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25.03.2014 - 09:00„Enormes Zerstörungswerk für unseren Wohlstand“
FDP-Chef Christian Lindner analysiert im „Welt“-Interview die ersten 100 Tage der Großen Koalition, wagt eine GroKo-Kosten-Prognose und zieht Bilanz über den Neustart der FDP. Mit Blick auf das Rentenpaket der GroKo forderte Lindner mehr Realismus und Rücksichtnahme: Die Sozialsysteme müssten „enkelfit“ gemacht werden. Schwarz-Rot verteile stattdessen lieber Wahlgeschenke und reiche die Rechnung an die Beitragszahler weiter, kritisierte Lindner.
Lindner: Deutschland muss enkelfit werden
Es sei ein Kernanliegen der Liberalen, die Sozialsysteme der Bundesrepublik „enkelfit“ zu machen, erklärte der Liberale. Dies bedeute konkret, dass wenn die sogenannten „Babyboomer“ in Rente gingen, die Kosten nicht den kommenden Generationen aufgehalst werden dürften. Lindner wirft der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, „den drohenden Generationenkonflikt aussitzen“ zu wollen. Die sozialen Sicherungssysteme müssten dringend auf diese Mehrkosten vorbereitet werden. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) kalkuliere aktuell 160 Milliarden Euro für das Rentenpaket, diese Summe übersteige den deutschen Anteil am Griechenland-Rettungspaket, rechnete Lindner vor. „Wobei die Berechnungen der Bundesregierung die Charakteristik von ADAC-Statistiken haben, also eine gewisse Unschärferelation enthalten. Es wird also eher teurer“, so sein Fazit.
„Durch teure Wahlgeschenke wie die Rente mit 63 droht die Überstrapazierung. Gleiches beim Haushalt: Da werden 23 Milliarden Euro mehr bis 2017 ausgegeben. Davon aber nur 1,8 Milliarden für Investitionen in die Zukunft. Der Rest wird einfach verbraucht und verteilt.“ Die Kosten dieser Umverteilungspolitik lasse Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in den Sozialkassen verschwinden, monierte der FDP-Chef. Die Zeche für dieses Versteckspiel zahlten dann die Beitragszahler. „Union und SPD haben sich im Status quo bequem eingerichtet. Sie sind dabei, die wirtschaftliche Stärke dieses Landes fahrlässig zu verspielen.“
Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit in Einklang bringen
Zubaustopp bis wir uns auf ein effizientes und marktwirtschaftliches Fördersystem verständigt haben
Die Energiewende ist das Mammutprojekt der Regierung und seit langem Objekt liberaler Kritik. Lindner erklärte, dass Wirtschaftlichkeit gleichrangig mit den Klimaschutzzielen betrachtet werden müsse. "Niemand will sehen, welches enorme Zerstörungswerk für unseren Wohlstand und die Natur mit der Energiewende verbunden ist." Alle Bundestagsfraktionen orientierten sich ausschließlich an Klimaschutzzielen, nicht am ökonomisch Vertretbaren. „Wir brauchen mehr Marktwirtschaft statt Dauersubventionen, und zwar sofort“, forderte er. Darüber hinaus sei „eine europäische Konzeption statt des deutschen Provinzialismus“ geboten. Lindner sprach sich für mehr Realismus in der Debatte aus: „Es ist naiv zu glauben, man könne gleichzeitig aus Kernenergie, Gas und Kohle aussteigen.“
Harte Arbeit für die liberale Neuaufrichtung
Zum Neustart der FDP erklärte Lindner: „Wir haben zunächst das Fundament gefestigt, jetzt geht es an die Neuaufrichtung.“ Die Liberalen seien im Wandel begriffen, jedoch verfolgten sie einen klaren Kurs: „Für eine starke Wirtschaft und solide Finanzen, aber in Verbindung mit Bürgerrechten und gesellschaftspolitischer Sensibilität.“ Dieses Profil müssten sich die Liberalen vollständig neu aufbauen. „Auf dem Weg dahin machen wir in der außerparlamentarischen Opposition jetzt das, was wir auch dem Staat empfehlen: mit weniger Geld auskommen, auf Kernaufgaben konzentrieren und effektiver werden.“ Das Ziel der FDP bleibe es, bei den kommenden Bundestagswahlen 2017 wieder ins Parlament einzuziehen und den bürgerlichen Wählern so wieder eine Stimme zu geben, betonte Lindner. „Harte Arbeit und eine Phase der Erneuerung liegen vor uns.“
Ein guter Plan und gute Nerven
Das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit, die die Liberalen eingebüßt hätten, könnten nicht innerhalb von 100 Tagen wieder aufgebaut werden, stellte der FDP-Chef klar. Dafür bedürfe es eines Plans und guter Nerven. Es sei jedoch ein ermutigendes Signal, dass sich seit dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag 3500 Menschen dafür entschieden hätten, FDP-Mitglied zu werden. Die Europawahl am 25. Mai sei für die Bürger die Chance, durch ein Kreuzchen für die Liberalen „eine Botschaft für solide Finanzen nach Europa und an die Große Koalition“ zu senden, betonte Lindner.
Union und SPD seien dabei, die deutsche Stabilitätspolitik zu verraten, kritisierte der Liberale. „Das droht jetzt auch Europa.“ Sowohl die europäischen Christdemokraten als auch die Sozialdemokraten plädierten unisono für Euro-Bonds. Dem stelle sich die FDP konsequent entgegen. „Mit unserem Spitzenkandidaten Alexander Graf Lambsdorff ist eine neue Akzentsetzung der FDP verbunden: Wir wollen Europa als Freiheitsordnung, aber keine paternalistische Superbehörde in Brüssel.“ Die EU brauche eine „Inventur der Integration“, eine kritische Bestandsaufnahme unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips. Weder Zentralismus von links noch Romantik des Nationalstaats von rechts, sondern einen Realismus, der Chancen und Fehler benenne, sei das Gebot der Stunde. „Es darf kein Tabu sein, Kompetenzen auch wieder zurück in die nationale Hand zu holen“, fordert Lindner.
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FDP-Chef Christian Lindner analysiert im „Welt“-Interview [1] die ersten 100 Tage der Großen Koalition, wagt eine GroKo-Kosten-Prognose und zieht Bilanz über den Neustart der FDP. Mit Blick auf das Rentenpaket der GroKo forderte Lindner mehr Realismus und Rücksichtnahme: Die Sozialsysteme müssten „enkelfit“ gemacht werden. Schwarz-Rot verteile stattdessen lieber Wahlgeschenke und reiche die Rechnung an die Beitragszahler weiter, kritisierte Lindner.
Lindner: Deutschland muss enkelfit werden
Es sei ein Kernanliegen der Liberalen, die Sozialsysteme der Bundesrepublik „enkelfit“ zu machen, erklärte der Liberale. Dies bedeute konkret, dass wenn die sogenannten „Babyboomer“ in Rente gingen, die Kosten nicht den kommenden Generationen aufgehalst werden dürften. Lindner wirft der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, „den drohenden Generationenkonflikt aussitzen“ zu wollen. Die sozialen Sicherungssysteme müssten dringend auf diese Mehrkosten vorbereitet werden. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) kalkuliere aktuell 160 Milliarden Euro für das Rentenpaket, diese Summe übersteige den deutschen Anteil am Griechenland-Rettungspaket, rechnete Lindner vor. „Wobei die Berechnungen der Bundesregierung die Charakteristik von ADAC-Statistiken haben, also eine gewisse Unschärferelation enthalten. Es wird also eher teurer“, so sein Fazit.
„Durch teure Wahlgeschenke wie die Rente mit 63 droht die Überstrapazierung. Gleiches beim Haushalt: Da werden 23 Milliarden Euro mehr bis 2017 ausgegeben. Davon aber nur 1,8 Milliarden für Investitionen in die Zukunft. Der Rest wird einfach verbraucht und verteilt.“ Die Kosten dieser Umverteilungspolitik lasse Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in den Sozialkassen verschwinden, monierte der FDP-Chef. Die Zeche für dieses Versteckspiel zahlten dann die Beitragszahler. „Union und SPD haben sich im Status quo bequem eingerichtet. Sie sind dabei, die wirtschaftliche Stärke dieses Landes fahrlässig zu verspielen.“
Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit in Einklang bringen
Zubaustopp bis wir uns auf ein effizientes und marktwirtschaftliches Fördersystem verständigt haben
Die Energiewende ist das Mammutprojekt der Regierung und seit langem Objekt liberaler Kritik. Lindner erklärte, dass Wirtschaftlichkeit gleichrangig mit den Klimaschutzzielen betrachtet werden müsse. "Niemand will sehen, welches enorme Zerstörungswerk für unseren Wohlstand und die Natur mit der Energiewende verbunden ist." Alle Bundestagsfraktionen orientierten sich ausschließlich an Klimaschutzzielen, nicht am ökonomisch Vertretbaren. „Wir brauchen mehr Marktwirtschaft statt Dauersubventionen, und zwar sofort“, forderte er. Darüber hinaus sei „eine europäische Konzeption statt des deutschen Provinzialismus“ geboten. Lindner sprach sich für mehr Realismus in der Debatte aus: „Es ist naiv zu glauben, man könne gleichzeitig aus Kernenergie, Gas und Kohle aussteigen.“
Harte Arbeit für die liberale Neuaufrichtung
Zum Neustart der FDP erklärte Lindner: „Wir haben zunächst das Fundament gefestigt, jetzt geht es an die Neuaufrichtung.“ Die Liberalen seien im Wandel begriffen, jedoch verfolgten sie einen klaren Kurs: „Für eine starke Wirtschaft und solide Finanzen, aber in Verbindung mit Bürgerrechten und gesellschaftspolitischer Sensibilität.“ Dieses Profil müssten sich die Liberalen vollständig neu aufbauen. „Auf dem Weg dahin machen wir in der außerparlamentarischen Opposition jetzt das, was wir auch dem Staat empfehlen: mit weniger Geld auskommen, auf Kernaufgaben konzentrieren und effektiver werden.“ Das Ziel der FDP bleibe es, bei den kommenden Bundestagswahlen 2017 wieder ins Parlament einzuziehen und den bürgerlichen Wählern so wieder eine Stimme zu geben, betonte Lindner. „Harte Arbeit und eine Phase der Erneuerung liegen vor uns.“
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Das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit, die die Liberalen eingebüßt hätten, könnten nicht innerhalb von 100 Tagen wieder aufgebaut werden, stellte der FDP-Chef klar. Dafür bedürfe es eines Plans und guter Nerven. Es sei jedoch ein ermutigendes Signal, dass sich seit dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag 3500 Menschen dafür entschieden hätten, FDP-Mitglied zu werden. Die Europawahl am 25. Mai sei für die Bürger die Chance, durch ein Kreuzchen für die Liberalen „eine Botschaft für solide Finanzen nach Europa und an die Große Koalition“ zu senden, betonte Lindner.
Union und SPD seien dabei, die deutsche Stabilitätspolitik zu verraten, kritisierte der Liberale. „Das droht jetzt auch Europa.“ Sowohl die europäischen Christdemokraten als auch die Sozialdemokraten plädierten unisono für Euro-Bonds. Dem stelle sich die FDP konsequent entgegen. „Mit unserem Spitzenkandidaten Alexander Graf Lambsdorff ist eine neue Akzentsetzung der FDP verbunden: Wir wollen Europa als Freiheitsordnung, aber keine paternalistische Superbehörde in Brüssel.“ Die EU brauche eine „Inventur der Integration“, eine kritische Bestandsaufnahme unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips. Weder Zentralismus von links noch Romantik des Nationalstaats von rechts, sondern einen Realismus, der Chancen und Fehler benenne, sei das Gebot der Stunde. „Es darf kein Tabu sein, Kompetenzen auch wieder zurück in die nationale Hand zu holen“, fordert Lindner.
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