FDPBrexit-Referendum

Wir würden sie gern dabeibehalten

Britische TelefonhäuschenLambsdorff würde die Briten gern dabeibehalten
03.06.2016

Wird es zum Brexit kommen, also zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union? Darüber entscheiden in einer Volksabstimmung die Briten am 23. Juni - das Ergebnis ist noch völlig offen. Alexander Graf Lambsdorff, Vize-Präsident des Europaparlaments, sieht "keinen Anlass zur Panik". Im Interview mit der "Neuen Westfälischen" warnt er vor der Einmischung anderer Staatschefs: "Wahlempfehlungen von europäischen Regierungschefs und EU-Kommissaren sind kontraproduktiv." Schöner sei doch die Onlinekampagne #HugABrit, bei der einfache Menschen Briten umarmen. "Sie findet große Verbreitung in sozialen Netzwerken und zeigt den Leuten auf der Insel, dass wir auf dem Kontinent sie gern dabeibehalten würden."

Man dürfe eines nicht vergessen: "Viele Menschen empfinden Empfehlungen von Staats- und Regierungschefs, von Parlamentariern und Kommissaren schnell als Bevormundung", erinnert er daran, dass Referenden demokratische Entscheidungen sind. Es sei jetzt an den Briten, über ihren Verbleib in der EU zu entscheiden.

EU ist ein Freiheitsprojekt

Das Reformpaket, das die EU-Regierungschefs und EU-Kommissare Premier David Cameron angeboten haben, sei das Einzige gewesen, was sie tun konnten. Aus dem innerbritischen Wahlkampf sollten sie sich heraushalten. Denn: "Die Mitgliedschaft in der EU ist immer eine nationale Entscheidung. Das akzeptieren wir im Fall der Schweiz, das akzeptieren wir im Fall Norwegens." Natürlich hätte ein Austritt Auswirkungen auf den Rest Europas, so Lambsdorff. Aber: "Die EU ist ein Freiheitsprojekt - niemand wird gezwungen dabeizubleiben." Es sei aber auch klar,  "dass wir die Briten viel lieber dabeihaben wollen."

Lesen Sie hier das vollständige Interview:

Frage: Tut die EU-Kommission, tut die Kanzlerin genug, um die Briten von einem Verbleib in der EU zu überzeugen?

LAMBSDORFF: Die Briten müssen das selbst entscheiden. In Großbritannien meinen viele, es sei besser, diese Debatte den Briten zu überlassen – ich teile diese Auffassung. Wahlempfehlungen von europäischen Regierungschefs und EU-Kommissaren sind kontraproduktiv. Das Reformpaket, das sie Premier David Cameron angeboten haben, war das Einzige, was sie tun konnten. Aus dem innerbritischen Wahlkampf sollten sie sich heraushalten.

Frage: Der Ausgang des Votums hätte Folgen für ganz Europa. Warum sollten sich die Kontinentaleuropäer nicht einmischen?

LAMBSDORFF: Die Mitgliedschaft in der EU ist immer eine nationale Entscheidung. Das akzeptieren wir im Fall der Schweiz, das akzeptieren wir im Fall Norwegens. Mit Großbritannien fragt sich zum ersten Mal ein EU-Land, ob es dabeibleiben möchte. Natürlich hätte ein Austritt Auswirkungen auf den Rest Europas. Aber die EU ist ein Freiheitsprojekt – niemand wird gezwungen dabeizubleiben.

Frage: Wäre es nicht ein eindrucksvolles Signal für ein geeintes Europa, wenn Juncker, Merkel und Hollande am Trafalgar Square in London um die Briten werben würden?

LAMBSDORFF: Vielleicht. Aber schöner ist doch die Onlinekampagne #HugABrit, bei der einfache Menschen Briten umarmen. Sie findet große Verbreitung in sozialen Netzwerken und zeigt den Leuten auf der Insel, dass wir auf dem Kontinent sie gern dabeibehalten würden. Man darf eines nicht vergessen: Viele Menschen empfinden Empfehlungen von Staats- und Regierungschefs, von Parlamentariern und Kommissaren schnell als Bevormundung. Referenden sind jedoch demokratische Entscheidungen.

Frage: Ist die EU den Briten in den Verhandlungen um den Reformdeal weit genug entgegengekommen?

LAMBSDORFF: Ja. Bei der Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit sogar zu weit. Hier geht es nicht um die Einwanderung von Arbeitslosen in die Sozialsysteme, sondern um Menschen, die Arbeit haben. Sie sollen diskriminiert werden. Damit wird bei einer der europäischen Grundfreiheiten eine Notbremse eingeführt. Die FDP hat das kritisiert, denn das könnte andere EU-Länder dazu veranlassen, ihrerseits Freiheiten einschränken zu wollen. Es droht eine Erosion des EU-Binnenmarkts und damit unseres Wohlstands.

Frage: Wäre der Brexit eigentlich so schlimm, wie viele befürchten?

LAMBSDORFF: Ich sehe keinen Anlass zur Panik. Die EU hat ja 16 Jahre lang ohne Großbritannien existiert. Eine EU ohne Deutschland oder Frankreich ist nicht vorstellbar. Eine EU ohne Großbritannien schon, deswegen wäre der Brexit auch nicht das Ende der EU. Klar ist aber auch, dass wir die Briten viel lieber dabeihaben wollen.

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