03.03.2013FDPEnergiepolitik

Zastrow-Interview mit SWR2

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Holger Zastrow gab dem Sender SRW2 das folgende "Interview der Woche" (Sendung am Samstag). Die Fragen stellte FRANK WAHLIG:

Frage: Herr Zastrow, wann haben Sie eigentlich den letzten, sagen wir rundum positiven, Artikel über Ihre Partei, die FDP, gelesen?

ZASTROW: Uh, sagen wir, das ist schon länger her. Und da es selten ist, müsste man sich eigentlich daran erinnern, aber da wir so in einer Tagespolitik drin hängen, sind wir schon gewohnt, dass wir nicht so oft positive Kommentare kriegen.

Frage: In der Politik erwarten die Menschen, oder vielleicht sind es die Medien die das erwarten, Geschlossenheit. Streit über politische Inhalte, eine Auseinandersetzung über Personen und ihre Positionen, das sind irgendwie ganz schlimme Begriffe. Eine Partei soll offenbar wie ein Block da stehen, Geschlossenheit. Vertragen sich denn solche Erwartungen der Menschen oder der Medien überhaupt mit einer liberalen Partei?

Zastrow: Na, der Streit um Konzepte und Ideen, um Wege, wird natürlich über Personen auch geführt, das ist ganz klar. Deswegen gehört das auch mit dazu. Bloß man muss es auch irgendwann mal klären. Wenn wir ewig nur über Personal sprechen, dann schauen alle nur auf die jeweilige Nase des Kandidaten. Eine Weile geht das gut, aber irgendwann müssen wir den Menschen auch mal sagen warum man uns wählen soll. Und da geht es halt um Inhalte. Und das ist in den letzten Monaten einfach viel zu kurz gekommen. Wir haben uns immer nur mit uns selbst beschäftigt, und das interessiert die Leute am Ende doch ganz wenig.

Frage: Welchen Eindruck haben Sie denn von Ihrer Partei?

Zastrow: Normalerweise müssten wir ganz oben auf sein. Das ist unheimlich schade, dass wir das nicht rüber bringen, dass wir unseren Anteil an dieser doch insgesamt guten Leistungsbilanz unseres Heimatlandes nicht vermittelt bekommen, denn wir haben da schon unseren Beitrag geleistet und zwar ganz wesentlich. Und ich weiß nicht, ob jedem bei uns auch in der Führung bewusst ist, was für eine große Ehre das auch ist, genau in dieser Zeit einem Land vorzustehen und dass es doch viel wichtiger ist, als die persönlichen Eitelkeiten zu pflegen.

Frage: Nächste Woche ist ja FDP-Bundesparteitag. Wenn ich an das letzte FDP-Programm denke, da ging es um Steuersenkungen, das war ja ein ganz wichtiges Thema. Das wurde auch gut vermittelt und es gab ja auch dann bei der Bundestagswahl die Quittung dafür, rund 15 Prozent. Jetzt wird ja über Steuersenkung, über ein einfaches und gerechtes Steuersystem, ja wenn überhaupt nur noch so floskelhaft versteckt gesprochen. Ist das denn richtig?

Zastrow: Für mich ist dieses Thema immer noch brandaktuell. Die Entlastung der berufstätigen Mitte Deutschlands muss kommen. Da bin ich auch mit der Leistung unserer eigenen Partei in Berlin bisher nicht zufrieden. Denn wir dürfen eins nicht vergessen, es gibt ein paar Menschen, nämlich die, die einem Beruf nachgehen, die Verantwortung übernehmen, die all das erwirtschaften, die auch verantwortlich dafür sind, dass wir im Moment Rekordsteuereinnahmen überall haben. Die erwirtschaften das, was die Politik so großzügig verteilt. Es wird Zeit, dass man eben nicht nur an die ganz Reichen und die ganz Armen denkt, sondern sich um die Mitte kümmert, um die Berufstätigen. Und das wird eine Aufgabe für uns bleiben. Und was mir wirklich nicht gefällt ist, dass einige bei uns inzwischen schon in die selber Leier verfallen, wie die Opposition, wie die Verwaltung und wie der Staat selbst. Wenn es nach dem Staat geht, dann wird es nie den richtigen Moment geben wann mal Entlastungen möglich sind. Und deswegen ist es unsere Aufgabe als FDP, Schutzpatron der Berufstätigen und der Steuerzahler zu sein. Das ist ein zentrales Thema, auch wenn es vielen nicht gefällt, es muss weiter Markenkern der FDP bleiben. Ich weiß nicht ob jeder das bei uns begriffen hat. Deswegen spüre ich so etwas, dass auch bei uns die Tendenz zugenommen hat, mehr so gewissen Stimmungen hinterher zu laufen oder dem Zeitgeist zu folgen. Momentan liegt halt diese Steuersenkung der berufstätigen Mitte nicht im Zeitgeist. Nur: Die FDP kann nie hinterherlaufen, wie müssen vorneweg gehen. In Berlin habe ich manchmal den Eindruck, dass jetzt diese sicherlich richtigen und im Übrigen viel zu spät kommenden Konsolidierungsbemühungen dann als Ausrede dafür herhalten müssen, dass man den Bürgern nichts zurückgeben kann. Das kann ich als Liberaler nicht akzeptieren.

Frage: Es findet nächste Woche ein Parteitag statt, da geht es darum dass die ganze Führungsspitze wiedergewählt oder gewählt wird, denn es gibt für die Vizeposten vier Kandidaten und es gibt drei Posten. Das heißt, es wird Streit oder Auseinandersetzung um Personen und um Inhalte geben.

Zastrow: Das gehört zur Politik dazu. Im Zweifel gibt es eben auch mal einen Wettbewerb, im Zweifel muss eben auch ich mich einem Wettbewerb stellen - ich werde das auch tun.

Frage: Wahrscheinlich wird sich auch die Landesvorsitzende der FDP in Baden-Württemberg diesem Wettbewerb und gerade dem Wettbewerb mit Ihnen stellen. Wie begründen Sie Ihre Bewerbung um das Amt des Parteivize?

Zastrow: Ich war das letzte Mal dritter Stellvertreter, bin dazu gewählt worden und möchte genau das eigentlich ganz gerne wieder werden, weil ich hoffe, ein paar andere Akzente mit einbringen zu können. Ja, es gibt ja dieses Phänomen, dass Berlin und alles was dort passiert hält sich ja ein bisschen für den Nabel der Welt. Das ist es aber nicht. Gerade aus FPD-Sicht nicht. Wir ziehen als FDP unsere Stärke ja ganz, ganz stark aus den Landesverbänden, aus den erfolgreichen Ortsverbänden, aus den Kreisverbänden, also stärker in den Kommunen. Wir haben als FDP in Sachsen fast 500 kommunale Mandate. Wir haben hier mehr Bürgermeister als Linke, Grüne und SPD zusammen. Das ist die Basis. Wir haben ja nur noch drei Flaggschiffe in Deutschland. Drei schwarz-gelbe Landesregierungen, die im Übrigen aber richtig gut funktionieren. Aber Bayern, Hessen, im Osten ja das am stärksten wachsende Land Sachsen. Das muss abgebildet werden. Jetzt geht es wirklich darum, dass wir solidarisch zueinander stehen, dass jeder seine Rolle spielt. Ich kann meinen Teil dazu beitragen, Christian Lindner kann seinen Teil dazu beitragen und jetzt muss man zusammen stehen.
Frage: Machen wir doch mal ein paar Stichworte, Ihre politische Stellungnahme zum Thema Mindestlohn.

Zastrow: Jeder weiß, dass die Mindestlohndiskussion eine rein ideologische ist. Es wird nichts bringen. Wenn wir einen branchenübergreifenden flächendeckenden Mindestlohn bekommen dann weiß ich ganz genau, dass der vielleicht in Bayern oder in Baden-Württemberg oder in Hessen vertragen wird, weil dort das Lohnniveau sowieso höher ist. Bei uns bedeutet das aber, dass richtig viele Berufe vernichtet werden. Es macht einen Unterschied ob du einen Beruf im Erzgebirge oder in Dresden ausübst oder in Stuttgart oder München. Das Gehaltsgefälle ist anders, aber die Lebenshaltungskosten sind auch anders. Jemand, der hier ein etwas niedriges Gehalt hat, kommt aufgrund der Rahmenbedingungen besser klar als jemand im westdeutschen Bundesland wo es natürlich anders sein muss. Es gibt hier auch eine andere gesellschaftliche Akzeptanz von niedrigeren Löhnen, das ist klar. Wir leben in einem Land, das erst noch aufholen muss. Wir sind ein Gründerland, wir wollen wachsen. Da kann ich nicht den flächendeckenden gleichen Maßstab für jede Region anlegen. Was wir aber machen müssen und darauf lege ich Wert, wir müssen uns um die schwarzen Schafe kümmern. Wer auf Dauer ein Geschäftsmodell als Unternehmer verfolgt, was auf der Ausbeutung seiner Mitarbeiter angelegt ist, was nur funktioniert, wenn er Niedriglöhne auf Dauer bezahlt, oder von Subventionen und Fördermitteln nur lebt, das ist sittenwidrig und da müssen wir gegen vorgehen.

Frage: Stichwort "Energiewende", die ist über Deutschland gekommen wie ein Tsunami. Mit den Folgekosten befasst sich die Republik im Augenblick.

Zastrow: Also wir müssen sofort handeln. Wir können auch nicht mehr bis zur Bundestagswahl warten. Deshalb hat der Freistaat Sachsen ja unter Führung von Sven Morlok, unserem liberalen Wirtschaftsminister, ja auch ein neues Quotenmodell in den Bundesrat mit eingebracht. Mit jedem Monat, wo die alte Regelung gilt, verbrennen wir in Deutschland Millionen. Das ist einfach so. Und das wird dazu führen, dass wir falsche Weichenstellungen in der Energiepolitik haben, das wird dazu führen was wir jetzt überall erleben, dass die Strompreise steigen für Haushalte und aber eben auch für Unternehmen und wir sind nun mal ein Industrieland. Wir müssen uns unsere Industrie im Land halten und dafür brauchen wir vernünftige Strompreise. Viele wissen das. Auch das ist eine Position, die sicherlich jeder nachvollziehen kann. Aber ich halte die Energiewende so wie sie gemacht ist für falsch. Wir müssen dringend korrigieren. Die ist damals auch nur ideologisch getrieben gewesen. Für uns als FDP ein echtes Problem, denn die Wählerinnen und Wähler die wir haben sind eben doch ein bisschen schlauer als vielleicht der eine oder andere. Die erwarten davon, dass wir als FDP uns nicht von so einer Stimmung, von so einem einzelnen Ereignis wie Fukushima zu Kurzschlusshandlungen verleiten lassen, sondern man erwartet von uns, dass wir auch einmal eine Minuten länger nachdenken und Fakten und sachliche Argumente auch in die Diskussion einbringen. Das ist damals zu wenig erfolgt und muss jetzt getan werden, und deswegen brauchen wir dringend die Reform des EEG. Ich möchte aber auch da anregen, dass beispielsweise Betreiber-Firmen von Windkraftanlagen, die permanent unsere Netze einspeisen aber nicht dafür sorgen können dass sie auch stabil, regelmäßig, verlässlich Strom einspeisen, dann eben auch an den Netz-Stabilisierungskosten beteiligt werden.

Frage: Stichwort "Attraktivität Ihrer Partei, Attraktivität der FDP". Wie will die FDP denn in den nächsten Monaten sich aufhübschen, attraktiv werden, inhaltlich argumentieren und auch gehört und möglicherweise auch gewählt werden?

Zastrow: Wir werden gewählt, weil wir eine bestimmte Haltung haben. Weil wir politische Angebote machen, weil wir politische Fragen stellen, die nur wir eben stellen, weil wir politisch einzigartig sind. Und das ist so und die Chancen für uns sind ja viel, viel größer geworden. Es haben sich so viele weg bewegt. Wenn man in der DDR geboren ist, wenn man Sozialismus, Unfreiheit, Gleichmacherei, Kollektivismus, Planwirtschaft schon erlebt hat wie ich das habe, dann bin ich oft überrascht wie viel DDR, wie viel Planwirtschaft ich in der heutigen Bundesrepublik finde. Und das sieht man gerade bei der Energiewende. Da versucht man mit den Rezepten eines gescheiterten Systems, nämlich mit planwirtschaftlichen Konzepten, die Energie der Zukunft der Bundesrepublik Deutschland zu lösen. Das kann nicht funktionieren. Das ist alles schon einmal schief gegangen. Diese Staatsromantik hat sich richtig breit gemacht. Die ist in allen Parteien mit drin, leider auch bei der CDU zunehmend drin. Nur wir sind die Einzigen, die wirklich noch an die Erfolgsgrundlagen der alten Bundesrepublik glauben, weshalb wir im Osten auch für diese Einheit waren, weshalb wir auf die Straße gegangen sind. Weil wir die Marktwirtschaft, weil wir Wettbewerb wollten, weil wir Leistungsanerkennung wollten. Derjenige, der Leistung bringt. der darf eben auch mehr haben als ein anderer. Das sind alles Attribute, die vertritt hier kaum noch einer. Ich behaupte aber, uns als FDP wird es richtig gut gehen, wenn wir diejenigen sind die das noch tun. Da gibt es viele, die unsere Gedanken teilen

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