FDP|
15.09.2012 - 02:00WESTERWELLE-Interview für die "Thüringer Allgemeine"
Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Thüringer Allgemeinen" (Samstags-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte MARTIN DEBES:
Frage: Was sagen Sie zu der Stürmung der Deutschen Botschaft in Sudan?
WESTERWELLE: Ich verurteile die Angriffe auf unsere Botschaft in Khartum auf das schärfste. Die sudanesische Regierung hat die Pflicht, die Integrität und Sicherheit unseres Botschaftsgeländes in vollem Umfang zu gewährleisten.
Frage: In Nordafrika und im Nahen Osten droht ein Flächenbrand. Sie waren damals gegen den Militäreinsatz in Libyen. Fühlen Sie sich bestätigt?
WESTERWELLE: Zu unserer Entscheidung, keine Soldaten nach Libyen zu entsenden, habe ich ausreichend Stellung bezogen. Ich verstehe die Empörung in der islamischen Welt über das anti-muslimische Hassvideo. Auch ich verurteile dieses schändliche Video. Aber das kann keine Rechtfertigung den Angriff auf unsere Botschaft und andere Akte der Gewalt sein. Ich bin froh, dass alle Mitarbeiter der Botschaft in Sicherheit sind.
Frage: Aber war nicht Gaddafi, so wie jetzt Assad in Syrien, das kleinere Übel?
WESTERWELLE: Gaddafi hat zahllose Grausamkeiten zu verantworten. Deshalb haben wir dort immer das Ringen der Menschen nach Freiheit unterstützt - so wie wir jetzt jene in Syrien unterstützen, die für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit eintreten.
Frage: Doch die Opposition in Syrien wird von Islamisten dominiert: Droht nicht ein zweites Iran?
WESTERWELLE: Deshalb ist es ja so wichtig, dass sich die Opposition in Syrien auf eine gemeinsame Plattform der Demokratie und der ethnischen und religiösen Toleranz einigt.
Frage: Das ist das Prinzip Hoffnung - so wie in den Verhandlungen mit dem Iran. Verteidigungsminister de Maiziere bezeichnete diese Woche einen Militärschlag Israels als legitim. Können Sie ihm da folgen?
WESTERWELLE: Eine atomare Bewaffnung Irans ist nicht akzeptabel. Aber die Bundesregierung arbeitet an einer politischen und diplomatischen Lösung. Wir behalten uns vor, die Sanktionen abermals zu verschärfen.
Frage: Zu einem anderen wichtigen Thema dieser Woche: Karlsruhe hat für den Rettungsschirm die Obergrenze fest definiert. Wann wird der Bundestag das nächste Mal die Deckelung aufheben?
WESTERWELLE: Ich kann die Sorgen der Menschen gut verstehen. Wir leben in schwierigen Zeiten. Aber für Deutschland, für unseren Wohlstand und unsere Arbeitsplätze ist es entscheidend, dass wir Europa und unsere gemeinsame Währung stabilisieren. Wir setzen auf Haushaltsdisziplin, auf Reformen - aber eben auch auf Solidarität.
Frage: Dann frage ich anders: Ist das jetzt definitiv bei 190 Milliarden Euro Schluss?
WESTERWELLE: Wir setzen das um, was beschlossen ist. Aber es gibt Grenzen. So bin ich, im Gegensatz zur Opposition, entschieden gegen Euro-Bonds. Man löst eine Schuldenkrise nicht, indem man das Schuldenmachen erleichtert - oder indem Deutschland für alles haftet.
Frage: Aber sind die Grenzen, die das Grundgesetz definiert, nicht schon überschritten?
WESTERWELLE: Das sieht das Bundesverfassungsgericht anders. Das Grundgesetz hat sich bewährt und steht nicht zur Disposition. Es duldet nicht nur die europäische Integration - es will sie.
Frage: Also braucht Deutschland keine neue Verfassung? Das Volk wird nicht gefragt?
WESTERWELLE: Europa wird in einer Welt mit lauter neuen Kraftzentren nur gemeinsam als Schicksalsgemeinschaft bestehen. Wenn der Integrationsprozess weiter voran kommt und das eines Tages zu einer gemeinsamen, europäischen Verfassung führt, dann wird auch über einzelne Artikel des Grundgesetzes zu reden sein. Aber das ist Zukunftsmusik. Jetzt geht es erst einmal darum, dass wir die Schuldenkrise meistern.
Frage: Sie sind an diesem Wochenende auf dem Landesparteitag der Thüringer FDP, wo ein steuerlicher Grundfreibetrag von 800 Euro beschlossen werden soll. Einverstanden?
WESTERWELLE: Zu Anträgen, die noch nicht beschlossen sind, kann ich Ihnen nichts sagen. Grundsätzlich teile ich das Anliegen der Thüringer Liberalen, die Leistungsgerechtigkeit zu verbessern. Es ist ungerecht, wenn Lohnerhöhungen sofort wieder durch die sogenannte kalte Progression weitestgehend aufgefressen werden. Leider blockiert hier die Opposition in Berlin. Das ist hochgradig ärgerlich.
Frage: Sie haben gesagt, die FDP werde bei der Bundestagswahl auf neun Prozent kommen. Können Sie nicht froh sein, wenn Sie überhaupt wieder ins Parlament einziehen?
WESTERWELLE: Die FDP hat in der Regierung einen wesentlichen Beitrag dafür geleistet, dass die Wirtschaft wächst und die Arbeitslosigkeit sinkt. Der Mittelstand steht auch dank unseres Engagements wieder im Mittelpunkt der Politik. Wenn wir jetzt noch das Staatsschiff durch die Krise in Europa steuern und es schaffen, die Leistungsgerechtigkeit zu verbessern, werden wir ein sehr gutes Wahlergebnis schaffen.
Frage: Mit Guido Westerwelle in einer führenden Position? Man spricht über Ihr Comeback in der Partei . . .
WESTERWELLE: Ich habe viele Jahre meine Partei geführt, und bin dankbar für die sehr guten Ergebnisse in den Kommunen, in den Ländern, im Bund und in Europa. Aber die Zeit von Parteiämtern ist für mich vorbei.
WESTERWELLE-Interview für die "Thüringer Allgemeine"
Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Thüringer Allgemeinen" (Samstags-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte MARTIN DEBES:
Frage: Was sagen Sie zu der Stürmung der Deutschen Botschaft in Sudan?
WESTERWELLE: Ich verurteile die Angriffe auf unsere Botschaft in Khartum auf das schärfste. Die sudanesische Regierung hat die Pflicht, die Integrität und Sicherheit unseres Botschaftsgeländes in vollem Umfang zu gewährleisten.
Frage: In Nordafrika und im Nahen Osten droht ein Flächenbrand. Sie waren damals gegen den Militäreinsatz in Libyen. Fühlen Sie sich bestätigt?
WESTERWELLE: Zu unserer Entscheidung, keine Soldaten nach Libyen zu entsenden, habe ich ausreichend Stellung bezogen. Ich verstehe die Empörung in der islamischen Welt über das anti-muslimische Hassvideo. Auch ich verurteile dieses schändliche Video. Aber das kann keine Rechtfertigung den Angriff auf unsere Botschaft und andere Akte der Gewalt sein. Ich bin froh, dass alle Mitarbeiter der Botschaft in Sicherheit sind.
Frage: Aber war nicht Gaddafi, so wie jetzt Assad in Syrien, das kleinere Übel?
WESTERWELLE: Gaddafi hat zahllose Grausamkeiten zu verantworten. Deshalb haben wir dort immer das Ringen der Menschen nach Freiheit unterstützt - so wie wir jetzt jene in Syrien unterstützen, die für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit eintreten.
Frage: Doch die Opposition in Syrien wird von Islamisten dominiert: Droht nicht ein zweites Iran?
WESTERWELLE: Deshalb ist es ja so wichtig, dass sich die Opposition in Syrien auf eine gemeinsame Plattform der Demokratie und der ethnischen und religiösen Toleranz einigt.
Frage: Das ist das Prinzip Hoffnung - so wie in den Verhandlungen mit dem Iran. Verteidigungsminister de Maiziere bezeichnete diese Woche einen Militärschlag Israels als legitim. Können Sie ihm da folgen?
WESTERWELLE: Eine atomare Bewaffnung Irans ist nicht akzeptabel. Aber die Bundesregierung arbeitet an einer politischen und diplomatischen Lösung. Wir behalten uns vor, die Sanktionen abermals zu verschärfen.
Frage: Zu einem anderen wichtigen Thema dieser Woche: Karlsruhe hat für den Rettungsschirm die Obergrenze fest definiert. Wann wird der Bundestag das nächste Mal die Deckelung aufheben?
WESTERWELLE: Ich kann die Sorgen der Menschen gut verstehen. Wir leben in schwierigen Zeiten. Aber für Deutschland, für unseren Wohlstand und unsere Arbeitsplätze ist es entscheidend, dass wir Europa und unsere gemeinsame Währung stabilisieren. Wir setzen auf Haushaltsdisziplin, auf Reformen - aber eben auch auf Solidarität.
Frage: Dann frage ich anders: Ist das jetzt definitiv bei 190 Milliarden Euro Schluss?
WESTERWELLE: Wir setzen das um, was beschlossen ist. Aber es gibt Grenzen. So bin ich, im Gegensatz zur Opposition, entschieden gegen Euro-Bonds. Man löst eine Schuldenkrise nicht, indem man das Schuldenmachen erleichtert - oder indem Deutschland für alles haftet.
Frage: Aber sind die Grenzen, die das Grundgesetz definiert, nicht schon überschritten?
WESTERWELLE: Das sieht das Bundesverfassungsgericht anders. Das Grundgesetz hat sich bewährt und steht nicht zur Disposition. Es duldet nicht nur die europäische Integration - es will sie.
Frage: Also braucht Deutschland keine neue Verfassung? Das Volk wird nicht gefragt?
WESTERWELLE: Europa wird in einer Welt mit lauter neuen Kraftzentren nur gemeinsam als Schicksalsgemeinschaft bestehen. Wenn der Integrationsprozess weiter voran kommt und das eines Tages zu einer gemeinsamen, europäischen Verfassung führt, dann wird auch über einzelne Artikel des Grundgesetzes zu reden sein. Aber das ist Zukunftsmusik. Jetzt geht es erst einmal darum, dass wir die Schuldenkrise meistern.
Frage: Sie sind an diesem Wochenende auf dem Landesparteitag der Thüringer FDP, wo ein steuerlicher Grundfreibetrag von 800 Euro beschlossen werden soll. Einverstanden?
WESTERWELLE: Zu Anträgen, die noch nicht beschlossen sind, kann ich Ihnen nichts sagen. Grundsätzlich teile ich das Anliegen der Thüringer Liberalen, die Leistungsgerechtigkeit zu verbessern. Es ist ungerecht, wenn Lohnerhöhungen sofort wieder durch die sogenannte kalte Progression weitestgehend aufgefressen werden. Leider blockiert hier die Opposition in Berlin. Das ist hochgradig ärgerlich.
Frage: Sie haben gesagt, die FDP werde bei der Bundestagswahl auf neun Prozent kommen. Können Sie nicht froh sein, wenn Sie überhaupt wieder ins Parlament einziehen?
WESTERWELLE: Die FDP hat in der Regierung einen wesentlichen Beitrag dafür geleistet, dass die Wirtschaft wächst und die Arbeitslosigkeit sinkt. Der Mittelstand steht auch dank unseres Engagements wieder im Mittelpunkt der Politik. Wenn wir jetzt noch das Staatsschiff durch die Krise in Europa steuern und es schaffen, die Leistungsgerechtigkeit zu verbessern, werden wir ein sehr gutes Wahlergebnis schaffen.
Frage: Mit Guido Westerwelle in einer führenden Position? Man spricht über Ihr Comeback in der Partei . . .
WESTERWELLE: Ich habe viele Jahre meine Partei geführt, und bin dankbar für die sehr guten Ergebnisse in den Kommunen, in den Ländern, im Bund und in Europa. Aber die Zeit von Parteiämtern ist für mich vorbei.