01.07.2003FDP

WESTERWELLE-Interview mit Kieler Nachrichten

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab den Kieler Nachrichten (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte FRANK LINDSCHEID:

Frage: Warum wollen Sie denn in Sachen Steuerreform dem Kanzler unter die Arme greifen?

WESTERWELLE: Das ist die mit Abstand schlechteste Bundesregierung der Nachkriegszeit. Aber soll ich einen 16-jährigen, der einen Ausbildungsplatz sucht, auf 2006 vertrösten, bis es eine andere Regierung gibt? Der würde uns zu Recht einen Vogel zeigen. Wenn die Entlastung auch zu schwach ist: Alles, was in die richtige Richtung geht, muss von der
Opposition befördert werden. Was jetzt stattfindet, ist ansatzweise das, was wir lange eingefordert haben.

Frage: Die Union mauert lieber. Wie setzen Sie denn Ihre Position in den schwarz-gelben Koalitionen in den Ländern durch?

WESTERWELLE: Die Union wird die Blockadehaltung nicht durchhalten können. Das kommt mir wie die Wiederaufstehung von Lafontaine vor. Wir werden gemeinsam mit den Wirtschaftsverbänden und den Menschen in Deutschland einen Meinungsdruck in Richtung Steuersenkungspolitik erzeugen. Das bringt sicher manchen in CDU-geführten Landesregierungen zum Umdenken. Die Liberalen werden konstruktiv und kritisch verhandeln. Wir sind nicht bereit, Steuersenkungspolitik zu blockieren.

Frage: Kritisieren Merkel, Merz oder Koch nicht zu Recht die Rechenspiele der Regierung?

WESTERWELLE: Die Union hat vor jeder Wahl das Hohelied der Steuersenkungen gesungen. Wenn Roland Koch sich jetzt zum Frontmann einer Verweigerungspolitik macht, ist das ein Wortbruch gegenüber seinen Wählern.

Frage: Ist die Rechnung der Regierung seriös?

WESTERWELLE: Entscheidend ist: Steuersenkungen schaffen gesündere Staatsfinanzen. Die Steuerschraube wurde so fest angezogen, dass das Konjunkturgewinde längst gebrochen ist. Sie muss gelockert werden, damit die Menschen wieder Lust auf Leistung haben und der Bürger wieder mehr in der Tasche hat. Das schafft Arbeitsplätze. Gerhard Stoltenberg und Otto Graf Lambsdorff haben Mitte der achtziger Jahre die Steuern um 60 Milliarden Mark gesenkt. Und daraufhin sind in den folgenden Jahren die Steuereinnahmen um über 115 Milliarden gestiegen.

Frage: Ist das auch so einfach für die Länder, in deren Haushalten es jetzt schon knirscht?

WESTERWELLE: Die müssen genauso an die Privatisierungspolitik ran, wie wir das auf Bundesebene schon vorgerechnet haben. Dass es auch bei den Ländern noch erheblichen Privatisierungsspielraum gibt, zeigt sich schon an der Zahl der Landesbanken.

Frage: Wittert die FDP nicht nur die Chance, sich wieder machtpolitisch ins Spiel zu bringen?

WESTERWELLE: Wir müssen uns nicht ins Spiel bringen, weil wir eine Schlüsselstellung im Bundesrat haben. Weder die SPD noch die Union hat ohne FDP-mitregierte Länder eine Mehrheit im Bundesrat. Wir werden sehr verantwortungsvoll damit umgehen, aus staatspolitischer Verantwortung. Wenn sich die Union aus einem Blockadereflex von Verhandlungen abmeldet, hat sie keine Möglichkeit, etwas zu verbessern. Und dass die Pläne von Herrn Schröder verbesserungswürdig sind, sage ich auch.

Frage: Was sind Ihre Bedingungen für die Unterstützung?

WESTERWELLE: Vor Gesprächen stellt man nie Bedingungen. Aber unsere Kernpunkte kann ich nennen. Wir wollen eine nachhaltige Steuersenkung, damit die Menschen am Ende wirklich mehr in der Tasche haben. Wir wollen das durch Bürokratieabbau, durch Privatisierungspolitik und mutige Subventionskürzungen finanzieren. Dann kann man es mit null Schulden hinbekommen. Was die Regierung bisher dazu sagt, ist nicht mutig genug.

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