FDP-Fraktion|
30.11.2012 - 01:00BRÜDERLE-Interview für den Bonner Generalanzeiger
BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab dem Bonner Generalanzeiger (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Ulla Thiede und Holger Möhle:
Mit dem FDP-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Rainer Brüderle, sprachen Holger Möhle und Ulla Thiede.
Frage: Wir haben gelernt: Ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone habe seinen Schrecken verloren. Wie hoch wäre denn der Schrecken, wenn es jetzt in einigen Monaten austräte?
BRÜDERLE: Das kann niemand genau sagen. Aber warum sollte Griechenland austreten? Die Griechen führen erhebliche Kraftanstrengungen und Reformen durch, um Teil der Währungsgemeinschaft zu bleiben. Das respektieren wir und unterstützen deswegen diese Reformen. Auch bei einem freiwilligen theoretischen Euro-Austritt bliebe Griechenland in der EU und würde von den europäischen Partnern unterstützt.
Frage: Ist es eine Fehlkonstruktion in den Verträgen, dass kein Euro-Mitglied zum Austritt gezwungen werden kann?
BRÜDERLE: Der Leitgedanke der Währungsunion ist, Europa zusammenzuhalten, und nicht, es auseinanderzudividieren.
Frage: Das Ziel aller Rettungsaktionen ist, dass die griechische Wirtschaft nach jahrelanger Rezession wieder wächst. Wie stehen die Chancen?
BRÜDERLE: Griechenland ist im Zeitverzug auch durch zwei Nationalwahlen. Der Troika-Bericht hat Griechenland bei allen Schwierigkeiten aber deutliche Reformfortschritte bescheinigt. Die Wettbewerbsfähigkeit steigt etwa durch die Senkung der Reallöhne, den Abbau von Bürokratie und Sozialreformen. Jetzt muss Griechenland die jüngst getroffenen Beschlüsse aber zügig umsetzen.
Frage: Ein weiterer Schuldenschnitt scheint unausweichlich, Leitragende wären nicht Privatgläubiger, sondern die Steuerzahler über die staatlichen Bürgschaften, die man Griechenland gegeben hat.
BRÜDERLE: Diese Frage ist nicht aktuell. Sie ist auch für den ökonomischen Erholungsprozess nicht entscheidend. Haushaltsrechtlich erlaubt wäre dies auch erst ab einer gewissen Gesundung des griechischen Staatsbudgets. Derzeit sieht es so aus, dass dies frühestens ab 2016 der Fall sein könnte. Dann soll Athen mehr Einnahmen als Ausgaben haben - abzüglich des Schuldendienstes.
Frage: Geben Sie zu: Der deutsche Steuerzahler sieht einen Teil seiner Bürgschaften nie wieder.
BRÜDERLE: Dazu kann es kommen. Es wäre jedenfalls nicht seriös, das Gegenteil zu behaupten. Aber genau kann das keiner vorhersagen.
Frage: Gefährden die Griechenlandhilfen die Haushaltsziele der Koalition?
BRÜDERLE: Wir setzen auf die Aussage von Finanzminister Schäuble, dass kein Nachtragshaushalt notwendig wird. Wenn es Einnahmeausfälle oder Mehrausgaben gibt, muss das im Bundesetat selbst ausgeglichen werden.
Frage: Ihre Fraktion geht heute im Bundestag den Kurs mit?
BRÜDERLE: Wir haben in den Fraktionssitzungen viele intensive Diskussionen über den Kurs der Bundesregierung bei der Rettung Griechenlands geführt. Ich habe Respekt davor, wenn unsere Abgeordneten sich die Entscheidung nicht leicht machen. Aber ich bin sicher, dass wir mit großer Mehrheit zustimmen und eine eigene schwarz-gelbe Mehrheit stehen wird.
Frage: Wenn Griechenland im Wahljahr floppt, floppt dann auch die FDP?
BRÜDERLE: Ich setze alles daran, dass wir erfolgreich abschneiden und verschwende keinen Gedanken daran, was wäre wenn. Ich bin fest davon überzeugt, dass die FDP im nächsten Bundestag mit einer schlagkräftigen Fraktion vertreten ist. Und ich setze auf die Fortsetzung der erfolgreichen christlich-liberalen Koalition.
Frage: Am Armutsbericht ist auf Drängen der FDP vieles geändert worden: Finden Sie, dass Bundesarbeitsministerin von der Leyen mit der CDU noch in der richtigen Partei sitzt?
BRÜDERLE: Das trifft nicht zu. Der Armutsbericht wird nicht von Parteien oder Fraktionen erstellt und vorgelegt, sondern von der Bundesregierung. Wie bei jedem Gesetzentwurf geht dem eine Abstimmung der Ministerien auf fachlicher Ebene voraus. Auch die Beamten des Kanzleramtes hatten wohl Änderungsbedarf am ersten Entwurf. Das ist ein ganz normaler Vorgang.
Frage: Die Arbeitgeberverbände haben sich sehr kritisch zu Wort gemeldet, weil ihnen inzwischen die ganze Linie von Schwarz-Gelb nicht mehr passt: Betreuungsgeld, Großelternzeit, Ausweitung der Elterngeldmonate. Das sind alles Belastungen für die Unternehmen.
BRÜDERLE: Die ja so, wie die Verbände sie befürchten, aber auch gar nicht kommen. Ich bin mir sicher: Auch die Arbeitgeberverbände freuen sich über Deutschlands gute Zahlen. Es ist gut, dass sie sich in politische Debatten einbringen. Am Ende muss aber die Politik in Abwägung von Gesamtinteressen entscheiden.
Frage: Wem nutzt die Debatte über Schwarz-Grün - am Ende der FDP, weil sie Unionswähler zu Ihnen treibt, die Schwarz-Grün verhindern wollen?
BRÜDERLE: Wir betreiben nicht das Geschäft des Koalitionspartners. Wir müssen selbstbewusst unsere eigenen Standpunkte vertreten. Aber es ist schon richtig, die Debatte über Schwarz-Grün ist Wählerwerbung für die FDP.
Frage: Wird die Debatte über einen Wechsel an der FDP-Spitze zum Selbstläufer, wenn im Januar die Niedersachsen-Wahl für Ihre Partei verloren geht?
BRÜDERLE: Niedersachsen steht hervorragend da. Deshalb wird die Wahl für CDU und FDP erfolgreich laufen. Ihre Frage wird sich nicht stellen. Philipp Rösler hat meine volle Unterstützung, auch nach der Niedersachsen-Wahl.
Frage: Bis dahin biegt sich der Bambus im Sturm, aber er bricht nicht?
BRÜDERLE: Das ist ein schönes Zitat von Philipp Rösler. Er ist die Nummer eins der FDP.
Frage: Sie sind auch eine Art Nummer eins als viel zitierter Politiker in der "heute show". Was muss man machen, um in Deutschlands bester Politsatire-Sendung so oft vertreten zu sein?
BRÜDERLE: Oliver Welke und sein Team machen wirklich eine tolle Sendung, die ich gern sehe. Aber ich mache Politik nicht, um in die "heute show" zu kommen. Ich versuche einfach, authentisch zu sein. Und zu meiner südwestdeutschen Prägung und dem pfälzischen Dialekt bekenne ich mich.
972-RB Interview - Bonner Generalanzeiger 301112
972-rb_interview_-_bonner_generalanzeiger_301112.pdf
BRÜDERLE-Interview für den Bonner Generalanzeiger
BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab dem Bonner Generalanzeiger (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Ulla Thiede und Holger Möhle:
Mit dem FDP-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Rainer Brüderle, sprachen Holger Möhle und Ulla Thiede.
Frage: Wir haben gelernt: Ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone habe seinen Schrecken verloren. Wie hoch wäre denn der Schrecken, wenn es jetzt in einigen Monaten austräte?
BRÜDERLE: Das kann niemand genau sagen. Aber warum sollte Griechenland austreten? Die Griechen führen erhebliche Kraftanstrengungen und Reformen durch, um Teil der Währungsgemeinschaft zu bleiben. Das respektieren wir und unterstützen deswegen diese Reformen. Auch bei einem freiwilligen theoretischen Euro-Austritt bliebe Griechenland in der EU und würde von den europäischen Partnern unterstützt.
Frage: Ist es eine Fehlkonstruktion in den Verträgen, dass kein Euro-Mitglied zum Austritt gezwungen werden kann?
BRÜDERLE: Der Leitgedanke der Währungsunion ist, Europa zusammenzuhalten, und nicht, es auseinanderzudividieren.
Frage: Das Ziel aller Rettungsaktionen ist, dass die griechische Wirtschaft nach jahrelanger Rezession wieder wächst. Wie stehen die Chancen?
BRÜDERLE: Griechenland ist im Zeitverzug auch durch zwei Nationalwahlen. Der Troika-Bericht hat Griechenland bei allen Schwierigkeiten aber deutliche Reformfortschritte bescheinigt. Die Wettbewerbsfähigkeit steigt etwa durch die Senkung der Reallöhne, den Abbau von Bürokratie und Sozialreformen. Jetzt muss Griechenland die jüngst getroffenen Beschlüsse aber zügig umsetzen.
Frage: Ein weiterer Schuldenschnitt scheint unausweichlich, Leitragende wären nicht Privatgläubiger, sondern die Steuerzahler über die staatlichen Bürgschaften, die man Griechenland gegeben hat.
BRÜDERLE: Diese Frage ist nicht aktuell. Sie ist auch für den ökonomischen Erholungsprozess nicht entscheidend. Haushaltsrechtlich erlaubt wäre dies auch erst ab einer gewissen Gesundung des griechischen Staatsbudgets. Derzeit sieht es so aus, dass dies frühestens ab 2016 der Fall sein könnte. Dann soll Athen mehr Einnahmen als Ausgaben haben - abzüglich des Schuldendienstes.
Frage: Geben Sie zu: Der deutsche Steuerzahler sieht einen Teil seiner Bürgschaften nie wieder.
BRÜDERLE: Dazu kann es kommen. Es wäre jedenfalls nicht seriös, das Gegenteil zu behaupten. Aber genau kann das keiner vorhersagen.
Frage: Gefährden die Griechenlandhilfen die Haushaltsziele der Koalition?
BRÜDERLE: Wir setzen auf die Aussage von Finanzminister Schäuble, dass kein Nachtragshaushalt notwendig wird. Wenn es Einnahmeausfälle oder Mehrausgaben gibt, muss das im Bundesetat selbst ausgeglichen werden.
Frage: Ihre Fraktion geht heute im Bundestag den Kurs mit?
BRÜDERLE: Wir haben in den Fraktionssitzungen viele intensive Diskussionen über den Kurs der Bundesregierung bei der Rettung Griechenlands geführt. Ich habe Respekt davor, wenn unsere Abgeordneten sich die Entscheidung nicht leicht machen. Aber ich bin sicher, dass wir mit großer Mehrheit zustimmen und eine eigene schwarz-gelbe Mehrheit stehen wird.
Frage: Wenn Griechenland im Wahljahr floppt, floppt dann auch die FDP?
BRÜDERLE: Ich setze alles daran, dass wir erfolgreich abschneiden und verschwende keinen Gedanken daran, was wäre wenn. Ich bin fest davon überzeugt, dass die FDP im nächsten Bundestag mit einer schlagkräftigen Fraktion vertreten ist. Und ich setze auf die Fortsetzung der erfolgreichen christlich-liberalen Koalition.
Frage: Am Armutsbericht ist auf Drängen der FDP vieles geändert worden: Finden Sie, dass Bundesarbeitsministerin von der Leyen mit der CDU noch in der richtigen Partei sitzt?
BRÜDERLE: Das trifft nicht zu. Der Armutsbericht wird nicht von Parteien oder Fraktionen erstellt und vorgelegt, sondern von der Bundesregierung. Wie bei jedem Gesetzentwurf geht dem eine Abstimmung der Ministerien auf fachlicher Ebene voraus. Auch die Beamten des Kanzleramtes hatten wohl Änderungsbedarf am ersten Entwurf. Das ist ein ganz normaler Vorgang.
Frage: Die Arbeitgeberverbände haben sich sehr kritisch zu Wort gemeldet, weil ihnen inzwischen die ganze Linie von Schwarz-Gelb nicht mehr passt: Betreuungsgeld, Großelternzeit, Ausweitung der Elterngeldmonate. Das sind alles Belastungen für die Unternehmen.
BRÜDERLE: Die ja so, wie die Verbände sie befürchten, aber auch gar nicht kommen. Ich bin mir sicher: Auch die Arbeitgeberverbände freuen sich über Deutschlands gute Zahlen. Es ist gut, dass sie sich in politische Debatten einbringen. Am Ende muss aber die Politik in Abwägung von Gesamtinteressen entscheiden.
Frage: Wem nutzt die Debatte über Schwarz-Grün - am Ende der FDP, weil sie Unionswähler zu Ihnen treibt, die Schwarz-Grün verhindern wollen?
BRÜDERLE: Wir betreiben nicht das Geschäft des Koalitionspartners. Wir müssen selbstbewusst unsere eigenen Standpunkte vertreten. Aber es ist schon richtig, die Debatte über Schwarz-Grün ist Wählerwerbung für die FDP.
Frage: Wird die Debatte über einen Wechsel an der FDP-Spitze zum Selbstläufer, wenn im Januar die Niedersachsen-Wahl für Ihre Partei verloren geht?
BRÜDERLE: Niedersachsen steht hervorragend da. Deshalb wird die Wahl für CDU und FDP erfolgreich laufen. Ihre Frage wird sich nicht stellen. Philipp Rösler hat meine volle Unterstützung, auch nach der Niedersachsen-Wahl.
Frage: Bis dahin biegt sich der Bambus im Sturm, aber er bricht nicht?
BRÜDERLE: Das ist ein schönes Zitat von Philipp Rösler. Er ist die Nummer eins der FDP.
Frage: Sie sind auch eine Art Nummer eins als viel zitierter Politiker in der "heute show". Was muss man machen, um in Deutschlands bester Politsatire-Sendung so oft vertreten zu sein?
BRÜDERLE: Oliver Welke und sein Team machen wirklich eine tolle Sendung, die ich gern sehe. Aber ich mache Politik nicht, um in die "heute show" zu kommen. Ich versuche einfach, authentisch zu sein. Und zu meiner südwestdeutschen Prägung und dem pfälzischen Dialekt bekenne ich mich.
972-RB Interview - Bonner Generalanzeiger 301112
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