FDP|
21.08.2013 - 02:00BRÜDERLE-Interview für die "Mitteldeutsche Zeitung"
Berlin. Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE gab der "Mitteldeutschen Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte DR. BÄRBEL BÖTTCHER:
Frage: Herr Brüderle, Sie haben sich Mitte Juni bei einem schweren Unfall mehrere Knochenbrüche zugezogen. Wie geht es Ihnen heute?
BRÜDERLE: Danke, gut. Wenn man sich gleichzeitig die linke Hand und den linken Oberschenkel bricht, ist das zunächst eine starke Einschränkung. Ich hatte aber Glück, dass ich auch dank der Ärzte beides bereits nach wenigen Wochen wieder belasten konnte.
Frage: Wie fit sind Sie heute?
BRÜDERLE: Natürlich bewege ich mich noch ein bisschen vorsichtiger als sonst. Aber ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen, und auch nicht auf den Mund. Ich bin wieder deutschlandweit im Einsatz.
Frage: Sie sind unter den Spitzenkandidaten der Senior. Gab es einen Moment, wo Sie ans Aufhören gedacht haben?
BRÜDERLE: Nein, wieso denn? Ich mache seit 40 Jahren Politik. Und die Zeit, in der ich mich nur eingeschränkt bewegen konnte, hat meinen Hunger nach Aktivität verschärft.
Frage: Die FDP hat ja ein ganz starkes Thema - den Solidaritätszuschlag. Anders als die Kanzlerin wollen Sie den bis 2019 abschaffen. Man hat den Eindruck, die FDP hat die Stimmen im Osten nicht nötig.
BRÜDERLE: Nein. Im Gegenteil. Es ist ja vielleicht nicht jedem bewusst, aber die Menschen in Ostdeutschland zahlen den Soli genauso wie die Menschen in Westdeutschland. Er ist eine allgemeine Ergänzungsabgabe, das heißt, nicht zweckgebunden für die neuen Länder. Seine Abschaffung ist kein Ausstieg aus der Solidarität. Aber es war damals die klare Aussage von Helmut Kohl, dass man den Soli begrenzt auf die Aufbauleistung der neuen Bundesländer. Die sind 2019 mit dem Auslaufen des Solidarpaktes beendet. Das schließt nicht aus, dass man Verkehrs- oder andere Infrastrukturmaßnahmen weiter fördert.
Frage: Wie sollen die finanziert werden?
BRÜDERLE: Wir haben inzwischen bald 700 Milliarden Steuereinnahmen pro Jahr. Damit können sehr wohl auch Straßen gebaut werden. Und die Steuereinnahmen werden weiter steigen - auch, weil wir erfreulicherweise weiter Wachstum verzeichnen können. Schauen Sie, wir haben es in dieser Legislaturperiode geschafft, die Menschen um 22 Milliarden Euro zu entlasten - durch Steuersenkungen, durch die Senkung des Rentenversicherungsbeitrages, durch die Abschaffung der Praxisgebühr. Und in Schritten wird es dann auch zu schaffen sein, die Menschen über die Abschaffung des Solis zu entlasten.
Frage: Es wird ja in der nächsten Legislaturperiode nicht nur über das Auslaufen des Soli diskutiert, sondern auch über den Länderfinanzausgleich und in dem Zusammenhang über Länderfusionen. Halten sie das für eine ernstzunehmende Diskussion?
BRÜDERLE: Ich sehe nicht, dass es in absehbarer Zeit zu Veränderungen der Länderstruktur kommt. Darüber können auch nur die Menschen in den Ländern entscheiden. Ich würde das auch nicht vorschnell empfehlen. Die Menschen brauchen ein Stück Identität. Selbst wenn von der ökonomischen Logik und von der Effizienz vielleicht einiges für Zusammenlegungen spräche: Heimat ist nicht nur eine Frage der Effizienz.
Frage: Blicken wir in die Zukunft. Wir gehen davon aus, dass Sie als erfolgreicher Wahlkämpfer die FDP wieder in den nächsten Bundestag führen. Streben Sie auch wieder einen Platz im Kabinett an?
BRÜDERLE: Erst einmal wollen wir bei der Wahl anständig abschneiden, dann wollen wir in Ruhe und sorgsam die Koalitionsverhandlungen führen und ganz am Schluss überlegen wir, wer an welcher Stelle am besten für liberale Politik steht. Ich fange keine Postendiskussion an.
Frage: Aber man sollte doch davon ausgehen, dass Sie als Aushängeschild wieder an herausgehobener Position wirken.
BRÜDERLE: Ich kandidiere, um wieder Verantwortung für liberale Politik zu übernehmen. Alles andere wird sich zeigen. Wir verteilen das Fell des Bären nicht bevor er erlegt ist.
Frage: Und Sie wollen auch vier Jahre im Amt bleiben?
BRÜDERLE: Meine Devise ist: Ganz oder gar nicht. Ich kandidiere selbstverständlich für die komplette Legislaturperiode. Mein Vater war kleiner Einzelhändler. Der hat bis 86 gearbeitet. Ich habe meiner Frau versprochen - und das sage ich zum ersten Mal öffentlich: In spätestens 20 Jahren höre ich auf (lacht).
Frage: Frau Merkel hat die Diskussion über eine große Koalition noch einmal heftig befeuert. Wieso schließen ausgerechnet Sie, der in Rheinland-Pfalz mit der SPD zusammengearbeitet hat, die Ampelkoalition aus?
BRÜDERLE: Ich habe in Rheinland-Pfalz 15 Jahre mit der SPD koaliert. Auf Landesebene hat das gut funktioniert. Auf Bundesebene sehe ich das mit der derzeitigen SPD nicht. Es ist ja nicht nur eine Frage der Numerik. Es muss auch inhaltlich passen. SPD und Grüne wetteifern ja förmlich darum, wer die Steuern stärker erhöht. Die Grünen wollen die Menschen zudem ständig zwangsbeglücken - ich erinnere nur an den vegetarischen Tag. Mit solchen Parteien können wir nicht zusammenarbeiten. Wer verhindern will, dass es Steuererhöhungen gibt hat nur eine Wahl: Schwarz-Gelb. Deswegen sagen wir klar, was wir nicht machen wollen.
Frage: Wenn das mit den Steuern so klar ist, warum liegt Ihre Partei dann in den Umfragen nur bei fünf Prozent?
BRÜDERLE: In den Umfragen geht es stabil aufwärts. Entscheidend ist nur eine Umfrage: Die am Wahltag. Und die wird wieder erfolgreich sein. Die meisten Umfragen berücksichtigen nur eine Stimme. Die Wählerinnen und Wähler haben aber zwei Stimmen und die setzen sie bei der Wahl sehr klug ein.
Frage: Ihr Koalitionspartner CSU formuliert in Person von Herrn Seehofer in regelmäßigen Abständen Bedingungen für den Koalitionsvertrag. Haben Sie auch Bedingungen?
BRÜDERLE: Ich schätze Herrn Seehofer persönlich, aber dauernd neue Forderungen aufzustellen, das ist nicht unser Stil und das halte ich auch nicht für klug. Aber da hat jeder seine eigenen Ansichten. Für Maximalforderungen zahlt man auf jeden Fall immer einen hohen Preis.
Frage: Kommen wir noch einmal zu den Steuern. Wir wissen alle nicht, was in Europa passieren wird. Wie können Sie Steuererhöhungen so kategorisch ausschließen, wenn nicht klar ist, welche Hilfen Staaten wie Griechenland noch brauchen?
BRÜDERLE: Weil wir an diese Staaten aus dem Haushalt keine Zahlungen leisten. Wir haben dafür extra Instrumente geschaffen - nämlich den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Für den haben wir fast 20 Milliarden Euro auf den Tisch gelegt. Es gilt noch immer der Grundsatz: Solidarität ja, aber der Empfänger der Leistungen hat die Pflicht, das ihm Mögliche zu tun, die Ursache der Misere abzuwenden.
Frage: Was passiert, wenn beispielsweise die Griechen ihre Hausaufgaben nicht machen?
BRÜDERLE: Griechenland muss zunächst die vereinbarten Reformschritte und Ziele erreichen, bevor über weitere Schritte diskutiert werden kann. Es muss nun darum gehen, das zarte Pflänzchen einer sich langsam wieder erholenden Konjunktur in Südeuropa zu schützen. Auch Griechenland hat auf seinem bisherigen, mitunter sehr steinigen Reformweg einige beachtliche Erfolge erzielen können. Wir sollten jetzt das reguläre Auslaufen des aktuellen Hilfsprogramms abwarten. Ich begrüße die klaren Worte der Kanzlerin, erst am Ende der aktuellen Programmzeit, also Ende 2014, eine Neubewertung vorzunehmen. Alles andere würde den Reformdruck in Griechenland nur schwächen.
BRÜDERLE-Interview für die "Mitteldeutsche Zeitung"
Berlin. Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE gab der "Mitteldeutschen Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte DR. BÄRBEL BÖTTCHER:
Frage: Herr Brüderle, Sie haben sich Mitte Juni bei einem schweren Unfall mehrere Knochenbrüche zugezogen. Wie geht es Ihnen heute?
BRÜDERLE: Danke, gut. Wenn man sich gleichzeitig die linke Hand und den linken Oberschenkel bricht, ist das zunächst eine starke Einschränkung. Ich hatte aber Glück, dass ich auch dank der Ärzte beides bereits nach wenigen Wochen wieder belasten konnte.
Frage: Wie fit sind Sie heute?
BRÜDERLE: Natürlich bewege ich mich noch ein bisschen vorsichtiger als sonst. Aber ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen, und auch nicht auf den Mund. Ich bin wieder deutschlandweit im Einsatz.
Frage: Sie sind unter den Spitzenkandidaten der Senior. Gab es einen Moment, wo Sie ans Aufhören gedacht haben?
BRÜDERLE: Nein, wieso denn? Ich mache seit 40 Jahren Politik. Und die Zeit, in der ich mich nur eingeschränkt bewegen konnte, hat meinen Hunger nach Aktivität verschärft.
Frage: Die FDP hat ja ein ganz starkes Thema - den Solidaritätszuschlag. Anders als die Kanzlerin wollen Sie den bis 2019 abschaffen. Man hat den Eindruck, die FDP hat die Stimmen im Osten nicht nötig.
BRÜDERLE: Nein. Im Gegenteil. Es ist ja vielleicht nicht jedem bewusst, aber die Menschen in Ostdeutschland zahlen den Soli genauso wie die Menschen in Westdeutschland. Er ist eine allgemeine Ergänzungsabgabe, das heißt, nicht zweckgebunden für die neuen Länder. Seine Abschaffung ist kein Ausstieg aus der Solidarität. Aber es war damals die klare Aussage von Helmut Kohl, dass man den Soli begrenzt auf die Aufbauleistung der neuen Bundesländer. Die sind 2019 mit dem Auslaufen des Solidarpaktes beendet. Das schließt nicht aus, dass man Verkehrs- oder andere Infrastrukturmaßnahmen weiter fördert.
Frage: Wie sollen die finanziert werden?
BRÜDERLE: Wir haben inzwischen bald 700 Milliarden Steuereinnahmen pro Jahr. Damit können sehr wohl auch Straßen gebaut werden. Und die Steuereinnahmen werden weiter steigen - auch, weil wir erfreulicherweise weiter Wachstum verzeichnen können. Schauen Sie, wir haben es in dieser Legislaturperiode geschafft, die Menschen um 22 Milliarden Euro zu entlasten - durch Steuersenkungen, durch die Senkung des Rentenversicherungsbeitrages, durch die Abschaffung der Praxisgebühr. Und in Schritten wird es dann auch zu schaffen sein, die Menschen über die Abschaffung des Solis zu entlasten.
Frage: Es wird ja in der nächsten Legislaturperiode nicht nur über das Auslaufen des Soli diskutiert, sondern auch über den Länderfinanzausgleich und in dem Zusammenhang über Länderfusionen. Halten sie das für eine ernstzunehmende Diskussion?
BRÜDERLE: Ich sehe nicht, dass es in absehbarer Zeit zu Veränderungen der Länderstruktur kommt. Darüber können auch nur die Menschen in den Ländern entscheiden. Ich würde das auch nicht vorschnell empfehlen. Die Menschen brauchen ein Stück Identität. Selbst wenn von der ökonomischen Logik und von der Effizienz vielleicht einiges für Zusammenlegungen spräche: Heimat ist nicht nur eine Frage der Effizienz.
Frage: Blicken wir in die Zukunft. Wir gehen davon aus, dass Sie als erfolgreicher Wahlkämpfer die FDP wieder in den nächsten Bundestag führen. Streben Sie auch wieder einen Platz im Kabinett an?
BRÜDERLE: Erst einmal wollen wir bei der Wahl anständig abschneiden, dann wollen wir in Ruhe und sorgsam die Koalitionsverhandlungen führen und ganz am Schluss überlegen wir, wer an welcher Stelle am besten für liberale Politik steht. Ich fange keine Postendiskussion an.
Frage: Aber man sollte doch davon ausgehen, dass Sie als Aushängeschild wieder an herausgehobener Position wirken.
BRÜDERLE: Ich kandidiere, um wieder Verantwortung für liberale Politik zu übernehmen. Alles andere wird sich zeigen. Wir verteilen das Fell des Bären nicht bevor er erlegt ist.
Frage: Und Sie wollen auch vier Jahre im Amt bleiben?
BRÜDERLE: Meine Devise ist: Ganz oder gar nicht. Ich kandidiere selbstverständlich für die komplette Legislaturperiode. Mein Vater war kleiner Einzelhändler. Der hat bis 86 gearbeitet. Ich habe meiner Frau versprochen - und das sage ich zum ersten Mal öffentlich: In spätestens 20 Jahren höre ich auf (lacht).
Frage: Frau Merkel hat die Diskussion über eine große Koalition noch einmal heftig befeuert. Wieso schließen ausgerechnet Sie, der in Rheinland-Pfalz mit der SPD zusammengearbeitet hat, die Ampelkoalition aus?
BRÜDERLE: Ich habe in Rheinland-Pfalz 15 Jahre mit der SPD koaliert. Auf Landesebene hat das gut funktioniert. Auf Bundesebene sehe ich das mit der derzeitigen SPD nicht. Es ist ja nicht nur eine Frage der Numerik. Es muss auch inhaltlich passen. SPD und Grüne wetteifern ja förmlich darum, wer die Steuern stärker erhöht. Die Grünen wollen die Menschen zudem ständig zwangsbeglücken - ich erinnere nur an den vegetarischen Tag. Mit solchen Parteien können wir nicht zusammenarbeiten. Wer verhindern will, dass es Steuererhöhungen gibt hat nur eine Wahl: Schwarz-Gelb. Deswegen sagen wir klar, was wir nicht machen wollen.
Frage: Wenn das mit den Steuern so klar ist, warum liegt Ihre Partei dann in den Umfragen nur bei fünf Prozent?
BRÜDERLE: In den Umfragen geht es stabil aufwärts. Entscheidend ist nur eine Umfrage: Die am Wahltag. Und die wird wieder erfolgreich sein. Die meisten Umfragen berücksichtigen nur eine Stimme. Die Wählerinnen und Wähler haben aber zwei Stimmen und die setzen sie bei der Wahl sehr klug ein.
Frage: Ihr Koalitionspartner CSU formuliert in Person von Herrn Seehofer in regelmäßigen Abständen Bedingungen für den Koalitionsvertrag. Haben Sie auch Bedingungen?
BRÜDERLE: Ich schätze Herrn Seehofer persönlich, aber dauernd neue Forderungen aufzustellen, das ist nicht unser Stil und das halte ich auch nicht für klug. Aber da hat jeder seine eigenen Ansichten. Für Maximalforderungen zahlt man auf jeden Fall immer einen hohen Preis.
Frage: Kommen wir noch einmal zu den Steuern. Wir wissen alle nicht, was in Europa passieren wird. Wie können Sie Steuererhöhungen so kategorisch ausschließen, wenn nicht klar ist, welche Hilfen Staaten wie Griechenland noch brauchen?
BRÜDERLE: Weil wir an diese Staaten aus dem Haushalt keine Zahlungen leisten. Wir haben dafür extra Instrumente geschaffen - nämlich den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Für den haben wir fast 20 Milliarden Euro auf den Tisch gelegt. Es gilt noch immer der Grundsatz: Solidarität ja, aber der Empfänger der Leistungen hat die Pflicht, das ihm Mögliche zu tun, die Ursache der Misere abzuwenden.
Frage: Was passiert, wenn beispielsweise die Griechen ihre Hausaufgaben nicht machen?
BRÜDERLE: Griechenland muss zunächst die vereinbarten Reformschritte und Ziele erreichen, bevor über weitere Schritte diskutiert werden kann. Es muss nun darum gehen, das zarte Pflänzchen einer sich langsam wieder erholenden Konjunktur in Südeuropa zu schützen. Auch Griechenland hat auf seinem bisherigen, mitunter sehr steinigen Reformweg einige beachtliche Erfolge erzielen können. Wir sollten jetzt das reguläre Auslaufen des aktuellen Hilfsprogramms abwarten. Ich begrüße die klaren Worte der Kanzlerin, erst am Ende der aktuellen Programmzeit, also Ende 2014, eine Neubewertung vorzunehmen. Alles andere würde den Reformdruck in Griechenland nur schwächen.