09.01.2003FDP

WESTERWELLE-Statement

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE hat sich heute auf einer Pressekonferenz in Berlin zu den aktuellen Arbeitslosenzahlen geäußert. Im Folgenden finden Sie Wortlautauszüge:

Wir haben heute mit großer Betroffenheit die neuen Arbeitslosenzahlen der Bundesanstalt für Arbeit zur Kenntnis bekommen. Diese Arbeitslosenzahlen sind eine Katastrophe für Deutschland. Wir laufen auf 4,5 Millionen Arbeitslose in diesem Winter zu, und wenn diese Bundesregierung nicht nachhaltig auf marktwirtschaftliche Erneuerung setzt - und zwar nicht nur in Denkpapieren, sondern auch in tatsächlichen Taten - dann sind in dieser Legislaturperiode auch noch 5 Millionen Arbeitslose möglich. Das ist langsam demokratie- gefährdend. Diese Bundesregierung verantwortet mit ihrer Politik nicht nur eine Katastrophe für die Wirtschaft, nicht nur persönliche Lebenskatastrophen für die Betroffenen, sondern allmählich auch eine Gefährdung der Demokratie, denn auf diese Art und Weise wird das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft erschüttert. Die Arbeitslosenzahlen sind nicht hoch, weil wir soziale Marktwirtschaft haben. Die Arbeitslosenzahlen sind so hoch und steigen, weil wir zu wenig soziale Marktwirtschaft haben. Diese Bundesregierung setzt auf die ungeplante Planwirtschaft und Staatsbürokratie. Das Wichtigste ist, dass die Strukturen in der Wirtschaftspolitik korrigiert werden müssen. Das sind nicht konjunkturelle Schwierigkeiten, das sind strukturelle Schwierigkeiten. Wir brauchen eine knallharte marktwirtschaftliche Erneuerung, weil ohne Investitionstätigkeit keine neuen Arbeitsplätze in Deutschland entstehen werden. Ohne diese knallharte marktwirtschaftliche Erneuerung werden wir nur erleben, dass die Arbeitslosenzahlen sich weiter nach oben bewegen, und das ist jedes Mal ein schlimmes Schicksal für die Betroffenen. Wir müssen vor allem die Wirtschaft und die Verbraucher entlasten, damit sowohl die Investitionstätigkeit angeregt wird als auch die Binnennachfrage. Die Bundesregierung tut das Gegenteil. Die Bundesregierung vernachlässigt systematisch die Wachstumsvorsorge in Deutschland. Das sagen nicht nur deutsche Oppositionspolitiker, das sagen sämtliche Wirtschaftsinstitute, und das sagt vor allen Dingen auch die Europäische Kommission. Dass der Wirtschafts- und Währungskommissar SOLBES Deutschland mittlerweile unter den vier Schlusslichtern bei der Haushaltskonsolidierung die schlechtesten Werte gibt, das spricht Bände. Die schlechte Wirtschaftspolitik ist zum einen die Ursache für hohe Arbeitslosigkeit. Sie ist zum anderen auch die Ursache dafür, dass das Staatsdefizit immer größer wird. Und damit befindet sich Deutschland in einem Teufelskreis. Aus diesem Teufelskreis kommt Deutschland nur heraus mit einer echten marktwirtschaftlichen Erneuerungspolitik. Wenn die Bundesregierung meint, sie könne auf marktwirtschaftliche Erneuerung verzichten, dann heißt das einerseits, dass die Arbeitslosenzahlen nach oben gehen, es heißt aber auch, dass hier eine dramatische weitere Gefährdung der Währungsstabilität erfolgt. Mit dieser Wirtschaftspolitik vergrößert die Bundesregierung nicht nur die Arbeitslosenzahlen, sondern sie verschlechtert auch weiter die Staatsfinanzen.
Die Bundesregierung hat mit ihrer Wirtschaftspolitik auf ganzer Linie versagt und sie muss hier umkehren. Ich greife den Vorstoß des niedersächsischen Ministerpräsidenten GABRIEL an dieser Stelle sehr gerne auf. Wenn der niedersächsische Ministerpräsident der Meinung ist, dass eine Steuersenkungsreform auf Mitte dieses Jahres vorgezogen werden kann, dann muss er diesen Vorstoß auch in seiner Partei zur Abstimmung stellen. Die rhetorische Forderung nach Steuersenkungen im niedersächsischen Wahlkampf hilft niemanden. Wenn Herr GABRIEL meint, wir könnten die Steuersenkungsreform vorziehen dann ist das ein begrüßenswerter Vorschlag, aber dann muss er seinen Worten Taten folgen lassen. Sonst ist es nur Wahlkampfgetöse.
Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zeigt zugleich auch, dass die Gewerkschaften und die Gewerkschaftsfunktionäre zur Disziplin aufgerufen werden müssen. Die Arbeitslosenzahlen von heute sind ein Aufruf an die Gewerkschaften zur Disziplin bei ihren entsprechenden Lohnforderungen und insbesondere in den Tarifverhandlungen. Es darf Deutschland sich keine Entwicklung leisten, dass in diesen Zeiten unvernünftige, über Produktivitätszuwachs liegende Lohnabschlüsse erfolgen. Deswegen teile ich die Auffassung von Altbundeskanzler Helmut Schmidt, der die Streikdrohung für Gewerkschaften als ohne Rechtfertigung bezeichnet. Das ist richtig. Die Gewerkschaften müssen begreifen, dass sie Verantwortung fürs Ganze tragen. Wer in Anbetracht solcher Arbeitslosenzahlen mit Streik droht, der vergrößert die Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Der sorgt nicht dafür, dass neue Arbeitsplätze entstehen, sondern dass auch noch diejenigen, die auf der Kippe stehen, wegfallen. Das kann nicht sinnvoll sein.

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