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08.09.2014 - 11:15KUBICKI-Interview: Es geht nicht um die FDP, sondern um Inhalte
Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI gab der „Thüringischen Landeszeitung“ (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte HARTMUT KACZMAREK:
Frage: Läutet das Totenglöcklein für die FDP, von dem der frühere Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein vor vielen Jahren geschrieben hat, jetzt noch lauter?
KUBICKI: Nach 44 Jahren FDP-Mitgliedschaft, in der ich viele Höhen und Tiefen erlebt habe, kann ich mit voller Überzeugung sagen: Alle, die jetzt das Totenglöcklein läuten hören wollen, liegen falsch.
Frage: Aber unbestreitbar ist doch, dass sich die FDP in schwerer See befindet: Nicht mehr im Bundestag, gerade in Sachsen aus dem Landtag und der Regierung geflogen…
KUBICKI: Wir befinden uns fraglos in einer schwierigen Phase, und der Wiederaufstieg der FDP wird steinig und langwierig. Aber wir werden wahrscheinlich schon bei den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg, spätestens aber im nächsten Jahr dokumentieren, dass dieser Wiederaufstieg beginnt.
Frage: Sie selbst haben bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2012 ja ein kleines Wunder vollbracht: Aus einem Umfragetief ist die FDP mit einem grandiosen Ergebnis wieder in den Landtag eingezogen. Welche Tipps haben Sie denn für Uwe Barth und die Thüringer FDP auf Lager?
KUBICKI: Jeder Wahlkampf ist anders. Aber wir wissen, dass sich 50 Prozent der Wähler erst in der letzten Woche entscheiden und 30 Prozent der Wähler erst am Wahltag. Die Schlussfolgerung daraus: In der letzten Woche muss man die Partei noch einmal richtig mobilisieren, die FDP muss flächendeckend präsent sein mit auch polarisierenden Themen.
Frage: Trotzdem: Machen Ihnen die Umfragen, die die FDP derzeit deutlich unter fünf Prozent sehen, nicht doch Kopfzerbrechen?
KUBICKI: Natürlich lassen uns diese Umfragen nicht völlig kalt. Aber wir haben in Schleswig-Holstein gezeigt, dass man Umfragen nicht überschätzen sollte. Kurz vor der Wahl lagen wir bei drei Prozent, dann sind wir mit 8,2 Prozent in den Landtag eingezogen. Wir haben eben alle Kraft in die letzte Woche vor der Wahl gelegt und uns von Umfragen nicht verunsichern lassen.
Frage: Die CDU hier in Thüringen hat nach der Sachsen-Wahl erklärt, man werde jetzt ganz offensiv um die FDP-Wähler werben, weil die FDP sowieso keine Chance auf Einzug in den Landtag habe…
KUBICKI: Auch wir können entsprechend reagieren. Wir sagen den bürgerlich-orientierten Wählern, dass man eine bürgerliche Partei im Landtag braucht – und dass das ganz gewiss nicht die CDU hier in Thüringen ist. Man muss sich doch fragen, ob eine Partei, die der Abschaffung von Schulnoten zustimmt, noch eine bürgerliche Partei ist.
Frage: Aber gerade hat die Ministerpräsidentin bei uns erklärt, sie würde am liebsten wieder Schulnoten ab Klasse eins erteilen und die ganzen Reformen wieder rückgängig machen.
KUBICKI: Erst lässt Frau Lieberknecht in der Koalition mit der SPD alles zu. Und jetzt erklärt sie: Wenn die Wähler mich stark machen, hole ich alles wieder zurück. Das entlarvt doch die Heuchelei der Ministerpräsidentin. Hinzu kommt: Allein wird sie nicht regieren können. Sie wird die SPD brauchen. Und dann geht doch alles so weiter wie bisher.
Frage: Ist das eine Zuspitzungsstrategie für die letzte Woche vor der Wahl?
KUBICKI: Das Schöne an Strategien ist, dass man sie vorher nicht verraten darf. Sonst wirken sie nämlich nicht.
Frage: Wie beurteilen Sie eigentlich von außerhalb diesen provokanten FDP-Slogan „Wir sind dann mal Weg“?
KUBICKI: Ich mische mich höchst ungern in Wahlkampfstrategien anderer Landesverbände ein. Aber der Slogan hat doch Aufmerksamkeit erregt. Und es geht ja nicht um die FDP, sondern um Inhalte: Wenn die FDP weg ist, dann gibt es keine Schulnoten mehr, dann wird die Bürokratie für den Mittelstand wachsen und dann werden die Probleme der medizinischen Versorgung auf dem Land immer größer.
Frage: Wie wirkt eigentlich für einen Politiker aus dem Westen die Möglichkeit, dass Thüringen mit Bodo Ramelow den ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei nach der Wende erhalten könnte?
KUBICKI: Für mich wirkt das extrem befremdlich. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass die Partei der Freiheit – die FDP – Schwierigkeiten hat, ins Parlament zu kommen und die Partei, die Nachfolgepartei einer verbrecherischen Organisation – der SED – ist, Wahlergebnisse von mehr als 25 Prozent einfahren könnte und darüber diskutiert wird, dass sie einen Ministerpräsidenten stellen könnte.
Frage: Aber die Möglichkeit dazu gibt es doch rechnerisch, wenn sich die SPD und gegebenenfalls auch die Grünen dafür entscheiden?
KUBICKI: Wenn die SPD das zuließe, würde es die Partei im Westen zerreißen. Und auch im Osten würde das eine schwere Belastungsprobe für die SPD werden.
Frage: Reden wir mal über die FDP: Warum kommt die FDP aus ihrem Tief nicht heraus?
KUBICKI: Diese Frage treibt mich auch seit geraumer Zeit um, wie Sie sich vorstellen können. Es ist der Nachhalleffekt des dramatischen Imageverlustes der Jahre 2009 bis 2013. Wir sind innerhalb von neun Monaten nach der Bundestagswahl 2009 von 14 auf fünf Prozent abgestürzt. Der falsche, aber fatale Eindruck, der in diesen Monaten entstanden ist: Die FDP hat in der Bundesregierung nichts durchgesetzt und unsere Minister waren sich selbst genug.
Frage: Aber Sie haben doch das Führungspersonal radikal ausgewechselt, trotzdem bleibt die FDP im Keller.
KUBICKI: Der Parteivorsitzende Christian Lindner sagt zu Recht, der Niedergang ist in vier Jahren passiert. Den Wiederaufstieg werden wir nicht in wenigen Monaten schaffen. Aber er wird gelingen. Unsere Hoffnung liegt in Thüringen und in Brandenburg, unsere Erwartung liegt in Hamburg, wo im Februar 2015 gewählt wird.
Frage: Die FDP arbeitet an einem neuen Konzept und einem neuen Auftritt. Wann ist damit zu rechnen?
KUBICKI: Es ist ein Entwicklungsprozess, den wir mit der Wahl des neuen Vorstandes gestartet haben. Jetzt informieren wir die Parteigliederungen. Kulminationspunkt sind dann das Dreikönigstreffen und die Hamburg-Wahl.
Frage: Was ist das Neue an diesem Konzept?
KUBICKI: Wir erfinden nichts grundlegend Neues. Sondern wir verändern unseren Auftritt. Wir erklären den Menschen nicht mehr nur, wogegen wir sind – das haben wir in der Vergangenheit gemacht –, sondern wie wir Probleme angehen und welche Lösungen wir anbieten. Ein Beispiel: Wir bieten ein Rentenkonzept, bei dem die Menschen frei entscheiden können, wann sie zwischen 60 und 70 flexibel in Rente gehen können. Wir wollen die sozialen Sicherungssysteme festigen, indem wir die Wirtschaft stärken und so die Rahmenbedingungen für die Finanzierung der Sozialsysteme schaffen. Für eine brummende Wirtschaft brauchen wir eine gute Infrastruktur und keine, die langsam aber sicher verkommt. Und wir brauchen eine hohe Investitionsquote in den Haushalten. Ein anderes Beispiel ist die Bildung. Es wird weder den Kindern noch der Gesellschaft gerecht, wenn wir den Kindern in den Schulen nicht erklären, dass das Leben darin besteht, sich einem Wettbewerb zu stellen und Leistung zu erbringen.
Frage: Rückt die FDP mit ihren neuen Konzepten im politischen Spektrum eher nach links und macht so Platz für eine Partei wie die AfD?
KUBICKI: Die meisten Menschen positionieren die FDP nach wie vor in der Mitte. Und dort bleiben wir auch. Da die CDU sich aber immer weiter nach links entwickelt, haben wir in der Mitte deutlich mehr Spielraum. Die AfD zieht im Augenblick alle Unzufriedenen wie eine Art Staubsauger an. Das erklärt deren aktuellen Wahlerfolg.
Frage: Manche bezeichnen die AfD schon als neue FDP?
KUBICKI: Das ist die größte Unverschämtheit. Die AfD wird im Parteienspektrum nie die Rolle der FDP einnehmen können, weil die FDP grundsätzlich in der Lage ist, mit den beiden anderen großen demokratischen Volksparteien zu koalieren. Das ist bei der AfD ausgeschlossen.
Frage: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem Niedergang der FDP 2009 bis 2013?
KUBICKI: Ich habe ja aus meiner Meinung auch in dieser Zeit nie einen Hehl gemacht. Ich habe mich da manchmal wie ein einsamer Rufer in der Wüste gefühlt.
Frage: Von anderen wurden Sie als ewiger Nörgler oder Quertreiber bezeichnet…
KUBICKI: Seinen Mund aufzumachen, auch wenn der Mainstream ein anderer ist, ist mittlerweile ein Qualitätsmerkmal in der FDP.
Frage: Was haben Sie gelernt?
KUBICKI: Wir dürfen nicht selbstgefällig sein. 2009 haben uns 14,6 Prozent der Menschen gewählt, wir aber haben zeitweilig den Eindruck erweckt, als hätten uns 100 Prozent gewählt. Wir sind teilweise wie Sektierer aufgetreten, so, als hätten wir allein die letzte Wahrheit. Von uns erwartet man aber keine Prinzipienreiterei, sondern dass wir die Probleme der Menschen ernst nehmen und dass die Menschen angstfrei leben können, auch angstfrei vor einem sozialen Absturz. Angst ist das Gegenteil von Freiheit. Deshalb brauchen wir auch ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit.
Frage: Warum sollte ein Thüringer eigentlich FDP wählen, wenn es in Thüringen lediglich um die Alternative Schwarz-Rot oder Rot-Rot geht?
KUBICKI: Weil ich glaube, dass eine ausreichende Zahl von Thüringern das Gefühl hat, dass sie ihr Leben selbst gestalten und sich nicht immer alles vorschreiben lassen wollen.
KUBICKI-Interview: Es geht nicht um die FDP, sondern um Inhalte
Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI gab der „Thüringischen Landeszeitung“ (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte HARTMUT KACZMAREK:
Frage: Läutet das Totenglöcklein für die FDP, von dem der frühere Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein vor vielen Jahren geschrieben hat, jetzt noch lauter?
KUBICKI: Nach 44 Jahren FDP-Mitgliedschaft, in der ich viele Höhen und Tiefen erlebt habe, kann ich mit voller Überzeugung sagen: Alle, die jetzt das Totenglöcklein läuten hören wollen, liegen falsch.
Frage: Aber unbestreitbar ist doch, dass sich die FDP in schwerer See befindet: Nicht mehr im Bundestag, gerade in Sachsen aus dem Landtag und der Regierung geflogen…
KUBICKI: Wir befinden uns fraglos in einer schwierigen Phase, und der Wiederaufstieg der FDP wird steinig und langwierig. Aber wir werden wahrscheinlich schon bei den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg, spätestens aber im nächsten Jahr dokumentieren, dass dieser Wiederaufstieg beginnt.
Frage: Sie selbst haben bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2012 ja ein kleines Wunder vollbracht: Aus einem Umfragetief ist die FDP mit einem grandiosen Ergebnis wieder in den Landtag eingezogen. Welche Tipps haben Sie denn für Uwe Barth und die Thüringer FDP auf Lager?
KUBICKI: Jeder Wahlkampf ist anders. Aber wir wissen, dass sich 50 Prozent der Wähler erst in der letzten Woche entscheiden und 30 Prozent der Wähler erst am Wahltag. Die Schlussfolgerung daraus: In der letzten Woche muss man die Partei noch einmal richtig mobilisieren, die FDP muss flächendeckend präsent sein mit auch polarisierenden Themen.
Frage: Trotzdem: Machen Ihnen die Umfragen, die die FDP derzeit deutlich unter fünf Prozent sehen, nicht doch Kopfzerbrechen?
KUBICKI: Natürlich lassen uns diese Umfragen nicht völlig kalt. Aber wir haben in Schleswig-Holstein gezeigt, dass man Umfragen nicht überschätzen sollte. Kurz vor der Wahl lagen wir bei drei Prozent, dann sind wir mit 8,2 Prozent in den Landtag eingezogen. Wir haben eben alle Kraft in die letzte Woche vor der Wahl gelegt und uns von Umfragen nicht verunsichern lassen.
Frage: Die CDU hier in Thüringen hat nach der Sachsen-Wahl erklärt, man werde jetzt ganz offensiv um die FDP-Wähler werben, weil die FDP sowieso keine Chance auf Einzug in den Landtag habe…
KUBICKI: Auch wir können entsprechend reagieren. Wir sagen den bürgerlich-orientierten Wählern, dass man eine bürgerliche Partei im Landtag braucht – und dass das ganz gewiss nicht die CDU hier in Thüringen ist. Man muss sich doch fragen, ob eine Partei, die der Abschaffung von Schulnoten zustimmt, noch eine bürgerliche Partei ist.
Frage: Aber gerade hat die Ministerpräsidentin bei uns erklärt, sie würde am liebsten wieder Schulnoten ab Klasse eins erteilen und die ganzen Reformen wieder rückgängig machen.
KUBICKI: Erst lässt Frau Lieberknecht in der Koalition mit der SPD alles zu. Und jetzt erklärt sie: Wenn die Wähler mich stark machen, hole ich alles wieder zurück. Das entlarvt doch die Heuchelei der Ministerpräsidentin. Hinzu kommt: Allein wird sie nicht regieren können. Sie wird die SPD brauchen. Und dann geht doch alles so weiter wie bisher.
Frage: Ist das eine Zuspitzungsstrategie für die letzte Woche vor der Wahl?
KUBICKI: Das Schöne an Strategien ist, dass man sie vorher nicht verraten darf. Sonst wirken sie nämlich nicht.
Frage: Wie beurteilen Sie eigentlich von außerhalb diesen provokanten FDP-Slogan „Wir sind dann mal Weg“?
KUBICKI: Ich mische mich höchst ungern in Wahlkampfstrategien anderer Landesverbände ein. Aber der Slogan hat doch Aufmerksamkeit erregt. Und es geht ja nicht um die FDP, sondern um Inhalte: Wenn die FDP weg ist, dann gibt es keine Schulnoten mehr, dann wird die Bürokratie für den Mittelstand wachsen und dann werden die Probleme der medizinischen Versorgung auf dem Land immer größer.
Frage: Wie wirkt eigentlich für einen Politiker aus dem Westen die Möglichkeit, dass Thüringen mit Bodo Ramelow den ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei nach der Wende erhalten könnte?
KUBICKI: Für mich wirkt das extrem befremdlich. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass die Partei der Freiheit – die FDP – Schwierigkeiten hat, ins Parlament zu kommen und die Partei, die Nachfolgepartei einer verbrecherischen Organisation – der SED – ist, Wahlergebnisse von mehr als 25 Prozent einfahren könnte und darüber diskutiert wird, dass sie einen Ministerpräsidenten stellen könnte.
Frage: Aber die Möglichkeit dazu gibt es doch rechnerisch, wenn sich die SPD und gegebenenfalls auch die Grünen dafür entscheiden?
KUBICKI: Wenn die SPD das zuließe, würde es die Partei im Westen zerreißen. Und auch im Osten würde das eine schwere Belastungsprobe für die SPD werden.
Frage: Reden wir mal über die FDP: Warum kommt die FDP aus ihrem Tief nicht heraus?
KUBICKI: Diese Frage treibt mich auch seit geraumer Zeit um, wie Sie sich vorstellen können. Es ist der Nachhalleffekt des dramatischen Imageverlustes der Jahre 2009 bis 2013. Wir sind innerhalb von neun Monaten nach der Bundestagswahl 2009 von 14 auf fünf Prozent abgestürzt. Der falsche, aber fatale Eindruck, der in diesen Monaten entstanden ist: Die FDP hat in der Bundesregierung nichts durchgesetzt und unsere Minister waren sich selbst genug.
Frage: Aber Sie haben doch das Führungspersonal radikal ausgewechselt, trotzdem bleibt die FDP im Keller.
KUBICKI: Der Parteivorsitzende Christian Lindner sagt zu Recht, der Niedergang ist in vier Jahren passiert. Den Wiederaufstieg werden wir nicht in wenigen Monaten schaffen. Aber er wird gelingen. Unsere Hoffnung liegt in Thüringen und in Brandenburg, unsere Erwartung liegt in Hamburg, wo im Februar 2015 gewählt wird.
Frage: Die FDP arbeitet an einem neuen Konzept und einem neuen Auftritt. Wann ist damit zu rechnen?
KUBICKI: Es ist ein Entwicklungsprozess, den wir mit der Wahl des neuen Vorstandes gestartet haben. Jetzt informieren wir die Parteigliederungen. Kulminationspunkt sind dann das Dreikönigstreffen und die Hamburg-Wahl.
Frage: Was ist das Neue an diesem Konzept?
KUBICKI: Wir erfinden nichts grundlegend Neues. Sondern wir verändern unseren Auftritt. Wir erklären den Menschen nicht mehr nur, wogegen wir sind – das haben wir in der Vergangenheit gemacht –, sondern wie wir Probleme angehen und welche Lösungen wir anbieten. Ein Beispiel: Wir bieten ein Rentenkonzept, bei dem die Menschen frei entscheiden können, wann sie zwischen 60 und 70 flexibel in Rente gehen können. Wir wollen die sozialen Sicherungssysteme festigen, indem wir die Wirtschaft stärken und so die Rahmenbedingungen für die Finanzierung der Sozialsysteme schaffen. Für eine brummende Wirtschaft brauchen wir eine gute Infrastruktur und keine, die langsam aber sicher verkommt. Und wir brauchen eine hohe Investitionsquote in den Haushalten. Ein anderes Beispiel ist die Bildung. Es wird weder den Kindern noch der Gesellschaft gerecht, wenn wir den Kindern in den Schulen nicht erklären, dass das Leben darin besteht, sich einem Wettbewerb zu stellen und Leistung zu erbringen.
Frage: Rückt die FDP mit ihren neuen Konzepten im politischen Spektrum eher nach links und macht so Platz für eine Partei wie die AfD?
KUBICKI: Die meisten Menschen positionieren die FDP nach wie vor in der Mitte. Und dort bleiben wir auch. Da die CDU sich aber immer weiter nach links entwickelt, haben wir in der Mitte deutlich mehr Spielraum. Die AfD zieht im Augenblick alle Unzufriedenen wie eine Art Staubsauger an. Das erklärt deren aktuellen Wahlerfolg.
Frage: Manche bezeichnen die AfD schon als neue FDP?
KUBICKI: Das ist die größte Unverschämtheit. Die AfD wird im Parteienspektrum nie die Rolle der FDP einnehmen können, weil die FDP grundsätzlich in der Lage ist, mit den beiden anderen großen demokratischen Volksparteien zu koalieren. Das ist bei der AfD ausgeschlossen.
Frage: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem Niedergang der FDP 2009 bis 2013?
KUBICKI: Ich habe ja aus meiner Meinung auch in dieser Zeit nie einen Hehl gemacht. Ich habe mich da manchmal wie ein einsamer Rufer in der Wüste gefühlt.
Frage: Von anderen wurden Sie als ewiger Nörgler oder Quertreiber bezeichnet…
KUBICKI: Seinen Mund aufzumachen, auch wenn der Mainstream ein anderer ist, ist mittlerweile ein Qualitätsmerkmal in der FDP.
Frage: Was haben Sie gelernt?
KUBICKI: Wir dürfen nicht selbstgefällig sein. 2009 haben uns 14,6 Prozent der Menschen gewählt, wir aber haben zeitweilig den Eindruck erweckt, als hätten uns 100 Prozent gewählt. Wir sind teilweise wie Sektierer aufgetreten, so, als hätten wir allein die letzte Wahrheit. Von uns erwartet man aber keine Prinzipienreiterei, sondern dass wir die Probleme der Menschen ernst nehmen und dass die Menschen angstfrei leben können, auch angstfrei vor einem sozialen Absturz. Angst ist das Gegenteil von Freiheit. Deshalb brauchen wir auch ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit.
Frage: Warum sollte ein Thüringer eigentlich FDP wählen, wenn es in Thüringen lediglich um die Alternative Schwarz-Rot oder Rot-Rot geht?
KUBICKI: Weil ich glaube, dass eine ausreichende Zahl von Thüringern das Gefühl hat, dass sie ihr Leben selbst gestalten und sich nicht immer alles vorschreiben lassen wollen.