FDP|
06.01.2011 - 01:00REDE von CHRISTIAN LINDNER, MdB FDP-Generalsekretär beim Dreikönigstreffen der FDP am 06. Januar 2011 in Stuttgart
Stenografische Mitschrift! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, am vergangenen Sonntag ist in einer Zeitung eine "Grabrede auf den Liberalismus" erschienen. Dieser Tage wird wieder oft infrage gestellt, ob es die FDP braucht; ob der Liberalismus überhaupt noch in die Zeit passt. Mich hat das an die Tage erinnert, als ich Mitte der neunziger Jahre Mitglied der FDP geworden bin. Damals hieß es, der Liberalismus habe sich zu Tode gesiegt. FDP sei überflüssig. Eine Dame ohne Unterleib - Sie erinnern sich. Ich war noch Schüler. In unserer Schule lag regelmäßig eine Wochenzeitung aus, der "Rheinische Merkur". Einmal erschien dort eine Karikatur: Die Buchstaben der FDP - und die Punkte, mit denen wir uns damals noch geschrieben haben, waren durch Totenköpfe ersetzt. So viel Zukunft hat man damals der FDP zugetraut. Und heute - 15, 16 Jahre später? Die FDP gibt es noch - aber der "Rheinische Merkur" erscheint seit dem letzten Dezember nur noch als Beilage einer Wochenzeitung... Meine Damen und Herren, ohne Frage, die Liberalen stehen in einer Bewährungsprobe. Nicht zum ersten Mal. Wir sind aus solchen Bewährungsproben immer dann gestärkt hervorgegangen, wenn wir uns unserer Prinzipien vergewissert haben. Wenn wir konsequent bei der Umsetzung unserer Vorhaben waren - und vor allen Dingen, wenn wir den Bürgern zugehört haben, was sie konkret von uns, was sie von der liberalen Partei erwarten. Ehrliche Offenheit für die Anregungen und die Kritik der Bürger, Klarheit in den Prioritäten und Konsequenz bei der Umsetzung unserer Vorhaben in der Koalition - das ist der Weg zu neuem Vertrauen, meine Damen und Herren. Liebe Freunde, wir sollten dabei nicht unsere politische Identität von anderen in Frage stellen lassen und es auch nicht selbst tun. Die FDP ist die Partei der Freiheit, Anwalt der bürgerlichen Mitte in Deutschland - mit europäischer Identität und mit Verantwortung für das Ganze. Das ist das Konzept der FDP: den Wirtschaftsliberalismus, den Bürgerrechtsliberalismus, den sozialen Liberalismus zu verbinden, und ein ganzheitliches liberales Angebot zu machen. Dieses Angebot in Deutschland ist attraktiv für mehr Menschen, als wir uns heute noch vorstellen können. Selbstverständlich gibt es gegenwärtig eine ganze Menge Kritik. Insbesondere die Opposition gefällt sich ja darin, uns fortwährend Klientelpolitik zu unterstellen. Bei allem, was wir machen, heißt es: Klientelpolitik. Dabei hat diese Partei in 60 Jahren der Bundesrepublik bewiesen, dass sie Verantwortung für das Ganze trägt, und wir haben auch im ersten Jahr unserer Regierungsverantwortung für die Menschen in diesem Land gearbeitet: - Wir arbeiten etwa für Millionen Menschen, die Dank unserer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik einen neuen oder einen sicheren Arbeitsplatz haben. Die obszönen Steuererhöhungspläne der Opposition würden das Wachstum dagegen abwürgen und Arbeitsplätze kosten. Die SPD streitet ja nur noch darum, wofür sie das Geld der Steuererhöhungen einsetzen will und schon gar nicht mehr darüber, ob sie die Steuern erhöhen will. Wir lassen uns das Wachstum von denen aber nicht kaputtmachen, meine Damen und Herren! - Wir arbeiten für die zehntausenden Jugendlichen, die Dank uns ein Jahr früher in ihr Berufsleben starten können, weil wir die Konsequenzen aus einer seit langem veränderten Sicherheitslage gezogen und den Freiheitseingriff durch die Wehrpflicht ausgesetzt haben. Weder Rot-Grün noch die Große Koalition haben dazu die Kraft gehabt. Aber wir. - Und wir arbeiten für Millionen Eltern, die Dank uns jetzt jedes Jahr, für jedes Kind, 240 Euro mehr Kindergeld in der Familienkasse haben. Die SPD wollte vor wenigen Tagen diesen Familien im Jahr noch 360 Euro streichen. Das ist es, was für uns Gemeinwohl ausmacht: Für Liberale zählt nicht das sozialste Wort, sondern die verantwortungsbewusste Tat. Es gilt nicht die große Sozialrhetorik, sondern den Alltag und das Leben von Millionen Menschen zu erleichtern. Das macht den Unterschied. Bürger, messt uns daran! Natürlich gibt es Enttäuschung, weil die Erwartungen sehr hoch waren. Wir haben eine Menge erreicht, womit wir werben können, aber wir müssen wahr- und ernstnehmen, dass es Enttäuschung gibt, und wenn wir ehrlich mit uns sind, dann haben auch wir doch noch ambitioniertere Ziele. Auch wir wollen doch noch mehr Gestaltungsehrgeiz umsetzen, aber wir arbeiten eben in einer Koalition, in der wir selbst um kleine Schritte ringen müssen. Das beste Beispiel ist in diesen Tagen ja die Steuervereinfachung - längst gefasste Beschlüsse. Ich kann nicht verstehen, dass Herr Schäuble den Menschen das Verbiegen und Verbeugen vor dem Finanzamt nicht schneller erleichtert. Da werden wir, wie an anderen Stellen, Druck machen müssen, damit die Union sich bewegt. Wenn man die Union nicht treibt, treibt sie nichts. Das ist der Auftrag der FDP in der Koalition. Wir nehmen Kritik ernst und wir übernehmen auch Verantwortung für Fehlentscheidungen. Aber Kritik ernst zu nehmen, das heißt nicht, dass man sich jede Kritik zu Eigen machen muss. Beispielsweise hat der führende Liberalismus-Experte in Deutschland, Gregor Gysi, dieser Tage gesagt, die FDP vernachlässige den politischen Liberalismus seit 20 Jahren. Deshalb habe der politische Liberalismus in Deutschland keine Zukunft mehr. Das sagt der Mann, dessen Partei durch ihre Vorsitzende am gestrigen Tag erklärt hat, dass sie den Kommunismus in Deutschland als politisches Ziel verfolgt. Welche Geisteshaltung hat nun mehr Zukunft? Im Übrigen ist das ernst zu nehmen. Und Sozialdemokraten und Grüne müssen sich erklären, warum sie mit dieser Partei in Bund und Ländern zusammenarbeiten wollen. Denn das ist doch der eigentliche Punkt: Es geht doch nicht alleine um die FDP in diesen Tagen. Es geht darum, dass - wenn diese Koalition scheitert - in Deutschland auf Jahre linke Regierungen und linke Mehrheiten die Geschicke des Landes bestimmen. Und deshalb ist die Koalition aus FDP und Union zum Erfolg verpflichtet. Insbesondere die Grünen werden wir stellen und zwingen müssen, sich zu erklären. Die treten gegenwärtig auf als Anwälte von Maß und Mitte; als eine gereifte, bürgerliche Alternative. In manchem Leitartikel kann man lesen, das sei die wirkliche liberale Partei und die andere Partei, die brauche man also für den Liberalismus gar nicht - es gäbe ja schon die Grünen, die das viel besser machen können. Diese Herausforderung müssen wir annehmen, denn in ihr steckt die Frage nach der Deutungshoheit über die Begriffe Freiheit, Fairness, Verantwortung und im besten Wortsinne auch Bürgerlichkeit. Und wir müssen den Vergleich mit den Grünen in diesen Fragen nicht scheuen: Liberale stehen für die Soziale Marktwirtschaft. Die Soziale Marktwirtschaft ist für uns nicht irgendeine beliebige Wirtschaftsordnung. Sie ist ein Wertefundament - die Ordnung der Freiheit! Sie verbindet eine leistungsfähige Wirtschaft mit sozialem Ausgleich. Leistungsgerechtigkeit mit Teilhabe. Sie beschreibt den prinzipiellen Vorrang privater Initiative innerhalb eines staatlichen Rahmens. Und damit ist sie auch Ausdruck, nein: Sie ist Garant der Offenheit für die Zukunft, weil die Bürger selbst als Kunden, als Unternehmer, als Wissenschaftler über die Zukunft der Gesellschaft entscheiden. Deshalb haben wir uns gegen punktuelle Eingriffe wie bei Opel gewandt. Deshalb wollen wir die Finanzmärkte Regeln unterwerfen. Deshalb wollen wir die maladen Landesbanken privatisieren. Die Grünen aber sprechen nicht mehr von Sozialer Marktwirtschaft. Die Grünen sprechen von "demokratischer Marktwirtschaft". Und sie meinen damit, dass in Zukunft eben politisch entschieden werden soll, in welche Richtung die Gesellschaft wächst - oder eben nicht wächst. Nicht mehr die Bürger, sondern Politiker mit Gesetzen und Geld entscheiden dann über die Perspektive dieser Gesellschaft: Frau Roth, Herr Trittin, Frau Künast. Liberale verteidigen aber die Weisheit der Vielen in der Mitte der Gesellschaft gegen die Einfältigkeit der Wenigen am grünen Tisch. Das ist für uns Soziale Marktwirtschaft. Liberale geben der Freiheit Vorrang vor der Gleichheit. Auch wir sind, das ist unsere liberale Geschichte, für die Gleichheit vor dem Gesetz. Wir sind auch für eine Grundsicherung unabhängig von individueller Leistung oder Verschulden. Ralf Dahrendorf hat darüber hinaus in "Bildung als Bürgerrecht" den Fußboden der Gesellschaft gesehen, auf dem alle Bürger stehen - aber er hat keine Deckenbegrenzung eingezogen. Für uns heißt Freiheit, dass es in einer Gesellschaft auch legitime Ungleichheit gibt, so lange nicht "harte Strukturen von Freiheitsverengung" (Udo Di Fabio) wachsen, weil Wenige selbstherrlich über die Lebenschancen von Anderen bestimmen. Und das ist die Aufgabe liberaler Politik: Die Offenheit und Vielfältigkeit der Gesellschaft zu garantieren durch Bildung, durch Zugänge zu Arbeit, zu Gesundheit, zu kultureller Teilhabe. Wenn diese Zugänge aber bestehen, dann ist Freiheit Ausdruck der Hoffnung, dass eigene Anstrengung zur Verbesserung der eigenen Lebensbedingungen führt. Dann ist sie die Chance, sich unterscheiden zu dürfen. Dann zeigt sie, dass Leistung und Fleiß einen Unterschied machen. Wer wie die Grünen die Freiheit der Gleichheit opfert, der verliert Vielfalt und Dynamik in einer Gesellschaft insgesamt. Die Grünen dagegen sprechen von gleicher Freiheit. Das ist ein Tarnwort. In Wahrheit geht es von der Einheitskrankenkasse bis zur Einheitsschule nur um die Durchsetzung egalitärer Vorstellungen in einer Gesellschaft. Der Vorsitzende der grünen Partei spricht wieder offen darüber, dass die "Umverteilung durch Steuern" ein Ziel seiner Partei sei. Das bedeutet konkret, dass Hartz IV auf 420 Euro gesetzt werden soll, ohne dass dadurch ein Mensch mehr in Arbeit kommt, und dass der Spitzensteuersatz auf 45 Prozent erhöht werden soll. Wohlgemerkt, 45 Prozent ist der Steuersatz der gegenwärtigen Reichensteuer. Ich habe am gestrigen Tag einmal in die Entgelttabelle der IG Metall hier in Baden-Württemberg für die Metall- und Elektroindustrie geschaut. Man muss noch nicht einmal in der höchsten Entgeltgruppe sein, um schon Spitzensteuersatzzahler zu sein. Deshalb sage ich eines: Eine grüne Partei, die Facharbeiter, die nach Tarifentgelt entlohnt werden, mit der Reichensteuer belasten will, hat jeden Bezug zur Lebenswirklichkeit der Mittelschicht in Deutschland verloren. Anwalt der Mitte sind wir. Liberale setzen sich für Generationengerechtigkeit ein, für die Freiheit der nachwachsenden Generationen - aber nicht nur durch die Schonung natürlicher Lebensgrundlagen, sondern auch durch die Schonung der Handlungsfähigkeit des Staates. Das Prinzip der Nachhaltigkeit kommt aus der Ökologie, man muss es aber nicht - wie die Grünen - ausschließlich auf die Umweltpolitik beziehen. Und deshalb stellen wir uns der Herausforderung der Haushaltskonsolidierung. Wir haben im Bundeshausalt erreicht, bis zum Jahr 2013/2014 achtzig Milliarden Euro gegenüber den Planungen von Peer Steinbrück zusätzlich einzusparen. Ich finde: Die FDP sollte noch darüber hinaus gehen. Die FDP sollte neuen Staatsaufgaben und Staatsausgaben - inklusive dieses Betreuungsgeldes von der CSU - nur dann zustimmen, wenn wir nachhaltige Erfolge bei der Haushaltskonsolidierung erreicht haben und die Mitte in Deutschland entlastet haben. Wir müssen das Prinzip durchbrechen, dass die Bürger gar nicht schnell genug erwirtschaften können, wie Politiker sich wieder neue Aufgaben für den Staat einfallen lassen. Das ist die historische Aufgabe von uns Liberalen. Die Grünen dagegen, meine Damen und Herren, haben in Nordrhein-Westfalen eine Minderheitenkoalition mit der SPD begründet und machen dort Rekordschulden, in meinem Heimatbundesland. Die sagen: Wir können den Haushaltsausgleich ohnehin nicht schaffen, also finanzieren wir doch lieber ein paar zusätzliche soziale Projekte. Dahinter steht noch etwas andere: Nämlich der Versuch, durch sozialen Populismus die Stimmen der Linkspartei im Landtag einzukaufen. Das aber ist das verantwortungsloseste, was man überhaupt nur tun kann: Aus Gefallsucht der Linkspartei gegenüber den Wohlstand der Kinder schon heute zu verfrühstücken. Das ist die Realität grüner Generationengerechtigkeit. Ich will einen letzten Gedanken mit Blick auf die Grünen anschließen. Liberale sehen die Chancen des Wandels, weil wir an den Fortschritt glauben. Hier in Stuttgart gab es ein solches Fortschrittsprojekt mit einem energieneutralen Bahnhof, mit Investitionen in die Schiene, mit einem ökologischen Musterstadtteil. Und trotzdem waren die Grünen dagegen. Sie haben den Protestzug als Dagegen-Partei Deutschlands angeführt. Das aber ist kein punktuelles Ereignis, sondern es sagt etwas über den grundlegenden Charakter dieser Partei aus. Es ist keine Polemik, sondern darüber belehrt auch ein Blick in die Archive. Ich habe mir die Mühe einmal gemacht, im Grünen-Archiv nachzuschauen, gegen was die Grünen alles so waren und sind: Gegen den, heute ja ausgesprochenen erfolgreichen, Flughafen München, gegen die Startbahn West, die ICE-Strecke bei Fulda, die bemannte Raumfahrt, Handynetze und deren Sendemasten, die Frankfurter Westend Skyline, die Ems- und Elbvertiefung, die Hochmoselbrücke, gegen Wachstum, gegen die Vernetzung von Computern am Arbeitsplatz, gegen Kabelfernsehen, gegen Pumpspeicherkraftwerke, gegen die A 100 in Berlin und so weiter und sofort. Und der Baden-Württemberger Grüne Fritz Kuhn schrieb 1984 in einem Aufsatz, dass "von dieser Technologie enorme ökologische, technische und soziale Risiken ausgehen". Er meinte den Videotext im Fernsehen und ISDN-Telefone. Meine Damen und Herren, das ist ein grünes Syndrom, denn die Grünen denken gering vom menschlichem Geist und pessimistisch betrachten sie Neues. Weil diese Partei aber damit in der Vergangenheit so oft girrt hat, darf sie keine Macht über unsere Zukunft erhalten. Liebe Freunde, die Grünen sind keine liberale Partei, noch nicht einmal eine bürgerliche Partei. Die Grünen sind eine linke Partei mit einer engen Verwandtschaftsbeziehung in programmatischer Hinsicht zur Linken. Sie sind damit so eine Art Trojanisches Pferd der deutschen Politik, oder frei nach Thomas Mann: Gefährlicher für die Freiheit als ihre echten Gegner sind ihre falschen Freunde. Und damit müssen wir die Grünen stellen: Die einzige liberale Partei sind wir. Deutschland braucht eine liberale Partei. Eine Partei für all diejenigen, die etwas aus ihrem Leben machen wollen und die optimistisch gegenüber Neuem sind. Eine Partei, die marktwirtschaftlich und leistungsorientiert ist, aber die Starken in einer Gesellschaft auch in die Verantwortung nimmt. Eine Partei, die fair und solidarisch ist, aber darunter nicht Gleichmacherei versteht. Eine Partei, die nachhaltig und zukunftsorientiert ist, darüber aber nicht staatsgläubig wird. Eine Partei der Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft, der Rechtsstaatlichkeit, der gesellschaftspolitischen Liberalität. Das ist das Profil der FDP. Wir sind in der Pflicht, dieses Land nicht den Staatgläubigen, nicht den Umverteilern, nicht den Fortschrittsskeptikern zu überlassen, sondern die Partei der Freiheit wieder erfolgreich zu machen. Ich danke Ihnen.
REDE von CHRISTIAN LINDNER, MdB FDP-Generalsekretär beim Dreikönigstreffen der FDP am 06. Januar 2011 in Stuttgart
Stenografische Mitschrift! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, am vergangenen Sonntag ist in einer Zeitung eine "Grabrede auf den Liberalismus" erschienen. Dieser Tage wird wieder oft infrage gestellt, ob es die FDP braucht; ob der Liberalismus überhaupt noch in die Zeit passt. Mich hat das an die Tage erinnert, als ich Mitte der neunziger Jahre Mitglied der FDP geworden bin. Damals hieß es, der Liberalismus habe sich zu Tode gesiegt. FDP sei überflüssig. Eine Dame ohne Unterleib - Sie erinnern sich. Ich war noch Schüler. In unserer Schule lag regelmäßig eine Wochenzeitung aus, der "Rheinische Merkur". Einmal erschien dort eine Karikatur: Die Buchstaben der FDP - und die Punkte, mit denen wir uns damals noch geschrieben haben, waren durch Totenköpfe ersetzt. So viel Zukunft hat man damals der FDP zugetraut. Und heute - 15, 16 Jahre später? Die FDP gibt es noch - aber der "Rheinische Merkur" erscheint seit dem letzten Dezember nur noch als Beilage einer Wochenzeitung... Meine Damen und Herren, ohne Frage, die Liberalen stehen in einer Bewährungsprobe. Nicht zum ersten Mal. Wir sind aus solchen Bewährungsproben immer dann gestärkt hervorgegangen, wenn wir uns unserer Prinzipien vergewissert haben. Wenn wir konsequent bei der Umsetzung unserer Vorhaben waren - und vor allen Dingen, wenn wir den Bürgern zugehört haben, was sie konkret von uns, was sie von der liberalen Partei erwarten. Ehrliche Offenheit für die Anregungen und die Kritik der Bürger, Klarheit in den Prioritäten und Konsequenz bei der Umsetzung unserer Vorhaben in der Koalition - das ist der Weg zu neuem Vertrauen, meine Damen und Herren. Liebe Freunde, wir sollten dabei nicht unsere politische Identität von anderen in Frage stellen lassen und es auch nicht selbst tun. Die FDP ist die Partei der Freiheit, Anwalt der bürgerlichen Mitte in Deutschland - mit europäischer Identität und mit Verantwortung für das Ganze. Das ist das Konzept der FDP: den Wirtschaftsliberalismus, den Bürgerrechtsliberalismus, den sozialen Liberalismus zu verbinden, und ein ganzheitliches liberales Angebot zu machen. Dieses Angebot in Deutschland ist attraktiv für mehr Menschen, als wir uns heute noch vorstellen können. Selbstverständlich gibt es gegenwärtig eine ganze Menge Kritik. Insbesondere die Opposition gefällt sich ja darin, uns fortwährend Klientelpolitik zu unterstellen. Bei allem, was wir machen, heißt es: Klientelpolitik. Dabei hat diese Partei in 60 Jahren der Bundesrepublik bewiesen, dass sie Verantwortung für das Ganze trägt, und wir haben auch im ersten Jahr unserer Regierungsverantwortung für die Menschen in diesem Land gearbeitet: - Wir arbeiten etwa für Millionen Menschen, die Dank unserer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik einen neuen oder einen sicheren Arbeitsplatz haben. Die obszönen Steuererhöhungspläne der Opposition würden das Wachstum dagegen abwürgen und Arbeitsplätze kosten. Die SPD streitet ja nur noch darum, wofür sie das Geld der Steuererhöhungen einsetzen will und schon gar nicht mehr darüber, ob sie die Steuern erhöhen will. Wir lassen uns das Wachstum von denen aber nicht kaputtmachen, meine Damen und Herren! - Wir arbeiten für die zehntausenden Jugendlichen, die Dank uns ein Jahr früher in ihr Berufsleben starten können, weil wir die Konsequenzen aus einer seit langem veränderten Sicherheitslage gezogen und den Freiheitseingriff durch die Wehrpflicht ausgesetzt haben. Weder Rot-Grün noch die Große Koalition haben dazu die Kraft gehabt. Aber wir. - Und wir arbeiten für Millionen Eltern, die Dank uns jetzt jedes Jahr, für jedes Kind, 240 Euro mehr Kindergeld in der Familienkasse haben. Die SPD wollte vor wenigen Tagen diesen Familien im Jahr noch 360 Euro streichen. Das ist es, was für uns Gemeinwohl ausmacht: Für Liberale zählt nicht das sozialste Wort, sondern die verantwortungsbewusste Tat. Es gilt nicht die große Sozialrhetorik, sondern den Alltag und das Leben von Millionen Menschen zu erleichtern. Das macht den Unterschied. Bürger, messt uns daran! Natürlich gibt es Enttäuschung, weil die Erwartungen sehr hoch waren. Wir haben eine Menge erreicht, womit wir werben können, aber wir müssen wahr- und ernstnehmen, dass es Enttäuschung gibt, und wenn wir ehrlich mit uns sind, dann haben auch wir doch noch ambitioniertere Ziele. Auch wir wollen doch noch mehr Gestaltungsehrgeiz umsetzen, aber wir arbeiten eben in einer Koalition, in der wir selbst um kleine Schritte ringen müssen. Das beste Beispiel ist in diesen Tagen ja die Steuervereinfachung - längst gefasste Beschlüsse. Ich kann nicht verstehen, dass Herr Schäuble den Menschen das Verbiegen und Verbeugen vor dem Finanzamt nicht schneller erleichtert. Da werden wir, wie an anderen Stellen, Druck machen müssen, damit die Union sich bewegt. Wenn man die Union nicht treibt, treibt sie nichts. Das ist der Auftrag der FDP in der Koalition. Wir nehmen Kritik ernst und wir übernehmen auch Verantwortung für Fehlentscheidungen. Aber Kritik ernst zu nehmen, das heißt nicht, dass man sich jede Kritik zu Eigen machen muss. Beispielsweise hat der führende Liberalismus-Experte in Deutschland, Gregor Gysi, dieser Tage gesagt, die FDP vernachlässige den politischen Liberalismus seit 20 Jahren. Deshalb habe der politische Liberalismus in Deutschland keine Zukunft mehr. Das sagt der Mann, dessen Partei durch ihre Vorsitzende am gestrigen Tag erklärt hat, dass sie den Kommunismus in Deutschland als politisches Ziel verfolgt. Welche Geisteshaltung hat nun mehr Zukunft? Im Übrigen ist das ernst zu nehmen. Und Sozialdemokraten und Grüne müssen sich erklären, warum sie mit dieser Partei in Bund und Ländern zusammenarbeiten wollen. Denn das ist doch der eigentliche Punkt: Es geht doch nicht alleine um die FDP in diesen Tagen. Es geht darum, dass - wenn diese Koalition scheitert - in Deutschland auf Jahre linke Regierungen und linke Mehrheiten die Geschicke des Landes bestimmen. Und deshalb ist die Koalition aus FDP und Union zum Erfolg verpflichtet. Insbesondere die Grünen werden wir stellen und zwingen müssen, sich zu erklären. Die treten gegenwärtig auf als Anwälte von Maß und Mitte; als eine gereifte, bürgerliche Alternative. In manchem Leitartikel kann man lesen, das sei die wirkliche liberale Partei und die andere Partei, die brauche man also für den Liberalismus gar nicht - es gäbe ja schon die Grünen, die das viel besser machen können. Diese Herausforderung müssen wir annehmen, denn in ihr steckt die Frage nach der Deutungshoheit über die Begriffe Freiheit, Fairness, Verantwortung und im besten Wortsinne auch Bürgerlichkeit. Und wir müssen den Vergleich mit den Grünen in diesen Fragen nicht scheuen: Liberale stehen für die Soziale Marktwirtschaft. Die Soziale Marktwirtschaft ist für uns nicht irgendeine beliebige Wirtschaftsordnung. Sie ist ein Wertefundament - die Ordnung der Freiheit! Sie verbindet eine leistungsfähige Wirtschaft mit sozialem Ausgleich. Leistungsgerechtigkeit mit Teilhabe. Sie beschreibt den prinzipiellen Vorrang privater Initiative innerhalb eines staatlichen Rahmens. Und damit ist sie auch Ausdruck, nein: Sie ist Garant der Offenheit für die Zukunft, weil die Bürger selbst als Kunden, als Unternehmer, als Wissenschaftler über die Zukunft der Gesellschaft entscheiden. Deshalb haben wir uns gegen punktuelle Eingriffe wie bei Opel gewandt. Deshalb wollen wir die Finanzmärkte Regeln unterwerfen. Deshalb wollen wir die maladen Landesbanken privatisieren. Die Grünen aber sprechen nicht mehr von Sozialer Marktwirtschaft. Die Grünen sprechen von "demokratischer Marktwirtschaft". Und sie meinen damit, dass in Zukunft eben politisch entschieden werden soll, in welche Richtung die Gesellschaft wächst - oder eben nicht wächst. Nicht mehr die Bürger, sondern Politiker mit Gesetzen und Geld entscheiden dann über die Perspektive dieser Gesellschaft: Frau Roth, Herr Trittin, Frau Künast. Liberale verteidigen aber die Weisheit der Vielen in der Mitte der Gesellschaft gegen die Einfältigkeit der Wenigen am grünen Tisch. Das ist für uns Soziale Marktwirtschaft. Liberale geben der Freiheit Vorrang vor der Gleichheit. Auch wir sind, das ist unsere liberale Geschichte, für die Gleichheit vor dem Gesetz. Wir sind auch für eine Grundsicherung unabhängig von individueller Leistung oder Verschulden. Ralf Dahrendorf hat darüber hinaus in "Bildung als Bürgerrecht" den Fußboden der Gesellschaft gesehen, auf dem alle Bürger stehen - aber er hat keine Deckenbegrenzung eingezogen. Für uns heißt Freiheit, dass es in einer Gesellschaft auch legitime Ungleichheit gibt, so lange nicht "harte Strukturen von Freiheitsverengung" (Udo Di Fabio) wachsen, weil Wenige selbstherrlich über die Lebenschancen von Anderen bestimmen. Und das ist die Aufgabe liberaler Politik: Die Offenheit und Vielfältigkeit der Gesellschaft zu garantieren durch Bildung, durch Zugänge zu Arbeit, zu Gesundheit, zu kultureller Teilhabe. Wenn diese Zugänge aber bestehen, dann ist Freiheit Ausdruck der Hoffnung, dass eigene Anstrengung zur Verbesserung der eigenen Lebensbedingungen führt. Dann ist sie die Chance, sich unterscheiden zu dürfen. Dann zeigt sie, dass Leistung und Fleiß einen Unterschied machen. Wer wie die Grünen die Freiheit der Gleichheit opfert, der verliert Vielfalt und Dynamik in einer Gesellschaft insgesamt. Die Grünen dagegen sprechen von gleicher Freiheit. Das ist ein Tarnwort. In Wahrheit geht es von der Einheitskrankenkasse bis zur Einheitsschule nur um die Durchsetzung egalitärer Vorstellungen in einer Gesellschaft. Der Vorsitzende der grünen Partei spricht wieder offen darüber, dass die "Umverteilung durch Steuern" ein Ziel seiner Partei sei. Das bedeutet konkret, dass Hartz IV auf 420 Euro gesetzt werden soll, ohne dass dadurch ein Mensch mehr in Arbeit kommt, und dass der Spitzensteuersatz auf 45 Prozent erhöht werden soll. Wohlgemerkt, 45 Prozent ist der Steuersatz der gegenwärtigen Reichensteuer. Ich habe am gestrigen Tag einmal in die Entgelttabelle der IG Metall hier in Baden-Württemberg für die Metall- und Elektroindustrie geschaut. Man muss noch nicht einmal in der höchsten Entgeltgruppe sein, um schon Spitzensteuersatzzahler zu sein. Deshalb sage ich eines: Eine grüne Partei, die Facharbeiter, die nach Tarifentgelt entlohnt werden, mit der Reichensteuer belasten will, hat jeden Bezug zur Lebenswirklichkeit der Mittelschicht in Deutschland verloren. Anwalt der Mitte sind wir. Liberale setzen sich für Generationengerechtigkeit ein, für die Freiheit der nachwachsenden Generationen - aber nicht nur durch die Schonung natürlicher Lebensgrundlagen, sondern auch durch die Schonung der Handlungsfähigkeit des Staates. Das Prinzip der Nachhaltigkeit kommt aus der Ökologie, man muss es aber nicht - wie die Grünen - ausschließlich auf die Umweltpolitik beziehen. Und deshalb stellen wir uns der Herausforderung der Haushaltskonsolidierung. Wir haben im Bundeshausalt erreicht, bis zum Jahr 2013/2014 achtzig Milliarden Euro gegenüber den Planungen von Peer Steinbrück zusätzlich einzusparen. Ich finde: Die FDP sollte noch darüber hinaus gehen. Die FDP sollte neuen Staatsaufgaben und Staatsausgaben - inklusive dieses Betreuungsgeldes von der CSU - nur dann zustimmen, wenn wir nachhaltige Erfolge bei der Haushaltskonsolidierung erreicht haben und die Mitte in Deutschland entlastet haben. Wir müssen das Prinzip durchbrechen, dass die Bürger gar nicht schnell genug erwirtschaften können, wie Politiker sich wieder neue Aufgaben für den Staat einfallen lassen. Das ist die historische Aufgabe von uns Liberalen. Die Grünen dagegen, meine Damen und Herren, haben in Nordrhein-Westfalen eine Minderheitenkoalition mit der SPD begründet und machen dort Rekordschulden, in meinem Heimatbundesland. Die sagen: Wir können den Haushaltsausgleich ohnehin nicht schaffen, also finanzieren wir doch lieber ein paar zusätzliche soziale Projekte. Dahinter steht noch etwas andere: Nämlich der Versuch, durch sozialen Populismus die Stimmen der Linkspartei im Landtag einzukaufen. Das aber ist das verantwortungsloseste, was man überhaupt nur tun kann: Aus Gefallsucht der Linkspartei gegenüber den Wohlstand der Kinder schon heute zu verfrühstücken. Das ist die Realität grüner Generationengerechtigkeit. Ich will einen letzten Gedanken mit Blick auf die Grünen anschließen. Liberale sehen die Chancen des Wandels, weil wir an den Fortschritt glauben. Hier in Stuttgart gab es ein solches Fortschrittsprojekt mit einem energieneutralen Bahnhof, mit Investitionen in die Schiene, mit einem ökologischen Musterstadtteil. Und trotzdem waren die Grünen dagegen. Sie haben den Protestzug als Dagegen-Partei Deutschlands angeführt. Das aber ist kein punktuelles Ereignis, sondern es sagt etwas über den grundlegenden Charakter dieser Partei aus. Es ist keine Polemik, sondern darüber belehrt auch ein Blick in die Archive. Ich habe mir die Mühe einmal gemacht, im Grünen-Archiv nachzuschauen, gegen was die Grünen alles so waren und sind: Gegen den, heute ja ausgesprochenen erfolgreichen, Flughafen München, gegen die Startbahn West, die ICE-Strecke bei Fulda, die bemannte Raumfahrt, Handynetze und deren Sendemasten, die Frankfurter Westend Skyline, die Ems- und Elbvertiefung, die Hochmoselbrücke, gegen Wachstum, gegen die Vernetzung von Computern am Arbeitsplatz, gegen Kabelfernsehen, gegen Pumpspeicherkraftwerke, gegen die A 100 in Berlin und so weiter und sofort. Und der Baden-Württemberger Grüne Fritz Kuhn schrieb 1984 in einem Aufsatz, dass "von dieser Technologie enorme ökologische, technische und soziale Risiken ausgehen". Er meinte den Videotext im Fernsehen und ISDN-Telefone. Meine Damen und Herren, das ist ein grünes Syndrom, denn die Grünen denken gering vom menschlichem Geist und pessimistisch betrachten sie Neues. Weil diese Partei aber damit in der Vergangenheit so oft girrt hat, darf sie keine Macht über unsere Zukunft erhalten. Liebe Freunde, die Grünen sind keine liberale Partei, noch nicht einmal eine bürgerliche Partei. Die Grünen sind eine linke Partei mit einer engen Verwandtschaftsbeziehung in programmatischer Hinsicht zur Linken. Sie sind damit so eine Art Trojanisches Pferd der deutschen Politik, oder frei nach Thomas Mann: Gefährlicher für die Freiheit als ihre echten Gegner sind ihre falschen Freunde. Und damit müssen wir die Grünen stellen: Die einzige liberale Partei sind wir. Deutschland braucht eine liberale Partei. Eine Partei für all diejenigen, die etwas aus ihrem Leben machen wollen und die optimistisch gegenüber Neuem sind. Eine Partei, die marktwirtschaftlich und leistungsorientiert ist, aber die Starken in einer Gesellschaft auch in die Verantwortung nimmt. Eine Partei, die fair und solidarisch ist, aber darunter nicht Gleichmacherei versteht. Eine Partei, die nachhaltig und zukunftsorientiert ist, darüber aber nicht staatsgläubig wird. Eine Partei der Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft, der Rechtsstaatlichkeit, der gesellschaftspolitischen Liberalität. Das ist das Profil der FDP. Wir sind in der Pflicht, dieses Land nicht den Staatgläubigen, nicht den Umverteilern, nicht den Fortschrittsskeptikern zu überlassen, sondern die Partei der Freiheit wieder erfolgreich zu machen. Ich danke Ihnen.