FDP-Fraktion|
21.04.2013 - 02:00Brüderle-Interview für "BZ am Sonntag"
Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE gab der "B.Z. am Sonntag" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ULRIKE RUPPEL:
Frage: Herr Brüderle, Ihre Wähler und die der Linken haben eine große Gemeinsamkeit.
BRÜDERLE: Und die wäre?
Frage: Laut Umfrage können sich jeweils 30 Prozent vorstellen, die Anti-Euro-Partei "Alternative für Deutschland" zu wählen
BRÜDERLE: Die Linken sind anti-europäisch, sagen zu allem Nein. Die FDP ist eine pro-europäische Partei. Wir stehen für Privateigentum und Geldwertstabilität. Ich verstehe die Sorgen und Ängste, aus denen sich die Europakritiker speisen, höre von ihnen aber keine Antworten. Die Beschreibung von Problemen ist noch keine Lösung. Und die Rückkehr zur D-Mark erst recht nicht. Das wäre fatal für die Exportnation Deutschland. Das Ausland könnte unsere Waren nicht mehr bezahlen.
Frage: Wie begegnen Sie den Ängsten, die die AfD bedient?
BRÜDERLE: Wir bieten Lösungen an. Mit einem Drei-Punkte-Plan. Erstens: die Geldwertstabilität in die Verfassung schreiben. Dann bekommt das Thema eine ganz andere Strahlkraft und eine höhere Verbindlichkeit für unsere Vertreter bei der EZB, dem ESM und den europäischen Gremien. Zweitens: mit dem Ausgleich des deutschen Staatshaushalts, einem Ende der Schuldenmacherei.
Frage: Und Drittens?
BRÜDERLE: Deutschland muss ein größeres Stimmgewicht in der EZB bekommen. Es geht nicht an, dass wir 27 Prozent der Risiken tragen und genau so viel zu sagen haben wie Malta. Eine stabile Währung bedeutet soziale Gerechtigkeit. Inflation trifft die Kleinsten. Deshalb ist der Kampf gegen die Inflation ein Herzensanliegen der FDP.
Frage: Was meinen Sie mit sozialer Gerechtigkeit - im Vergleich zur SPD?
BRÜDERLE: Wir wollen soziale Gerechtigkeit in dem Sinne, dass alle im Land eine faire Chance haben, ihren Aufstieg und ihre Entwicklung zu betreiben. Wir wollen Leistungsgerechtigkeit, so dass die Menschen, die mehr und härter arbeiten, mehr verdienen können und nicht alles vom Staat weggenommen kriegen, wie die SPD das plant. Und wir wollen Gerechtigkeit in Europa.
Frage: Das heißt?
BRÜDERLE: Es geht nicht an, dass deutsche Arbeitnehmer mit ihrer Lohnsteuer Schuldenstaaten unterstützen, in denen es viele Reiche gibt, die aber so gut wie keine Steuern zahlen - während wir hier in Deutschland eine kalte Progression haben, die die Menschen bei einer Lohnsteigerung quasi enteignet. Die Koalition wollte das ja abmildern. Aber Rot-Rot-Grün im Bundesrat hat das leider verhindert.
Frage: Apropos Leistungsgerechtigkeit: Was sagen Sie einem Koch mit sechs Euro Stundenlohn, der einen höheren Mindestlohn fordert?
BRÜDERLE: Das ist ein harter Job. Ich würde ihn ermuntern, sein Können in einem anderen Betrieb oder in einer anderen Stadt anzubieten.
Frage: Viele Menschen finden solch niedrige Löhne nicht gerecht.
BRÜDERLE: Das verstehe ich. Die Tarifabschlüsse liegen manchmal weit auseinander. Das ist in Teilbereichen nicht nachvollziehbar. Aber wir haben in Deutschland Tarifautonomie. Das heißt, Gewerkschaften und Arbeitnehmer sind gleichermaßen in der Pflicht, einen Ausgleich zu finden.
Frage: Und wenn das nicht klappt? Ist dann nicht auch die Politik gefragt?
BRÜDERLE: In der Sozialen Markwirtschaft legt nicht der Staat die Preise fest, trifft nicht die Unternehmensentscheidungen. Wir haben Tarifparteien und betriebliche Mitbestimmung. Die Entscheidungen werden in diesen Strukturen gefällt. Das gilt auch für das Thema Frauenquote: Arbeitnehmer und Gewerkschaften haben bei den Dax-Unternehmen 50 Prozent der Stimmen im Aufsichtsrat. Sie sollten mit diesem Stimmgewicht dazu beizutragen, dass mehr Frauen in hohe Positionen kommen.
Frage: Reicht das?
BRÜDERLE: Wir brauchen mehr Frauen in Spitzenpositionen. Aber die Quote für Aufsichtsräte ist der falsche Weg. Viel wichtiger ist es, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern: durch flexiblere Arbeitszeiten, bessere Kinderbetreuung und mehr Heimarbeit am Computer, wenn man kleine Kinder hat. Das hilft den Frauen wirklich. Dafür setzt sich die FDP ein.
Frage: Auch Herr Steinbrück redet neuerdings viel von Frauen. Wie haben Sie seine Entwicklung nach seiner Kanzlerkandidatur beobachtet?
BRÜDERLE: Damit der linke Flügel der SPD die Füße stillhält, muss Peer Steinbrück plötzlich eine linke Politik vertreten. Aber eigentlich steht er nicht für diese linke Politik. Deshalb wirkt er auch nicht authentisch.
Frage: Tut Ihnen Steinbrück manchmal leid?
BRÜDERLE: Nein, Herr Steinbrück kandidiert ja freiwillig. Aber es ist ein Stück Tragik, dass jemand, der eigentlich von seinem Werdegang her, zum Beispiel als Bundesfinanzminister, anderes vertreten hat, jetzt in die Abhängigkeit des linken Flügels der SPD geraten ist.
Frage: Wie beurteilen Sie Ihren eigenen Auftakt als Spitzenkandidat der FDP?
BRÜDERLE: Es geht nicht um mich, es geht um die FDP. Unser Team funktioniert gut. Und wir legen ja erst richtig los.
Frage: Hat Ihnen die "Stern"-Affäre geschadet?
BRÜDERLE: Das kommentiere ich nicht.
Frage: Wenn die FDP die 5 Prozent nicht schafft, könnte es eine Große Koalition geben. Wie würde die Union dann werden?
BRÜDERLE: Sozialdemokratischer. Sie hätten dann ein großes Mischmasch von schwarz angestrichenen Sozialdemokraten und rot angestrichenen Sozialdemokraten. Für die Belange, die wir haben - Ordnungspolitik, Bürgerechte, Freiheit, ein gerechtes Europa - wäre das fatal. Aber dazu wird es nicht kommen. Die FDP wird weiter Wahlen gewinnen.
Frage: Stünden Steuererhöhungen ins Haus?
BRÜDERLE: Wir haben da ja praktische Felderfahrung. In der letzten Großen Koalition wollte die SPD erst angeblich keine Mehrwertsteuererhöhung und die Union zwei Prozent. Geeinigt haben sie sich auf drei Prozent. Das ist die Mathematik der Großen Koalition.
Frage: Sollte man das im Hinterkopf behalten?
BRÜDERLE: Das sollte man präzise im Vorderkopf behalten.
Frage: Also: Warum FDP wählen und nicht Union?
BRÜDERLE: Mit uns wird es keine Steuererhöhungen geben. Und Herr Schäuble hat beim Ausgleich des Haushalts keine besseren Verbündeten als uns. Wir sind diejenigen, die bei der europäischen Entwicklung und bei der Geldwertstabilität ganz klar auf Parlamentsbeteiligung und die Einhaltung strenger Regeln achten. Dass die Bundeskanzlerin so erfolgreich ist, liegt daran, dass sie der Kompromiss mit der FDP zu einer ausgewogenen Politik führt.
Brüderle-Interview für "BZ am Sonntag"
Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE gab der "B.Z. am Sonntag" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ULRIKE RUPPEL:
Frage: Herr Brüderle, Ihre Wähler und die der Linken haben eine große Gemeinsamkeit.
BRÜDERLE: Und die wäre?
Frage: Laut Umfrage können sich jeweils 30 Prozent vorstellen, die Anti-Euro-Partei "Alternative für Deutschland" zu wählen
BRÜDERLE: Die Linken sind anti-europäisch, sagen zu allem Nein. Die FDP ist eine pro-europäische Partei. Wir stehen für Privateigentum und Geldwertstabilität. Ich verstehe die Sorgen und Ängste, aus denen sich die Europakritiker speisen, höre von ihnen aber keine Antworten. Die Beschreibung von Problemen ist noch keine Lösung. Und die Rückkehr zur D-Mark erst recht nicht. Das wäre fatal für die Exportnation Deutschland. Das Ausland könnte unsere Waren nicht mehr bezahlen.
Frage: Wie begegnen Sie den Ängsten, die die AfD bedient?
BRÜDERLE: Wir bieten Lösungen an. Mit einem Drei-Punkte-Plan. Erstens: die Geldwertstabilität in die Verfassung schreiben. Dann bekommt das Thema eine ganz andere Strahlkraft und eine höhere Verbindlichkeit für unsere Vertreter bei der EZB, dem ESM und den europäischen Gremien. Zweitens: mit dem Ausgleich des deutschen Staatshaushalts, einem Ende der Schuldenmacherei.
Frage: Und Drittens?
BRÜDERLE: Deutschland muss ein größeres Stimmgewicht in der EZB bekommen. Es geht nicht an, dass wir 27 Prozent der Risiken tragen und genau so viel zu sagen haben wie Malta. Eine stabile Währung bedeutet soziale Gerechtigkeit. Inflation trifft die Kleinsten. Deshalb ist der Kampf gegen die Inflation ein Herzensanliegen der FDP.
Frage: Was meinen Sie mit sozialer Gerechtigkeit - im Vergleich zur SPD?
BRÜDERLE: Wir wollen soziale Gerechtigkeit in dem Sinne, dass alle im Land eine faire Chance haben, ihren Aufstieg und ihre Entwicklung zu betreiben. Wir wollen Leistungsgerechtigkeit, so dass die Menschen, die mehr und härter arbeiten, mehr verdienen können und nicht alles vom Staat weggenommen kriegen, wie die SPD das plant. Und wir wollen Gerechtigkeit in Europa.
Frage: Das heißt?
BRÜDERLE: Es geht nicht an, dass deutsche Arbeitnehmer mit ihrer Lohnsteuer Schuldenstaaten unterstützen, in denen es viele Reiche gibt, die aber so gut wie keine Steuern zahlen - während wir hier in Deutschland eine kalte Progression haben, die die Menschen bei einer Lohnsteigerung quasi enteignet. Die Koalition wollte das ja abmildern. Aber Rot-Rot-Grün im Bundesrat hat das leider verhindert.
Frage: Apropos Leistungsgerechtigkeit: Was sagen Sie einem Koch mit sechs Euro Stundenlohn, der einen höheren Mindestlohn fordert?
BRÜDERLE: Das ist ein harter Job. Ich würde ihn ermuntern, sein Können in einem anderen Betrieb oder in einer anderen Stadt anzubieten.
Frage: Viele Menschen finden solch niedrige Löhne nicht gerecht.
BRÜDERLE: Das verstehe ich. Die Tarifabschlüsse liegen manchmal weit auseinander. Das ist in Teilbereichen nicht nachvollziehbar. Aber wir haben in Deutschland Tarifautonomie. Das heißt, Gewerkschaften und Arbeitnehmer sind gleichermaßen in der Pflicht, einen Ausgleich zu finden.
Frage: Und wenn das nicht klappt? Ist dann nicht auch die Politik gefragt?
BRÜDERLE: In der Sozialen Markwirtschaft legt nicht der Staat die Preise fest, trifft nicht die Unternehmensentscheidungen. Wir haben Tarifparteien und betriebliche Mitbestimmung. Die Entscheidungen werden in diesen Strukturen gefällt. Das gilt auch für das Thema Frauenquote: Arbeitnehmer und Gewerkschaften haben bei den Dax-Unternehmen 50 Prozent der Stimmen im Aufsichtsrat. Sie sollten mit diesem Stimmgewicht dazu beizutragen, dass mehr Frauen in hohe Positionen kommen.
Frage: Reicht das?
BRÜDERLE: Wir brauchen mehr Frauen in Spitzenpositionen. Aber die Quote für Aufsichtsräte ist der falsche Weg. Viel wichtiger ist es, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern: durch flexiblere Arbeitszeiten, bessere Kinderbetreuung und mehr Heimarbeit am Computer, wenn man kleine Kinder hat. Das hilft den Frauen wirklich. Dafür setzt sich die FDP ein.
Frage: Auch Herr Steinbrück redet neuerdings viel von Frauen. Wie haben Sie seine Entwicklung nach seiner Kanzlerkandidatur beobachtet?
BRÜDERLE: Damit der linke Flügel der SPD die Füße stillhält, muss Peer Steinbrück plötzlich eine linke Politik vertreten. Aber eigentlich steht er nicht für diese linke Politik. Deshalb wirkt er auch nicht authentisch.
Frage: Tut Ihnen Steinbrück manchmal leid?
BRÜDERLE: Nein, Herr Steinbrück kandidiert ja freiwillig. Aber es ist ein Stück Tragik, dass jemand, der eigentlich von seinem Werdegang her, zum Beispiel als Bundesfinanzminister, anderes vertreten hat, jetzt in die Abhängigkeit des linken Flügels der SPD geraten ist.
Frage: Wie beurteilen Sie Ihren eigenen Auftakt als Spitzenkandidat der FDP?
BRÜDERLE: Es geht nicht um mich, es geht um die FDP. Unser Team funktioniert gut. Und wir legen ja erst richtig los.
Frage: Hat Ihnen die "Stern"-Affäre geschadet?
BRÜDERLE: Das kommentiere ich nicht.
Frage: Wenn die FDP die 5 Prozent nicht schafft, könnte es eine Große Koalition geben. Wie würde die Union dann werden?
BRÜDERLE: Sozialdemokratischer. Sie hätten dann ein großes Mischmasch von schwarz angestrichenen Sozialdemokraten und rot angestrichenen Sozialdemokraten. Für die Belange, die wir haben - Ordnungspolitik, Bürgerechte, Freiheit, ein gerechtes Europa - wäre das fatal. Aber dazu wird es nicht kommen. Die FDP wird weiter Wahlen gewinnen.
Frage: Stünden Steuererhöhungen ins Haus?
BRÜDERLE: Wir haben da ja praktische Felderfahrung. In der letzten Großen Koalition wollte die SPD erst angeblich keine Mehrwertsteuererhöhung und die Union zwei Prozent. Geeinigt haben sie sich auf drei Prozent. Das ist die Mathematik der Großen Koalition.
Frage: Sollte man das im Hinterkopf behalten?
BRÜDERLE: Das sollte man präzise im Vorderkopf behalten.
Frage: Also: Warum FDP wählen und nicht Union?
BRÜDERLE: Mit uns wird es keine Steuererhöhungen geben. Und Herr Schäuble hat beim Ausgleich des Haushalts keine besseren Verbündeten als uns. Wir sind diejenigen, die bei der europäischen Entwicklung und bei der Geldwertstabilität ganz klar auf Parlamentsbeteiligung und die Einhaltung strenger Regeln achten. Dass die Bundeskanzlerin so erfolgreich ist, liegt daran, dass sie der Kompromiss mit der FDP zu einer ausgewogenen Politik führt.