Die Hauptstadt pulsiert für Europa. Seit Wochen treffen sich jeden Sonntag tausende Menschen auf dem Berliner Gendarmenmarkt, um gemeinsam mit 92 anderen europäischen Städten für eine starke und geeinte Europäische Union zu demonstrieren. Jung und Alt, von der nächsten U-Bahn-Station oder der anderen Ecke des Kontinents angereist – alle stehen, singen, schwenken Schilder und Fahnen in der Luft und feiern zusammen den Erfolg eines einzigartigen Friedensprojekts. Sie alle eint, dass sie sich ein Leben ohne Europa nicht vorstellen wollen. An dieser Stelle teilen wir einige ihrer Geschichten.
Anna und Roland wollen ein Zeichen für wirtschaftliche und intellektuelle Freiheit setzen
Anna und Roland wohnen in Berlin, kommen aber ursprünglich aus Ungarn. "Im Wesentlichen bedeutet Europa die Chance, Teil dieser globalen wirtschaftlichen Gemeinde zu sein, und es bringt uns auch jede Menge Freiheit", sagt Roland. "Eigentlich ist das leider so viel wie unsere letzte Chance, um unsere Regierung in Schach zu halten", sagt er mit besorgtem Blick auf den Aufruhr um die Zentraleuropäische Universität (CEU) in Budapest, die durch ein neues Gesetz von der Schließung bedroht ist. "Wir sind hier um dafür einzustehen, und für europäische Werte", bekräftigt Roland.
Bonny Maercker bekennt sich klar zu Europa
Bonny Maercker sitzt auf den Treppen des Konzerthauses, umgeben von Gleichgesinnten. Ihre Haare glänzen silbrig in der Frühlingssonne. Bonny hält ein Schild, auf dem steht: "I Love My Life In Europe." Die überzeugte Europäerin ist im wahrsten Sinne ein Kind des Kontinents. "Mein Vater war Franzose, meine Mutter war Spanierin. Drei Tage nach meiner Geburt waren wir schon wieder in Frankreich – mein Vater wollte unbedingt ein Berliner Kind haben", lacht sie. Ihr Fazit zu Europa: "Ich bin einfach dafür, dass wir vereint sind. United We Stand."
Als "Weltenbummler" schwärmt Bonny insbesondere von der Reisefreiheit als Vorteil Europas. "Ich kann wohin ich will, mit meinem Pass, und werde akzeptiert. Und was ergibt sich jetzt im Juni? Wir können telefonieren mit unseren Handys", freut sie sich mit Blick auf den Wegfall der Roaming-Gebühren im EU-Ausland. "Es ist so viel Positives." Auch in London habe sie mit Freunden gegen den Brexit demonstriert. "Und noch Eines: Bei uns sind im September Wahlen. Ich finde ganz wichtig, dass wir das hier nach den Ferien fortsetzen, bis zur Wahl."
Felicitas Jäger verbindet mit dem europäischen Projekt viele Träume
Es sind auch zahlreiche Familien gekommen. Die Jägers schlendern über den sonnendurchfluteten Platz und genießen buntes Eis. Tochter Felicitas Jäger träumt davon, mit dem Interrail-Ticket durch Europa zu fahren, um so viele Menschen und Orte kennenzulernen. Wie schon ihre Eltern. Die Gymnasiastin will nicht, dass ihr Europa und der kulturelle Austausch zwischen den Staaten weggenommen werden. Gerade jetzt, wo das Erasmus-Programm in greifbare Nähe rückt. "Das wird schon geil sein", grinst die junge Berlinerin. Auch ihre Cousine profitiere von der Freiheit, innerhalb der EU in einem anderen Land studieren, leben und arbeiten zu können.
Thomas Katz bietet EU-Gegnern Paroli
Thomas Katz steht mit auffälligem Schild in der Menge. Mit einem humorvollen Hinweis auf den für seine Tändeleien bekannten altgriechischen Hauptgott setzt er ein Zeichen gegen populistische Kräfte: "Only Zeus Can Fuck Our Europe." Was es damit auf sich hat? "Ich hoffe, dass Europa unzerstört bleibt und sich weiterentwickelt", erklärt Thomas. Das Tollste an Europa sei für ihn der Frieden. "Wenn ich um die Welt schaue, sehe ich, überall ist Krieg. In Europa können wir in Frieden leben, und das ist etwas, was ich sehr zu schätzen weiß."
Clemens, Miriam, Timm und Jenny von der Jungen Europäischen Bewegung
Auch Clemens Stein von der Jungen Europäischen Bewegung betont die Bedeutung der EU als ein "tolles Friedensprojekt, was es so bisher noch nicht gegeben hat in der Geschichte". Viele Dinge wie Reisen oder Arbeiten würden auch durch den Zusammenschluss einfacher, verdeutlichte Clemens, der zusammen mit seinen Mitstreitern Miriam, Timm, Katja und Jenny gekommen ist. Diejenigen, die Europa schlechtreden und mehr Nationalstaaterei wollten, weist er klar in die Schranken: "Sie sollten mal nach Großbritannien schauen und sehen, dass das nicht klappt."
Als Britin kann Jenny diese Einschätzung nur bestätigen. "Wie vielen jungen Menschen hat der Brexit mir das Herz gebrochen", sagt sie. Dieser Generation, die sich immer als europäisch verstanden hatte, sei plötzlich ein Ultimatum gestellt, sich entweder als Briten oder Europäer zu definieren. Früher hätten junge Leute gar nicht darüber denken müssen: "Natürlich könnte man europäisch und britisch sein, britisch zu sein heißt ja europäisch zu sein. Jetzt sehe ich aber in ganz Europa diese Tendenz, diese Identitäten zu entzweien. Ich glaube, das richtet so viel Schaden an, in Sachen Identität, aber auch was Kultur, Austausch und Wirtschaft angeht."
Jenny, Miriam, Clemens und Timm engagieren sich für Europa
In Zeiten, in denen ständig über Politikverdrossenheit und niedrige Wahlbeteiligungen geredet wird, stehen Jenny, Clemens und ihre Kommilitonen jeden Sonntag auf dem Gendarmenmarkt und streiten mit viel Herzblut für die Zukunft der EU. "Wir wollen ein föderales Europa, wir wollen mehr Europa, gleichzeitig sagen wir aber auch, dass in der Union eben jetzt noch nicht alles perfekt ist", verdeutlicht Miriam. Sie fügt hinzu: "Wir sehen auch Demokratiedefizite, dass das Parlament eigentlich mehr Rechte bräuchte. Gleichzeitig sind wir gegen Opt-outs und Europa à la carte." Das Wichtigste müsse sein, als EU stark und geeint bei großen Herausforderungen wie die Migrationskrise handeln zu können, gibt Timm zu bedenken. Denn: "Europäische Probleme brauchen auch europäische Lösungen."
Wir sind Pulse of Europe
Pulse of Europe auf dem Berliner GendarmenmarktDie Hauptstadt pulsiert für Europa. Seit Wochen treffen sich jeden Sonntag tausende Menschen auf dem Berliner Gendarmenmarkt, um gemeinsam mit 92 anderen europäischen Städten für eine starke und geeinte Europäische Union zu demonstrieren. Jung und Alt, von der nächsten U-Bahn-Station oder der anderen Ecke des Kontinents angereist – alle stehen, singen, schwenken Schilder und Fahnen in der Luft und feiern zusammen den Erfolg eines einzigartigen Friedensprojekts. Sie alle eint, dass sie sich ein Leben ohne Europa nicht vorstellen wollen. An dieser Stelle teilen wir einige ihrer Geschichten.
Anna und Roland wohnen in Berlin, kommen aber ursprünglich aus Ungarn. "Im Wesentlichen bedeutet Europa die Chance, Teil dieser globalen wirtschaftlichen Gemeinde zu sein, und es bringt uns auch jede Menge Freiheit", sagt Roland. "Eigentlich ist das leider so viel wie unsere letzte Chance, um unsere Regierung in Schach zu halten", sagt er mit besorgtem Blick auf den Aufruhr um die Zentraleuropäische Universität (CEU) in Budapest, die durch ein neues Gesetz von der Schließung bedroht ist. "Wir sind hier um dafür einzustehen, und für europäische Werte", bekräftigt Roland.
Bonny Maercker sitzt auf den Treppen des Konzerthauses, umgeben von Gleichgesinnten. Ihre Haare glänzen silbrig in der Frühlingssonne. Bonny hält ein Schild, auf dem steht: "I Love My Life In Europe." Die überzeugte Europäerin ist im wahrsten Sinne ein Kind des Kontinents. "Mein Vater war Franzose, meine Mutter war Spanierin. Drei Tage nach meiner Geburt waren wir schon wieder in Frankreich – mein Vater wollte unbedingt ein Berliner Kind haben", lacht sie. Ihr Fazit zu Europa: "Ich bin einfach dafür, dass wir vereint sind. United We Stand."
Als "Weltenbummler" schwärmt Bonny insbesondere von der Reisefreiheit als Vorteil Europas. "Ich kann wohin ich will, mit meinem Pass, und werde akzeptiert. Und was ergibt sich jetzt im Juni? Wir können telefonieren mit unseren Handys", freut sie sich mit Blick auf den Wegfall der Roaming-Gebühren im EU-Ausland. "Es ist so viel Positives." Auch in London habe sie mit Freunden gegen den Brexit demonstriert. "Und noch Eines: Bei uns sind im September Wahlen. Ich finde ganz wichtig, dass wir das hier nach den Ferien fortsetzen, bis zur Wahl."
Es sind auch zahlreiche Familien gekommen. Die Jägers schlendern über den sonnendurchfluteten Platz und genießen buntes Eis. Tochter Felicitas Jäger träumt davon, mit dem Interrail-Ticket durch Europa zu fahren, um so viele Menschen und Orte kennenzulernen. Wie schon ihre Eltern. Die Gymnasiastin will nicht, dass ihr Europa und der kulturelle Austausch zwischen den Staaten weggenommen werden. Gerade jetzt, wo das Erasmus-Programm in greifbare Nähe rückt. "Das wird schon geil sein", grinst die junge Berlinerin. Auch ihre Cousine profitiere von der Freiheit, innerhalb der EU in einem anderen Land studieren, leben und arbeiten zu können.
Thomas Katz steht mit auffälligem Schild in der Menge. Mit einem humorvollen Hinweis auf den für seine Tändeleien bekannten altgriechischen Hauptgott setzt er ein Zeichen gegen populistische Kräfte: "Only Zeus Can Fuck Our Europe." Was es damit auf sich hat? "Ich hoffe, dass Europa unzerstört bleibt und sich weiterentwickelt", erklärt Thomas. Das Tollste an Europa sei für ihn der Frieden. "Wenn ich um die Welt schaue, sehe ich, überall ist Krieg. In Europa können wir in Frieden leben, und das ist etwas, was ich sehr zu schätzen weiß."
Auch Clemens Stein von der Jungen Europäischen Bewegung betont die Bedeutung der EU als ein "tolles Friedensprojekt, was es so bisher noch nicht gegeben hat in der Geschichte". Viele Dinge wie Reisen oder Arbeiten würden auch durch den Zusammenschluss einfacher, verdeutlichte Clemens, der zusammen mit seinen Mitstreitern Miriam, Timm, Katja und Jenny gekommen ist. Diejenigen, die Europa schlechtreden und mehr Nationalstaaterei wollten, weist er klar in die Schranken: "Sie sollten mal nach Großbritannien schauen und sehen, dass das nicht klappt."
Als Britin kann Jenny diese Einschätzung nur bestätigen. "Wie vielen jungen Menschen hat der Brexit mir das Herz gebrochen", sagt sie. Dieser Generation, die sich immer als europäisch verstanden hatte, sei plötzlich ein Ultimatum gestellt, sich entweder als Briten oder Europäer zu definieren. Früher hätten junge Leute gar nicht darüber denken müssen: "Natürlich könnte man europäisch und britisch sein, britisch zu sein heißt ja europäisch zu sein. Jetzt sehe ich aber in ganz Europa diese Tendenz, diese Identitäten zu entzweien. Ich glaube, das richtet so viel Schaden an, in Sachen Identität, aber auch was Kultur, Austausch und Wirtschaft angeht."
In Zeiten, in denen ständig über Politikverdrossenheit und niedrige Wahlbeteiligungen geredet wird, stehen Jenny, Clemens und ihre Kommilitonen jeden Sonntag auf dem Gendarmenmarkt und streiten mit viel Herzblut für die Zukunft der EU. "Wir wollen ein föderales Europa, wir wollen mehr Europa, gleichzeitig sagen wir aber auch, dass in der Union eben jetzt noch nicht alles perfekt ist", verdeutlicht Miriam. Sie fügt hinzu: "Wir sehen auch Demokratiedefizite, dass das Parlament eigentlich mehr Rechte bräuchte. Gleichzeitig sind wir gegen Opt-outs und Europa à la carte." Das Wichtigste müsse sein, als EU stark und geeint bei großen Herausforderungen wie die Migrationskrise handeln zu können, gibt Timm zu bedenken. Denn: "Europäische Probleme brauchen auch europäische Lösungen."
Diese Überzeugung teilen die Freien Demokraten. Sie wollen Europa nicht denen überlassen, die es hassen, sondern die Institutionen der EU verbessern und weiterentwickeln. Dabei gilt es zu vermeiden, dass Brüssel zur Agentur für Bürokratismus verkommt. Stattdessen muss sich die EU auf das Wesentliche konzentrieren, um bei den großen gemeinsamen Herausforderungen handlungsfähig zu sein. Dazu zählen etwa die Migrations- und Sicherheitspolitik, die Bekämpfung organisierter Kriminalität, die Vollendung des Binnenmarktes und der Einsatz für Freihandel und starke Datenschutzstandards. Das Ziel: Ein freiheitliches Europa der Vielfalt, Chancen und Werte. (ch)
Zitate von Roland und Jenny sind aus dem Englischen übersetzt.
Fotos und Text: Caitlin Hardee