FDP|
29.03.2014 - 11:30LINDNER-Interview für die „Rhein-Zeitung“
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Rhein-Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte RENA LEHMANN:
Frage: Wer ist Ihr Hauptgegner in der Europawahl – Konservative oder AfD?
LINDNER: Unsere Hauptgegner sind die Parteien der Großen Koalition, denn die verlassen den Stabilitätskurs in Europa. SPD und Union machen in Deutschland Rente mit 63 und wickeln die Agenda 2010 ab. Ihre Spitzenkandidaten sprechen wieder über gemeinsame Kreditaufnahme in Europa, statt die Politik auf Pump in Europa zu beenden. Diese Form von irrationaler und instabiler Politik müssen wir verhindern.
Frage: Zeigt Europa in der Krim-Krise gerade seine Stärke oder seine Schwäche?
LINDNER: Europa muss schneller und entschiedener reagieren. Es hat gedauert bis Grenzen durch wirksame Sanktionen aufgezeigt worden sind. Europa hat zudem in den vergangenen Jahren Fehler gemacht im Umgang mit Russland. Es war falsch, Putins Vorschlag für eine Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostock nicht weiter zu verfolgen. Es war auch ein Fehler, die Ukraine vor die Wahl zu stellen: Europa oder Russland.
Frage: Was würde denn ein liberaler Außenminister jetzt tun?
LINDNER: Es gab eine Tradition von Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher, trotz großer Spannungen in der neuen Ostpolitik auf Dialog zu setzen. Militärische Drohgebärden, wie sie Frau von der Leyen geäußert hat, sind damit unvereinbar. Ein liberaler Außenminister würde jetzt versuchen, die aktuellen Sanktionen mit dem Angebot neuer Gespräche über Kooperation zu verbinden. Man darf die Beziehungen nicht in eine Sackgasse führen.
Frage: Wie viel Verständnis bringen Sie für Putins Vorgehen auf?
LINDNER: Ich akzeptiere sein Vorgehen nicht. Auch nicht die Beschwichtigungen von Helmut Schmidt. Allerdings kann man Putins Motive analysieren. Eine Entspannung wird es nur geben, wenn man diese Interessen berücksichtigt. Es wäre heuchlerisch zu glauben, der Westen wäre durchgehend altruistisch. Also muss man Russland Grenzen aufzeigen, aber auch realistische Perspektiven.
Frage: Graut Ihnen eigentlich vor den langen Jahren bis zur nächsten Bundestagswahl?
LINDNER: Trotz mancher Schwierigkeit habe ich Freude an dieser Pionierarbeit. Wann gibt es die Gelegenheit, sich mit Zukunftsfragen, der Organisation und dem Denken einer Partei zu beschäftigen? Das finde ich nicht nur ich motivierend, sondern auch 3500 Bürgerinnen und Bürger, die seit der Bundestagswahl Mitglied bei uns geworden sind.
Frage: Ist die Fehleranalyse abgeschlossen?
LINDNER: Die Fehler liegen auf der Hand. Die FDP hat 2009 den Koalitionsvertrag schlecht verhandelt. Die SPD hat uns nun belehrt, wie das besser geht. Wir haben falsche Prioritäten gesetzt, die falschen Ministerien besetzt. Jetzt geht es darum, die FDP als die marktwirtschaftliche, rechtsstaatliche Partei aufzubauen. Wir müssen die Kraft für starke Wirtschaft und solide Finanzen, aber der Toleranz und der gesellschaftspolitischen Sensibilität werden.
Frage: Was ist daran neu?
LINDNER: Haben Sie die FDP denn bisher so gesehen? Im Vordergrund standen Verdächtigungen von Klientelpolitik. Da ziehe ich einen klaren Strich. Ein liberales Lebensgefühl hat nichts mit dem Beruf oder Einkommen zu tun. Wir werden uns auch nicht mehr in Abhängigkeit zu anderen Parteien definieren. Die FDP ist also unabhängiger und eigenständiger denn je. Das ist die Voraussetzung für neue Glaubwürdigkeit.
Frage: Überrascht Sie, dass die Union mit der SPD sehr viel harmonischer startet als 2009 mit der FDP?
LINDNER: Ob alle die Edathy-Affäre schon vergessen haben, wage ich zu bezweifeln. Sicher ist jedenfalls, dass die sozialdemokratisierte CDU mit den Sozialdemokraten, die sich von der Agenda 2010 gelöst haben, offensichtlich viele Gemeinsamkeiten hat. Wenn dieser Koalitionsvertrag mit nur zwei Enthaltungen des CDU-Wirtschaftsflügels abgesegnet wird, dann sagt das etwas über die Union. Sie hat sich kampflos von den Prinzipien bürgerlicher Politik verabschiedet. Umso dringender braucht es eine bürgerliche Stimme in der deutschen Politik.
Frage: Rentenpaket und der Mindestlohn kommen Umfragen zufolge gut an. Sind die Bürger kurzsichtig?
LINDNER: Ich fände eine Umfrage spannender, ob die Deutschen nicht vorziehen würden, wenn ab 2015 Altschulden getilgt werden, Sozialabgaben sinken und der Bund statt der Umverteilungspolitik in Zukunftsausgaben investiert. Das wäre ja alternativ möglich. Ich bin sicher, Millionen Deutsche würden eine solide, nachhaltige Politik vorziehen.
Frage: Beneiden Sie Grüne und Linke um ihre Rolle als kleine Opposition?
LINDNER: Es ist im Augenblick für alle schwierig, Alternativen darzustellen. Die Diskussion wird durch die internationale Politik bestimmt. Außerdem ist die Große Koalition gerade 100 Tage im Amt. Die hoffentlich nicht allzu negativen Auswirkungen ihrer Politik sind im Alltag noch nicht spürbar. Auch die Oppositionsparteien mussten sich neu aufstellen. Unsere Position für mehr Vertrauen in die Bürger statt Entscheidungen durch Politiker wird im Bundestag allerdings gar nicht mehr vertreten.
Frage: Es gibt immerhin den Wirtschaftsflügel der Union…
LINDNER: Bislang hat er nichts korrigiert. Der Umverteilungsflügel der Union und die SPD entscheiden unter sich.
LINDNER-Interview für die „Rhein-Zeitung“
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Rhein-Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte RENA LEHMANN:
Frage: Wer ist Ihr Hauptgegner in der Europawahl – Konservative oder AfD?
LINDNER: Unsere Hauptgegner sind die Parteien der Großen Koalition, denn die verlassen den Stabilitätskurs in Europa. SPD und Union machen in Deutschland Rente mit 63 und wickeln die Agenda 2010 ab. Ihre Spitzenkandidaten sprechen wieder über gemeinsame Kreditaufnahme in Europa, statt die Politik auf Pump in Europa zu beenden. Diese Form von irrationaler und instabiler Politik müssen wir verhindern.
Frage: Zeigt Europa in der Krim-Krise gerade seine Stärke oder seine Schwäche?
LINDNER: Europa muss schneller und entschiedener reagieren. Es hat gedauert bis Grenzen durch wirksame Sanktionen aufgezeigt worden sind. Europa hat zudem in den vergangenen Jahren Fehler gemacht im Umgang mit Russland. Es war falsch, Putins Vorschlag für eine Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostock nicht weiter zu verfolgen. Es war auch ein Fehler, die Ukraine vor die Wahl zu stellen: Europa oder Russland.
Frage: Was würde denn ein liberaler Außenminister jetzt tun?
LINDNER: Es gab eine Tradition von Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher, trotz großer Spannungen in der neuen Ostpolitik auf Dialog zu setzen. Militärische Drohgebärden, wie sie Frau von der Leyen geäußert hat, sind damit unvereinbar. Ein liberaler Außenminister würde jetzt versuchen, die aktuellen Sanktionen mit dem Angebot neuer Gespräche über Kooperation zu verbinden. Man darf die Beziehungen nicht in eine Sackgasse führen.
Frage: Wie viel Verständnis bringen Sie für Putins Vorgehen auf?
LINDNER: Ich akzeptiere sein Vorgehen nicht. Auch nicht die Beschwichtigungen von Helmut Schmidt. Allerdings kann man Putins Motive analysieren. Eine Entspannung wird es nur geben, wenn man diese Interessen berücksichtigt. Es wäre heuchlerisch zu glauben, der Westen wäre durchgehend altruistisch. Also muss man Russland Grenzen aufzeigen, aber auch realistische Perspektiven.
Frage: Graut Ihnen eigentlich vor den langen Jahren bis zur nächsten Bundestagswahl?
LINDNER: Trotz mancher Schwierigkeit habe ich Freude an dieser Pionierarbeit. Wann gibt es die Gelegenheit, sich mit Zukunftsfragen, der Organisation und dem Denken einer Partei zu beschäftigen? Das finde ich nicht nur ich motivierend, sondern auch 3500 Bürgerinnen und Bürger, die seit der Bundestagswahl Mitglied bei uns geworden sind.
Frage: Ist die Fehleranalyse abgeschlossen?
LINDNER: Die Fehler liegen auf der Hand. Die FDP hat 2009 den Koalitionsvertrag schlecht verhandelt. Die SPD hat uns nun belehrt, wie das besser geht. Wir haben falsche Prioritäten gesetzt, die falschen Ministerien besetzt. Jetzt geht es darum, die FDP als die marktwirtschaftliche, rechtsstaatliche Partei aufzubauen. Wir müssen die Kraft für starke Wirtschaft und solide Finanzen, aber der Toleranz und der gesellschaftspolitischen Sensibilität werden.
Frage: Was ist daran neu?
LINDNER: Haben Sie die FDP denn bisher so gesehen? Im Vordergrund standen Verdächtigungen von Klientelpolitik. Da ziehe ich einen klaren Strich. Ein liberales Lebensgefühl hat nichts mit dem Beruf oder Einkommen zu tun. Wir werden uns auch nicht mehr in Abhängigkeit zu anderen Parteien definieren. Die FDP ist also unabhängiger und eigenständiger denn je. Das ist die Voraussetzung für neue Glaubwürdigkeit.
Frage: Überrascht Sie, dass die Union mit der SPD sehr viel harmonischer startet als 2009 mit der FDP?
LINDNER: Ob alle die Edathy-Affäre schon vergessen haben, wage ich zu bezweifeln. Sicher ist jedenfalls, dass die sozialdemokratisierte CDU mit den Sozialdemokraten, die sich von der Agenda 2010 gelöst haben, offensichtlich viele Gemeinsamkeiten hat. Wenn dieser Koalitionsvertrag mit nur zwei Enthaltungen des CDU-Wirtschaftsflügels abgesegnet wird, dann sagt das etwas über die Union. Sie hat sich kampflos von den Prinzipien bürgerlicher Politik verabschiedet. Umso dringender braucht es eine bürgerliche Stimme in der deutschen Politik.
Frage: Rentenpaket und der Mindestlohn kommen Umfragen zufolge gut an. Sind die Bürger kurzsichtig?
LINDNER: Ich fände eine Umfrage spannender, ob die Deutschen nicht vorziehen würden, wenn ab 2015 Altschulden getilgt werden, Sozialabgaben sinken und der Bund statt der Umverteilungspolitik in Zukunftsausgaben investiert. Das wäre ja alternativ möglich. Ich bin sicher, Millionen Deutsche würden eine solide, nachhaltige Politik vorziehen.
Frage: Beneiden Sie Grüne und Linke um ihre Rolle als kleine Opposition?
LINDNER: Es ist im Augenblick für alle schwierig, Alternativen darzustellen. Die Diskussion wird durch die internationale Politik bestimmt. Außerdem ist die Große Koalition gerade 100 Tage im Amt. Die hoffentlich nicht allzu negativen Auswirkungen ihrer Politik sind im Alltag noch nicht spürbar. Auch die Oppositionsparteien mussten sich neu aufstellen. Unsere Position für mehr Vertrauen in die Bürger statt Entscheidungen durch Politiker wird im Bundestag allerdings gar nicht mehr vertreten.
Frage: Es gibt immerhin den Wirtschaftsflügel der Union…
LINDNER: Bislang hat er nichts korrigiert. Der Umverteilungsflügel der Union und die SPD entscheiden unter sich.