FDP|
04.03.2014 - 10:30LINDNER-Gastbeitrag für das „Handelsblatt“
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER schrieb für das „Handelsblatt“ (Dienstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
Michael Vassiliadis hat einen energiepolitischen Befreiungsschlag versucht. Der Vorsitzende der IG BCE hat vorgeschlagen, die deutschen Steinkohlekraftwerke in eine zentrale Gesellschaft zu überführen.
Diesen Debattenbeitrag sollte die Bundesregierung ernst nehmen. Er ist ein neuerlicher Beleg, wie weit die Energiepolitik inzwischen außer Kontrolle geraten ist. Die Energiekosten steigen für die Verbraucher, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft wird beschädigt. Der Weckruf von Vassiliadis, einem weitsichtigen Insider, macht nun deutlich: Auch die Energiewirtschaft selbst gerät zunehmend unter Druck, weil ihre Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren. Dem konkreten Vorschlag der IG BCE sollten wir aber nicht folgen.
Bis auf die Grünen haben alle verstanden, dass Deutschland nicht zeitgleich aus Kernenergie und konventioneller Energieerzeugung aussteigen kann. Auch in zwanzig Jahren müssen 40 bis 45 Prozent des Energieverbrauchs durch konventionelle Erzeugung gedeckt werden. Unser Land benötigt in Zukunft weiter gesicherte und bezahlbare Kapazitäten.
Die Übersubventionierung und vorrangige Einspeisung erneuerbarer Energien treibt allerdings die Preise für die Verbraucher nach oben und die Rentabilität von konventionellen Kraftwerken nach unten. Das gilt ganz besonders für Kraftwerke, die nicht im Grundlastbetrieb laufen, sondern flexibel zu- und abgeschaltet werden. Zu Recht sorgt sich Michael Vassiliadis also besonders um die Arbeitsplätze in den Steinkohlekraftwerken.
Er schlägt vor, eine Art Kartell nach dem Vorbild der „Ruhrkohle AG“ zu schaffen: Damals wurden defizitäre Zechen gepoolt, heute sollen es defizitäre Kraftwerke sein. Dieses Kartell könnte dann höhere Preise durchsetzen, um die Rentabilität zu erhöhen. Oder es könnte Verluste vom Staat mit Steuergeldern ausgleichen lassen. Die Fehler bei der Subventionierung des Bergbaus sollte der Staat jetzt nicht wiederholen.
Aus Sicht der Betreiber von Steinkohlekraftwerken mag der Vorschlag des IG-BCE-Vorsitzenden nachvollziehbar sein. Marktmechanismen funktionieren derzeit im Energiebereich nicht, denn die Erneuerbaren sind leider unverändert dem Wettbewerb entzogen. Nun auch die konventionelle Energieerzeugung vom Wettbewerb zu befreien erscheint zunächst konsequent. Allerdings dürfte ein solches Vorgehen volkswirtschaftlich schädlich und extrem teuer sein. Es würde eine energiepolitische Planwirtschaft weiter zementieren.
Ein für alle Beteiligten besserer Weg muss in die entgegengesetzte Richtung führen: nicht weniger Wettbewerb bei der konventionellen Energieerzeugung, sondern mehr Wettbewerb bei den Erneuerbaren:
Erstens muss die ungebremste Dauersubventionierung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gestoppt werden – umgehend! Die Expertenkommission Forschung und Innovation hat jüngst bestätigt: Das EEG bringt weder etwas für den Klimaschutz noch für den technischen Fortschritt. Dafür gefährdet es Arbeitsplätze und Wohlstand.
Zweitens benötigen wir ein Konzept für die Zukunft des konventionellen Kraftwerkparks. Die grüne Verhinderungspolitik beim Aus- und Neubau konventioneller Kraftwerke ist ein Anschlag auf die Versorgungssicherheit. Damit die konventionellen Kapazitäten rentabel sind, wird man auf mittlere Sicht neue Vergütungssysteme benötigen. Sie sollten die Möglichkeiten von Markt und Wettbewerb nutzen, wie es etwa Ausschreibungsmodelle tun.
Drittens muss ein europäischer Energie-Binnenmarkt verwirklicht werden. Die nationalen Teilmärkte sind nach wie vor weitgehend voneinander abgeschottet. Eine Öffnung der Märkte würde dazu führen, dass die Kosten für die Verbraucher durch Wettbewerbsdruck auf die Versorger unter Kontrolle bleiben. Der Ausbau der Netz-Kuppelstellen zwischen den Mitgliedstaaten und der entsprechenden Leitungen sollte dazu forciert werden. Energie muss dort produziert werden, wo es am effizientesten und umweltfreundlichsten ist: etwa Wasserkraft in Skandinavien, Solarenergie in Südeuropa, Windkraft an den Küsten und konventionelle Energie in den hochmodernen Kraftwerken in Deutschland.
Unsere energiepolitische Zukunft liegt in Europa.
LINDNER-Gastbeitrag für das „Handelsblatt“
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER schrieb für das „Handelsblatt“ (Dienstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
Michael Vassiliadis hat einen energiepolitischen Befreiungsschlag versucht. Der Vorsitzende der IG BCE hat vorgeschlagen, die deutschen Steinkohlekraftwerke in eine zentrale Gesellschaft zu überführen.
Diesen Debattenbeitrag sollte die Bundesregierung ernst nehmen. Er ist ein neuerlicher Beleg, wie weit die Energiepolitik inzwischen außer Kontrolle geraten ist. Die Energiekosten steigen für die Verbraucher, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft wird beschädigt. Der Weckruf von Vassiliadis, einem weitsichtigen Insider, macht nun deutlich: Auch die Energiewirtschaft selbst gerät zunehmend unter Druck, weil ihre Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren. Dem konkreten Vorschlag der IG BCE sollten wir aber nicht folgen.
Bis auf die Grünen haben alle verstanden, dass Deutschland nicht zeitgleich aus Kernenergie und konventioneller Energieerzeugung aussteigen kann. Auch in zwanzig Jahren müssen 40 bis 45 Prozent des Energieverbrauchs durch konventionelle Erzeugung gedeckt werden. Unser Land benötigt in Zukunft weiter gesicherte und bezahlbare Kapazitäten.
Die Übersubventionierung und vorrangige Einspeisung erneuerbarer Energien treibt allerdings die Preise für die Verbraucher nach oben und die Rentabilität von konventionellen Kraftwerken nach unten. Das gilt ganz besonders für Kraftwerke, die nicht im Grundlastbetrieb laufen, sondern flexibel zu- und abgeschaltet werden. Zu Recht sorgt sich Michael Vassiliadis also besonders um die Arbeitsplätze in den Steinkohlekraftwerken.
Er schlägt vor, eine Art Kartell nach dem Vorbild der „Ruhrkohle AG“ zu schaffen: Damals wurden defizitäre Zechen gepoolt, heute sollen es defizitäre Kraftwerke sein. Dieses Kartell könnte dann höhere Preise durchsetzen, um die Rentabilität zu erhöhen. Oder es könnte Verluste vom Staat mit Steuergeldern ausgleichen lassen. Die Fehler bei der Subventionierung des Bergbaus sollte der Staat jetzt nicht wiederholen.
Aus Sicht der Betreiber von Steinkohlekraftwerken mag der Vorschlag des IG-BCE-Vorsitzenden nachvollziehbar sein. Marktmechanismen funktionieren derzeit im Energiebereich nicht, denn die Erneuerbaren sind leider unverändert dem Wettbewerb entzogen. Nun auch die konventionelle Energieerzeugung vom Wettbewerb zu befreien erscheint zunächst konsequent. Allerdings dürfte ein solches Vorgehen volkswirtschaftlich schädlich und extrem teuer sein. Es würde eine energiepolitische Planwirtschaft weiter zementieren.
Ein für alle Beteiligten besserer Weg muss in die entgegengesetzte Richtung führen: nicht weniger Wettbewerb bei der konventionellen Energieerzeugung, sondern mehr Wettbewerb bei den Erneuerbaren:
Erstens muss die ungebremste Dauersubventionierung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gestoppt werden – umgehend! Die Expertenkommission Forschung und Innovation hat jüngst bestätigt: Das EEG bringt weder etwas für den Klimaschutz noch für den technischen Fortschritt. Dafür gefährdet es Arbeitsplätze und Wohlstand.
Zweitens benötigen wir ein Konzept für die Zukunft des konventionellen Kraftwerkparks. Die grüne Verhinderungspolitik beim Aus- und Neubau konventioneller Kraftwerke ist ein Anschlag auf die Versorgungssicherheit. Damit die konventionellen Kapazitäten rentabel sind, wird man auf mittlere Sicht neue Vergütungssysteme benötigen. Sie sollten die Möglichkeiten von Markt und Wettbewerb nutzen, wie es etwa Ausschreibungsmodelle tun.
Drittens muss ein europäischer Energie-Binnenmarkt verwirklicht werden. Die nationalen Teilmärkte sind nach wie vor weitgehend voneinander abgeschottet. Eine Öffnung der Märkte würde dazu führen, dass die Kosten für die Verbraucher durch Wettbewerbsdruck auf die Versorger unter Kontrolle bleiben. Der Ausbau der Netz-Kuppelstellen zwischen den Mitgliedstaaten und der entsprechenden Leitungen sollte dazu forciert werden. Energie muss dort produziert werden, wo es am effizientesten und umweltfreundlichsten ist: etwa Wasserkraft in Skandinavien, Solarenergie in Südeuropa, Windkraft an den Küsten und konventionelle Energie in den hochmodernen Kraftwerken in Deutschland.
Unsere energiepolitische Zukunft liegt in Europa.