FDP|
30.10.2013 - 11:45LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER-Interview für den Bonner „General-Anzeiger“
Berlin. Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Bundesjustizministerin SABINE LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER gab dem Bonner „General-Anzeiger“ (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte THOMAS WITTKE:
Frage: Hätten Sie eine Bespitzelung unter engen Partnern jemals für möglich gehalten?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: In dieser Dimension nicht. Wir wissen, dass Wirtschaftsspionage unter befreundeten Staaten überhaupt nicht ausgeschlossen werden kann. Aber das, was wir jetzt erleben, hätte ich nicht erwartet.
Frage: Welche Instrumente hat der Staat, um sich dieser Dimension zu erwehren?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Zu allererst: Man muss sich mit den USA auch im europäischen Rahmen über ganz klare Regeln verständigen. Die müssen mit Kontrollmechanismen verbunden werden. Strafrechtliche Verfolgung ist ja gut und schön. Aber das setzt die Kooperationsbereitschaft der USA voraus.
Frage: Reicht – grundsätzlich und abstrakt gefragt – der Verdacht der Botschaftsausspähung aus, um US-Diplomaten auszuweisen?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Das ist zu allererst eine Frage des Auswärtigen Amtes und der Diplomatie. Der erste Schritt ist ja mit der Einbestellung des Botschafters vollzogen worden. Es geht jetzt vor allem um Informationsgewinnung.
Frage: Die USA wollen angeblich jetzt das Abhören der Partner einstellen. Ist das denn überprüfbar?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Das ist genau der entscheidende Punkt. Wenn es zutrifft, dass sich die USA von technisch möglicher Informationsgewinnung zurückziehen, so ist das zu begrüßen. Aber dazu bedarf es entsprechender Belege und Beweise der US-Seite.
Frage: Das beginnt mit der Berliner Botschaft?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Da können sie beispielsweise die NSA-Offiziere abziehen. Das wäre aber auch nur ein symbolisches Zeichen, dem noch viele Schritte folgen müssten, um Vertrauen wieder herzustellen. Aber es geht auch um ein transparentes Verfahren für die technische Seite.
Frage: Ist die Handy/Merkel-Affäre nicht die Spitze eines Eisberges, die das ganze politische und mediale Leben in Berlin betrifft?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Das bekannt gewordene Verhalten gegenüber der Kanzlerin ist inakzeptabel, gewiss. Wir hatten uns ja schon seit Monaten mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit der Datenaustausch von Millionen Deutschen von der NSA-Überwachung betroffen war. Das war schon eine sehr tief gehende Erfahrung. Ich kann daher nicht ausschließen, dass auch Journalisten betroffen waren. EU-Vertretungen und Auslandsbotschaften waren ja ebenfalls betroffen. Im Moment kann man gar nichts ausschließen.
Frage: Trägt die Kanzlerin mit ihrem laxen Handy-Umgang eine Mitverantwortung?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Es geht doch um das Verhalten der USA und nicht um das Verhalten der Kanzlerin. Der Skandal liegt darin, dass es zum Abhören der Kanzlerin gekommen ist.
Frage: Sitzt die deutsche Verärgerung so tief, dass man zu einer Aussetzung des SWIFT-Abkommens über den Austausch von Bankdaten zwischen den USA und der EU kommen sollte?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Eindeutig ja. Das europäische Parlament hat sich dafür entschieden. Ich erwarte, dass die Brüsseler Kommission einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet und durchsetzt. Damit können wir endlich auch deutlich machen, dass wir nicht alles hinnehmen und zur Tagesordnung übergehen.
Frage: Haben die deutschen Geheimdienste nicht auch versagt, weil sie nicht frühzeitig die Kanzlerin gewarnt haben?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Das muss aufgearbeitet werden. Man muss sich entsprechende Verabredungen nach dem 11. September zwischen amerikanischen und deutschen Sicherheitsbehörden genau angucken. Behauptungen, man tue nichts gegen das geltende Recht, reichen nicht aus.
Frage: Ist der Datenschutz im Innenministerium am richtigen Platz?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Dort sitzen viele kompetente Mitarbeiter. Aber Datenschutz darf nicht allein unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten gesehen werden. Es geht um Grundrechtspolitik. Deswegen: Der Datenschutz muss auch im Justizministerium eine zentrale Bedeutung haben. Es geht bei dieser Frage um eine gleiche Augenhöhe.
Frage: Ein eigenes Datenschutzministerium?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Es bedarf keines eigenen Ministeriums. Es geht um die personelle Ausstattung.
Frage: Welchen Eindruck muss die Öffentlichkeit von einer Regierung haben, die die Vorwürfe für abwegig und abgehakt erklärt hat und dann die Bestrafung der Verantwortlichen fordert?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Ich habe immer gesagt, dass die Aufklärung noch lange dauern wird. Wir fangen in vielen Bereichen wieder bei Null an.
Frage: Hat Bundesinnenminister Friedrich professionell agiert?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Das habe ich nicht zu beurteilen. Eins muss klar sein: Wir haben es mit einer ganz anderen Dimension zu tun. Wir brauchen verbindliche Klarheit über einen neuen Datenschutz. Die Privatsphäre muss gewahrt bleiben.
Frage: Sollte eine Bundestagsdelegation Snowden in Russland besuchen?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Das sollte sich der neue Bundestag überlegen. Snowden könnte am ehesten informieren und aufklären. Warum also nicht?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER-Interview für den Bonner „General-Anzeiger“
Berlin. Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Bundesjustizministerin SABINE LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER gab dem Bonner „General-Anzeiger“ (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte THOMAS WITTKE:
Frage: Hätten Sie eine Bespitzelung unter engen Partnern jemals für möglich gehalten?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: In dieser Dimension nicht. Wir wissen, dass Wirtschaftsspionage unter befreundeten Staaten überhaupt nicht ausgeschlossen werden kann. Aber das, was wir jetzt erleben, hätte ich nicht erwartet.
Frage: Welche Instrumente hat der Staat, um sich dieser Dimension zu erwehren?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Zu allererst: Man muss sich mit den USA auch im europäischen Rahmen über ganz klare Regeln verständigen. Die müssen mit Kontrollmechanismen verbunden werden. Strafrechtliche Verfolgung ist ja gut und schön. Aber das setzt die Kooperationsbereitschaft der USA voraus.
Frage: Reicht – grundsätzlich und abstrakt gefragt – der Verdacht der Botschaftsausspähung aus, um US-Diplomaten auszuweisen?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Das ist zu allererst eine Frage des Auswärtigen Amtes und der Diplomatie. Der erste Schritt ist ja mit der Einbestellung des Botschafters vollzogen worden. Es geht jetzt vor allem um Informationsgewinnung.
Frage: Die USA wollen angeblich jetzt das Abhören der Partner einstellen. Ist das denn überprüfbar?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Das ist genau der entscheidende Punkt. Wenn es zutrifft, dass sich die USA von technisch möglicher Informationsgewinnung zurückziehen, so ist das zu begrüßen. Aber dazu bedarf es entsprechender Belege und Beweise der US-Seite.
Frage: Das beginnt mit der Berliner Botschaft?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Da können sie beispielsweise die NSA-Offiziere abziehen. Das wäre aber auch nur ein symbolisches Zeichen, dem noch viele Schritte folgen müssten, um Vertrauen wieder herzustellen. Aber es geht auch um ein transparentes Verfahren für die technische Seite.
Frage: Ist die Handy/Merkel-Affäre nicht die Spitze eines Eisberges, die das ganze politische und mediale Leben in Berlin betrifft?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Das bekannt gewordene Verhalten gegenüber der Kanzlerin ist inakzeptabel, gewiss. Wir hatten uns ja schon seit Monaten mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit der Datenaustausch von Millionen Deutschen von der NSA-Überwachung betroffen war. Das war schon eine sehr tief gehende Erfahrung. Ich kann daher nicht ausschließen, dass auch Journalisten betroffen waren. EU-Vertretungen und Auslandsbotschaften waren ja ebenfalls betroffen. Im Moment kann man gar nichts ausschließen.
Frage: Trägt die Kanzlerin mit ihrem laxen Handy-Umgang eine Mitverantwortung?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Es geht doch um das Verhalten der USA und nicht um das Verhalten der Kanzlerin. Der Skandal liegt darin, dass es zum Abhören der Kanzlerin gekommen ist.
Frage: Sitzt die deutsche Verärgerung so tief, dass man zu einer Aussetzung des SWIFT-Abkommens über den Austausch von Bankdaten zwischen den USA und der EU kommen sollte?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Eindeutig ja. Das europäische Parlament hat sich dafür entschieden. Ich erwarte, dass die Brüsseler Kommission einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet und durchsetzt. Damit können wir endlich auch deutlich machen, dass wir nicht alles hinnehmen und zur Tagesordnung übergehen.
Frage: Haben die deutschen Geheimdienste nicht auch versagt, weil sie nicht frühzeitig die Kanzlerin gewarnt haben?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Das muss aufgearbeitet werden. Man muss sich entsprechende Verabredungen nach dem 11. September zwischen amerikanischen und deutschen Sicherheitsbehörden genau angucken. Behauptungen, man tue nichts gegen das geltende Recht, reichen nicht aus.
Frage: Ist der Datenschutz im Innenministerium am richtigen Platz?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Dort sitzen viele kompetente Mitarbeiter. Aber Datenschutz darf nicht allein unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten gesehen werden. Es geht um Grundrechtspolitik. Deswegen: Der Datenschutz muss auch im Justizministerium eine zentrale Bedeutung haben. Es geht bei dieser Frage um eine gleiche Augenhöhe.
Frage: Ein eigenes Datenschutzministerium?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Es bedarf keines eigenen Ministeriums. Es geht um die personelle Ausstattung.
Frage: Welchen Eindruck muss die Öffentlichkeit von einer Regierung haben, die die Vorwürfe für abwegig und abgehakt erklärt hat und dann die Bestrafung der Verantwortlichen fordert?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Ich habe immer gesagt, dass die Aufklärung noch lange dauern wird. Wir fangen in vielen Bereichen wieder bei Null an.
Frage: Hat Bundesinnenminister Friedrich professionell agiert?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Das habe ich nicht zu beurteilen. Eins muss klar sein: Wir haben es mit einer ganz anderen Dimension zu tun. Wir brauchen verbindliche Klarheit über einen neuen Datenschutz. Die Privatsphäre muss gewahrt bleiben.
Frage: Sollte eine Bundestagsdelegation Snowden in Russland besuchen?
LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Das sollte sich der neue Bundestag überlegen. Snowden könnte am ehesten informieren und aufklären. Warum also nicht?