FDP|
03.09.2012 - 02:00NIEBEL-Interview für "Deutsche Welle online"
Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesentwicklungsminister DIRK NIEBEL gab
"Deutsche Welle online" heute das folgende Interview. Die Fragen stellte MIKHAIL BUSHUEV:
Frage: Tadshikistan und Kirgistan gelten als die instabilsten Staaten in Zentralasien (nach Afghanistan). Welchen Eindruck haben Sie nach dem Besuch?
NIEBEL: Tadshikistan und Kirgistan gehören zu den ärmsten Ländern in Zentralasien. Die Regierungen beider Länder haben zwar Reformen eingeleitet, um die Armut zu bekämpfen. Bislang allerdings werden diese Reformen zum Teil nur schleppend umgesetzt - das hängt einerseits mit mangelnder Rechtssicherheit, andererseits mit unzureichender Regierungsführung zusammen. In meinen Gesprächen sowohl mit den Regierungen als auch der Zivilgesellschaft habe ich sehr deutlich gemacht, dass der entschiedene Kampf gegen Korruption und die Beachtung der Menschenrechte Grundvoraussetzung für eine friedliche wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes sind. Sehr beeindruckt hat mich eine Diskussion mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern der "Zentralasiatischen Sommerakademie für zeitgenössischen Journalismus", die sehr kritisch und engagiert über ihre Arbeitsmöglichkeiten als Journalisten und ihre Vorstellungen für die Zukunft der Medien in ihren Ländern berichteten.
Frage: Inwieweit behindert die innerpolitische Situation in beiden Ländern - Aufstand in der Provinz Bergbadakhshan und Zerfall der Regierungskoalition - die deutsche Entwicklungszusammenarbeit vor Ort?
NIEBEL: In Tadshikistan mussten wir aufgrund der Ereignisse in Gorno-Badakhshan unsere entwicklungspolitischen Aktivitäten in dieser Region stoppen - denn die Sicherheit unserer Mitarbeiter vor Ort hat oberste Priorität. Ich hoffe, dass diese Unterbrechung nicht lang andauern muss. Die Lebensbedingungen der Menschen in Gorno-Badakhshan sind schwierig. Voraussetzung für wirksame Unterstützung durch uns
Ist allerdings, dass die Regierung transparent und offen mit der Situation umgeht - genau das habe ich auch gegenüber Präsident Rachmon nachdrücklich angemahnt. Unsere Projekte in anderen Landesteilen laufen weiter. In Kirgistan gestaltet sich die innenpolitische Situation etwas anders. So widersprüchlich es klingt: Zwar steckt das Land mitten in einer Regierungsumbildung - dennoch verhalten sich alle Akteure bisher verfassungsgemäß und friedlich, was ich als eine wichtige Errungenschaft der jungen - und in Zentralasien ersten - parlamentarischen Demokratie werte. Wir sehen daher im Augenblick keinen Anlass, an unserem entwicklungspolitischen Engagement in Kirgistan etwas zu verändern.
Frage: Kann man in Bezug auf den Friedensprozess in Afghanistan sagen, dass die zentralasiatischen Republiken der früheren Sowjetunion für die deutsche Entwicklungshilfe jetzt wichtiger geworden sind? Plant das BMZ, Hilfe an die Region aufzustocken?
NIEBEL: Wir sind seit mehr als 20 Jahren in Zentralasien entwicklungspolitisch aktiv - und dies sowohl bilateral - wie z.B. mit Tadshikistan und Kirgistan - als auch im regionalen Kontext. Aber es stimmt: Ja, im Licht des Truppenabzugs in Afghanistan gilt einer friedlichen Entwicklung in der Region noch einmal erhöhte Aufmerksamkeit. Die einschlägigen Probleme in dieser Region - organisierte Kriminalität, Terrorismus und Drogenhandel - machen Zentralasien zu einem Raum, in dem sich die Sicherheit Europas mitentscheidet. Umso entschlossener müssen wir diese Probleme angehen - eben auch durch unsere Entwicklungszusammenarbeit. Wir versuchen, Konfliktpotenziale zu mindern, indem wir die regionale Kooperation der zentralasiatischen Länder unterstützen - ob im Bereich Wasser, Bildung, Wirtschaft oder beim Schutz natürlicher Ressourcen. Und dies im Schulterschluss mit anderen Gebern wie beispielsweise der EU zum Thema Grenzmanagement und Drogen.
Frage: Wie weit sind die beiden Länder Tadshikistan und Kirgistan von den Millenniumszielen entfernt?
NIEBEL: Beide Länder werden voraussichtlich nicht alle Millenniumsentwicklungsziele erreichen - vor allem die im Bereich der Gesundheit. Sowohl in Tadshikistan als auch in Kirgistan ist die Mütter- und Kindersterblichkeit nach wie vor zu hoch. Auch an Tuberkulose sterben dort noch immer zu viele Menschen. Daher unterstützen wir die Länder auch bei der Reform ihres Gesundheitswesens. In Tadshikistan haben wir beispielsweise die Sanierung des zentralen Tuberkulose-Krankenhauses Macheton unterstützt und so die Qualität der Tuberkulose-Diagnostik auf internationales Niveau gehoben. Seit 2005 ist die Zahl der TB-Operationen dadurch um mehr als 75% gesunken. In Kirgistan fördern wir unter anderem Geburtskliniken und verbessern so die Gesundheit von Müttern und Kindern.
NIEBEL-Interview für "Deutsche Welle online"
Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesentwicklungsminister DIRK NIEBEL gab
"Deutsche Welle online" heute das folgende Interview. Die Fragen stellte MIKHAIL BUSHUEV:
Frage: Tadshikistan und Kirgistan gelten als die instabilsten Staaten in Zentralasien (nach Afghanistan). Welchen Eindruck haben Sie nach dem Besuch?
NIEBEL: Tadshikistan und Kirgistan gehören zu den ärmsten Ländern in Zentralasien. Die Regierungen beider Länder haben zwar Reformen eingeleitet, um die Armut zu bekämpfen. Bislang allerdings werden diese Reformen zum Teil nur schleppend umgesetzt - das hängt einerseits mit mangelnder Rechtssicherheit, andererseits mit unzureichender Regierungsführung zusammen. In meinen Gesprächen sowohl mit den Regierungen als auch der Zivilgesellschaft habe ich sehr deutlich gemacht, dass der entschiedene Kampf gegen Korruption und die Beachtung der Menschenrechte Grundvoraussetzung für eine friedliche wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes sind. Sehr beeindruckt hat mich eine Diskussion mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern der "Zentralasiatischen Sommerakademie für zeitgenössischen Journalismus", die sehr kritisch und engagiert über ihre Arbeitsmöglichkeiten als Journalisten und ihre Vorstellungen für die Zukunft der Medien in ihren Ländern berichteten.
Frage: Inwieweit behindert die innerpolitische Situation in beiden Ländern - Aufstand in der Provinz Bergbadakhshan und Zerfall der Regierungskoalition - die deutsche Entwicklungszusammenarbeit vor Ort?
NIEBEL: In Tadshikistan mussten wir aufgrund der Ereignisse in Gorno-Badakhshan unsere entwicklungspolitischen Aktivitäten in dieser Region stoppen - denn die Sicherheit unserer Mitarbeiter vor Ort hat oberste Priorität. Ich hoffe, dass diese Unterbrechung nicht lang andauern muss. Die Lebensbedingungen der Menschen in Gorno-Badakhshan sind schwierig. Voraussetzung für wirksame Unterstützung durch uns
Ist allerdings, dass die Regierung transparent und offen mit der Situation umgeht - genau das habe ich auch gegenüber Präsident Rachmon nachdrücklich angemahnt. Unsere Projekte in anderen Landesteilen laufen weiter. In Kirgistan gestaltet sich die innenpolitische Situation etwas anders. So widersprüchlich es klingt: Zwar steckt das Land mitten in einer Regierungsumbildung - dennoch verhalten sich alle Akteure bisher verfassungsgemäß und friedlich, was ich als eine wichtige Errungenschaft der jungen - und in Zentralasien ersten - parlamentarischen Demokratie werte. Wir sehen daher im Augenblick keinen Anlass, an unserem entwicklungspolitischen Engagement in Kirgistan etwas zu verändern.
Frage: Kann man in Bezug auf den Friedensprozess in Afghanistan sagen, dass die zentralasiatischen Republiken der früheren Sowjetunion für die deutsche Entwicklungshilfe jetzt wichtiger geworden sind? Plant das BMZ, Hilfe an die Region aufzustocken?
NIEBEL: Wir sind seit mehr als 20 Jahren in Zentralasien entwicklungspolitisch aktiv - und dies sowohl bilateral - wie z.B. mit Tadshikistan und Kirgistan - als auch im regionalen Kontext. Aber es stimmt: Ja, im Licht des Truppenabzugs in Afghanistan gilt einer friedlichen Entwicklung in der Region noch einmal erhöhte Aufmerksamkeit. Die einschlägigen Probleme in dieser Region - organisierte Kriminalität, Terrorismus und Drogenhandel - machen Zentralasien zu einem Raum, in dem sich die Sicherheit Europas mitentscheidet. Umso entschlossener müssen wir diese Probleme angehen - eben auch durch unsere Entwicklungszusammenarbeit. Wir versuchen, Konfliktpotenziale zu mindern, indem wir die regionale Kooperation der zentralasiatischen Länder unterstützen - ob im Bereich Wasser, Bildung, Wirtschaft oder beim Schutz natürlicher Ressourcen. Und dies im Schulterschluss mit anderen Gebern wie beispielsweise der EU zum Thema Grenzmanagement und Drogen.
Frage: Wie weit sind die beiden Länder Tadshikistan und Kirgistan von den Millenniumszielen entfernt?
NIEBEL: Beide Länder werden voraussichtlich nicht alle Millenniumsentwicklungsziele erreichen - vor allem die im Bereich der Gesundheit. Sowohl in Tadshikistan als auch in Kirgistan ist die Mütter- und Kindersterblichkeit nach wie vor zu hoch. Auch an Tuberkulose sterben dort noch immer zu viele Menschen. Daher unterstützen wir die Länder auch bei der Reform ihres Gesundheitswesens. In Tadshikistan haben wir beispielsweise die Sanierung des zentralen Tuberkulose-Krankenhauses Macheton unterstützt und so die Qualität der Tuberkulose-Diagnostik auf internationales Niveau gehoben. Seit 2005 ist die Zahl der TB-Operationen dadurch um mehr als 75% gesunken. In Kirgistan fördern wir unter anderem Geburtskliniken und verbessern so die Gesundheit von Müttern und Kindern.