08.09.2005FDP

WESTERWELLE-Interview für die "Saarbrücker Zeitung"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Spitzenkandidat für die Bundestagswahlen 2005 DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Saarbrücker Zeitung" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte PETER STEFAN HERBST:

Frage: Herr Westerwelle, wie sicher sind Sie, zusammen mit der Union die Wahl am 18. September gewinnen zu können?

WESTERWELLE: Sicher weiß man das erst am Sonntagabend, dem 18. September. Aber wir sind sehr optimistisch, daß Schwarz/Gelb die rot-grüne Koalition ablösen kann und daß wir damit vor allen Dingen auch eine linke Mehrheit im Deutschen Bundestag verhindern können. Aber gelaufen ist das Rennen noch nicht.

Frage: Sie kennen ja auch die aktuelle Forsa-Umfrage, danach reicht es nicht mehr für Schwarz-Gelb. Haben Sie keine Sorge, daß was Ähnliches passiert wie beim letzten Mal wie 2002, als Sie noch auf der Zielgeraden abgefangen wurden?

WESTERWELLE: Andere Umfragen, ebenfalls vom heutigen Tage besagen das glatte Gegenteil. Danach ist unverändert eine sehr stabile Mehrheit für den Wechsel und den Neuanfang durch Schwarz-Gelb vorhanden und die Meinungsumfragen wechseln sich ja mittlerweile nicht mal mehr täglich sondern stündlich ab. Das sind Momentaufnahmen, entscheidend ist das Wahlergebnis.

Frage: Im Fall eines Wahlsieges wollen Sie angeblich Justizminister werden, schreibt der "Stern". Verteilen Sie nicht das Fell des Bären, bevor er erlegt ist?

WESTERWELLE: Deswegen tun wir das auch nicht, was Sie in der Frage uns unterstellen. Ich habe gesagt, ich werde am kommenden Sonntag auf dem Bundesparteitag der FDP nicht nur die inhaltlichen Vorstellungen für den Politikwechsel, sondern auch die Persönlichkeiten konkretisieren, die für dieses Programm dann stehen werden. Und so wie Frau Kollegin Merkel als Parteivorsitzende der Union das selbstverständliche Recht hat, ein Kompetenzteam aufzustellen, so ist es auch mein unbestrittenes Recht als Parteivorsitzender ein Kompetenzteam für die FDP zu benennen.

Frage: Herr Westerwelle, warum reden Sie das Land schlecht? Sie erwecken in Ihren Reden oft den Eindruck, als stünde Deutschland am Abgrund. Das lockt Investoren nicht gerade an.

WESTERWELLE: Ganz im Gegenteil. Ich bin ein begeisterter Mitteleuropäer und - wie mir oft genug von der politischen Linken ja vorgeworfen wurde - ein deutscher Patriot. Aber weil ich eine tiefe innere Liebe zu den Menschen in Deutschland und auch, vor allen Dingen, eine Anerkennung der Leistungsfähigkeit unserer Deutschen im Herzen trage, bin ich dafür, daß wir besser regiert werden. Denn wenn Österreich und alle anderen europäischen Staaten an uns beim Wirtschaftswachstum mittlerweile vorbei rennen. Dann liegt das ja nicht an dem mangelnden Talent oder mangelnden Fleiß oder an der mangelnden Motivation der Deutschen, sondern an schlechten politischen Rahmenbedingungen, die geändert werden müssen.

Frage: Hauptstreitpunkt in diesem Wahlkampf ist zweifellos das Thema Steuern. Die FDP verspricht jedem Bürger, also auch Kindern, einen Grundfreibetrag von 7700 Euro pro Jahr. Ist wirklich die hohe Steuerlast das Problem, oder sind es nicht vielmehr die hohen Sozialabgaben?

WESTERWELLE: Es ist die hohe Steuerlast, es sind die Sozialabgaben und es ist besonders dramatisch die auswuchernde Bürokratie. Aber ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem ist die Mutter aller Reformen, weil dies die Voraussetzung für mehr Investitionen in Deutschland ist und damit auch für mehr Arbeitsplätze. Wenn wir mit dem Slogan werben "Steuern runter, Arbeit rauf", dann wegen der Erfahrungen in unseren europäischen Nachbarländern, die damit Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze in erheblichem Umfange schaffen konnten.

Frage: Die Diskussion rund um die Steuern wird ja beherrscht durch die Person Paul Kirchhof. Hand aufs Herz: Sind Sie glücklich über den "Professor aus Heidelberg", den designierten Finanzminister der Union?

WESTERWELLE: In der Steuerpolitik sehe ich in Herrn Kirchhof einen Verbündeten im Geiste. Aber ich muß nicht verschweigen, daß ich natürlich in der fachlichen Kompetenz vor allem auf unseren Finanzexperten Hermann Otto Solms setze. Denn der hat mit seinem Gesetzentwurf, der ein kompletter Neuanfang im komplizierten und ungerechten deutschen Steuerrecht ist, nicht nur Theorie, sondern auch Praxis bewiesen. Daß ich mit dem Frauen-, Familien- und Gesellschaftsbild Prof. Kirchhofs nicht konform gehe, muß ich ebenfalls nicht verschweigen.

Frage: Ist das eine gute Idee, einen politischen Seiteneinsteiger und Neuling wie Paul Kirchhof für das zweitwichtigste Amt in Deutschland zu nominieren?

WESTERWELLE: Wer welches Amt am Schluß haben wird, entscheidet sich in Koalitionsverhandlungen, wenn uns die Wähler einen Regierungsauftrag erteilt haben. Und so ist es auch bereits mehrfach von Angela Merkel selbst gesagt worden.

Frage: Das gravierendste Problem ist nach wie vor die hohe Arbeitslosigkeit. Würden Sie auch ein Versprechen machen wie weiland Gerhard Schröder, der gesagt hat, ich lasse mich daran messen, wie stark ich die Arbeitslosigkeit senken kann, ansonsten habe ich nicht das Recht, wieder gewählt zu werden.

WESTERWELLE: Nein, weil ich es für falsch halte, mit konkreten Zahlen Erwartungen zu wecken, die dann, wenn man sie nicht einhält, nur wieder zu weiteren Enttäuschungen führen. Ich sage deswegen auch, es ist falsch, wenn solche Zahlen in die Welt gesetzt werden. Wir sind in der Lage, die Arbeitslosigkeit in Deutschland mit der richtigen Politik und wachstumsorientierten Rahmenbedingungen insbesondere einer Förderung des Mittelstandes, deutlich zu reduzieren. Das sage ich in dem Bewußtsein, daß es unseren europäischen Nachbarn ja auch gelungen ist.

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