FDPInterview

Wir sind gesprächsbereit, aber biedern uns nicht an

Christian LindnerChristian Lindner ist überzeugt von den Qualitäten der Freien Demokraten
17.02.2015

Die FDP hat in Hamburg ihr bestes Ergebnis seit 1974 eingefahren. Dies zeige, dass die Art der Parteierneuerung richtig sei, betont FDP-Chef Christian Lindner im Interview mit der „Rheinischen Post“. Er stellt klar: „Die FDP wird künftig einen Kurs der Eigenständigkeit einschlagen, bei dem sie nach einzelnen inhaltlichen Punkten definiert, was aus liberaler Sicht richtig ist. So paradox das klingt, aber wenn man so tief gefallen ist wie wir, dann ist das auch eine Art Selbstbefreiung.“ Eine Lektion, die die Freien Demokraten gelernt hätten und die auch für mögliche Koalitionsverhandlungen in der Hansestadt gelte, sei: „Nie wieder regieren, wenn wir nicht unsere Inhalte umsetzen können.“

Lindner machte deutlich, dass die Freien Demokraten ihr Profil unabhängig von der politischen Konkurrenz schärfen wollen. „Wir orientieren uns am einzelnen Menschen, der aus unserer Sicht der beste Experte für sein eigenes Leben ist. Wir wollen verhindern, dass er bevormundet, abkassiert, bespitzelt und in Schablonen gepresst wird.“

Christian Lindner im Interview mit der „Rheinischen Post“

Sind die Liberalen runter von der Intensivstation?

Lindner: Ja, um im Bild zu bleiben: der Genesungsprozess schreitet voran. Wir haben noch nicht die Fitness, die wir uns vorstellen. Das Ergebnis der Hamburg-Wahl zeigt aber, dass die Art richtig ist, wie wir uns erneuern.

Mit welcher Strategie wollen Sie die FDP in den nächsten Jahren aufbauen?

Lindner: Uns Freie Demokraten verbindet vor allem eines: Die Liebe zur Freiheit. Wir orientieren uns am einzelnen Menschen, der aus unserer Sicht der beste Experte für sein eigenes Leben ist. Wir wollen verhindern, dass er bevormundet, abkassiert, bespitzelt und in Schablonen gepresst wird. Wir wollen den Einzelnen groß machen, nicht den Staat. Wir wollen uns aufmachen, dass Deutschland sich das beste Bildungssystem der Welt zum Ziel setzt, eigenes Vorankommen durch Leistung ermöglicht und eine neue Gründerkultur. Wir schärfen unser Profil und schauen dabei auf uns - nicht auf die politischen Wettbewerber.

Ausgerechnet, als sie aus dem Bundestag ausziehen mussten, ist mit der AfD ein neuer Wettbewerber auf die Bildfläche gekommen. Wie gehen Sie mit denen um?

Lindner: Anders als die AfD ist die FDP keine Protestpartei. Wir spielen nicht mit Ängsten, sondern wollen den Menschen Mut machen.

Haben Sie mit populistischen Spielereien als FDP endgültig gebrochen?

Lindner: Nennen Sie ein Beispiel, wo wir populistisch gewesen sein sollen . . .

. . . Groß und bunt mehr Netto vom Brutto zu plakatieren, ohne es in Regierungszeiten mit Inhalt zu füllen, ist populistisch . . .

Lindner: Es war ein Fehler, dass wir 2009 nicht das Finanzministerium genommen und nicht konsequent genug das Ziel einer großen Steuerreform verfolgt haben. Der Reformbedarf ist inzwischen noch größer: Wir haben die moralische Verpflichtung, in dieser Frage am Ball zu bleiben. Unsere Politik ist klar auf Inhalte orientiert.

Wenn die neuen Liberalen so seriös sind, warum sieht Hamburgs Bürgermeister Scholz, der als wirtschaftsorientierter und liberaler Sozialdemokrat gilt, Sie nicht als möglichen Koalitionspartner?

Lindner: Ich will da keine Motivforschung betreiben, werde aber mit Interesse beobachten, wie seine Gespräche mit den Grünen laufen. Bei den großen Fragen der Hamburger Politik sind SPD und Grüne ja wie Hund und Katz. Einhaltung der Schuldenbremse, Stärkung der Gymnasien, Elbvertiefung und Olympiabewerbung - da wäre mit der FDP mehr für Hamburg zu erreichen als mit den Grünen. Der Ball liegt jetzt bei Herrn Scholz. Wir sind gesprächsbereit, aber biedern uns nicht an. Wir haben gelernt: Nie wieder regieren, wenn wir nicht unsere Inhalte umsetzen können.

Wäre es für die Liberalen interessant, gemeinsam mit Herrn Scholz eine Olympiabewerbung auf die Beine zu stellen?

Lindner: Ja, das wäre sicherlich ein gemeinsames Projekt. Hamburg ist eine faszinierende Stadt, die den Wettbewerb mit Berlin aufnehmen kann. Hamburg könnte auch die Gründerstadt Nummer 1 in Deutschland werden.

Bleibt die CDU für Sie der Koalitionspartner, der der CDU am nächsten liegt?

Lindner: Ich erkenne bei der Union kaum mehr einen Unterschied zur Sozialdemokratie. Für Frau Merkel habe ich große Anerkennung in der Außenpolitik. Die Innenpolitik hat sie leider komplett der SPD geopfert. Die FDP wird künftig einen Kurs der Eigenständigkeit einschlagen, bei dem sie nach einzelnen inhaltlichen Punkten definiert, was aus liberaler Sicht richtig ist. So paradox das klingt, aber wenn man so tief gefallen ist wie wir, dann ist das auch eine Art Selbstbefreiung. Wir haben eine eigene besondere Stärke entwickelt.

Sie scheinen die offenbar entwickelt zu haben und haben die FDP zu einer One-Man-Show gemacht. Wer soll denn künftig als bekanntes Gesicht der FDP an Ihrer Seite kämpfen?

Lindner: Das werden unsere Vize-Chefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sein, eine sehr konturierte Vertreterin unserer Kommunalpolitiker, Katja Suding, Wolfgang Kubicki, Generalsekretärin Nicola Beer, unser Finanz-Experte Volker Wissing, die Bremer Spitzenkandidatin Lencke Steiner. Die FDP ist keine One-Man-Show.

Fährt die Bundesregierung aktuell in der Euro-Frage die richtige Linie?

Lindner: In der Euro-Frage fährt die Bundesregierung eine Schlangenlinie. Durch die Rente mit 63 und die öffentliche Einladung von SPD-Chef Sigmar Gabriel, den Stabilitätspakt flexibler auszulegen, ist der ursprünglich klare Kurs in der Euro-Frage aufgeweicht worden. Die Bundesregierung verantwortet es mit, dass Griechenland nun einen Rabatt aushandeln will, weil sie Deutschlands Vorreiterrolle für Solidität mutwillig aufgegeben hat. Es darf aber keinen Rabatt geben. Deutschland muss auf einen Kurs der Solidität zurückkehren, um in Europa glaubwürdig mehr Reformen einfordern zu können. Warum sollten sich die anderen diszipliniert verhalten, wenn in Deutschland Kamelle verteilt werden?          

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