FDP|
25.01.2013 - 01:00Auf dem Weg zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten
Der britische Premierminister David Cameron stellt Neuverhandlungen über die Beziehungen Großbritanniens zur EU in Aussicht. Außenminister Guido Westerwelle mahnte: "Eine Politik des Rosinenpickens wird nicht funktionieren." FDP-Europa-parlamentarier Alexander Graf Lambsdorff sieht die Union auf dem Weg zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten. FDP-Außenexperte Rainer Stinner plädierte im ''Deutschlandfunk'' dafür, die EU-Architektur zu überprüfen.
Lambsdorff, Vorsitzender der FDP im EU-Parlament, betonte, dass "gerade die Liberalen" ein großes Interesse daran hätten, dass Großbritannien in der EU bleibe. "Denn bei Wirtschaftsfragen sind die Briten unser bester Verbündeter." Die EU dürfe sich aber nicht erpressen lassen, stellte der FDP-Europapolitiker klar. Großbritannien müsse sich bei Neuverhandlungen darauf einstellen, auch Zugeständnisse zu machen. „Verhandlungen sind immer eine Zweibahnstraße“, sagte Lambsdorff im „Zeit“-Interview .
Wenn Großbritannien seine Beziehungen zur EU neu definieren wolle, könne es das tun. "Vielleicht ist das für Europa sogar von Vorteil", erklärte Lambsdorff. Denn immerhin blockierten die Briten bei zentralen Themen, wie der Bankenunion und der Regulierung der Finanzmärkte, der gemeinsamen Außenpolitik, in den Verhandlungen über den künftigen Finanzrahmen der EU oder - wie angekündigt - auch in der Innen- und Justizpolitik.
Im Gegensatz zu Großbritannien gehe es den anderen EU-Ländern derzeit nicht um einen Rückbau der Union. Vielmehr sei für sie entscheidend, „die Eurokrise zu überwinden und die EU da, wo es nötig ist, zu vertiefen“. Wenn die Briten Kompetenzen zurückforderten, müssten die EU-Verträge mit allen 27 Staaten neu ausgehandelt werden. „Das wird frühestens 2015 beginnen können, nach den Europawahlen und der Neubesetzung der EU-Kommission“, so Lambsdorff. Aus diesem Grund sei Camerons Zeitplan für das Referendum „sehr unrealistisch“.
Lambsdorff: „Ein differenziertes Europa wäre ein gutes Modell“
Für die Zukunft sieht der FDP-Politiker Großbritannien als Kern derjenigen EU-Länder, die nicht in der Eurozone sind. „Das halte ich nicht für eine Spaltung, sondern eine produktive Auflösung eines Grundkonflikts der EU – falls es gelingt.“ Für ein solches Modell gebe es auch in anderen Ländern Sympathie. „Dänemark, Schweden und manche Länder im Osten werden ebenfalls dauerhaft oder zumindest für lange Zeit der Eurozone nicht beitreten und deshalb nicht in den inneren Bereich der EU aufgenommen werden können.“ Dennoch müsse Europa ein großes Interesse haben, all diese Länder früher oder später einzubinden.
„Ein differenziertes Europa mit der Eurozone als Mittelpunkt und Ländern drumherum, die die gleichen Werte teilen und zum Binnenmarkt gehören, wäre ein gutes Modell für die Zukunft des Kontinents“, so Lambsdorff. „Ich bin mir sicher, dass man nach reiflichen Diskussionen dafür Mehrheiten bekommen wird.“
Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft
Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat als Reaktion auf die europapolitische Rede des britischen Premiers David Cameron an Großbritannien appelliert, seine Zukunft auch weiter in der Europäischen Union zu sehen: "Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft." Nicht alles müsse in oder von Brüssel entschieden werden. "Aber eine Politik des Rosinenpickens wird nicht funktionieren."
Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Stinner, will die Kritik des britischen Premiers zum Anlass nehmen, die EU-Architektur auf den Prüfstand zu stellen. Zwar sei es nicht akzeptabel, dass Großbritannien einseitig verlange, ganze Politikfelder wie die Justizpolitik aus der EU herauszunehmen. "Aber Cameron hat in dem Punkt recht, dass die Architektur der EU überarbeitet werden sollte", sagte Stinner dem "Handelsblatt-Online". "Wir sollten ihn darin unterstützen."
Hintergrund
Der britische Premierminister Cameron strebt eine Volksabstimmung über den Verbleib seines Landes in der Europäischen Union an. "Die Ernüchterung in der Öffentlichkeit über die EU befindet sich auf einem Höchststand", heißt es in einer europapolitischen Grundsatzrede des Premierministers, die Cameron am Mittwoch in London gehalten hat.
Nach Ansicht von Cameron wird das Vereinigte Königreich aus der EU driften, sollte sich die Staatengemeinschaft nicht reformieren. Er stellte Neuverhandlungen über die Beziehungen zur EU in Aussicht, die auch im Programm seiner Konservativen Partei für die Parlamentswahl 2015 festgeschrieben werden sollen. Zugleich machte Cameron deutlich, dass er für einen Verbleib in einer "flexibleren, anpassungsfähigeren und offeneren" EU plädiert.
Auf dem Weg zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten
Der britische Premierminister David Cameron stellt Neuverhandlungen über die Beziehungen Großbritanniens zur EU in Aussicht. Außenminister Guido Westerwelle mahnte: "Eine Politik des Rosinenpickens wird nicht funktionieren." FDP-Europa-parlamentarier Alexander Graf Lambsdorff sieht die Union auf dem Weg zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten. FDP-Außenexperte Rainer Stinner plädierte im ''Deutschlandfunk'' [1] dafür, die EU-Architektur zu überprüfen.
Lambsdorff, Vorsitzender der FDP im EU-Parlament, betonte, dass "gerade die Liberalen" ein großes Interesse daran hätten, dass Großbritannien in der EU bleibe. "Denn bei Wirtschaftsfragen sind die Briten unser bester Verbündeter." Die EU dürfe sich aber nicht erpressen lassen, stellte der FDP-Europapolitiker klar. Großbritannien müsse sich bei Neuverhandlungen darauf einstellen, auch Zugeständnisse zu machen. „Verhandlungen sind immer eine Zweibahnstraße“, sagte Lambsdorff im „Zeit“-Interview [2].
Wenn Großbritannien seine Beziehungen zur EU neu definieren wolle, könne es das tun. "Vielleicht ist das für Europa sogar von Vorteil", erklärte Lambsdorff. Denn immerhin blockierten die Briten bei zentralen Themen, wie der Bankenunion und der Regulierung der Finanzmärkte, der gemeinsamen Außenpolitik, in den Verhandlungen über den künftigen Finanzrahmen der EU oder - wie angekündigt - auch in der Innen- und Justizpolitik.
Im Gegensatz zu Großbritannien gehe es den anderen EU-Ländern derzeit nicht um einen Rückbau der Union. Vielmehr sei für sie entscheidend, „die Eurokrise zu überwinden und die EU da, wo es nötig ist, zu vertiefen“. Wenn die Briten Kompetenzen zurückforderten, müssten die EU-Verträge mit allen 27 Staaten neu ausgehandelt werden. „Das wird frühestens 2015 beginnen können, nach den Europawahlen und der Neubesetzung der EU-Kommission“, so Lambsdorff. Aus diesem Grund sei Camerons Zeitplan für das Referendum „sehr unrealistisch“.
Lambsdorff: „Ein differenziertes Europa wäre ein gutes Modell“
Für die Zukunft sieht der FDP-Politiker Großbritannien als Kern derjenigen EU-Länder, die nicht in der Eurozone sind. „Das halte ich nicht für eine Spaltung, sondern eine produktive Auflösung eines Grundkonflikts der EU – falls es gelingt.“ Für ein solches Modell gebe es auch in anderen Ländern Sympathie. „Dänemark, Schweden und manche Länder im Osten werden ebenfalls dauerhaft oder zumindest für lange Zeit der Eurozone nicht beitreten und deshalb nicht in den inneren Bereich der EU aufgenommen werden können.“ Dennoch müsse Europa ein großes Interesse haben, all diese Länder früher oder später einzubinden.
„Ein differenziertes Europa mit der Eurozone als Mittelpunkt und Ländern drumherum, die die gleichen Werte teilen und zum Binnenmarkt gehören, wäre ein gutes Modell für die Zukunft des Kontinents“, so Lambsdorff. „Ich bin mir sicher, dass man nach reiflichen Diskussionen dafür Mehrheiten bekommen wird.“
Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft
Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat als Reaktion auf die europapolitische Rede des britischen Premiers David Cameron an Großbritannien appelliert, seine Zukunft auch weiter in der Europäischen Union zu sehen: "Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft." Nicht alles müsse in oder von Brüssel entschieden werden. "Aber eine Politik des Rosinenpickens wird nicht funktionieren."
Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Stinner, will die Kritik des britischen Premiers zum Anlass nehmen, die EU-Architektur auf den Prüfstand zu stellen. Zwar sei es nicht akzeptabel, dass Großbritannien einseitig verlange, ganze Politikfelder wie die Justizpolitik aus der EU herauszunehmen. "Aber Cameron hat in dem Punkt recht, dass die Architektur der EU überarbeitet werden sollte", sagte Stinner dem "Handelsblatt-Online". "Wir sollten ihn darin unterstützen."
Hintergrund
Der britische Premierminister Cameron strebt eine Volksabstimmung über den Verbleib seines Landes in der Europäischen Union an. "Die Ernüchterung in der Öffentlichkeit über die EU befindet sich auf einem Höchststand", heißt es in einer europapolitischen Grundsatzrede des Premierministers, die Cameron am Mittwoch in London gehalten hat.
Nach Ansicht von Cameron wird das Vereinigte Königreich aus der EU driften, sollte sich die Staatengemeinschaft nicht reformieren. Er stellte Neuverhandlungen über die Beziehungen zur EU in Aussicht, die auch im Programm seiner Konservativen Partei für die Parlamentswahl 2015 festgeschrieben werden sollen. Zugleich machte Cameron deutlich, dass er für einen Verbleib in einer "flexibleren, anpassungsfähigeren und offeneren" EU plädiert.