FDP|
04.01.2014 - 12:45LINDNER-Interview für „Die Welt“
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab „Die Welt“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Thorsten Jungholt und Ulf Poschardt:
Frage: Wie viele Plätze hat das Staatstheater, Herr Lindner?
Lindner: Es wird den mehreren Hundert Bürgerinnen und Bürgern, die unsere traditionelle Kundgebung zu Dreikönig besuchen wollen, ausreichend Platz bieten.
Frage: Bekommen Sie die Ränge voll – jetzt, da die FDP nicht mehr im Bundestag vertreten ist, sondern in der außerparlamentarischen Opposition um Wahrnehmung ringt?
Lindner: Ich bin sicher: Wir werden ein ordentlich gefülltes Haus haben. Allein an der Zahl der rund 2000 Neueintritte seit der Bundestagswahl zeigt sich, dass bei vielen Menschen das Gefühl wächst: Es gibt eine Lücke im Parlament. Es fehlt eine Kraft, die zuerst der Eigenverantwortung der Bürger eine Chance gibt, bevor nach dem Staat gerufen wird. Das ist unsere Haltung. Und deshalb sind wir für Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit und Toleranz.
Frage: Neue Mitglieder sind ein besonderes Gut. Wie verhindern Sie, dass die vom allgemeinen Frust in der FDP infiziert werden und gleich wieder die Lust verlieren?
Lindner: Der Eindruck, dass in der FDP viele Frust schieben, ist falsch. Wir haben auf unserem Parteitag in einer seltenen Offenheit Selbstkritik geübt. Wir haben uns der Niederlage gestellt. Das hat der Partei ihre Selbstachtung zurückgegeben. Die Trauerarbeit ist beendet, wir sind beim Wiederaufbau. Und dabei eröffnen sich den neuen Mitgliedern, die ja anpacken wollen, viele Mitwirkungsmöglichkeiten.
Frage: Eine aktuelle Umfrage sieht Ihre Partei erstmals seit der Bundestagswahl wieder bei fünf Prozent. Wie wichtig sind Ihnen diese Momentaufnahmen?
Lindner: Ich freue mich über jedes positive Zwischenergebnis in Umfragen und auch bei den anstehenden Wahlen. Aber unser großes Ziel ist die Bundestagswahl 2017. Bis dahin wird es gute wie schlechte Nachrichten geben. Wichtig ist es, auf diesem langen Weg immer wieder zu belegen, warum eine Partei wie die FDP gebraucht wird. Das wird doch jetzt schon deutlich. Die Energiepreise steigen, und niemand in der Regierung sagt, wie er das ändern will. Statt die Rentenbeiträge wie gesetzlich vorgeschrieben zu senken, werden mit dem Geld Wahlgeschenke auf Kosten der Beitragszahler finanziert. Der US-Geheimdienst NSA durchsucht deutsche Festplatten. Wo sind der Generalbundesanwalt, der Justizminister und die oberste deutsche Datenschutzbeauftragte – die Frau Bundeskanzlerin –, die unseren Grundrechten Geltung verschaffen? All das zeigt: Wir haben allen Grund, die FDP wieder erfolgreich zu machen.
Frage: In diesem Jahr stehen zehn Kommunal-, drei Landtags- und eine Europawahl an. Welches Ergebnis wäre ein Erfolg?
Lindner: Ich nenne keine Ziffern. Wir wollen überall respektabel abschneiden. Gerade bei der Europawahl ist es mir wichtig, dass die FDP mit einer klaren Haltung erkennbar ist.
Frage: Die wie aussieht?
Lindner: Wir wollen Europa, weil wir unseren Wohlstand und unseren Lebensstil angesichts der dramatischen Verschiebungen in der Welt nur gemeinsam verteidigen können. Aber Europa muss an seinen Strukturproblemen arbeiten, um Zukunft zu haben. Zum Beispiel an der Intransparenz und teilweise undemokratischen Art der Entscheidungsfindung. Oder an seiner kleinteiligen Bürokratie: Aus Brüssel hört man zu viel über Olivenölkännchen, die den Restaurants verboten werden sollen. Aber wir hören zu wenig über eine gemeinsame Energiepolitik, über die Verteidigung unserer Privatheit in Zeiten der Datensammelei. Wir brauchen also ein Europa, das bei den großen Fragen mehr Handlungsfähigkeit hat. Das es aber nicht als Tabu betrachtet, wenn Kompetenzen aus der EU zurückgegeben werden an die nationalen Parlamente oder die Bürger vor Ort.
Frage: Die FDP hat die Eurorettungspolitik vier Jahre mitgestaltet. Bleibt es dabei?
Lindner: Wir stehen unverändert für eine stabilitätsorientierte Politik in der Währungszone. Das allerdings kann man von der Bundesregierung nicht mehr sagen. CDU und CSU unterstützen eine Bankenunion, durch die am Ende auch einzelne Banken aus den Rettungsschirmen finanziert werden können. Deutsche Sparer können irgendwann in Anspruch genommen werden für die Stabilisierung spanischer Sparkassen. Die große Koalition führt also quasi durch die Hintertür eine Transferunion ein – dagegen hat sich die FDP vier Jahre gewehrt. Wir wollen zur finanzpolitischen Eigenverantwortung jedes Euro-Staats zurück. Irgendwann müssen die Rettungsschirme eingeklappt werden.
Frage: Mit welchem Spitzenkandidaten werden die Liberalen in die Wahl ziehen?
Lindner: Den werden wir am 19. Januar auf unserem Europaparteitag wählen. Wir haben eine Reihe von sehr qualifizierten Leuten, ich denke da an Alexander Graf Lambsdorff, Michael Theurer und Gesine Meißner.
Frage: Wer ist ihr Favorit für den Posten?
Lindner: Ich habe die drei Namen in einer sehr bewussten Reihenfolge genannt. Mein Landesverband NRW hat Alexander Graf Lambsdorff nominiert. Sein Name zeigt an, wofür er und die FDP stehen: Ein marktwirtschaftliches, bürgernahes Europa. Kurz gesagt: Mehr Lambsdorff tut Europa gut.
Frage: Noch vor den Europawahlen am 25. Mai wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob die Drei-Prozent-Sperrklausel mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Geklagt haben kleinere Parteien, zu denen Sie ja jetzt auch gehören. Haben Sie Sympathie für diesen Vorstoß?
Lindner: Bei allem Respekt: Ich sehe die FDP nicht auf einer Ebene mit der Familienpartei. Die FDP hat 104 Abgeordnete in Landtagen und Europa, wir haben gut 5.000 kommunale Mandatsträger und über 57.000 Mitglieder. Also beteilige ich mich an dieser Diskussion nicht.
Frage: Sie fürchten die Drei-Prozent-Hürde also nicht?
Lindner: Wir wollen so stark wie möglich werden. Wir wollen vor allem verhindern, dass die Bürgerinnen und Bürger rückwärtsgewandten Gruppierungen auf den Leim gehen. Ob Le Pen in Frankreich, die Ukip in Großbritannien oder die AfD in Deutschland: Das ist alles eine Suppe. Diese Parteien surfen auf den Sorgen der Menschen vor der Schuldenkrise. Aber sie haben keine Lösungen, die politisch oder ökonomisch verantwortbar wären. Wir wollen zeigen: Es gibt, im wahren Sinne des Wortes, eine Alternative für Deutschland zur Politik der großen Koalition: Das ist die FDP.
Frage: Die AfD ist derzeit mit innerparteilichen Grabenkämpfen beschäftigt. Empfinden Sie Genugtuung? Immerhin hat Ihnen die Partei 450.000 Wählerstimmen abgenommen.
Lindner: Die Grabenkämpfe überlasse ich denen. Nur so viel: Der Chef der AfD, Bernd Lucke, hat ja einmal öffentlich von einer „Entartung“ der Demokratie in Deutschland gesprochen. Wenn jemand dieses Vokabular benutzt, mangelt es ihm an politischer Sensibilität oder er will in trüben Gewässern fischen. Das ist jedenfalls keine bürgerliche Gesinnung. Wir werden die mit ökonomischen Argumenten stellen. Denn wer aus ideologischen Gründen neue Turbulenzen in Europa provozieren will, obwohl mit Irland der erste Staat den Rettungsschirm verlassen hat, schadet den Interessen der deutschen Sparer und Steuerzahler.
Frage: Wie wollen Sie jene Wähler, die zur AfD gewechselt sind, zurückholen?
Lindner: Wir werben nicht um die Wähler einer einzelnen Partei, sondern um alle liberal denkenden Menschen. Ich verstehe manche Enttäuschung und auch das Ziel vieler Wähler, in der FDP einen Neuanfang zu erzwingen. Daraus haben wir Konsequenzen gezogen.
Frage: In den Niederlanden und Luxemburg regieren liberale Ministerpräsidenten, in Österreich hat mit den Neos eine ganz neue liberale Partei den Einzug in das Parlament geschafft. Was kann die FDP von diesen Parteien lernen?
Lindner: Ich stehe in engem Austausch mit meinen liberalen Kollegen Nick Clegg, dem britischen Vize-Premier, Mark Rutte, dem niederländischen Ministerpräsidenten, und Olli Rehn, dem finnischen Vizepräsidenten der EU-Kommission. Wir setzen uns in Europa gemeinsam für mehr Subsidiarität und Solidität ein. Für unser Profil kann man lernen, dass unsere Schwesterparteien in Europa als Reformkräfte erfolgreich sind. Eine liberale Partei wird als Avantgarde gebraucht, nicht als konservative Bewacherin des Status Quo. Eine seriöse Reformpartei, die offensiv die Zukunftsaufgaben angeht – so sehe ich auch die FDP.
Frage: Wie lautet die liberale Antwort auf die aktuell heiß diskutierte Frage der Zuwanderung in die Sozialsysteme durch die Freizügigkeit für Rumänen und Bulgaren?
Lindner: Wir stehen vor einem Fachkräftemangel. Statt solcher Parolen ist eine Willkommenskultur nötig. Wir werden qualifizierte Zuwanderer brauchen, um unseren Wohlstand zu sichern. Die Einwanderung nur in das Sozialsystem ist nach europäischem Recht schon jetzt ausgeschlossen. Das kann hierzulande vollzogen werden. Für das Gebell der CSU gibt es also nur zwei Motive: Entweder will die CSU wie die AfD die Stammtische bedienen. Oder sie kennt die Rechtslage nicht. Beides spricht nicht für die Seriosität dieser Partei.
LINDNER-Interview für „Die Welt“
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab „Die Welt“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Thorsten Jungholt und Ulf Poschardt:
Frage: Wie viele Plätze hat das Staatstheater, Herr Lindner?
Lindner: Es wird den mehreren Hundert Bürgerinnen und Bürgern, die unsere traditionelle Kundgebung zu Dreikönig besuchen wollen, ausreichend Platz bieten.
Frage: Bekommen Sie die Ränge voll – jetzt, da die FDP nicht mehr im Bundestag vertreten ist, sondern in der außerparlamentarischen Opposition um Wahrnehmung ringt?
Lindner: Ich bin sicher: Wir werden ein ordentlich gefülltes Haus haben. Allein an der Zahl der rund 2000 Neueintritte seit der Bundestagswahl zeigt sich, dass bei vielen Menschen das Gefühl wächst: Es gibt eine Lücke im Parlament. Es fehlt eine Kraft, die zuerst der Eigenverantwortung der Bürger eine Chance gibt, bevor nach dem Staat gerufen wird. Das ist unsere Haltung. Und deshalb sind wir für Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit und Toleranz.
Frage: Neue Mitglieder sind ein besonderes Gut. Wie verhindern Sie, dass die vom allgemeinen Frust in der FDP infiziert werden und gleich wieder die Lust verlieren?
Lindner: Der Eindruck, dass in der FDP viele Frust schieben, ist falsch. Wir haben auf unserem Parteitag in einer seltenen Offenheit Selbstkritik geübt. Wir haben uns der Niederlage gestellt. Das hat der Partei ihre Selbstachtung zurückgegeben. Die Trauerarbeit ist beendet, wir sind beim Wiederaufbau. Und dabei eröffnen sich den neuen Mitgliedern, die ja anpacken wollen, viele Mitwirkungsmöglichkeiten.
Frage: Eine aktuelle Umfrage sieht Ihre Partei erstmals seit der Bundestagswahl wieder bei fünf Prozent. Wie wichtig sind Ihnen diese Momentaufnahmen?
Lindner: Ich freue mich über jedes positive Zwischenergebnis in Umfragen und auch bei den anstehenden Wahlen. Aber unser großes Ziel ist die Bundestagswahl 2017. Bis dahin wird es gute wie schlechte Nachrichten geben. Wichtig ist es, auf diesem langen Weg immer wieder zu belegen, warum eine Partei wie die FDP gebraucht wird. Das wird doch jetzt schon deutlich. Die Energiepreise steigen, und niemand in der Regierung sagt, wie er das ändern will. Statt die Rentenbeiträge wie gesetzlich vorgeschrieben zu senken, werden mit dem Geld Wahlgeschenke auf Kosten der Beitragszahler finanziert. Der US-Geheimdienst NSA durchsucht deutsche Festplatten. Wo sind der Generalbundesanwalt, der Justizminister und die oberste deutsche Datenschutzbeauftragte – die Frau Bundeskanzlerin –, die unseren Grundrechten Geltung verschaffen? All das zeigt: Wir haben allen Grund, die FDP wieder erfolgreich zu machen.
Frage: In diesem Jahr stehen zehn Kommunal-, drei Landtags- und eine Europawahl an. Welches Ergebnis wäre ein Erfolg?
Lindner: Ich nenne keine Ziffern. Wir wollen überall respektabel abschneiden. Gerade bei der Europawahl ist es mir wichtig, dass die FDP mit einer klaren Haltung erkennbar ist.
Frage: Die wie aussieht?
Lindner: Wir wollen Europa, weil wir unseren Wohlstand und unseren Lebensstil angesichts der dramatischen Verschiebungen in der Welt nur gemeinsam verteidigen können. Aber Europa muss an seinen Strukturproblemen arbeiten, um Zukunft zu haben. Zum Beispiel an der Intransparenz und teilweise undemokratischen Art der Entscheidungsfindung. Oder an seiner kleinteiligen Bürokratie: Aus Brüssel hört man zu viel über Olivenölkännchen, die den Restaurants verboten werden sollen. Aber wir hören zu wenig über eine gemeinsame Energiepolitik, über die Verteidigung unserer Privatheit in Zeiten der Datensammelei. Wir brauchen also ein Europa, das bei den großen Fragen mehr Handlungsfähigkeit hat. Das es aber nicht als Tabu betrachtet, wenn Kompetenzen aus der EU zurückgegeben werden an die nationalen Parlamente oder die Bürger vor Ort.
Frage: Die FDP hat die Eurorettungspolitik vier Jahre mitgestaltet. Bleibt es dabei?
Lindner: Wir stehen unverändert für eine stabilitätsorientierte Politik in der Währungszone. Das allerdings kann man von der Bundesregierung nicht mehr sagen. CDU und CSU unterstützen eine Bankenunion, durch die am Ende auch einzelne Banken aus den Rettungsschirmen finanziert werden können. Deutsche Sparer können irgendwann in Anspruch genommen werden für die Stabilisierung spanischer Sparkassen. Die große Koalition führt also quasi durch die Hintertür eine Transferunion ein – dagegen hat sich die FDP vier Jahre gewehrt. Wir wollen zur finanzpolitischen Eigenverantwortung jedes Euro-Staats zurück. Irgendwann müssen die Rettungsschirme eingeklappt werden.
Frage: Mit welchem Spitzenkandidaten werden die Liberalen in die Wahl ziehen?
Lindner: Den werden wir am 19. Januar auf unserem Europaparteitag wählen. Wir haben eine Reihe von sehr qualifizierten Leuten, ich denke da an Alexander Graf Lambsdorff, Michael Theurer und Gesine Meißner.
Frage: Wer ist ihr Favorit für den Posten?
Lindner: Ich habe die drei Namen in einer sehr bewussten Reihenfolge genannt. Mein Landesverband NRW hat Alexander Graf Lambsdorff nominiert. Sein Name zeigt an, wofür er und die FDP stehen: Ein marktwirtschaftliches, bürgernahes Europa. Kurz gesagt: Mehr Lambsdorff tut Europa gut.
Frage: Noch vor den Europawahlen am 25. Mai wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob die Drei-Prozent-Sperrklausel mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Geklagt haben kleinere Parteien, zu denen Sie ja jetzt auch gehören. Haben Sie Sympathie für diesen Vorstoß?
Lindner: Bei allem Respekt: Ich sehe die FDP nicht auf einer Ebene mit der Familienpartei. Die FDP hat 104 Abgeordnete in Landtagen und Europa, wir haben gut 5.000 kommunale Mandatsträger und über 57.000 Mitglieder. Also beteilige ich mich an dieser Diskussion nicht.
Frage: Sie fürchten die Drei-Prozent-Hürde also nicht?
Lindner: Wir wollen so stark wie möglich werden. Wir wollen vor allem verhindern, dass die Bürgerinnen und Bürger rückwärtsgewandten Gruppierungen auf den Leim gehen. Ob Le Pen in Frankreich, die Ukip in Großbritannien oder die AfD in Deutschland: Das ist alles eine Suppe. Diese Parteien surfen auf den Sorgen der Menschen vor der Schuldenkrise. Aber sie haben keine Lösungen, die politisch oder ökonomisch verantwortbar wären. Wir wollen zeigen: Es gibt, im wahren Sinne des Wortes, eine Alternative für Deutschland zur Politik der großen Koalition: Das ist die FDP.
Frage: Die AfD ist derzeit mit innerparteilichen Grabenkämpfen beschäftigt. Empfinden Sie Genugtuung? Immerhin hat Ihnen die Partei 450.000 Wählerstimmen abgenommen.
Lindner: Die Grabenkämpfe überlasse ich denen. Nur so viel: Der Chef der AfD, Bernd Lucke, hat ja einmal öffentlich von einer „Entartung“ der Demokratie in Deutschland gesprochen. Wenn jemand dieses Vokabular benutzt, mangelt es ihm an politischer Sensibilität oder er will in trüben Gewässern fischen. Das ist jedenfalls keine bürgerliche Gesinnung. Wir werden die mit ökonomischen Argumenten stellen. Denn wer aus ideologischen Gründen neue Turbulenzen in Europa provozieren will, obwohl mit Irland der erste Staat den Rettungsschirm verlassen hat, schadet den Interessen der deutschen Sparer und Steuerzahler.
Frage: Wie wollen Sie jene Wähler, die zur AfD gewechselt sind, zurückholen?
Lindner: Wir werben nicht um die Wähler einer einzelnen Partei, sondern um alle liberal denkenden Menschen. Ich verstehe manche Enttäuschung und auch das Ziel vieler Wähler, in der FDP einen Neuanfang zu erzwingen. Daraus haben wir Konsequenzen gezogen.
Frage: In den Niederlanden und Luxemburg regieren liberale Ministerpräsidenten, in Österreich hat mit den Neos eine ganz neue liberale Partei den Einzug in das Parlament geschafft. Was kann die FDP von diesen Parteien lernen?
Lindner: Ich stehe in engem Austausch mit meinen liberalen Kollegen Nick Clegg, dem britischen Vize-Premier, Mark Rutte, dem niederländischen Ministerpräsidenten, und Olli Rehn, dem finnischen Vizepräsidenten der EU-Kommission. Wir setzen uns in Europa gemeinsam für mehr Subsidiarität und Solidität ein. Für unser Profil kann man lernen, dass unsere Schwesterparteien in Europa als Reformkräfte erfolgreich sind. Eine liberale Partei wird als Avantgarde gebraucht, nicht als konservative Bewacherin des Status Quo. Eine seriöse Reformpartei, die offensiv die Zukunftsaufgaben angeht – so sehe ich auch die FDP.
Frage: Wie lautet die liberale Antwort auf die aktuell heiß diskutierte Frage der Zuwanderung in die Sozialsysteme durch die Freizügigkeit für Rumänen und Bulgaren?
Lindner: Wir stehen vor einem Fachkräftemangel. Statt solcher Parolen ist eine Willkommenskultur nötig. Wir werden qualifizierte Zuwanderer brauchen, um unseren Wohlstand zu sichern. Die Einwanderung nur in das Sozialsystem ist nach europäischem Recht schon jetzt ausgeschlossen. Das kann hierzulande vollzogen werden. Für das Gebell der CSU gibt es also nur zwei Motive: Entweder will die CSU wie die AfD die Stammtische bedienen. Oder sie kennt die Rechtslage nicht. Beides spricht nicht für die Seriosität dieser Partei.