08.08.2006FDP

WESTERWELLE-Interview für die Münchener "tz" zum Kurs-Streit in der Union

Berlin. Der FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der Münchener "tz" (Mittwochs-Ausgabe, bitte bei Quellenhinweis beachten) das folgende Interview. Die Fragen stellte WALTHER SCHNEEWEISS:

Frage: Die Union streitet darüber, ob sie die Wirtschaft zu sehr bauchpinselt. Stirbt der FDP hier allmählich ihre Konkurrenz weg?

WESTERWELLE: Ich appelliere an die Union, ihre langfristige Mehrheits- und Regierungsfähigkeit nicht zu verspielen. Wir Liberale erleben tagtäglich, daß sich viele Bürger aus der Wirtschaft und vor allem aus dem Mittelstand von der Union ab- und uns zuwenden. Der Grund dafür ist eindeutig: Wenn die Union auf überflüssige Bürokratie setzt, beispielsweise durch das absurde Antidiskriminierungsgesetz, dann ist das gegen die ökonomische Vernunft und damit gegen neue Arbeitsplätze gerichtet.

Frage: Die Union hat Angst vor dem Etikett "kapitalistisch". Und Sie?

WESTERWELLE: Ich kämpfe für die Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft. Und ich habe keinerlei Angst vor Leistungsbereitschaft, Eigenverantwortung und Freiheit. Jeder Tag unter Schwarz-Rot zeigt doch, daß wir einen Politikwechsel brauchen. Denken Sie nur an den planwirtschaftlichen Murks in der Gesundheitspolitik. Der nötige Politikwechsel scheitert nicht an fehlenden Mehrheiten - die sind unverändert in Deutschland möglich. Die Union weiß nicht, was sie will, wohin sie will und zunehmend auch: mit wem sie es will.

Frage: Wie sozialdemokratisch ist die Union in der Großen Koalition geworden?

WESTERWELLE: Deutschland wird derzeit von zwei Parteien regiert, die beide über ihren eigenen Kurs keine Klarheit haben. Leider haben CDU und CSU in atemberaubendem Tempo vergessen, was sie 2005 dem Wähler versprochen haben. Die Union muß sich
endlich zwischen Herz-Jesu-Sozialismus und sozialer Marktwirtschaft entscheiden. Die Methode Blüm - umverteilen statt erwirtschaften - ist vor der Geschichte gescheitert.

Frage: Die Umfragewerte für die Liberalen sind gerade rekordverdächtig ­ aber mangels anstehender Wahlen gleichzeitig irrelevant. Wie wollen Sie dieses
Niveau angesichts eines vergeßlichen Wählers halten?

WESTERWELLE: Erstens stehen Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sowie Kommunalwahlen in Niedersachsen an. Die sind sehr relevant. In Berlin entscheidet sich, ob die SPD auf Rot-Rot-Grün setzt, also auf die Linksfront. Zweitens ist der Wähler nicht so vergeßlich, wie die Regierung hofft. Die Bürger wissen ganz genau, daß die SPD im Bund ihr Wahlversprechen gebrochen hat, einer Mehrwertsteuererhöhung nicht zuzustimmen. Die Bürger erinnern sich auch gut daran, daß die Union weniger Staat versprochen hat und heute auf mehr Schulden, mehr Abgaben, mehr Bürokratie und höhere Steuern setzt.

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