FDP|
10.04.2014 - 08:30LAMBSDORFF-Interview für den „Reutlinger General-Anzeiger“
Berlin. Der Spitzenkandidat zur Europawahl und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF gab dem „Reutlinger General-Anzeiger“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Jürgen Rahmig:
Frage: Wo wird die FDP nach dem 25. Mai stehen?
LAMBSDORFF: Hoffentlich mit einem guten Ergebnis zurück im Europaparlament, gestärkt aus dieser Wahl hervorgegangen und mit einem klaren Kurs mit Richtung Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag 2017.
Frage: Also alles positiv?
LAMBSDORFF: Nicht alles natürlich. Die FDP muss erst einmal Respekt und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, das geht nicht so schnell, das wissen wir. Aber es gibt eine Aufbruchsstimmung. Seit der Wahl sind 3500 neue Mitglieder in die FDP eingetreten, das ist schon bemerkenswert. Und wir haben einen neuen, sympathischen und erfolgreichen Vorsitzenden. Von der Spitze bis zur Basis ist also das Gefühl da, dass wir’s anpacken und das große Ziel 2017 erreichen wollen.
Frage: Die Parteizusammenschlüsse auf europäischer Ebene treten erstmals mit Spitzenkandidaten für die Wahl eines Kommissionspräsidenten an.
LAMBSDORFF: Wir wollen mehr Demokratie in Europa und bei der Europawahl muss es auch um etwas gehen, was für die Bürgerinnen und Bürger leichter zu verstehen ist. Dazu gehört es, dass man mit Spitzenkandidaten in die Wahl geht. Wir Liberalen sind mit unserer Doppelspitze aus Währungskommissar Olli Rehn – das ist unser Mister Euro – und dem langjährigen belgischen Ministerpräsidenten Guy Verhofstadt sehr gut aufgestellt.
Frage: Verschafft sich das Europaparlament damit sozusagen durch die Hintertür mehr Einfluss auf die „Regierung“, also die Kommission?
LAMBSDORFF: Da haben sie recht, das stärkt das Europäische Parlament, aber nicht durch die Hintertür. Dass der nächste Kommissionspräsident das Ergebnis der Europawahl widerspiegeln muss, steht eindeutig im EU-Vertrag.
Frage: Welche Chancen geben sie realistischerweise Herrn Verhofstadt, Herrn Rehn, welche den beiden anderen großen Bewerbern?
LAMBSDORFF: Es gibt nur drei politische Parteien, die im Europäischen Rat vertreten sind, also Regierungschefs in Europa stellen. Das sind neben den Christ- und Sozialdemokraten auch die Liberalen. Wir stellen vier EU-Regierungschefs, darunter den Premierminister der Niederlande, sodass die vier Namen, die für eine Spitzenbesetzung an der Kommission infrage kommen, Schulz, Juncker, Rehn und Verhofstadt sind. Einer von den Vieren wird es werden. Wer das aber werden wird, das kommt auf das Wahlergebnis an.
Frage: Das kommt also wirklich aufs Wahlergebnis an und nicht darauf, wie dann letztlich die Staats- und Regierungschefs entscheiden?
LAMBSDORFF: Auch die Regierungschefs, darunter die Bundeskanzlerin, haben gesagt, sie wollen mehr Demokratie in Europa. Die CDU muss jetzt Farbe bekennen: Wird das Ergebnis der Wahlentscheidung der Bürgerinnen und Bürger respektiert, oder wird man versuchen, eine krumme Tour zu machen und irgendjemanden zu nominieren, der nicht kandidiert hat? Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger wären dann zurecht wütend. Für Liberale ist klar: Es muss einer werden, der auch kandidiert hat. Die FDP wird nicht für jemanden stimmen, der im Hinterzimmer ausgekungelt wurde, sondern nur für jemanden, der sich dem demokratischen Wettstreit mit offenem Visier gestellt hat.
Frage: Anderes Thema: Das Freihandelsabkommen mit den USA. Wenn wir auf die vielen Krisen- und Konfliktherde schauen, derzeit die Ukraine und Krim, sollte da eine stärkere transatlantische Verbindung und Zusammenarbeit nicht an allererster Stelle stehen? Es gibt allerdings auch Stimmen, die wegen der NSA-Affäre gegen ein solches Abkommen sind.
LAMBSDORFF: Die NSA-Affäre dient insbesondere den Grünen und der SPD als Vorwand, um gegen ein sinnvolles, gutes und richtiges Abkommen Stimmung zu machen, das Wohlstand und Arbeitsplätze in Europa vermehrt. Es ist absolut scheinheilig, auf der einen Seite mit Krokodilstränen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu beklagen, und auf der anderen Seite ein Abkommen zu bekämpfen, das neue Jobs bringen wird. Das passt vorne und hinten nicht zusammen. Für die Liberalen ist ganz klar, so ein Abkommen macht Sinn und wir wollen es erfolgreich abschließen.
Frage: Wo liegen die Knackpunkte der Verhandlungen für dieses Abkommen?
LAMBSDORFF: Wir wollen zum einen die Zölle weiter senken, gerade für europäische Lebensmittel in den USA. Zweitens wollen wir es für unsere exportorientierten Unternehmen einfacher machen, in Amerika Fuß zu fassen, indem wir gegenseitig Testverfahren insbesondere im Maschinenbau anerkennen. Das Dritte ist, wir wollen den Zugang für europäische Produkte auf die öffentlichen Märkte der USA haben. Dort gibt es eine „Buy American“-Klausel. Wenn europäische Anbieter die besseren Produkte haben, dann sollen amerikanische Regierungsstellen aber europäische Produkte kaufen. Konkret: Wir haben in unseren Behörden oft Microsoft-Betriebssysteme installiert, dann können die Amerikaner für ihre Behörden zum Beispiel auch deutsche Autos beschaffen. Die sind definitiv besser als die amerikanischen.
Frage: Welchen Einfluss hat das Europaparlament, welchen Einfluss haben Sie als Abgeordneter dieses Parlaments auf die Ausgestaltung des Abkommens?
LAMBSDORFF: Die Kommission führt die Verhandlungen für Europa und informiert regelmäßig den dafür bei uns zuständigen Ausschuss über Knackpunkte, Inhalte und Fortschritte der Verhandlungen. Am Ende wird der gesamte Text dem Europäischen Parlament und alle Interessierten vorgelegt – jeder kann den dann lesen, wenn man das will. Anschließend werden wir entweder zustimmen, dann tritt das Abkommen in Kraft, wenn auch die Mitgliedsstaaten mitmachen, oder es ablehnen. Unsere Zustimmung ist absolut erforderlich und deswegen werden wir auch darauf achten, dass unsere Standards im Verbraucherschutz nicht abgeschwächt werden.
Frage: Wie geht es mit der Ukraine weiter? Halten Sie es für richtig, dass die EU sich jetzt so weit aus dem Fenster lehnt und – noch bevor in Kiew eine durch Wahlen legitimierte Regierung im Amt ist – Milliardensummen bereitstellt?
LAMBSDORFF: Die entscheidenden Gespräche finden zwischen der Ukraine und dem Internationalen Währungsfonds IWF statt. Wir wissen, dass der IWF seine Kredite und Bürgschaften immer an Auflagen für Wirtschaftsreformen koppelt. Mir ist wichtig, dass die Ukraine endlich das große Potenzial realisiert, das in diesem Land schlummert. Das Land ist seit 20 Jahren an und für sich an der Schwelle zum Erfolg, aber es wurde miserabel bewirtschaftet und ganz schlecht regiert – deshalb hat es den Maidan gegeben. Jetzt ist zu hoffen, dass sich die Dinge verbessern, aber die Lage im Osten bleibt sehr angespannt.
Frage: Verhandelt wird auch mit der Türkei – in diesem Fall über einen EU-Beitritt. Wie lässt sich das mit dem Handeln von Ministerpräsident Erdogan im Zuge der Korruptionsaffäre vereinbaren?
LAMBSDORFF: Für Liberale ist die Europäische Union ein politisches Projekt. Aber gerade weil die EU ein politisches Projekt ist, müssen Kriterien wie Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und die Freiheit im Internet respektiert werden. Leider ist die Entwicklung in der Türkei in den letzten Jahren so schlecht gewesen, dass es im Moment sinnlos ist, Beitrittsverhandlungen zu führen. Wir sollten die Verhandlungen aussetzen und uns auf die Felder konzentrieren, wo wir gut zusammenarbeiten können und müssen, wie zum Beispiel die Energiepolitik oder die Außenpolitik. Das würde beiden Seiten helfen.
LAMBSDORFF-Interview für den „Reutlinger General-Anzeiger“
Berlin. Der Spitzenkandidat zur Europawahl und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF gab dem „Reutlinger General-Anzeiger“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Jürgen Rahmig:
Frage: Wo wird die FDP nach dem 25. Mai stehen?
LAMBSDORFF: Hoffentlich mit einem guten Ergebnis zurück im Europaparlament, gestärkt aus dieser Wahl hervorgegangen und mit einem klaren Kurs mit Richtung Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag 2017.
Frage: Also alles positiv?
LAMBSDORFF: Nicht alles natürlich. Die FDP muss erst einmal Respekt und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, das geht nicht so schnell, das wissen wir. Aber es gibt eine Aufbruchsstimmung. Seit der Wahl sind 3500 neue Mitglieder in die FDP eingetreten, das ist schon bemerkenswert. Und wir haben einen neuen, sympathischen und erfolgreichen Vorsitzenden. Von der Spitze bis zur Basis ist also das Gefühl da, dass wir’s anpacken und das große Ziel 2017 erreichen wollen.
Frage: Die Parteizusammenschlüsse auf europäischer Ebene treten erstmals mit Spitzenkandidaten für die Wahl eines Kommissionspräsidenten an.
LAMBSDORFF: Wir wollen mehr Demokratie in Europa und bei der Europawahl muss es auch um etwas gehen, was für die Bürgerinnen und Bürger leichter zu verstehen ist. Dazu gehört es, dass man mit Spitzenkandidaten in die Wahl geht. Wir Liberalen sind mit unserer Doppelspitze aus Währungskommissar Olli Rehn – das ist unser Mister Euro – und dem langjährigen belgischen Ministerpräsidenten Guy Verhofstadt sehr gut aufgestellt.
Frage: Verschafft sich das Europaparlament damit sozusagen durch die Hintertür mehr Einfluss auf die „Regierung“, also die Kommission?
LAMBSDORFF: Da haben sie recht, das stärkt das Europäische Parlament, aber nicht durch die Hintertür. Dass der nächste Kommissionspräsident das Ergebnis der Europawahl widerspiegeln muss, steht eindeutig im EU-Vertrag.
Frage: Welche Chancen geben sie realistischerweise Herrn Verhofstadt, Herrn Rehn, welche den beiden anderen großen Bewerbern?
LAMBSDORFF: Es gibt nur drei politische Parteien, die im Europäischen Rat vertreten sind, also Regierungschefs in Europa stellen. Das sind neben den Christ- und Sozialdemokraten auch die Liberalen. Wir stellen vier EU-Regierungschefs, darunter den Premierminister der Niederlande, sodass die vier Namen, die für eine Spitzenbesetzung an der Kommission infrage kommen, Schulz, Juncker, Rehn und Verhofstadt sind. Einer von den Vieren wird es werden. Wer das aber werden wird, das kommt auf das Wahlergebnis an.
Frage: Das kommt also wirklich aufs Wahlergebnis an und nicht darauf, wie dann letztlich die Staats- und Regierungschefs entscheiden?
LAMBSDORFF: Auch die Regierungschefs, darunter die Bundeskanzlerin, haben gesagt, sie wollen mehr Demokratie in Europa. Die CDU muss jetzt Farbe bekennen: Wird das Ergebnis der Wahlentscheidung der Bürgerinnen und Bürger respektiert, oder wird man versuchen, eine krumme Tour zu machen und irgendjemanden zu nominieren, der nicht kandidiert hat? Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger wären dann zurecht wütend. Für Liberale ist klar: Es muss einer werden, der auch kandidiert hat. Die FDP wird nicht für jemanden stimmen, der im Hinterzimmer ausgekungelt wurde, sondern nur für jemanden, der sich dem demokratischen Wettstreit mit offenem Visier gestellt hat.
Frage: Anderes Thema: Das Freihandelsabkommen mit den USA. Wenn wir auf die vielen Krisen- und Konfliktherde schauen, derzeit die Ukraine und Krim, sollte da eine stärkere transatlantische Verbindung und Zusammenarbeit nicht an allererster Stelle stehen? Es gibt allerdings auch Stimmen, die wegen der NSA-Affäre gegen ein solches Abkommen sind.
LAMBSDORFF: Die NSA-Affäre dient insbesondere den Grünen und der SPD als Vorwand, um gegen ein sinnvolles, gutes und richtiges Abkommen Stimmung zu machen, das Wohlstand und Arbeitsplätze in Europa vermehrt. Es ist absolut scheinheilig, auf der einen Seite mit Krokodilstränen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu beklagen, und auf der anderen Seite ein Abkommen zu bekämpfen, das neue Jobs bringen wird. Das passt vorne und hinten nicht zusammen. Für die Liberalen ist ganz klar, so ein Abkommen macht Sinn und wir wollen es erfolgreich abschließen.
Frage: Wo liegen die Knackpunkte der Verhandlungen für dieses Abkommen?
LAMBSDORFF: Wir wollen zum einen die Zölle weiter senken, gerade für europäische Lebensmittel in den USA. Zweitens wollen wir es für unsere exportorientierten Unternehmen einfacher machen, in Amerika Fuß zu fassen, indem wir gegenseitig Testverfahren insbesondere im Maschinenbau anerkennen. Das Dritte ist, wir wollen den Zugang für europäische Produkte auf die öffentlichen Märkte der USA haben. Dort gibt es eine „Buy American“-Klausel. Wenn europäische Anbieter die besseren Produkte haben, dann sollen amerikanische Regierungsstellen aber europäische Produkte kaufen. Konkret: Wir haben in unseren Behörden oft Microsoft-Betriebssysteme installiert, dann können die Amerikaner für ihre Behörden zum Beispiel auch deutsche Autos beschaffen. Die sind definitiv besser als die amerikanischen.
Frage: Welchen Einfluss hat das Europaparlament, welchen Einfluss haben Sie als Abgeordneter dieses Parlaments auf die Ausgestaltung des Abkommens?
LAMBSDORFF: Die Kommission führt die Verhandlungen für Europa und informiert regelmäßig den dafür bei uns zuständigen Ausschuss über Knackpunkte, Inhalte und Fortschritte der Verhandlungen. Am Ende wird der gesamte Text dem Europäischen Parlament und alle Interessierten vorgelegt – jeder kann den dann lesen, wenn man das will. Anschließend werden wir entweder zustimmen, dann tritt das Abkommen in Kraft, wenn auch die Mitgliedsstaaten mitmachen, oder es ablehnen. Unsere Zustimmung ist absolut erforderlich und deswegen werden wir auch darauf achten, dass unsere Standards im Verbraucherschutz nicht abgeschwächt werden.
Frage: Wie geht es mit der Ukraine weiter? Halten Sie es für richtig, dass die EU sich jetzt so weit aus dem Fenster lehnt und – noch bevor in Kiew eine durch Wahlen legitimierte Regierung im Amt ist – Milliardensummen bereitstellt?
LAMBSDORFF: Die entscheidenden Gespräche finden zwischen der Ukraine und dem Internationalen Währungsfonds IWF statt. Wir wissen, dass der IWF seine Kredite und Bürgschaften immer an Auflagen für Wirtschaftsreformen koppelt. Mir ist wichtig, dass die Ukraine endlich das große Potenzial realisiert, das in diesem Land schlummert. Das Land ist seit 20 Jahren an und für sich an der Schwelle zum Erfolg, aber es wurde miserabel bewirtschaftet und ganz schlecht regiert – deshalb hat es den Maidan gegeben. Jetzt ist zu hoffen, dass sich die Dinge verbessern, aber die Lage im Osten bleibt sehr angespannt.
Frage: Verhandelt wird auch mit der Türkei – in diesem Fall über einen EU-Beitritt. Wie lässt sich das mit dem Handeln von Ministerpräsident Erdogan im Zuge der Korruptionsaffäre vereinbaren?
LAMBSDORFF: Für Liberale ist die Europäische Union ein politisches Projekt. Aber gerade weil die EU ein politisches Projekt ist, müssen Kriterien wie Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und die Freiheit im Internet respektiert werden. Leider ist die Entwicklung in der Türkei in den letzten Jahren so schlecht gewesen, dass es im Moment sinnlos ist, Beitrittsverhandlungen zu führen. Wir sollten die Verhandlungen aussetzen und uns auf die Felder konzentrieren, wo wir gut zusammenarbeiten können und müssen, wie zum Beispiel die Energiepolitik oder die Außenpolitik. Das würde beiden Seiten helfen.