP|
29.09.2014 - 12:30LINDNER-Interview: Die bürgerliche Mitte ist frei
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Neuen Westfälischen“ (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte FLORIAN PFITZNER:
Frage: Herr Lindner, vor einem Jahr ist die FDP aus dem Bundestag geflogen; zuletzt auch aus drei Landtagen. Warum vermisst Sie niemand?
CHRISTIAN LINDNER: Ich will, dass Deutschland ein tolerantes, weltoffenes Land bleibt, das eine stabile wirtschaftliche Basis hat. Eine Partei, die dafür steht, sehe ich nicht. Union, SPD und Grüne testen die Belastungsgrenzen der Wirtschaft, die AfD macht Stimmung mit Ressentiments. Die bürgerliche Mitte ist frei. Das spüren auch viele, die noch von unserer letzten Regierungszeit enttäuscht sind.
Frage: Die Berichterstattung über Ihre Partei ist eingebrochen. Aufmerksamkeit erhalten Sie nur noch für skurrile Ideen. Wie fanden Sie den Wahlslogan „Keine Sau braucht die FDP“ Ihrer Parteifreunde in Brandenburg?
LINDNER: Nicht mein Stil und in jeder Hinsicht falsch. Ich hätte gesagt: Der Mittelstand braucht die FDP, um vor Bürokratie geschützt zu werden. Die Generation der Enkel braucht die FDP, weil die Große Koalition die Rentenkasse für Wahlgeschenke plündert.
Frage: Selbst wenn Sie exponierte Positionen einnehmen und etwa Waffen für die Kurden im Irak ablehnen, scheint das kaum jemanden zu interessieren. Sind Sie darüber frustriert?
LINDNER: Nein, ich bin Anhänger der Pressefreiheit. Vielleicht sind Ihre Leser aber doch an einem breiteren Meinungsspektrum interessiert? Ich halte es jedenfalls für nicht verantwortbar, tödliche Waffen in eine Krisenregion zu liefern. Wir wissen nicht, wem sie morgen in die Hände fallen. Der richtige Weg wäre, wenn wir stattdessen die Luftoperationen unserer Verbündeten unterstützen würden. Ich finde es peinlich, dass Belgien und die Niederlande uns zeigen müssen, was Verantwortung bedeutet.
Frage: In Hamburg erwächst Ihnen mit den Neuen Liberalen Konkurrenz aus den eigenen Reihen. Warum erkennt diese Gruppe das Neue nicht in Ihrer FDP?
LINDNER: Die Abgänger haben meine Forderung, das Sozialticket NRW abzuschaffen, als Anlass genannt. Man muss wissen: Das Sozialticket ist eine Erfindung der Linkspartei, die keinem Bedürftigen konkret hilft. Ich werde weiter die Wirksamkeit von Sozialleistungen hinterfragen. Das macht nämlich sonst keiner. Wir brauchen in Deutschland keine weitere sozialdemokratische Partei links der Mitte, wie es diese Formierung sein will. Was dagegen fehlt, ist eine Stimme für positiven Individualismus und Eigenverantwortung.
Frage: Wenn sich Leistungsträger von Ihnen trennen, verstärkt das den Eindruck einer Auflösung.
LINDNER: Ich bedauere jeden Austritt, diesen fünf Austritten stehen aber über 3.000 Eintritte gegenüber. Traditionell ist die FDP die Verbindung unterschiedlicher Lesarten von freiheitlicher Politik. Eurokritische Köpfe wie Frank Schäffler hier aus Ostwestfalen zählen wir genauso zu uns wie eher sozialliberale Persönlichkeiten wie Gerhart Baum. Und das soll auch so bleiben.
Frage: Von der Untreue der Anhänger aller Parteien profitiert derzeit die AfD. Haben Sie die Konkurrenz zu spät ernst genommen?
LINDNER: Für Liberale ist eine Gruppe keine Konkurrenz, die den Polizeistaat DDR als Vorbild nennt und den Familien vorschreiben will, wie viele Kinder sie haben sollen. Die AfD ist eine Chamäleon-Partei des Protests und der Nostalgie. Diese Partei will angeblich kompetent in Wirtschaftsfragen sein, macht aber genauso wie die Linkspartei Stimmung gegen das Freihandelsabkommen mit Nordamerika.
Frage: Nehmen wir das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA: Warum halten Sie die Vorbehalte für unbegründet?
LINDNER: Ich sehe eine enorme Wachstumschance für die Wirtschaft und damit für sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze. Außerdem haben wir die Gelegenheit, weltweit relevante Sozial- und Umweltstandards zu setzen. Wenn wir es nicht machen, macht es China zu unseren Lasten.
LINDNER-Interview: Die bürgerliche Mitte ist frei
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Neuen Westfälischen“ (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte FLORIAN PFITZNER:
Frage: Herr Lindner, vor einem Jahr ist die FDP aus dem Bundestag geflogen; zuletzt auch aus drei Landtagen. Warum vermisst Sie niemand?
CHRISTIAN LINDNER: Ich will, dass Deutschland ein tolerantes, weltoffenes Land bleibt, das eine stabile wirtschaftliche Basis hat. Eine Partei, die dafür steht, sehe ich nicht. Union, SPD und Grüne testen die Belastungsgrenzen der Wirtschaft, die AfD macht Stimmung mit Ressentiments. Die bürgerliche Mitte ist frei. Das spüren auch viele, die noch von unserer letzten Regierungszeit enttäuscht sind.
Frage: Die Berichterstattung über Ihre Partei ist eingebrochen. Aufmerksamkeit erhalten Sie nur noch für skurrile Ideen. Wie fanden Sie den Wahlslogan „Keine Sau braucht die FDP“ Ihrer Parteifreunde in Brandenburg?
LINDNER: Nicht mein Stil und in jeder Hinsicht falsch. Ich hätte gesagt: Der Mittelstand braucht die FDP, um vor Bürokratie geschützt zu werden. Die Generation der Enkel braucht die FDP, weil die Große Koalition die Rentenkasse für Wahlgeschenke plündert.
Frage: Selbst wenn Sie exponierte Positionen einnehmen und etwa Waffen für die Kurden im Irak ablehnen, scheint das kaum jemanden zu interessieren. Sind Sie darüber frustriert?
LINDNER: Nein, ich bin Anhänger der Pressefreiheit. Vielleicht sind Ihre Leser aber doch an einem breiteren Meinungsspektrum interessiert? Ich halte es jedenfalls für nicht verantwortbar, tödliche Waffen in eine Krisenregion zu liefern. Wir wissen nicht, wem sie morgen in die Hände fallen. Der richtige Weg wäre, wenn wir stattdessen die Luftoperationen unserer Verbündeten unterstützen würden. Ich finde es peinlich, dass Belgien und die Niederlande uns zeigen müssen, was Verantwortung bedeutet.
Frage: In Hamburg erwächst Ihnen mit den Neuen Liberalen Konkurrenz aus den eigenen Reihen. Warum erkennt diese Gruppe das Neue nicht in Ihrer FDP?
LINDNER: Die Abgänger haben meine Forderung, das Sozialticket NRW abzuschaffen, als Anlass genannt. Man muss wissen: Das Sozialticket ist eine Erfindung der Linkspartei, die keinem Bedürftigen konkret hilft. Ich werde weiter die Wirksamkeit von Sozialleistungen hinterfragen. Das macht nämlich sonst keiner. Wir brauchen in Deutschland keine weitere sozialdemokratische Partei links der Mitte, wie es diese Formierung sein will. Was dagegen fehlt, ist eine Stimme für positiven Individualismus und Eigenverantwortung.
Frage: Wenn sich Leistungsträger von Ihnen trennen, verstärkt das den Eindruck einer Auflösung.
LINDNER: Ich bedauere jeden Austritt, diesen fünf Austritten stehen aber über 3.000 Eintritte gegenüber. Traditionell ist die FDP die Verbindung unterschiedlicher Lesarten von freiheitlicher Politik. Eurokritische Köpfe wie Frank Schäffler hier aus Ostwestfalen zählen wir genauso zu uns wie eher sozialliberale Persönlichkeiten wie Gerhart Baum. Und das soll auch so bleiben.
Frage: Von der Untreue der Anhänger aller Parteien profitiert derzeit die AfD. Haben Sie die Konkurrenz zu spät ernst genommen?
LINDNER: Für Liberale ist eine Gruppe keine Konkurrenz, die den Polizeistaat DDR als Vorbild nennt und den Familien vorschreiben will, wie viele Kinder sie haben sollen. Die AfD ist eine Chamäleon-Partei des Protests und der Nostalgie. Diese Partei will angeblich kompetent in Wirtschaftsfragen sein, macht aber genauso wie die Linkspartei Stimmung gegen das Freihandelsabkommen mit Nordamerika.
Frage: Nehmen wir das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA: Warum halten Sie die Vorbehalte für unbegründet?
LINDNER: Ich sehe eine enorme Wachstumschance für die Wirtschaft und damit für sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze. Außerdem haben wir die Gelegenheit, weltweit relevante Sozial- und Umweltstandards zu setzen. Wenn wir es nicht machen, macht es China zu unseren Lasten.