FDP|
18.11.2012 - 01:00NIEBEL-Interview für den epd
Berlin. FDP-Präsidiumsmitglied Bundesentwicklungsminister DIRK NIEBEL gab dem Evangelischen Pressedienst (epd) das folgende heute gesendete Interview. Die Fragen stellte ELVIRA TREFFINGER:
Frage: Herr Minister Niebel, die westafrikanischen Staaten wollen 3 300 Soldaten nach Mali schicken, um die islamistischen Milizen zu vertreiben. Was halten Sie von dieser Aktion?
NIEBEL: Die Bundesregierung ist der festen Überzeugung, dass noch nicht alle diplomatischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Deshalb hat die Bundesregierung der malischen Regierung angeboten, in dem Konflikt zu moderieren. Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass die internationale Staatengemeinschaft dies mit dem Aufbau von militärischem Druck begleitet. Deshalb warten wir mit großem Interesse auf die Vorschläge der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Montag.
Frage: Werden denn die Islamisten, die den Norden Malis kontrollieren, zu Verhandlungen bereit sein, wenn gleichzeitig eine Streitmacht gegen sie aufmarschiert?
NIEBEL: Ich bin der festen Überzeugung, dass die Zeit für Gespräche niemals vorbei ist. Gespräche sind immer besser als Kampfhandlungen.
Frage: Sie haben Unterstützung für einen Kampfeinsatz westafrikanischer Staaten signalisiert. Ist er aus Ihrer Sicht unvermeidlich?
NIEBEL: Eine Militärintervention ist dann nicht unvermeidlich, wenn noch diplomatische Konfliktlösungsmöglichkeiten bestehen. Die Bundesregierung strebt an, dass die territoriale Integrität Malis und die Souveränität der malischen Regierung wiederhergestellt werden. Wenn dazu der UN-Sicherheitsrat der Westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS und der Afrikanischen Union die Möglichkeit gibt, die Besetzung Nordmalis durch bewaffnete Gruppen mit militärischen Mitteln zu beenden, dann ist das grundsätzlich eine Möglichkeit. Welche Aufgaben im Detail auf die internationalen Partner dabei zukommen, werden wir sehen.
Frage: Warum ist die Befreiung Nordmalis für Deutschland wichtig?
NIEBEL: Zunächst, weil die Menschen in Mali in einem demokratischen säkularen Staat leben wollen. Außerdem sehen Sie, wenn Sie die Karte Afrikas anschauen, dass sich auf Höhe der Sahelzone von Ost nach West ein immer breiter werdender Gürtel schwacher oder zerfallender Staaten durch den Kontinent zieht. Von Somalia über den Sudan und den Tschad bis hin zu Nigeria, Niger und Mali. Dort lassen sich immer mehr Extremisten nieder. Ihr wirkliches Angriffsziel aber ist die westliche Lebensart der Europäer und der Amerikaner.
Frage: Dann liegt die Bekämpfung der Islamisten in Westafrika in unserem ureigenen Interesse?
NIEBEL: Absolut. Mali ist auch Durchzugsgebiet für Schmuggler aller Art, die Drogen nach Europa bringen. Das betrifft unsere Sicherheit: Von Mali bis zum Mittelmeer gibt es nur noch eine Staatsgrenze.
Frage: Was sollte denn die EU tun, um die afrikanische Militärmission in Mali zu unterstützen?
NIEBEL: Wir werden von der Europäischen Union die Information bekommen, welchen Bedarf es gibt und welche Wünsche man an die einzelnen Mitgliedstaaten richtet. Danach werden wir entscheiden.
Frage: Sie sind dafür, dass sich die Bundeswehr beteiligt?
NIEBEL: Ich kann mir vorstellen, dass wir uns für Mali im Rahmen einer Ausbildungsmission engagieren, wenn ein europäisches Mandat diese Mission ermöglicht. Wir machen bereits heute gute Erfahrungen mit der Ausbildung somalischer Soldaten in Uganda.
Frage: Wie schätzen Sie das Risiko ein, in Mali in einen Krieg hineinzuschlittern?
NIEBEL: Eine Ausbildungsmission findet in aller Regel nicht im Kampfgebiet und wahrscheinlich sogar außerhalb des Landes statt. Deshalb wäre das Risiko nicht groß.
Frage: Wie groß ist die Gefahr eines Flächenbrandes, der auch Algerien, Mauretanien und den Niger erfasst?
NIEBEL: Wenn wir den Terroristen und Extremisten die Sahelzone überlassen, ist die Gefahr eines Flächenbrandes wesentlich größer als bei dem Versuch, die territoriale Integrität Malis wiederherzustellen.
Frage: Was bedeutet es für die Bevölkerung, wenn in Nordmali gekämpft wird? Besteht die Gefahr, dass die Islamisten sich unter den Zivilisten verstecken?
NIEBEL: In Nordmali wird die Zivilbevölkerung täglich von den Terroristen drangsaliert, gefoltert und umgebracht. Viele Menschen fliehen. Natürlich bergen Kampfhandlungen immer ein Risiko, dass unbeteiligte Menschen zu Schaden kommen. Deshalb arbeiten wir weiter an einer diplomatischen Lösung.
Frage: Sind in Mali Fehler gemacht worden? Wie konnte das einstige Vorzeigeland so abdriften?
NIEBEL: Vielleicht hatte man bei der gute Entwicklung Malis übersehen, dass man nicht nur in Menschen, sondern auch in Sicherheit investieren muss. Die malische Armee war nicht ausgerüstet und nicht ausgebildet, um mit einer schwer bewaffneten Söldnertruppe aus Libyen fertig zu werden. Und womöglich wurde die Tuareg-Minderheit im Norden nicht intensiv genug am gesellschaftlichen und politischen Leben beteiligt.
Frage: Welche Beiträge kann die Entwicklungspolitik zur Lösung des Mali-Konflikts leisten?
NIEBEL: Wir haben wie alle internationalen Geber nach dem Putsch im März die staatliche Entwicklungszusammenarbeit weitestgehend ausgesetzt. Wir fordern von der Regierung der nationalen Einheit einen Fahrplan zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung. Im Rahmen dieses Plans werden wir schrittweise die Hilfe wiederaufnehmen. In vollem Umfang kann dies erst nach demokratischen Parlaments- und Präsidentenwahlen geschehen. Von dem Stopp unberührt sind allerdings Projekte, die bevölkerungsnah und regierungsfern umgesetzt werden können, also beispielsweise Projekte zur Ernährungssicherung.
NIEBEL-Interview für den epd
Berlin. FDP-Präsidiumsmitglied Bundesentwicklungsminister DIRK NIEBEL gab dem Evangelischen Pressedienst (epd) das folgende heute gesendete Interview. Die Fragen stellte ELVIRA TREFFINGER:
Frage: Herr Minister Niebel, die westafrikanischen Staaten wollen 3 300 Soldaten nach Mali schicken, um die islamistischen Milizen zu vertreiben. Was halten Sie von dieser Aktion?
NIEBEL: Die Bundesregierung ist der festen Überzeugung, dass noch nicht alle diplomatischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Deshalb hat die Bundesregierung der malischen Regierung angeboten, in dem Konflikt zu moderieren. Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass die internationale Staatengemeinschaft dies mit dem Aufbau von militärischem Druck begleitet. Deshalb warten wir mit großem Interesse auf die Vorschläge der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Montag.
Frage: Werden denn die Islamisten, die den Norden Malis kontrollieren, zu Verhandlungen bereit sein, wenn gleichzeitig eine Streitmacht gegen sie aufmarschiert?
NIEBEL: Ich bin der festen Überzeugung, dass die Zeit für Gespräche niemals vorbei ist. Gespräche sind immer besser als Kampfhandlungen.
Frage: Sie haben Unterstützung für einen Kampfeinsatz westafrikanischer Staaten signalisiert. Ist er aus Ihrer Sicht unvermeidlich?
NIEBEL: Eine Militärintervention ist dann nicht unvermeidlich, wenn noch diplomatische Konfliktlösungsmöglichkeiten bestehen. Die Bundesregierung strebt an, dass die territoriale Integrität Malis und die Souveränität der malischen Regierung wiederhergestellt werden. Wenn dazu der UN-Sicherheitsrat der Westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS und der Afrikanischen Union die Möglichkeit gibt, die Besetzung Nordmalis durch bewaffnete Gruppen mit militärischen Mitteln zu beenden, dann ist das grundsätzlich eine Möglichkeit. Welche Aufgaben im Detail auf die internationalen Partner dabei zukommen, werden wir sehen.
Frage: Warum ist die Befreiung Nordmalis für Deutschland wichtig?
NIEBEL: Zunächst, weil die Menschen in Mali in einem demokratischen säkularen Staat leben wollen. Außerdem sehen Sie, wenn Sie die Karte Afrikas anschauen, dass sich auf Höhe der Sahelzone von Ost nach West ein immer breiter werdender Gürtel schwacher oder zerfallender Staaten durch den Kontinent zieht. Von Somalia über den Sudan und den Tschad bis hin zu Nigeria, Niger und Mali. Dort lassen sich immer mehr Extremisten nieder. Ihr wirkliches Angriffsziel aber ist die westliche Lebensart der Europäer und der Amerikaner.
Frage: Dann liegt die Bekämpfung der Islamisten in Westafrika in unserem ureigenen Interesse?
NIEBEL: Absolut. Mali ist auch Durchzugsgebiet für Schmuggler aller Art, die Drogen nach Europa bringen. Das betrifft unsere Sicherheit: Von Mali bis zum Mittelmeer gibt es nur noch eine Staatsgrenze.
Frage: Was sollte denn die EU tun, um die afrikanische Militärmission in Mali zu unterstützen?
NIEBEL: Wir werden von der Europäischen Union die Information bekommen, welchen Bedarf es gibt und welche Wünsche man an die einzelnen Mitgliedstaaten richtet. Danach werden wir entscheiden.
Frage: Sie sind dafür, dass sich die Bundeswehr beteiligt?
NIEBEL: Ich kann mir vorstellen, dass wir uns für Mali im Rahmen einer Ausbildungsmission engagieren, wenn ein europäisches Mandat diese Mission ermöglicht. Wir machen bereits heute gute Erfahrungen mit der Ausbildung somalischer Soldaten in Uganda.
Frage: Wie schätzen Sie das Risiko ein, in Mali in einen Krieg hineinzuschlittern?
NIEBEL: Eine Ausbildungsmission findet in aller Regel nicht im Kampfgebiet und wahrscheinlich sogar außerhalb des Landes statt. Deshalb wäre das Risiko nicht groß.
Frage: Wie groß ist die Gefahr eines Flächenbrandes, der auch Algerien, Mauretanien und den Niger erfasst?
NIEBEL: Wenn wir den Terroristen und Extremisten die Sahelzone überlassen, ist die Gefahr eines Flächenbrandes wesentlich größer als bei dem Versuch, die territoriale Integrität Malis wiederherzustellen.
Frage: Was bedeutet es für die Bevölkerung, wenn in Nordmali gekämpft wird? Besteht die Gefahr, dass die Islamisten sich unter den Zivilisten verstecken?
NIEBEL: In Nordmali wird die Zivilbevölkerung täglich von den Terroristen drangsaliert, gefoltert und umgebracht. Viele Menschen fliehen. Natürlich bergen Kampfhandlungen immer ein Risiko, dass unbeteiligte Menschen zu Schaden kommen. Deshalb arbeiten wir weiter an einer diplomatischen Lösung.
Frage: Sind in Mali Fehler gemacht worden? Wie konnte das einstige Vorzeigeland so abdriften?
NIEBEL: Vielleicht hatte man bei der gute Entwicklung Malis übersehen, dass man nicht nur in Menschen, sondern auch in Sicherheit investieren muss. Die malische Armee war nicht ausgerüstet und nicht ausgebildet, um mit einer schwer bewaffneten Söldnertruppe aus Libyen fertig zu werden. Und womöglich wurde die Tuareg-Minderheit im Norden nicht intensiv genug am gesellschaftlichen und politischen Leben beteiligt.
Frage: Welche Beiträge kann die Entwicklungspolitik zur Lösung des Mali-Konflikts leisten?
NIEBEL: Wir haben wie alle internationalen Geber nach dem Putsch im März die staatliche Entwicklungszusammenarbeit weitestgehend ausgesetzt. Wir fordern von der Regierung der nationalen Einheit einen Fahrplan zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung. Im Rahmen dieses Plans werden wir schrittweise die Hilfe wiederaufnehmen. In vollem Umfang kann dies erst nach demokratischen Parlaments- und Präsidentenwahlen geschehen. Von dem Stopp unberührt sind allerdings Projekte, die bevölkerungsnah und regierungsfern umgesetzt werden können, also beispielsweise Projekte zur Ernährungssicherung.